Die postkoloniale Drehtür (II): Natan Sznaider über den jüdischen Blick von Hannah Arendt und Edward Said

Frantz Fanon: We revolt because … Mural at Minneapolis Police Department by Tony Webster CC-BY 2.0 zugeschnitten auf 3.2-Format

Es ist die Visitenkarte der Aufklärung: dass sie für alle Menschen aller Zeiten gültig sei, Albert Memmi hat diese Idee als „Luxus“ bezeichnet: Luxus für Juden, die in Gesellschaften leben, in denen sie erst akzeptiert werden, wenn sie keine Juden mehr sind. Israelis schon mal gar nicht. Teil 2 der Natan-Sznaider-Lese.

Zu der Bilanz von Albert Memmis Jahrhundertleben  –  1920 in Tunis geboren, 2020 in Paris gestorben  –   zählt Sznaider die Einsicht, dass es politischer Irrsinn sei zu glauben, „Marxismus und Sozialismus ließen sich als universal gültige Modelle beliebig exportieren“. In der Tat ist dieser Ideen-Export nur mäßig erfolgreich gewesen, heute wird eher in Gegenrichtung gedacht: Ob Kolonialismus nicht nach Europa importiert worden sei, der eigentliche Weg also gar nicht von Paris nach Tunis, sondern von Windhuk nach Auschwitz geführt habe? Und ob es daher nicht der Rassismus sei, der den Antisemitismus hervorbringe, der universale Hass den partikularen?

In einer globalen Welt, schreibt Natan Sznaider, will eine globale Elite so etwas gerne glauben.

Weiterlesen ...

Die postkoloniale Drehtür (I): Natan Sznaider über eine deutsche Debatte

Revolving door 2014 by Hernán Piñera (CC BY-SA 2.0 auf 3.2-Format zugeschnitten)

Im Mai wird die Documenta diskutieren. Über den russischen Krieg? Über Israel. Eingeladen ist  –  neben manchem BDS-Versteher  –  auch Natan Sznaider, ihn erstaunt seit langem „die Leichtigkeit“, mit der Israel „als weiße, europäische Kolonialmacht“ gelabelt wird. In seinem jüngsten Buch zeichnet der israelische Soziologe die Gedankengleise nach, die zu sehr verschiedenen Beschreibungen des jüdischen Staates führen: Ist Israel, diese Gesellschaft aus Flüchtlingen aller Länder, „ein Projekt der Emanzipation oder ein kolonialistisches Projekt? Kann es beides gleichzeitig sein?“  –  Teil 1 einer Sznaider-Lese, es treten auf Alfred Dreyfus und Albert Memmi, Claude Lanzmann und Frantz Fanon, Achille Mbembe und Karl Mannheim und natürlich Hannah Arendt.

„Fluchtpunkte der Erinnerung“ hat Sznaider, Professor für Soziologie am Academic College in Tel Aviv, sein Buch betitelt, es beginnt mit dem Satz „Bis Mitte März 2020 war in Deutschland die Welt der Kultur noch in Ordnung“, dann erschien ein Beitrag auf diesem Blog: Die Intendantin der Ruhrtriennale, Stefanie Carp, hatte in einem dritten Anlauf versucht, BDS-Promoter auf ihre Bühne zu laden, diesmal den Historiker Achille Mbembe. Auf diese Weise kam zwar nicht BDS, die internationale Kampagne für die Denunziation von Demokratie, auf die große Bühne, wohl aber eine Debatte „über die Gegenwart von Holocaust und Kolonialismus“, so der Untertitel von Sznaiders Buch.

Aufgewachsen ist Sznaider als Staatenloser im Badischen, mit 20 Jahren ist er „aus Deutschland weg“, schon deshalb ist sein Blick auf die deutsche Debatte „der Blick des Fremden, des gleichzeitig dazu- und nicht dazugehörenden Menschen“.

Weiterlesen ...

Fritz-Hüser-Institut: Projekt zur Bergbauliteratur nach fünf Jahren beendet

Bergarbeiter Foto: Erich Grisar Lizenz: Stadtarchiv Dortmund/Copyright


Das von der RAG-Stiftung geförderte Drittmittelprojekt „Steinkohlenbergbau in der Literatur“ im Fritz-Hüser-Institut ist jetzt abgeschlossen worden: 5 Jahre, 10 Publikationen, 40 Veranstaltungen.

Begonnen hat alles mit Besuchen in den Archiven und Bibliotheken im Ruhrgebiet, um die literarische Auseinandersetzung mit dem Steinkohlenbergbau der letzten hundert Jahre zu sammeln. Dabei sind schöne Entdeckungen gemacht worden, zum Beispiel die bislang unveröffentlichte Kulturgeschichte der deutschen Bergarbeiter von Walter Köpping. Der Lektor und Literaturwissenschaftler Arnold Maxwill hat unter anderem drei aufwendig gestaltete Anthologien herausgebracht: Lyrik, Prosa, Reportagen. Damit ist das literarische Gedächtnis des Bergbaus gesichert.

Weiterlesen ...

Documenta: „BDS ist eine breite und vielschichtige Bewegung“

Ruru-Haus der Documenta in Kassel Foto Jonas Dörge

Documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann hat sich gegenüber der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen zu Details der angekündigten Gesprächsreihe zu Antisemitismus und Rassismus und der BDS-Kampagne geäußert.

In gut zwei Monaten beginnt in Kassel die Documenta 15. Sie gilt als eine der international wichtigsten Kunstausstellungen. In diesem Jahr sorgte sie schon lange bevor die ersten Kunstsinnigen sich der Stadt an den Gestaden der Fulda näherten für Aufmerksamkeit: Ein Beitrag des Bündnis gegen Antisemitismus Kassel, der auch in diesem Blog veröffentlicht wurde, belegte die Nähe mehrere Documenta-Künstler zur antisemitischen BDS-Kampagne, deren Ziel die Vernichtung Israels ist. Nach den Konflikten um die Ruhrtriennale traf die Szene der postmoderne Subventionskultur, in der glühende Israelkritik teilweise zum guten Ton

Weiterlesen ...


Danke, Steinhof Duisburg! Erfolgreiches Benefiz-Konzert für die Ukraine

Die Bläck Fööss am 6.4.2022 bei "Benefiz for Ukraine" im Steinhof Duisburg; Foto: Peter Ansmann
Die Bläck Fööss am 6.4.2022 bei „Benefiz for Ukraine“ im Steinhof Duisburg; Foto: Peter Ansmann

Gestern fand im Kulturzentrum Steinhof, unter dem Motto „Help! Benefiz for Ukraine„, ein Benefiz-Konzert zugunsten von ukrainischen Flüchtlingen in Duisburg statt.

Zusammen mit Anna und Viktoria, die vor wenigen Wochen – während der ersten Angriffswelle der russischen Soldateska auf Kiew – aus der ukrainischen Hauptstadt nach Duisburg geflohen waren, haben meine Freundin und ich das Event besucht:

Der Steinhof hat hier, mit den beteiligten Musikern, eine Veranstaltung der Megaklasse auf die Beine gestellt. Auch wenn die aktuelle Lage in der Ukraine schrecklich ist, konnte man für wenige Stunden das Grauen des Ukrainekrieges hinter sich lassen.

Weiterlesen ...

Warum der MDR eine ostdeutsche Chefredakteurin benötigt

Klaus Brinkbäumer Foto: Superbass Lizenz: CC BY-SA 4.0


Wenn an diesem Donnerstag um 10 Uhr Klaus Brinkbäumer, Programmdirektor beim MDR, das gesamte News-Team des Senders zu einem Informationsgespräch trifft, will er vor allem über die Zukunft der wichtigen Hauptredaktion Information sprechen. Von unserem Gastautor Frederik Mayer.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhoffen sich aber auch Infos, welche Kriterien die Führung des Senders bei der Besetzung des bald freiwerdenden Chefredakteurs-Posten anlegt. Die Belegschaft erhofft sich eine Chefredakteurin mit ostdeutschen Wurzeln.

Weiterlesen ...

Livestream: „Benefiz for Ukraine“

Konzert Benefiz for Ukraine im Steinhof Duisburg zugunsten von ukrainischen Flüchtlingen in Duisburg:

Bei der Sparkasse wurde ein Spendenkonto für das Konzert eingerichtet: DE50 3505 0000 0200 9009 00 / Verwendungszweck: Benefiz Ukraine

Gespendet werden kann alternativ auch via PayPal: pa****@***************rg.de

Alle Spenden kommen dem Projekt „Duisburg hilft“ zugute.

Internationale Konferenz für Nachtleben

Diskothek Foto: Deutsche Fotothek‎ Lizenz: CC BY-SA 3.0 de

Die internationale Konferenz für Nachtleben „Stadt nach acht“ findet am 1. und 2. September erstmals in Dortmund statt. Ausrichter sind die Stadt und der Verband LiveMusikKommission, kurz Livekomm, dem mehr als 700 Musikspielstätten, Clubs und Festivals aus allen

Weiterlesen ...


„Holocaust in der Ukraine“: Boris Zabarko, Historiker des Holocaust, entkommt erneut

Babi Jar by Mark Voorendt CC BY 3.0

Er hat Erinnerungen von denen gesammelt, die entkommen sind. „Verspätete Zeugnisse“ hat Boris Zabarko diese Berichte genannt, sie bezeugen einen „Vernichtungsschlag gegen die europäische Zivilisation“. Sein Werk wird mit Claude Lanzmanns‘ „Shoah“ verglichen. Jetzt musste der Historiker, 86 Jahre alt, erneut fliehen, vergangene Woche konnte er mit Tochter und Enkelin nach Deutschland entkommen. Und stellt uns vor die Frage, ob sich Geschichte wiederhole.

Am 27. September 1941, einem Schabbat, trafen sich höhere Wehrmachts-, SS- und Polizeifunktionäre in Kiew und beschlossen, alle Juden der Stadt zu „evakuieren“. Montags und dienstags wurden 33.771 Menschen nach Babi Jar verbracht, einer idyllisch bewaldeten Schlucht vor der Stadt, in der sie ermordet wurden: “Aber ich riss mich los und entkam.”

So berichtet es Michail Rosenberg, er war 8 Jahre alt, als die Deutschen kamen, um ihn und seine Familie in den Tod zu transportieren: “Mutter hielt mich ganz fest, drückte mich an sich und sagte: Wenn wir sterben, dann zusammen, damit du nicht leiden musst.’ Aber ich riss mich los und sprang durchs Fenster …”

Weiterlesen ...

Böhmermann, Ukraine und die deutsche Reaktion oder: Aristoteles Poetik als Politikum

Büste von Aristoteles, Rom Foto: Giovanni Dall’Orto Lizenz: Copyright

Leichenberge werden nach Abzug der russischen Truppen rund um Kiew geborgen, Böhmermann berichtet von der Umstrukturierung Ungarns durch Viktor Orban in einen autokratischen Staat und die EU glänzt im Zeichen absoluter Passivität. Die Reaktionen auf die momentanen Weltgeschehen stehen im Zeichen ihrer eigenen Unzulänglichkeit. Von unserem Gastautor Ioannis Dimopulos.

Nachdem Bilder ekelhaftester Barbarei durch die deutsche Medienlandschaft spukten, ist das Bedürfnis sich zu echauffieren groß. Unmenschlich sei das alles, man müsse jetzt solidarisch sein und sich – gerade in Deutschland – aktiv an der Verbesserung der Lage beteiligen. Damit

Weiterlesen ...