Die Legalisierung von Cannabis, wie Anfang des Jahres im US-Bundesstaat Colorado, macht eine Gesellschaft nicht automatisch liberaler, findet Sean Collins. Der Zeitgeist ist paternalistisch, und wer bei diesem Thema „Legalize it“ ruft, befürwortet bei anderen Themen oft Verbote. Von unserem Gastautor Sean Collins.
Anfang letzten Jahres hat Colorado als erster US-Bundesstaat den Verkauf von Haschisch und Marihuana legalisiert. Das ist recht bemerkenswert, wenn man sich vor Augen führt, dass seit dem frühen 17. Jahrhundert Verkaufsbeschränkungen für diese Droge bestanden haben und in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts spezifische Verbote eingeführt wurden. Selbst der mit der Hippie-Ära der 1960er Jahre zunehmende Gras-Konsum der urbanen Mittelklasse hatte – bis heute – nicht für die Aufhebung der entsprechenden Gesetze ausgereicht.
Vor gar nicht allzu langer Zeit hatte man das Thema Cannabis-Legalisierung noch nicht auf dem landesweiten politischen Radar. Heute wird plötzlich prophezeit, es werde sich von Colorado aus über das ganze Land verbreiten und dabei ein riesiges „Neu-Amsterdam“ erschaffen (wobei die Regelung in Colorado erheblich liberaler ist als die in Amsterdam). [1]
Die US-Medien berichteten in ihrer überwiegenden Mehrheit positiv über die Eröffnung von Cannabis-Läden in Colorado, wobei die Fernseh-Reporter sich eines augenzwinkernden Tones nach dem Motto „Wow, kaum zu fassen“ befleißigten, wenn sie Gras-Käufer interviewten. CNN vertiefte sich gar in die feineren Details für potentielle Hanfgourmets [2], und stellte von all den Sorten, die die Händler in ihren Läden feilbieten, den „Merlot des Grases“ besonders heraus. Die Resonanz scheint nahezulegen, dass sich mehr geändert hat als nur ein Gesetz: Der Cannabiskonsum erlebt nicht nur das Ende seiner gesellschaftlichen Stigmatisierung, er wird sogar gefeiert. Auch außerhalb von Colorado behaupten manche, die Legalisierung von Cannabis – in Verbindung mit der in einigen Bundesstaaten eingeführten Homoehe und diversen anderer Veränderungen der letzten Zeit – zeige, dass sich ein neues „sozial-liberales“ [3] oder „libertäres“ [4] Amerika abzeichnet.
Wahrscheinlich erwartet man jetzt von mir als einem grundsätzlichen Befürworter der Cannabis-Legalisierung, dass ich die Entscheidung in Colorado als einen großen Schritt nach vorn bejuble. Das werde ich jedoch nicht tun. Ich kann den Schritt zur Drogenlegalisierung nicht begrüßen, wenn er nichts mit einer Ausweitung der persönlichen Freiheiten und einer Verbesserung der Gesellschaft zu tun hat. Denn diejenigen, die jetzt der Cannabis-Legalisierung zujubeln und den Anbruch eines „liberalen“ oder „libertären“ Amerika feiern, sind zugleich auch oft diejenigen, die das Land in anderen Lebensbereichen in eine zunehmend restriktive und illiberale Richtung führen.
Schon früher hatten politische Kommentatoren das Colorado-Experiment in einer Weise diskutiert, die vermuten ließ, die Gras-Freigabe werde keineswegs der Wegbereiter für mehr Toleranz und allseitiges Verständnis sein. Jedenfalls stößt die Idee der Legalisierung auf eine recht breite Unterstützung.
Das grundlegendste Pro-Argument blieb dabei jedoch gemeinhin außer Acht: die persönliche Freiheit. Kaum jemand sagte, die Menschen sollten selbst entscheiden können, ob sie Cannabis konsumieren wollen oder nicht; und die mit dem staatlichen Paternalismus verbundenen Probleme wurden genauso wenig thematisiert.
Die Diskussion drehte sich weniger um das Für und Wider der Legalisierung an sich, sondern eher um die Frage, warum Cannabisprodukte selbst etwas Positives seien. Die Verfechter der Legalisierung betonen die vermeintlich vorteilhaften Aspekte des Stoffes, der etwa die Kreativität fördere, Stress abbaue und auch in der Medizin von potentiellem Nutzen sei. Die Aussage des US-Fernsehmoderators Joe Scarborough, Pot mache „einfach nur blöd“, führte daher zu heftiger Entrüstung – denn sie äußerte Zweifel an der neuerdings beliebten These, der zufolge Cannabis an sich etwas Gutes ist. Dass Scarborough sich über die Vorzüge der Legalisierung selbst gar nicht geäußert hatte, wurde dabei weitgehend übersehen.
Die Befürworter einer Legalisierung vergleichen Cannabis häufig mit Alkohol. Einerseits wollen sie damit die widersprüchliche Behandlung zweier Produkte verdeutlichen (Gras verboten, Alkohol erlaubt), die man sonst in vielerlei Hinsicht als ähnlich betrachtet. Andererseits wird dieses Argument mittlerweile auch oft gegen diejenigen ins Feld geführt, die Alkohol bevorzugen. Man verkündet uns, Marihuana sei viel weniger schädlich als Alkohol [5] oder ungefährlicher als ein starker Alkoholrausch, da es den Gewaltinstinkt neutralisiere. [6] Aber das sind nur die Vorurteile der Pro-Cannabis-Clique, mit denen sich die potrauchende obere Mittelklasse über die alkoholtrinkende Arbeiterklasse erheben will. Frei nach dem Motto: Unser Land wäre doch ein viel besserer Ort, wenn die jungen Leute in der Provinz auch auf Gras umsteigen würden, um mal ordentlich zu chillen!
Entscheidend ist: Viele Linke befürworten die Liberalisierung schlicht deshalb, weil sie selbst eine positive Einstellung zu Cannabis haben. Ich habe kein Problem mit gelegentlichem Grasrauchen, aber darin sehe ich noch keine Äußerung von Toleranz und liberaler Gesinnung. Den Befürwortern geht es letztlich nur darum, die Vorlieben der jeweils eigenen Gruppe von der Gesellschaft und der Gesetzgebung anerkannt zu sehen. Das ist damit vergleichbar, wenn Linke behaupten, die Meinungsfreiheit sei nie größer gewesen als heute, obwohl Personen des öffentlichen Interesses mit politisch unkorrektem Sprachgebrauch und Leute mit negativer Einstellung zur Homosexualität das durchaus anders sehen dürften.
Darüber hinaus ist die Annahme, die USA würden „libertär“, ein Mythos. Die Einschränkungen beim persönlichen Verhalten nehmen zu, nicht ab. Colorado mag Marihuana legalisieren, aber zugleich verbieten Städte ohne jeden vernünftigen Grund die E-Zigarette. [7] Das neue „liberale“ Amerika findet Marihuanarauchen cool, verteufelt aber zugleich alle, die bei McDonalds Hamburger essen oder große Limos trinken. Wer beim Cannabis als großer Freiheitskämpfer auftritt, ist andererseits oft auch in vorderster Front dabei, wenn es um Verbote, Beschränkungen und pädagogisierende Schubserei (engl. nudging) bei Tabak, Limonade und Schulspeisung geht. Wenn New York Times-Kolumnist David Brooks für einen Regierungs-Schubser gegen den Marihuana-Gebrauch argumentiert („in einer gesunden Gesellschaft wirkt die Regierung in subtiler Weise auf eine maßvolles, umsichtiges und selbstbeherrschtes Bürgertum hin“) [8], dann ist er damit konsequenter als seine Kritiker, die in vielen Bereichen staatliche Einschränkungen fordern, nur beim Cannabis nicht.
Unter den heutigen Umständen birgt die Legalisierung von Cannabis das Risiko eines übermäßigen Konsums, vor allem bei jungen Leuten. Die Gegner der Legalisierung sorgen sich hier durchaus zu Recht, und die Befürworter wollen das offenbar nicht zugeben, damit ihre Sache keinen Schaden nimmt. Man sollte nicht so tun, als sei die Legalisierung nichts als eine große Party. Aber entscheidend ist letztlich, dass das Risiko einer Verschärfung sozialer Probleme noch keine Prohibition von Staats wegen rechtfertigt. Verbote von Regierungsseite stellen nicht nur einen Eingriff in die individuelle Freiheit dar, sie hindern die Menschen auch daran, selbstverantwortlich für sich und andere das Richtige zu tun. Brooks mag sich eine Regierung wünschen, die eine positive „moralische Ökologie“ schafft, doch wenn der Staat uns unser Recht auf eigene Entscheidungen verweigert, sind wir keine moralischen Handlungssubjekte mehr.
Ich würde liebend gerne einen Sieg des „libertären Amerikas“ feiern, aber meine Champagnerflaschen (und andere Substanzen) bleiben auf Eis, bis wir uns von all den Einschränkungen, Verboten und Schubsern wieder befreit haben, die neuerdings überall gedeihen, ohne dass jemand dagegen protestiert. Und das wird dann der Fall sein, wenn wir die Einstellung überwunden haben, die fordert: „Freiheit für mich – aber nicht für dich“.
Crosspost: Der Artikel erschien bereits auf Novo Argumente
Anmerkungen
1Huffingtonpost: „Colorado Is ‚New Amsterdam‘: State’s Historic Marijuana Laws Compared To Netherlands’ Long-Fabled Pot Laws“, online 19.02.2014.
2Art Way: „A trail-blazing act: Buying pot at a store“, CNN, online 19.02.2014.
3Caira Conner: „Legalize Marijuana and Gay Marriage: How 2012 Election Showed a Socially Liberal America“, PolicyMic online 19.02.2014.
4Michael Barone: „A libertarian turn on social issues“, Washington Examiner online 19.02.2014.
5The Dish: „Marijuana and Moralism“, online 19.02.2014.
6David Weigel: „Ruth Marcus, David Brooks, and Reefer Madness“, Slate online 19.02.2014.
7The American Situation: „No tobacco, no matter: major U.S. cities proposing bans on e-cigarettes“, online 19.02.2014.
8David Brooks: „Weed: Been There. Done That“, The New York Times online 19.02.2014.
Dieser Artikel ist mir dazu in bleibender Erinnerung geblieben…. nix mit „land of the free“
http://www.welt.de/politik/ausland/article136921336/Die-hysterische-Kultur-des-Nanny-Staats-USA.html
Danke für den Einblick! Mittlerweile sollte eine ausreichende Anzahl solcher Berichte vorliegen, damit eigentlich Jeder erkennt, was uns seitens der Grünen hierzulande noch so alles droht – und dass der fast militaristische Eifer gegen das Rauchen wirklich nur der harmlose Anfang war.
„Ich kann den Schritt zur Drogenlegalisierung nicht begrüßen, wenn er nichts mit einer Ausweitung der persönlichen Freiheiten und einer Verbesserung der Gesellschaft zu tun hat.“
Ach…
Die Freigabe von Gras macht nicht automatisch die Menschen klüger und die Welt besser?
Am Ende nutzen die heilige Pflanze noch Leute, die ich nicht leiden kann als Genussmittel?
Erschreckend: Graskonsumenten und Befürworter der Legalisierung kommen nicht mehr nur aus dem „linken“ Spektrum – nein, es droht allgemein gesellschaftlich akzeptiert zu werden?
Die Frage kommt aus ihrer ideologischen Nische heraus und wird gar pragmatisch untersucht und gelöst?
Dann lassen wir das lieber.
Entweder alles oder nichts.
[…] bei anderen Themen oft Verbote”, mahnt der amerikanische Autor Sean Collins auf dem Blog “ruhrbarone”. Obwohl er ein grundsätzlicher Befürworter sei, habe er die Legalisierung in einigen […]
Wer eine negative Einstellung zur Homosexualität hat, sollte es zu ertragen wissen, dass andere Menschen dies als negativ beurteilen. Das kann ich jetzt nicht als Einschränkung der Meinungsfreiheit sehen.
#2 Klaus Lohmann
„… und dass der fast militaristische Eifer gegen das Rauchen wirklich nur der harmlose Anfang war.“
Natürlich ist das nur der Anfang – auf der Weltkonferenz „Tabak oder Gesundheit“ wurde in dieser Woche der neue Tabak Atlas von der World Lung Foundation und der American Cancer Society vorgestellt.
Ein Bild auf Seite 80 zeigt, wie man hofft, die Methoden der Tabakkontrolle (Einheitsverpackungen) auch auf andere Gebiete der Gesundheitsumerziehung anwenden zu können (man hätte gerne Einheitsverpackungen auch für Fast-Food, Alkohol und Cola):
http://velvetgloveironfist.blogspot.de/2015/03/slippery-slope-nah.html
Das Dammbruchargument wurde stets als unwahr zurückgewiesen – nun fordern die Gesundheitsfetischisten selbst die Ausweitung der Maßnahmen auch auf andere „ungesunde“ Produkte….
@5: Wäre interessant mit welchen Argumenten man denn die Regulation auf dem Tabakmarkt auf andere Gebiete ausweiten will.
Bei Zigaretten ist eine gesundheitliche Gefährdung ja deutlich erkennbar (und jeder weiß es und sollte selber entscheiden, ob ihm der Konsum wichtiger wäre)
Sämtliche Lebensmittel-Gebiete sind ja nicht gesundheitsschädlich. Weder fettige Pommes noch süße Cola noch Alkohol sind ungesund und weder Obst noch Gemüse sind gesund. Es gibt ja keine gesunden und ungesunden Lebensmittel, allenfalls gesunde und ungesunde Ernährungsweisen. Und wie solche Ernährungsweisen aussehen, wissen wir bis heute nicht, da die Ernährungswissenschaften bisher vom Scheitern geprägt sind, in der jeden Monat ne neue Sau durchs Dorf getrieben wird. Man kanns ja nachvollziehen, weil es sehr schwer ist, Studien durchzuführen, die andere Einflüssen ausschließen können…
ich würd in meiner Naivität ja vermuten, dass man auf wissenschaftlicher Basis argumentieren muss oder sonstige Bombenargumente hat, dass man überhaupt auf die Idee kommt, so etwas regulieren zu wollen.
@7 :
„Wäre interessant mit welchen Argumenten man denn die Regulation auf dem Tabakmarkt auf andere Gebiete ausweiten will“
1. ein ganz simpler Grund: aus Sicht der Regulierer hat es bei der Tabakkontrolle ganz gute Erfolge gegeben – warum also die Taktiken nicht auch auf anderen Gebieten anwenden?
Inzwischen findet ein Erfahrungsaustausch bei einschlägigen Konferenzen und Tagungen zwischen Tabakregulierern und anderen „Gesundheitspäpsten“ statt – was hat geklappt? was nicht?
2. „Sämtliche Lebensmittel-Gebiete sind ja nicht gesundheitsschädlich. Weder fettige Pommes noch süße Cola noch Alkohol sind ungesund….“
Das sehen die WHO und ihre wissenschaftlichen Zuarbeiter aber ganz anders – Salz (Bluthochdruck), Zucker ( Diabetes usw.) und Fett (Übergewicht) werden von ihnen inzwischen schon als Epidemie bezeichnet (Schlagzeile: „Übergewicht wird zu einer weltweiten Epidemie“)
– Anstrengungen” auf diesen Gebiet hat es ja schon gegeben – z.B.: Salzstreuerverbot in mexikanischen Restaurants – oder vor vier Jahren z.B. im Bundesstaat New York – dort wurde ein Gesetz vorbereitet, wonach Restaurants ihre Speisen nicht mehr salzen dürfen sollten. Tausend Dollar Strafe sollten damnach Gaststätten-Betreiber zahlen, wenn sie ein Gericht mit Salz würzen – die Vorlage kam Dank der starken Proteste nicht durch!
– Der Kampf gegen „Big Tobacco“ dient auch als Vorlage für das „End Game“ gegen „Big Sugar“ (Google: „.sugar – the next tobacco“). Eine bei den Regulierern viel zitierte Studie der Investment Banker von Credit Suisse fordert, dass Gesundheitsbehörden die Strategien im Kampf gegen das Rauchen übernehmen sollten, um im drohenden Krieg gegen den Zucker erfolgreich zu sein. Die Zuckerindustrie solle ähnlich wie die Tabakindustrie behandelt werden, wenn Regulierungen nötig sein sollten um die Gesellschaft vor Schaden zu schützen.
– Wissenschaftler der renommierten britischen Medizinzeitschrift „The Lancet“ haben vor vier Jahren gefordert, die Vereinten Nationen müssten ähnlich wie im Fall des Tabakkonsums eine Rahmenkonvention zur Kontrolle von Fettleibigkeit verabschieden.
In Kanada hatte die Ontario Medical Association auch gleich praktische Vorschläge zur Hand: unter Berufung auf die “erfolgreichen Methoden” beim Kampf gegen den Tabak wurden höhere Steuern auf kalorienreiche Lebensmittel und Schockbilder auf Lebensmittelverpackungen (z.B.: Fettleber auf Pizzaschachtel) gefordert.
Fettiges Fast-Food und Pizza, süße Limonade und Cola sind die ersten Ziele der Regulierer – Alkohol stand sowieso schon immer auf der Agenda der Prohibitionisten. Cannabis ist nur das Lieblingsspielzeug einer oberen Mittelklasse, die sich sonst eher den Verzicht auf andere Genußmittel auf die Fahnen schreibt.
Taktgeber für alle Regulierungen ist immer wieder die WHO – sie gibt die Ziele vor und sie entscheidet darüber was die nächste zu bekämpfende „Epidemie“ sein soll. Dabei wird oft genug mit globalen Schätzungen von Todesfällen operiert, die keiner wissenschaftlichen Überprüfung standhalten würden (Beispiel: „Die WHO schätzt, dass im Jahr 2015 2,3 Milliarden Menschen übergewichtig sein werden“).
Auf wissenschaftlicher Basis zu argumentieren ist für die Regulierer eher lästig – lieber argumentiren sie mit Schätzungen, Meta-Studien und Horrorzahlen (das entfaltet auch seine Wirkung und ist schlecht nachprüfbar).
Wir haben uns hier bekanntlich oftmals über „das freies Land“ der Welt unterhalten und über die Realität in den USA gestritten.
Fürch mich ist z.B. in Sachen Meinungsfreiheit die USA nach wie vor das freieste Land der Welt -„vorbidlich“ für mich mit Blick auch auf Deutschland.
Die USA sind das Land mit dem Gründungsmythos „Freiheit“, der sich in vielen gesellschaftlichen Fragen auch heute noch als -radikal- „wirkmächtig“ zeigt. Ich erinner an die Freiheit des Waffenbesitzes.
Andererseits sind die USA, und das gehört eben auch zu ihrem Gründungsmythos, ein von der Religion des Christentums dominiertes Land mit der Konsequenz „wirkmächtiger“ großer und kleiner Religionsgemeinschaft. Religionsgrundsätze, religiöse Regeln für das Leben der Menschen im Diesseits, sind nun einmal ihrem Wesen nach freiheitsbeschränkende.
Das gilt es zu bedenken und es gilt zu bedenken, daß die USA ein riesiges Flächenland sind mit extrem unterschiedlichen kulturellen, wirtschaftlichen, sozialen und folglich auch politischen Gegegbenheiten.
Was z.B. im Staate New York von freien Menschen in einer freien Gesellschaft tagtäglich gemacht wird, würde in nahe dabei liegenden Pensylvenia einen gesellschaftlichen Skandal verursachen und die dortige „Staatsmacht“ herausfordern. Ich erinnere an noch extreme Widersprüche zwischen der Meinung der Menschen vom Inhalt und den Grenzen der Freiheit, z.B. auf sexuellem Gebiet, in Missisippi einerseits und den Metropolen in Kalifornien anderseits.
„Der Mythos vom…..“.
Ich meine also, daß es in den Vereinigten Staaten von Staat zu Staat einer sehr differenzierenden Betrachtung und Bewertung bedarf, wenn es um „Freiheit“ geht, und es insofern notwendig ist, bezogen auf jeden einzelnen gesellschaftlichen Bereich darüber nachzudenken, warum es ‚mal einen zB. im Vergleich mit Deutschland in den USA – von Staat zu Staat unterschiedlich – zum einen sehr große Freiraüme für den Einzelnen gibt und zum anderen ‚mal Beschränkungen der Freiheit, die in Deutschland so nicht denkbar sind..
„Pennsylvania“ -nicht……..
Es ist dieser eklatante Widerspruch in Sachen Meinungsfreiheit in den USA, der so fasziniert. Es ist für jeden etwas dabei. Hinzu kommt: Der Westen Deutschlands hat die USA als befreiend in mehrfacher Hinsicht erlebt. Einmal als Befreier vom Nazionalsozialismus und Schutzmacht vor der SU und dem realen Sozialismus und als Befreier vom Mief der 50er und 60er durch Musik und Lebensstil.
Die Vereinigten Staaten von Amerika wurde von Menschen gegründet die eine starke, ja radikale Werteorientierung mit einer ebenso entschlossenen demokratischen Verfassung zu verbinden versucht haben. Dazu gehört auch und vor allem die besondere Eigenständigkeit der lokalen und bundeststaatlichen Ebene. Der darüber hinaus kollektiv gewollte werteorientierte öffentliche Meinungsstreit auf allen politischen Ebenen verlangte obendrein nach eine sehr weiten Auslegung der Meinungsfreiheit.
Damit verbunden sind jedoch ebenso unvermeidlich als entscheidungspraktischer Counterpart teilweise extreme demokratische erzeugte Entscheidungsergebnisse die sich obendrein von Staat zu Staat, ja von Kommune zu Kommune, sehr unterscheiden, ja widersprechen können. Der extremste Unterschied liegt dabei in der Todesstrafe, die in über der Hälfte der Staaten nach einer heftigen Wertedebatte abgeschafft und im Rest des Landes nach eben so heftigen Debatten beibehalten wurde.
Wenn man bedenkt das die USA sogar einen langen blutigen Bürgerkrieg wegen einer Verfassungsänderung zur Abschaffung der Sklaverei geführt haben, sind die heutigen politischen Debatten und ihre für Außenstehende überraschend unterschiedlichen Entscheidungsergebnisse eher harmloser Natur. Das heisst aber nicht, dass nicht auch heute Wertedebatten, vor allem was den Rassismus betrifft, auch in Form gewalttätigen Auseinandersetzungen, ja Aufständen geführt werden.
Die meisten Europäer kriegen allerdings selten die dazugehörigen Debatten mit, dafür aber regelmäßig ihre Ergebnisse die sie dann in ihre jeweiligen Vorurteilsschachteln packen. Was sie nicht begreifen können oder wollen oder nicht wissen: Die Gründer der USA und die ersten Einwanderergenerationen sind allesamt aus Europa abgehauen um woanders ein neues freie(re)s Europa zu errichten bzw. darin zu leben. Dafür, dass sie dabei auch den europäischen Rassismus mitgebracht haben, mussten die amerikanischen Ureinwohner und die verschleppten und versklavten Afroamerikaner über Jahrhunderte bitter bezahlen. Aber sie haben eben auch die Idee der Demokratie mitgebracht, von der heute fast alle Einwohner des Landes zutiefst überzeugt sind.
Arnold,
ob Dein Beitrag dazu beiträgt, daß wertende Aussagen über eine Gesellschaft erst dann getroffen werden, wenn man sich vorab mit der Geschichte, der Kultur, der politischen Veraßtheit dieser Gesellschaft zumindest ein wenig befaßt hat?
Das gilt nicht nur für die USA ,und das gilt nicht nur für das Thema (Meinungs-)Freiheit.
Nur, so scheint mir, ist in Zeiten des Internet- der Infomationm, der Kommunikation, der häufig völlig unbedachten Wertung „aus dem Bauche heraus – mein Wunsch dem Utopischen zuzurechnen.