Unruhe bei der Partei der Humanisten. Vor einigen Tagen veröffentlichen wir ein Statement des ausgetretenen NRW-Landesvorsitzenden. Nun erklärte der Bundesvorstand den Ruhrbaronen ausführlich seine Sicht der Dinge.
Wie bewertet der Bundesvorstand den Rücktritt und Austritt der Vorstände?
Da nur wenige Tage zuvor der Schatzmeister des LV Hamburg aufgrund von organisatorischen und inhaltlichen Differenzen mit den anderen Landesvorständen nach nur zwei Monaten sein Amt niedergelegt hatte, galt ab diesem Zeitpunkt der Landesvorstand Hamburg gemäß §13 Abs. 4 der Landessatzung als nicht handlungsfähig und hätte einen außerordentlichen Landesparteitag einberufen und Neuwahlen ansetzen müssen. Dem Rücktritt und Austritt vorausgegangen war eine schriftliche Aufforderung des Bundesvorstandes vom 17.09.2018 an den Landesvorstand, die Handlungsfähigkeit festzustellen.
Differenzen zwischen den Hamburger Führungspersonen und der Partei sowie nun insgesamt zwei Bundesvorständen waren ebenfalls seit langem bekannt, z.B. bei der Bewertung von und dem Umgang mit linksextremistischen Organisationen.
Unmittelbar nach dem Rücktritt des Landesvorstandes am 22.09.2018 trat der Bundesvorstand zu einer Sondersitzung zusammen, um die weitere satzungsgemäße Vorgehensweise zu beschließen. Felix Bölter wurde als Interims-Leiter des Landesverbandes eingesetzt, um die Weiterführung der Geschäfte sicherzustellen.
Momentan stehen wir im Kontakt mit den Mitgliedern und dem zurückgetretenen Schatzmeister des Landesverbandes Hamburg und planen mit diesen eine Reihe von Mitgliedertreffen in Hamburg. Auf diesen möchten wir mit den Mitgliedern das weitere Vorgehen besprechen und planen. Unser Ziel ist die Neubesetzung des Landesvorstandes und die ordnungsgemäße Übergabe der Geschäfte des LV HH an diesen.
Um wieviele Personen geht es?
Insgesamt sind 11 Personen aus der Partei ausgetreten. Davon 3 Landesvorstände und 7 Mitglieder aus Hamburg sowie der Landesvorsitzende des LV NRW, der seinen Rücktritt bereits vor einigen Monaten angekündigt hatte.
Ein Ex-NRW-Vorstand macht dem Bundesvorstand in einem Statement einige Vorwürfe. Möchten Sie generell Stellung hierzu beziehen?
Der Ex-NRW-Vorsitzende Philipp Grunwald hatte seinen geplanten Rück- und Austritt seit Monaten offen kommuniziert. Nach der Bundestagswahl 2017 sank seine Motivation und Beteiligung in der Partei stetig. Seit etwa einem halben Jahr kam er seinen Pflichten als Landesvorsitzender nicht mehr nach. Zuletzt blieb er auch den Sitzungen des Landesvorstands fern. Die dadurch entstandene Lücke in der Parteiorganisation wurde von seinen Landesvorstandskollegen kompensiert. Philipp hatte persönlich starke Probleme mit einigen Bundesvorstandsmitgliedern. Diese werden wir nicht näher kommentieren.
Wie stehen Sie zur Abgrenzung gegenüber der AfD? Ist eine Zusammenarbeit mit der AfD bei Sachthemen denkbar?
Als liberale, progressive Partei haben wir schon in unserer Grundausrichtung keine Überschneidung mit der AfD. Im Gegenteil: Wir grenzen uns durch unsere Kernprogrammatik scharf von der AfD ab, die in so ziemlich allen Bereichen entgegengesetzt zu unseren politischen Zielen und Forderungen steht. Aus diesem Grund führen wir sie ebenfalls auf unserer Unvereinbarkeitsliste der Mitgliedschaft. Humanismus und Rechtspopulismus und Nationalkonservatismus schließen sich gegenseitig aus.
Wie stehen Sie zur Abgrenzung gegenüber der sog. „Antifa“? Ist eine Zusammenarbeit mit der Antifa bei Sachthemen denkbar?
Die “Antifa” ist im Gegensatz zur AfD keine Partei, sondern ein loses und teils sehr diverses, aber aus unserer Sicht höchst problematisches Aktivistenbündnis. Mit der Antifa assoziierte Menschen fallen in der Öffentlichkeit häufig mit der Ablehnung der sozialen Marktwirtschaft und der liberalen Demokratie auf, schrecken nicht vor Gewaltanwendungen gegen Unternehmen oder Polizisten zurück und beziehen sich oft positiv auf den Kommunismus. Als Partei der offenen Gesellschaft ist eine Zusammenarbeit mit der “Antifa” für uns ausgeschlossen.
Für die Teilnahme an Demonstrationen haben wir eindeutige Kooperationsrichtlinien erlassen, die die Zusammenarbeit mit extremistischen Gruppen grundsätzlich ausschließen. Die Anwesenheit einzelner extremistischer Akteure auf einer Demonstration verhindert jedoch nicht eine Teilnahme unserer Partei an dieser. Dazu haben wir in Absprache mit unseren Landesverbänden eine Verhältnisregelung getroffen. In Bremen wurden Mitglieder unserer Partei allerdings erst jüngst auf einer Demo gegen Kohlestrom feindlich von Antifa-nahen Menschen angegangen.
Wie stehen Sie zur Frage der Islamophobie?
Wir positionieren uns gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und totalitäre Ideologien. Wir lehnen somit sowohl Muslimenhass als auch den politischen Islam ab.
Hervorzuheben ist, dass wir uns im Gegensatz zu anderen Parteien des linken Spektrums auch bei dem für uns wichtigen Schwerpunkt der Trennung von Staat und Religion trauen, nicht nur die christlichen Kirchen, sondern auch Islamverbände und andere religiös-motivierten politischen Kräfte zu kritisieren. Dieses geschieht bei uns aus einer liberalen Perspektive. Deswegen arbeiten wir auch mit Personen des liberalen Islam wie dem Islamwissenschaftler Dr. Abdel-Hakim Ourghi zusammen. Wir treten für eine wirklich säkulare Politik ein.
Unser Ziel ist es, die Religionsfreiheit – also sowohl die Freiheit von als auch die Freiheit zu Religion – auszubauen und zu wahren. Eine konsequente Gleichberechtigung der Religionen kann es nur bei konsequenter Gleichbehandlung durch eine religiös-neutrale Politik geben.
Wie soll es in den betroffenen Landesverbänden nun weiter gehen?
Der Bundesvorstand hat direkt nach Bekanntgabe der Rücktritte der drei Landesvorstände in Hamburg eine Sondersitzung einberufen und das Mitglied des Bundesvorstands Felix Bölter als kommissarischen Landesvorsitzenden für Hamburg eingesetzt, wie es unsere Satzung vorsieht. Wir befinden uns in konstruktiven Gesprächen mit den Hamburger Mitgliedern, die hoch motiviert sind, den Landesverband weiter mit Leben zu füllen und auf- und auszubauen. Unser Ziel ist die Neubesetzung des Landesvorstandes und die Übergabe der Geschäfte des LV HH an diesen. Bis dahin wird der Bundesvorstand die Geschäfte ordnungsgemäß weiterführen.
In NRW hat der stellvertretende Landesvorsitzende Hans Ajiet Holtkamp die Aufgaben des ausgeschiedenen Landesvorsitzenden Philipp Grunwald übernommen. Dieser war seit über einem halben Jahr beinahe nicht mehr in der Parteiarbeit aktiv und ist auch seinen Pflichten nicht mehr nachgekommen. Seine Landesvorstandskollegen hatten diesen Ausfall bereits eigenständig kompensiert. Darüber hinaus läuft das Tagesgeschäft unverändert weiter.
Vielen Dank.
Ist immer schön zu sehen, dass die Ruhrbarone auch ein Herz für Splitterparteien haben. Bei 703 Mitgliedern und Wahlergebnissen von etwa 0 – 0,1% ist es eine bedeutende Kraft im deutschen Parteiengeflecht.
Das ganze Prozedere erinnert doch an Monty Python und deren "Judäischen Volksfront vs. Volksfront von Judäa" …
Gibt es keine anderen Themen mehr, die hier besprochen werden könnten?
@1
es gibt immer andere Themen. Milliarden und Abermilliarden. Deine Frage ist trivial.
Aber wenn du was hast, was du uns als Gastbeitrag anbieten möchtest: Mail genügt. Wir schauen dann.
Also ich finde den Artikel wegen seiner unfreiwilligen Komik sehr erheiternd.
Ich finde es im Gegensatz dazu super, wenn die Barone den Humanist*innen eine Plattform bieten, die grösser ist als deren eigene.
Ich als Langzeitlinker, der aufgrund der allg. politischen Lage und der absolut desolaten Debattenkultur in der (post)modernen Linken notgedrungen nun die Lindnerpartei gewählt hat, wünsche mir seit langem eine neue politische Heimat. Viele #linksflüchtige Altlinke tun das auch. Die Humanist*innen könnten das werden, alleine, ich traue mich nicht eine Splitterpartei zu wählen. Das Problem vieler Splitterparteien, denke ich mal.
Ich weiss nicht, wie Splitterparteien den Wendepunkt zur grösseren Bewegung erreichen. Aber das hier hilft schon mal.
Leider – das kann man auch manchmal in den lebhaften Diskussionen auf der Facebookseite der Partei beobachten – gibt es öfter Streit darüber, wie (oder gar ob) sich die Humanist*innen zu extremistischen Positionen abgrenzen sollten. Reizthemen sind – wie so oft – die Migrationspolitik, aber auch Feminismus und Energiepolitik. Ich wünsche mir, daß die Humanist*innen diese – wohl ebenfalls Kleinpartei-typischen – Streitereien hinter sich lassen.
@ nouse Man kann ja als antikommunistischer Linker angesichts des Zustandes der politischen Linken hierzulande schon auf absonderliche Ideen kommen, aber die Lindenerpartei wählen? Nööö, dann doch lieber ´ne Klinikpackung Antidepressiva einwerfen. Oder DIE PARTEI wählen!!!