BVB in der Sackgasse: Unerfahrenheit auf allen Ebenen

Lars Ricken in Dortmund. Archiv-Foto: BVB

Borussia Dortmund steckt in der wohl größten Krise des Vereins seit rund 20 Jahren. Nach der Entlassung von Trainer Nuri Sahin, dessen Beförderung vom Assistenztrainer zum Chef auf der Bank im vergangenen Juni von Anfang an aufgrund seiner Unerfahrenheit in dieser Position als ein hohes Risiko galt, strahlt der Verein ein großes Durcheinander aus. Die Suche nach einem Nachfolger für Sahin läuft, erste Gerüchte schießen ins Kraut. Diverse Medien berichten bereits von internem Streit, einem großen Scherbenhaufen an der Strobelallee und der Notwendigkeit den Verein von Grund auf umzukrempeln.

Das Problem dabei: Auch die verbliebenen Führungskräfte im Klub, namentlich Sportgeschäftsführer Lars Ricken und Sportdirektor Sebastian Kehl, verfügen in ihrem aktuellen Job auf dieser Ebene kaum über nennenswerte Erfahrungen. Ihnen ist gemeinsam, dass sie wie der beurlaubte Coach Sahin als Anfänger auf ihrer jeweiligen Position bei den Schwarzgelben ins Amt kamen und bisher Schwierigkeiten hatten, den Anforderungen eines europäischen Spitzenvereins gerecht zu werden.

Jetzt zeigt sich: Der BVB hat in den vergangenen Jahren viel zu stark auf interne Lösungen gesetzt, externe Erfahrungen und neuen Input vernachlässigt. Die Strategie, entscheidende Ämter mit unerfahrenen Vereinsinsidern zu besetzen, ist gescheitert.

Ein Szenario wie beim FC Schalke 04, der seit seiner Vizemeisterschaft im Jahr 2018 und dem Abgang diverser Führungskräfte wie etwa Clemens Tönnies einen dramatischen Absturz erlebte, scheint für diesen BVB nicht mehr völlig undenkbar. Der Abwärtstrend in Dortmund könnte ähnliche Züge annehmen, selbst wenn ein Abstieg in die Zweitklassigkeit, wie ihn die Königsblauen in den vergangenen fünf Jahren schon zweimal hinnehmen mussten, in der nächsten Zeit für die Borussia unwahrscheinlich bleibt. Gewisse Parallelen sind jedoch nicht von der Hand zu weisen.

Mit der Weitergabe der Chefposition von Aki Watzke an Lars Ricken, der zuvor nur das Nachwuchsleistungszentrum geleitet hatte, ging der BVB ein großes Risiko ein. Nach seiner Übernahme als Geschäftsführer Sport bemängelten viele bei Ricken die fehlende Ausstrahlung und Führungsstärke, die einst Watzke auszeichnete. Watzke selber ist zwar noch mit dabei, hält sich aus dem Tagesgeschäft in der Öffentlichkeit aber auffällig zurück. Auch das ist nicht gerade eine Ideallösung und auch kein Vertrauensbeweis für die neue Führung…

Auch die Entscheidung, Sebastian Kehl als Nachfolger des erfahrenen Managers Michael Zorc einzusetzen, wurde von Beginn an kritisch betrachtet. Kehl, der seine Einarbeitung in enger Zusammenarbeit mit Zorc absolvierte, übernahm als relativer Neuling die Verantwortung für die Kaderplanung. Trotz seiner durchwachsenen Leistungen in dieser Funktion wurde sein Vertrag vor wenigen Wochen verlängert. Einen nachvollziehbaren Grund konnten Außenstehende für diesen Vertrauensbeweis nicht erkennen.

Entscheidungen, die sich nun allesamt rächen. Ein unerfahrener Sportgeschäftsführer muss zusammen mit einem in die Kritik geratenen und ebenfalls auf dieser Ebene unerfahrenen Sportdirektor die Scherben der aktuellen Krise einsammeln und eine Rückkehr zum sportlichen Erfolg sicherstellen, nachdem die Entscheidung dieser beiden für Sahin im vergangenen Sommer aufgrund dessen mangelnder Erfahrung innerhalb von nur knapp sechs Monaten krachend gescheitert ist. Ein derart selbstverschuldeter Absturz eines Spitzenklubs ist im Profisport selten und erinnert fast automatisch an die Geschehnisse auf Schalke zuletzt.

Der BVB zahlt jetzt den hohen Preis für die naiven und allzu bequemen Entscheidungen der vergangenen Jahre. Der endgültige Ausgang dieser aktuellen Turbulenzen bleibt ungewiss…

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vormals SvG
vormals SvG
3 Stunden zuvor

@ Autor: „…selbst wenn ein Abstieg in die Zweitklassigkeit, wie ihn die Königsblauen in den vergangenen fünf Jahren schon zweimal hinnehmen mussten, in der nächsten Zeit für die Borussia unwahrscheinlich bleibt.“
Kaiserslautern, Alemannia Aachen, Köln, RWE, MSV, HSV, …
Alles s.g. Traditionsvereine, von denen auch niemand glaubte, daß sie dauerhaft je in der zweiten, dritten, teils auch vierten Liga verbleiben würden. Allen gemeinsam ist der zweifelhafte Umgang mit Geld. Die grundsätzliche Unkenntnis vom Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben.
S 04 ist mE auch- neben der operettenhaften Vereinsstruktur- und Führung – an den zu hohen Ausgaben für teils drei bis vier ehemalige Trainer in eine Abwärtsspirale geraten. Wenn der Saldo auf Dauer negativ ist, wird es halt schwierig. Das gleiche kann in Dortmund geschehen, wenn demnächst Kehl uA gehen müssen oder qualifiziertes Personal an die Seite bekommen.

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