Bundeswehr kann keinen Krieg

Der Luftangriff vom 4. September in Afghanistan auf zwei Tanklastwagen kann nur eine Konsequenz haben: Die Bundeswehr muss sofort abziehen. Durch den Untersuchungsbericht der Nato zu dem Luftangriff vom 4. September in Nordafghanistan fühlt sich die Bundeswehr jedoch entlastet. Ein Bundeswehroberst in Kunduz hatte die US Air Force gebeten, zwei von den Taliban gekaperte Tanklastwagen zu bombardieren, die aber in einem Flussbett feststeckten. Der Luftangriff könnte zwischen 17 und 142 Tode und Verletzte gefordert haben. Der Angriff wurde heftig kritisiert. Generalinspekteur der Bundeswehr General Wolfgang Schneiderhan verteidigt den Luftangriff: „Das führte nach meiner Bewertung zu der richtigen Lagebeurteilung, dass der Luftangriff zum damaligen Zeitpunkt militärisch angemessen war.“ General Schneiderhan hätte vielleicht recht, wenn von den Tanklastwagen eine unmittelbare Gefahr ausgegangen wäre. Aber das war wohl nicht der Fall.

Tanklastwagen, die in einem Flussbett stecken geblieben sind, stecken meist für viele Stunde fest. Sie können nicht plötzlich verschwinden oder gar in fahrende Bombe verwandelt werden. Von ihnen geht erstmal keinerlei Gefahr aus.  Das bleibt  auch so, selbst wenn die Tanklaster in einem afghanischen Flussbett stehen und Taliban sie gekapert haben. Bleibt in Afghanistan ein Tanklastwagen in einem Flussbett liegen, ereignet sich aber höchst wahrscheinlich folgendes Szenario: Die Bewohner aus den naheliegenden Dörfern ergreifen Eimer oder Kanister und rennen zum Fluss.

In den meisten Fällen pumpt der Fahrer des Tanklasters Benzin ab, um dessen Gewicht  zu verringern. Die Dörfler erhoffen sich einen Eimer Gratisbenzin. Auch ohne Luftaufklärung und Nachtsichtgeräte sollte ein Offizier der Bundeswehr in Afghanistan zu mindestens ahnen, dass viele Menschen mit Eimern und Kanistern einen solchen Tanklastwagen umringen.

Warum also ließ der Bundeswehroberst die Tanklastwagen bombardieren? Die Tanklastwagen waren doch geortet und steckten zudem noch fest. Die Bundeswehr hätte also die Möglichkeit gehabt, aus dem Lager am Flughafen in Kunduz auszurücken und die Tanklastwagen im Flussbett den Taliban wieder abzujagen. Das Feldlager der Bundeswehr am Flughafen von Kunduz lag doch ganz in der Nähe der Flussbiegung, wo die Tanklaster feststeckten. Hier ein Lageplan dazu.  Das wäre militärisch angemessen gewesen. Aber warum ist das nicht passiert?

Dafür kann es folgende Gründe geben.

I. Die Bundeswehr ist schlicht nicht dafür ausgebildet, nachts in Afghanistan auszurücken, um zwei Tanklastwagen, die im Flussbett stecken, zu sichern.

II. Das Leben der Soldaten sollte bei einem nächtlichen Einsatz nicht riskiert werden.

Stimmt auch nur einer dieser Gründe, dann wäre es besser für die Bundeswehr, Afghanistan sofort zu verlassen. Man kann nicht Kriegspartei in einem Konflikt sein, und nicht kämpfen wollen oder können. Als ich 2006 in Kunduz den damaligen Befehlshaber der Bundeswehr fragte, was dessen wichtigste Aufgabe sei, sagte dieser, die Sicherheit seiner Soldaten zu garantieren. Ich finde diese Aussage ehrenwert. Aber könnte die Bundeswehr diese Aufgabe in der Lüneburger Heide nicht viel besser erfüllen?

Vielleicht sollten wir sogar stolz darauf sein, dass die Bundeswehr keinen Krieg kann. Aber dann ist Afghanistan für die Bundeswehr nicht der richtige Platz, und das ganz davon unabhängig, wie man das militärische Engagement der Nato in Afghanistan bewertet. Denn der ausschließliche Schutzgedanke gegenüber den eigenen Soldaten kann in einem Krieg in Afghanistan mehr Leid verursachen. Er verführt dazu, dass bei einer Einsatzentscheidung die möglichen Opfer unter der afghanischen Zivilbevölkerung geringer bewerten werden als die unter den eigenen Soldaten. Und ich befürchte, dass genau dies der Grund für die Bombardierung der Tanklastwagen am 4. September war. 

 

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Andi
Andi
15 Jahre zuvor

„General Schneider“? Mein Deutschlehrer sagte früher immer, wenn jemand noch nicht mal die Namen der Protagonisten richtig abschreiben kann, braucht man den Rest seines Geschreibsels erst gar nicht zu lesen…

Pat Boone
Pat Boone
15 Jahre zuvor

Kräht der Hahn früh am Tage,
kräht laut, kräht weit… 😉

Stinger
Stinger
15 Jahre zuvor

Anscheinend wird „Richtig Krieg machen“ hier mit „Richtig Risiko eingehen und maximale eigene Verluste in Kauf nehmen“ gleich gesetzt. Was ja zumindest in der ersten Hälfte des 20. Jahrunderts auch anscheinend das Motto der deutschen Generalität war und -Gott-sei-dank- grundlich schief ging.
Irgendwie habe ich zu diesem Thema hier bei den Baronen leider noch keinen sachlichen Artikel lesen können. Nur Polemik, Polemik und Populismus. Schade!

Puck
Puck
15 Jahre zuvor

Ich schicke mal voraus, daß ich dem Einsatz sehr kritisch, aber nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber stehe.

Vielleicht gab es für das Verhalten des Oberst noch einen dritten Grund:
Hätte er versucht, die beiden Tanklaster mit Bodentruppen zurück zu bekommen und ein deutscher Soldat hätte dabei womöglich einen Afghanen ERSCHOSSEN, hätte womöglich einen Zivilisten getroffen! der Aufschrei wäre noch größer gewesen. Also ist es einfacher, die Amis machen zu lassen, auf die kan mans im Zweifel dann abwälzen, mag er gedacht haben.

Der Fehler von Anfang an war meiner Meinung nach, den Einsatz a) als Entwicklungshilfe zu verharmlosen und b) nicht richtig zu erkären, worum es eigentlich geht.
Der Satz „Die Freiheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt“, reicht da leider nicht aus, auch wenn der Herr Minister (oder sein Redenschreiber) an diesem zweifellos knackigen Satz bestimmt stundenlang gefeilt haben…

So ist erst gar keine echte Diskussion über den Einsatz aufgekommen, bzw. bis heute knallen sich Befürworter und Gegner irgendwelche Schlagworte an den Kopf.
Weder die Sprechblasen der Politiker noch die reflexartigen Abwehrbewegungen der Gegner des Einsatztes (Nie wieder Krieg! Soldaten sind Mörder! Krieg löst sowieso keine Probleme! Gerade wir Deutschen mit unserer Geschichte sollten…)
Die Fragen sollten doch eher lauten:
Welche GEfahr geht von dem Konfliktherd aus?
Was können wir maximal erreichen?
Wie sollte das Mindestergebnis sein?
Was sind wir bereit einzusetzen? Welche Risiken wollen/müssen wir eingehen?
Welche Risiken gehen wir ein, wenn wir uns raushalten und statt dessen wie früher darauf beschränken, Schecks zu schicken.

Und auf diese Fragen sollte ehrlich geantwortet werden, ohne auf lieb gewordene Gewißheiten wie die von der deutschen „Sonderrolle“ zurück zu greifen.

Vielleicht könnte man dann auch offener über Einsatzfehlern reden, ohne daß die unbedingten Friedensfreunde gleich: SIEHSTE! schreien und die Bundeswehr mauert.

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