„Religionsfrei im Revier“: Antisemitisches Abgeiern?

9. November 1969: Bombenanschlag auf das Jüdische Gemeindehaus West-Berlin | Foto Peter Kuley cc 3.0 (Ausschnitt)

Dass Juden wie die Nazis seien, der jüdische Staat wie Hitlers Reich und Palästinenser die Juden von heute, dieser Aussage stimmt jeder dritte Bundesbürger zu, jeder Vierte geht in sich, dann kreuzt er „weiß nicht“ an. Die Bochumer „Initiative Religionsfrei im Revier“ weiß es wohl, sie setzt diesen Klassiker des Judenhasses leinwandgroß in Szene und erklärt, man müsse sich endlich von „Bevormundung“ befreien. Kommt einem bekannt vor, diese Art von „Befreiung“, ist das Dieter Kunzelmann? Ruangrupa? Oder gleich Lisa Eckhart.

Einige Zeit war es amüsant: Die Bochumer „Initiative Religionsfrei im Revier“ hatte entdeckt, dass ausgerechnet „Das Leben des Brian“, Monty Pythons Filmkomödie aus dem Jahr 1979, auf dem Feiertagsindex der FSK steht, der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft. Was in der Tat slapstickreif ist: Die britische Parodie auf das Leben Jesu  –  zugleich eine auf die Post-68er Linke  –  wird in theologischen Kreisen hochverehrt, und falls der Film tatsächlich religiöse Gefühle verletzt, sind es solche, die entstehen, wenn man sich selber beim Lachen erwischt. Seit inzwischen zehn Jahren wird „Brian“ am Karfreitag  –  einem von vier stillen Feiertagen in NRW, an denen besondere Einschränkungen gelten  –   in Bochum aufgeführt, slapstickreif also auch, dass die, die sich für religionsfrei halten, Jahr für Jahr am kirchlichen Feiertag ins Kino wallen wie das frömmste Mütterchen in seine Kirche, nur um sich pflichtschuldig „Brian“ reinzuziehen. Als stellten sie  –  „Folgt der Sandale!“  –  den Monty Python-Klassiker nach, jetzt allerdings ohne Witz: Das Lachen ist kein spontanes mehr, kein freies, weil ungewolltes, es ist ein gesolltes Lachen. Verordnet wie eine Feiertagsverordnung, die „Initiative Religionsfrei im Revier“ hantiert mit Monty Pythons Film auf dieselbe Weise, wie die FSK es tut, beide geben sie vor, wie man „Brian“ zu verstehen habe, beide legen sie das Werk in ein politisches Geschirr, beide verzwecken sie Kunst.

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Acht Eimer Hühnerherzen: Gute Stimmung in Düsseldorf

Johnny Bottrop, Bene Diktator und Apocalypse Vega spielten in Düsseldorf; Foto: Peter Ansmann
Johnny Bottrop, Bene Diktator und Apocalypse Vega spielten in Düsseldorf; Foto: Peter Ansmann

Am 2. April 2023 waren mein Freund und ich im Spektakulum im Süden von Düsseldorf beim Konzert der Punkrockband Acht Eimer Hühnerherzen aus Berlin. Von unserer Gastautorin Angela Driesen.

Wir hatten sie im letzten Jahr schon in unserer Heimatstadt Duisburg im Stapeltor gehört. Die drei Bandmitglieder Apocalypse Vega, Gesang und Gitarre, der Bassist Johnny Bottrop und Bene Diktator am Schlagzeug betraten gegen 20 Uhr die Bühne. Im Saal waren ungefähr 250 Gäste. Was ich schon sehr beeindruckend fand war, dass sich Alt und Jung zusammengefunden hatten und die Stimmung war gleich da.

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Jenny Holzer im K21 Düsseldorf: Wirst Du auf mich schießen?

Survival Serie: LED-Installation Jenny Holzer 1985

Soll der Geier Vergißmeinnicht fressen? fragt Hans Magnus Enzensberger in seinem berühmten Gedicht vor mehr als sechzig Jahren, in dem er uns Menschen in unserer selbstverschuldeten Unmündigkeit aufspießt. Die Absurdität der menschlichen Existenz ist damals bei Philosophen und Dichtern hoch im Schwange, und die Konzeptkunst macht sich auf, mit Raffinesse und Tiefgang Widersprüche in der Gesellschaft zu beleuchten.

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Vertrag von Sibylle Broll-Pape wird in Bamberg nicht verlängert

Sibylle Broll-Pape Foto: E. T. A. Hoffmann Theater, Bamberg


Noch bis 2025 ist Sibylle Broll-Pape Intendantin am Bamberger Theater. Eine von ihr gewünschte Vertragsverlängerung lehnte der Rat der Stadt auf einer Sitzung am Mittwoch ab. Broll-Pape war zuvor Leiterin des Prinz-Regent-Theaters in Bochum. Als Mitglied des Vorstand des freien Theater stand sie noch 2017, als sie längst in Bamberg arbeitete, im Zentrum eines Theaterskandals.

2025 ist nach zehn Jahren als Intendantin am Theater in Bamber Schluss für Sibylle Broll-Pape: Am Mittwoch entschied sich der Rat der Stadt mit großer Mehrheit gegen ihren Wunsch, ihren Vertrag an dem Haus um zwei Jahre zu verlängern, obwohl sie künstlerische Erfolge und Einladungen zu Theaterfestivals vorzuweisen hatte. Der Ablehnung des Rates gingen Beschwerden über die ihre Arbeit im Theater, vor allem beim

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Bodo im April: Crossover statt Konkurrenz

Bochums Musikszene, Dortmunds Opernchef, die Knef in Castrop, Martens Deiche, Hernes Alter Wartesaal, in Witten heißt Kijamii sozial, Housing Action Days, 40 Jahre Frauenfilmfestival  das Straßenmagazin im April.

Crossover statt Konkurrenz: Wie beschreibt die gegenwärtige Generation Bochumer Musiker das Leben und Arbeiten in der Stadt und den Zustand der Branche nach drei Jahren Corona? Ein Treffen mit Tia Lou, Dominik Buch, Nadia Ihjeij und Pele Caster.

Die Oper ist eine Kunstform, die gerne große Emotionen transportiert. Da ist es irritierend, auf Heribert Germeshausen, den Intendanten des kürzlich zur Oper des Jahres gekürten Dortmunder Hauses zu treffen. Der wirkt eher nüchtern, professionell, manchmal geradezu beamtisch genau. Aber es steckt mehr in ihm.

„Pflege ist eigentlich etwas Schönes“: Tatjana, Lukas und Philipp arbeiten in Dortmunder Gesundheitseinrichtungen. Sie sind jung, examinierte Fachkräfte mit Berufserfahrung ‑ und zunehmend frustriert. Ein Gespräch über chronische Unterbesetzung, gesperrte Betten und kurze Zündschnüre.

Im Dortmunder Stadtteil Marten zeugen hohe grasbewachsene Deiche, Terrassen, steile Böschungen und nicht zuletzt enorme Sperrtore aus Beton von massiven Eingriffen des Menschen in die ursprüngliche Landschaft. Vorkehrungen gegen das nächste Jahrhunderthochwasser.

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