Schon lange vor dem Gladbecker Geiseldrama erregte die kleine Ruhrgebietsstadt weltweit Aufsehen: Der Mord an dem Abiturienten Helmut Daube, der mit durchschnittener Kehle und fehlenden Genitalien tot aufgefunden wurde, verdrängte sogar den Transatlantikflug des Luftschiffes Graf Zeppelin aus den Schlagzeilen. Angeklagt wurde sein Freund und Mitschüler Karl Hußmann. Aber hat Hußmann das Verbrechen tatsächlich begangen?
Die Tat konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. Und genau hier versuchen Sabine Kettler, Eva-Maria Stuckel und Franz Wegener seit einem Vierteljahrhundert Licht ins Dunkel zu bringen. Nun ist die Neuauflage ihres Buches von 2001 „Wer tötete Helmut Daube?“ erschienen. Schon der Vorgänger bot die Möglichkeit, mit Hilfe der dokumentierten Verhör- und Gerichtsszenen, dem Obduktionsbericht und sieben Mordtheorien in das Jahr 1928 abzutauchen und mitzukombinieren: Wer tötete Helmut Daube? Hinzugekommen sind in der Neuauflage drei weitere, ausgesprochen spekulative Theorien:
War der sächsische Gärtnergehilfe Ernst Paul Hennig auch für den Mord im Ruhrgebiet verantwortlich? Hennig hatte bereits mit 16 Jahren mit einer Rosenschere einem gefesselten Knaben den Hals aufgeschnitten, der Freund überlebte und konnte den Täter benennen. Hennig, der wegen mangelnder Zurechnungsfähigkeit freigesprochen worden war, wurde 1911 mit einem Mord in Böhmen auffällig, bevor dann 1929 in einem Wald die nackte Leiche des dem Hennig bekannten 18-jährigen Dienstknechtes Zellmer gefunden wurde. Er war wie Daube bestialisch verstümmelt worden.
Die nächste Theorie spielt in Südamerika: In Guatemala-Stadt wird sechs Tage vor dem Daube-Mord, Richard Eckermann, Sohn des bekannten Admirals Eckermanns, festgenommen. Er hatte in Deutschland 1923 als Mitglied der rechtsgerichteten „Schwarzen Reichswehr“ einen Kollegen zum Mord an einem angeblichen Verräter angestiftet und war daher 1925 zum Tode verurteilt worden. Er floh über Spanien und Mexiko nach Guatemala. Zur Festnahme führten ein Brief, der mit dem auch im Ruhrgebiet üblichen Gruß „Glück auf!“ endete sowie Ratschläge aus der deutschen Aussiedler-Gemeinde vor Ort. Da die Familie des Freundes von Helmut Daube, Karl Hußmann, in Guatemala eine Kaffeeplantage betrieb, ist nicht ausgeschlossen, dass womöglich nicht etwa Helmut Daube in der Mordnacht sterben sollte, sondern Karl Hußmann, dessen Familie der Verrat an dem Fememörder zugeschrieben worden sein könnte.
Die letzte und damit aktuellste Theorie geht von einem Selbstmord Daubes aus. Angesichts des Tatablaufes – die Kehle wurde ihm offenbar von hinten durchgeschnitten, die Genitalien dann folgend abgetrennt – eine erstaunliche Idee. Tatsächlich mutmaßte die Gladbecker Polizei zunächst, sie habe es mit einem Selbstmord zu tun, da die Beamten anfangs nur den Kehlenschnitt bemerkten und ein solcher Schnitt in Weimar eine nicht unübliche Freitod-Methode darstellte. Da allerdings keine Waffe in der Nähe der Leiche gefunden werden konnte, wurde diese Theorie schnell verworfen. Und doch tippen die Autoren auf einen Selbstmord: Ein Nachahmungsmord, der vielleicht dem Drehbuch der Steglitzer Schülertragödie von 1927 folgte. Der Prozess gegen den Berliner Selbstmörderclub „Fe-Hou“ war erst vier Wochen vor dem Daube-Mord zum Abschluss gekommen und fand ein breites Medienecho. Schüler hatten sich zum gegenseitigen Mord verabredet; das tragische Blutbad wurde 2004 unter dem Titel „Was nützt die Liebe in Gedanken“ mit Daniel Brühl in der Hauptrolle verfilmt. Ein letzter Akt, der in Sachen Daube noch fehlt.
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