Die unüberwundene Steinzeit

Stone Age: the feast. Detail 2 – Wiktor Michailowitsch Wasnezow – Gemeinfrei

Die Menschheit hat sich seit über 40.000 Jahren nicht mehr entwickelt. Ihre Evolution stagniert. Biologisch sind wir weiterhin Steinzeitwesen. Würde man aus diesem Blickwinkel die aktuellen Konflikte im Nahen und Mittleren Osten, in Afrika oder der Ukraine betrachten, könnte man auf Verhaltensmuster stoßen, deren dumpfe Gruppendynamik im Kampf um Führungsanspruch, Höhlen, Siedlungs- und Wasserstellen altbekannt ist. Sogenannte ‚Kultur‘ wird, falls überhaupt, nur vorgeschoben. Ob dumpfe Eingebungen oder lichte Schauen von Schamanen, Koranphrasen aus dem 7. Jhd., oder ein formales Völkerrecht, dessen ‚Subjekte‘ nicht Völker, sondern Nationen sind, zumal es durch diverse Wanderbewegungen und Vermischungen gar keine Völker mehr gibt und jene Nationen aus Krieg, Kriegen und Krieg hervorgegangen sind. Jeder Friede beruhte auf Konventionen, die ihre Willkürlichkeit nicht verbergen konnten, ebenso wieder Krieg aufflammen ließen und lassen können. Der in Europa geschehene Dreißigjährige Krieg offenbart geradezu eine ‚kulturelle‘ Blüte der Menschheit.

Continue Reading

Elektra im Schauspielhaus Dortmund: IS, Pegida und Revolte

Henker/Bauer: Frank Genser Elektra: Caroline Hanke Chor: Bettina Lieder, Merle Wasmuth Pylades: Carlos Lobo Orest: Peer Oscar Musinowski Klytaimnestra: Friederike Tiefenbacher Live-Band: Geoffrey Burton, Larry Mullins alias Toby Dammit, Paul Wallfisch Elektra (als Kind): Alice Simon Orest (als Kind): Leonhardt Walkenhorst
Elektra, Foto: ©Edi Szekely

Regisseur Paolo Magelli und Dramaturg Alexander Kerlin haben sich in der Inszenierung von „Elektra“ nach Euripides viel vorgenommen. Zu viel. Das Stück bietet ausreichend Stoff, um es in die moderne Zeit zu übertragen. Das über 2400 Jahre alte Stück ist immer noch relevant, in den vergangenen Jahrtausenden haben sich die grundlegenden Fragen des menschlichen Seins nur wenig verändert: Macht, Loyalität und Rache sind heute genauso aktuell wie damals.

Alles dreht sich um einen Königsmord, der an Agamemnon begangen wurde. Sein Sohn Orest kehrt nach seiner Flucht vor den Mördern nach Hause zurück, um den Tod seines Vaters zu rächen. Auch Elektra, die Tochter des erschlagenen Königs, will sich mit der Mordtat ihrer Mutter nicht abfinden. So ist voller Hass gegen ihre Mutter und jetzige Königin, die sich die Macht mit dem neuen König, ihrem Liebhaber, teilt. Regisseur Magnelli sieht in der Figur der Elektra das „Symbol der politischen Unzufriedenheit, die personifizierte, reine Revolte“.

Mit dieser Interpretation wird das Stück in die Jetzt-Zeit geholt. Regisseur Paolo Magelli, Intendant des Teatro Metastasio Stabile della Toscana, doch möchte keine soziologische Analyse auf die Bühne bringen, sondern: „Diese politische Klaustrophobie, die ich persönlich erlebe, kann ich nicht ertragen und muss daher versuchen (…) sie zu verarbeiten.“

Dramaturg Alexander Kerlin hält sich an die ursprüngliche Geschichte, krempelt sie aber gleichzeitig radikal um. Ein guter und interessanter Plan. Kerlin schrieb das über 200 Seiten starke Stück nicht nur umfassend um, sondern aktualisierte es bis zum letzten Probentag mit den sich überstürzenden aktuellen Ereignissen. In die Tragödie wurde work in progress der Mordanschlag auf Charlie Hebdot, die rechtspopulistische Pegida-Bewegung, die ansteigenden Flüchtlingszahlen, die IS-Morde in Syrien und im Irak und – ganz allgemein – die „ideologische Verwirrung“ angesichts uneindeutiger politischer Verhältnisse verarbeitet. Ein bisschen Kapitalismuskritik musste auch sein. Überraschend war schon eher das Zitieren von Bundespräsident Joachim Gaucks Statement: „Euer Hass ist unser Ansporn“.

Continue Reading

Sebel: „Es gibt überhaupt keine Szene, keine Kultur, kein Sinn für Kunst und für Musik mehr.“

sebel
Sebel ist ein wahres Multitalent: Musiker, und nebenbei Fotograf und Filmer. Er spielt mehrere Instrumente und ist damit in den letzten Jahren immer erfolgreicher geworden. 
Aus Wanne-Eickel stammend, zog er vor einigen Jahren nach Recklinghausen um. Im Interview erzählt er über seine Musik und darüber, was ihn immer noch im Ruhrgebiet hält. 

Ruhrbarone: Du kommst aus Wanne-Eickel, wie hat dich das Ruhrgebiet in deiner Musik geprägt?

Sebel: (überlegt lange) Das ist schwierig zu sagen. Erst einmal ganz klar die Menschen. Da ist ein ganz bestimmter Schlag Mensch der hier lebt. Was mich auch sehr geprägt hat, vor allem auch bei den neuen Songs: Diese triste Melancholie und dass es hier doch kulturell und in vieler Hinsicht bergab geht. Ich wohne jetzt seit fünf, sechs Jahren in Recklinghausen und immer wenn ich wieder nach Hause nach Wanne-Eickel komm‘ und in die Innenstadt gehe frag ich mich: „was ist hier passiert? Wo sind die Läden hin, die es früher gab. Gibt es hier jetzt nur noch Handyläden und Apotheken?“. Alle sind hier sehr depressiv, kulturell ist hier viel schief

Continue Reading
Werbung

TRAU DICH! – Lesung am Freitag in der Zeche Carl

10658567_1005306939499093_9165063342295065342_oDas erste CORRECT!V-Bookzine ist auf dem Markt! Bei der Release-Lesung am Freitag, 20. Februar, werden Autoren des Magazins die aktuelle Ausgabe vorstellen. Mit dabei Sascha Bisley, gefeierter Blogger und Autor aus der Dortmunder Nordstadt, der gerade seine Autobiographie beim Ullstein-Verlag veröffentlicht hat, David Schraven, Gründer von CORRECT!V, ehemaliger Chef des WAZ-Recherche-Ressorts und Ruhrbaron, sowie Bastian Schlange, Magazin-Macher, Autor und Guerilla-Journalist der Wattenscheider Schule.
Moderiert wird der Abend von Martin Kaysh, dem unvergleichlichen Steiger und Geierabend-Veteran.

CORRECT!V entstand Mitte vergangenen Jahres als erstes gemeinnütziges Investigativ-Büro Deutschlands. Das Magazin, mit über 200 Seiten besser als Bookzine bezeichnet, ist eine freie Veröffentlichungsplattform, eine Experimentier- und Spielfläche, in dem sich Ideen erproben können, und frische Autoren, Grafiker und Fotografen mit erfahrenen Journalisten zusammenkommen.

Continue Reading

Bochum: Wenn die Süddeutsche vor lauter Begeisterung über das Konzerthaus die Fakten vergisst

Konzerthaus_Ansicht1
Die Süddeutsche Zeitung hat über das Konzerthaus Bochum einen euphorischen Artikel geschrieben und dabei ein paar Fakten übersehen.

Sicher, das ist alles schwierig. Da lebst Du in Bayern in einer besseren Kreisstadt auf dem Land und dann kommst Du aus München ins Ruhrgebiet: Fünf Millionen Menschen, Dutzende von Stadtteilen, die so tun, als ob sie Städte wären, Autobahnen, Lärm – das verwirrt. Johan Schloemann, einen Redakteur der Süddeutschen Zeitung,  hat das so verwirrt, dass er in seinem Artikel über das Konzerthaus, das zur Zeit Musikzentrum heißt, ein paar Fakten übersehen hat. Dummerweise genau die, die nicht in sein Loblied über das Konzerthaus passten:

Dabei fängt der Artikel halbwegs stimmig, wenn auch nicht gerade originell an:

Ein Alltagsmorgen, Nieselregen, in der Innenstadt vonBochum im Ruhrgebiet. Der VfL ist schon länger in der zweiten Liga, und das Opel-Werk macht zu. Sieht alles erst mal ziemlich trostlos aus.

Continue Reading

Ben Poole kommt am Samstag ins Blue Notez

Ben-Poole-1

Er gilt zur Zeit als eines der vielversprechendsten Talente der britischen Bluesrockszene, wurde als Artist und Gitarrist schon mehrfach für die British Blues Awards nominiert, Jeff Beck sagt über ihn „F***ing amazing! I love his playing… I really love his playing!” und sein Debütalbum „Let’s Go Upstairs“, Anfang 2013 von Starproduzent Isaac Nossel (Jeff Beck, Tina Turner, Robin Trower, Jack Bruce, Roger Daltry, Def Leppard) produziert, präsentiert ihn nicht nur als glänzenden Gitarristen, sondern auch als herausragenden Sänger und Songschreiber. Die Rede ist von dem aus Brighton stammenden Bluesmusiker Ben Poole, der am Freitag seine große Club-Tour starten wird.

Fünf der zahlreichen Konzerte werden ihn auch nach Deutschland führen, und bereits am Samstagabend dürfen wir ihn in Dortmund im Blue Notez Club begrüßen.

 Weitere Infos zu dem Konzert am 21.2.2015 gibt es unter:

www.impuls-promotion.de und Tickets ( online ) gibt es hier und an der Abendkasse. Es wird keinen Support geben, Beginn ist um 20 Uhr.

 

Werbung

Premiere am Aalto: Monica Lewinsky und der Tod der ipod-Generation

Le Grand Macabre am Aalto Foto: Matthias Jung
Le Grand Macabre am Aalto Foto: Matthias Jung

Der Vorhang ist geschlossen während das Autohupen-Vorspiel von György Ligetis Oper „Le Grand Macabre“ erklingt. Er bleibt auch erst mal geschlossen und im Parkett steht ein Sänger auf. Es ist Rainer Maria Röhr der den Piet vom Fass spielt. Er hat lange fettige schwarze Haare eine bemerkenswert grünliche Blässe im Gesicht und erinnert irgendwie an Jonathan Meese. Später werden wir feststellen, dass Nekrotzar und ein Computernerd genauso wie Piet aussehen. Da aber keiner von den dreien einen schwarzen Adidas-Jogginganzug trägt, den Hitlergruß macht oder eine Mutter dabei hat, verwerfen wir die Erstassoziation – der debile Kunstdiktator

Continue Reading