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Unis II: Mitbestimmung als Weg aus der Krise?…Spreeblick

Dortmund: Aus für Rot-Grün…Ruhr Nachrichten

Essen: Strategisches Dilemma für die SPD…Der Westen

Ruhr2010: Kreativ-Quartiere…Der Westen

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Kultur: Prinz-Regent-Theater vor dem Aus…Der Westen

Ausstellung: Sternstunden in Oberhausen…Pottblog

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Wirtschaft: Wirtschaftsweise vs. CDU/FDP…Verlorene Generation

Schalke: Magath investiert…Welt

Buch: Kritisches Jahrbuch…Zoom

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Professoren unterstützen Studentenproteste

Ein Professor verbrennt ein Bachelorzeugnis. Eine bessere Unterstützung hätten sich die Studenten der Ruhruniversitäten für ihren großen Protesttag gar nicht wünschen können. Am Dienstag wollen sie mit einer Großdemonstration in Düsseldorf eine neue Protestwelle starten. Und während die Studenten auf die Straße gehen, machen auch die Professoren an den Universitäten des Ruhrgebiets massiv Front gegen die Bachelor- und Masterstudiengänge. Vorreiter: Die Dekane der TU Dortmund. Acht von insgesamt 16 fordern die Rückkehr zum Diplom in ausgewählten Studiengängen – und stoßen bei NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) auf taube Ohren.

Der Initiator des Professorenprotestes ist Walter Krämer: „Bachelor und Master sind Micky-Maus-Abschlüsse, gesichtslos und nicht zu unterscheiden“, sagt der Professor, der zur Unterstützung seiner Argumente auch mal ein Bachelorzeugnis verbrennt. Krämer ist Dekan der Fakultät Statistik an der TU Dortmund. Ihn stört vor allem, dass die Studenten in Raster und Muster eingezwängt werden. „Diese Zwangsbeglückung geht mir gegen den Strich.“ Auch an den Universitäten Bochum und Duisburg-Essen ist der Protest groß: Viele Professoren klagen über die komprimierten Studiengänge, unnötige Einschränkungen und mangelnde akademische Qualität. Die Dekane der TU Dortmund haben nun eine konkrete Forderung an NRW-Wissenschaftsminister Pinkwart gestellt: Parallel zum Bachelor und Master soll das Diplom wieder eingeführt werden – mit den alten Diplomstudienordnungen, die noch in der Schublade liegen. Studenten der teilnehmenden Fachbereiche könnten sich dann aussuchen, ob sie auf Bachelor/Master oder Diplom studieren möchten. Der entsprechende Beschluss ist im Mai an der TU Dortmund verabschiedet worden.

Initiator Krämer ist sich sicher, dass die Rückkehr zum Diplom etwa im seinem Fachbereich Statistik mit geringem Verwaltungsaufwand möglich ist: „Wir sind da sehr flexibel, wir könnten schon zum nächsten Semester loslegen.“ Er macht sich sogar dafür stark, dass auch Bachelor Studierende in den Diplomstudiengang wechseln können: „Wir haben da schon Vorkehrungen getroffen. Das könnten wir in zwei Wochen regeln.“

Bochumer Professor fordert Diplom als Regelabschluss
Der Bochumer Professor Wim Kösters fordert sogar, dass das Diplom wieder Regel-Abschluss werden soll: „Wer früher ausscheiden will, soll den BA erhalten – so kommt jeder zu seinem Recht“.  Kösters, der zum Vorstand des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) gehört und damit viele Kontakte zu Unternehmen hat, kritisiert vor allem die Verschulung des Bachelors. Sie führe dazu, dass die Studenten Scheuklappen aufgesetzt bekommen: „Ich sage den Firmen immer: Ihr werdet euch noch wundern, was für Produkte  auf euch zukommen.“ Das Diplom dagegen biete die Möglichkeit, „die Persönlichkeit reifen zu lassen, außerhalb des Studiums Engagement an den Tag zu legen und dadurch die für den Beruf wichtige Selbstständigkeit zu erwerben.“

„Mit dem Bachelor direkt Hartz IV beantragen“
Bei vielen Studenten kommt die Initiative der Professoren gut an. Felix Bremer, Mitglied des Asta-Referates Hochschul- und Bildungspolitik an der Ruhr-Universität Bochum, hält den Vorstoß der Dortmunder Dekane für eine „super Idee“. Auch der Asta der Universität Duisburg-Essen begrüßt die Initiative der Professoren: „Wir würden uns über ein ‚Zurück in die Zukunft‘ freuen, sofern dieser Schritt fachintern und im Einzelfall geprüft wird“, sagt Daniel Lucas, Referent für Hochschulpolitik. Patrick Hinze von der Duisburg-Essener Fachschaft für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, warnt: „In der SoWi kann man mit dem Bachelorabschluss direkt Hartz-IV beantragen, ohne Master geht eh nix.“
Um jeden Preis zurück zum Diplom wollen aber nicht alle. Andreas Czylwik, Abteilungsdekan für die Elektro- und Informationstechnik an der Universität Duisburg-Essen, steht dem Bachelor zwar kritisch gegenüber: „Wir hätten das Diplom bei uns nie abschaffen sollen.“ Aber: Das Diplom parallel zum Bachelor wieder einzuführen, stifte „zu viel Verwirrung“. Denn: „Dann müsste man ja einen neuen Stundenplan erstellen und sich ein neues Konzept für die Vergabe der Creditpoints überlegen.

Pinkwart weist Forderung zurück

Die Chancen für ein Zurück zum Diplom sind offenbar gering. NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart erteilt den Plänen der Dekane eine Absage: „Die Landeswissenschaftskonferenz der Rektorinnen und Rektoren der nordrhein-westfälischen Universitäten hat erst kürzlich einmütig festgestellt,  dass wir beim Bologna-Prozess auf einen sehr guten Weg sind.“ Ohne das NRW-Hochschulgesetz zu ändern, sei es ohnehin nicht möglich, Diplomstudiengänge wiedereinzuführen. Und eine Gesetzesänderung sei ausgeschlossen, heißt es offiziell aus Pinkwarts Ministerium: „Für eine Wiedereinführung der Diplom- und Magisterstudiengänge gibt es keine Veranlassung; sie widerspräche auch der hochschulpolitischen Verpflichtung, die Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Bologna-Prozesses eingegangen ist. Die Einführung von Bachelor und Master ist eine in der Kultusministerkonferenz sorgfältig erörterte Reform, die von allen Bundesländern getragen wird.“

Einschreibung für Diplom noch möglich
Von allen Bundesländern? Knackpunkt ist das so genannte Immatrikulationsverbot, das es Studenten untersagt, sich neu in einen Diplomstudiengang einzuschreiben. In NRW steht dieses Verbot im Hochschulgesetz, in anderen Bundesländern hingegen nicht. In Bayern und Mecklenburg-Vorpommern gibt es noch nicht einmal verbindliche Vorgaben, bis wann der Bachelor  als einziger Studiengang eingeführt worden sein muss. Im Bayerischen Hochschulgesetz heißt es nur, dass „die Aufnahme des Studiums in Bachelorstudiengängen ab dem WS 2009/2010 die Regel sein soll“. Solange sich die Gesetzeslage in NRW nicht ändert, sieht sich die Dortmunder Rektorin Ursula Gather jedenfalls machtlos. An die Adresse ihrer Dekane sagt sie: „Natürlich bleibt es jedem unbenommen, sich an die Politik, an die Parteien zu wenden“. Und auch der Initiator des Protests, Walter Krämer, hofft auf Mai 2010, wenn in NRW Wahlen anstehen. „Es ist alles eine Frage der nächsten Landtagswahl“, sagt er. „Wenn danach ein Mutiger sagt: Wir machen das mal anders und der Rest der Welt sieht, das ist ein Erfolg, dann machen‘s die anderen nach.“

Mehr zum Protest der Professoren ist auch in der aktuellen Ausgabe des Studierendenmagazins pflichtlektüre nachzulesen, oder  auch online.

Foto: D.G.

 

Recklinghausen: Protest gegen Nazi-Demo

Gegen eine Nazi-Demo am 28. November regt sich Protest in Recklinghausen.

Gegen die von dem bekannten Nazi Christian Worch für den 28. November in Recklinghausen angemeldete Demonstration unter dem Motto "Recht auf Zukunft – Arbeit, Freiheit und Brot durch nationalen Sozialismus" soll es zwei Gegendemonstrationen geben. Die Offene Antifa Recklinghausen ruft für den 27. November um 18.00 Uhr zu einer Demo gegen den Naziaufmarsch in Recklinghausen auf. Für den Tag der Nazi-Demo ruft zudem das "Bündnis gegen Rechts" zu einer Gegendemonstration auf.

Der Kreis Recklinghausen ist neben Dortmund eine der Hochburgen der Nationalen Autonomen. Immer wieder kam es, wie in Dortmund, im nördlichen Ruhrgebiet zu schweren Übergriffen. Allerdings wird die Existenz einer Nazi-Szene von den dortigen Kommunalpolitikern heruntergespielt.

Mehr zu demn Thema:

Autonome Nationalisten in Marl

"Keine Nazi Szene"

Seltsame Pferde reiten die Schweizer

Dub Spencer und Trance Hill klingt für mich nach Spaghetti Western mit schwingenden Fäusten.

Bei Schweizer Bands fällt mir direkt Grauzone ein. Aus Zürich kommen Dub Spencer und Trance Hill und machen – wie es der Bandname schon verrät – krachenden Monster DUB. Wie es sich anhört, wenn Ken Boothe, The Clash mit London Calling, Falco´s Jeany und Ennio Morricone, Echo Beach von Martha & the Muffins und natürlich der Eisbär von Grauzone, Smoke on the Water von Deep Purple durch den Dubwolf gedreht werden, zeigt das kleine Video unten.

Hier sind wir zwar im Dubkontext aber es läßt sich auch unter Bastard Pop abbuchen. Ein schöner Soundtrack für den Music Monday, der die Zeit bis zum Erscheinen des Albums Riding Strange Horses Anfang Januar 2010 verkürzt.

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Weihnachten: Märkteführer zwischen Zimt und Wein…Pottblog

Sonntagabendgekritzel: Schönes Bild…Uarr.org

Pupertät: Im Zweifel für den Zweifel…FlannelApparel

Klaus Steilmann: Legendärer Unternehmer und Fussballpräsi ist tot… Bild

Trauerfeier: Enkes Beerdigung sprengt jeden Rahmen…Spiegel

Hilfpolizei: CDU in NRW will Milizen aufstellen…DerWesten

Sexgeschnatter: Lafontaine und Wagenknecht – wen geht das was an?…DenWesten

Lafontaine II: Privates als Politisches…Spiegel

Dreckluft NRW-Umweltminister versagt weiter im Mühen um bessere Luft…WDR

Opelsanierung: Es wird sauteuer…Wirtschaftswoche

P.S. PS: Das verwendete Bild stammt vom Bochumer Weihnachtsmarkt, wurde von Pottblog bei Flickr entdeckt und darf mit freundlicher Genehmigung des Fotografen Rotwang verwendet werden.

Exklusiv: Schalkes Konzernbilanz

Hier veröffentliche ich nun die Schalker Konzernbilanz für das vergangene Jahr. Zur Großansicht einfach auf die Bilder unten klicken. Die roten Zahlen zeigen die negativen Beträge in der Bilanz, also die bilanzielle Überschuldung, bzw. das negative Eigenkapital.

Durch die Geldspritze der Stadt Gelsenkirchen wird vor allem die Arena aus der Bilanz verschwinden. Das macht auf der Aktiva-Seite ein Minus zwischen 80 und 120 Mio. unter dem Posten Sachanlagen aus. Auf der Passiva-Seite  werden die Bankdarlehen um eine Summe zwischen 70 und 110 Mio. Euro absinken. Je nachdem wie sich das jetzt weiter entwickelt. Von besonderem Interesse sind die großen Posten für die Vorkassierten Einnahmen / Sonstiges auf der Passiva-Seite. Das meiste davon müsste nach meiner Meinung eigentlich unter Schulden stehen. Die vorabkassierten Einnahmen aus den Dauerkarten sind jedenfalls mit Sicherheit nicht der größte Posten hier.

Dann finde ich den Anstieg des Kaderwertes zwischen 2007 und 2008 sehr spannend. Wer ist da soviel Wert geworden? Kevin Kuranyi? Fabian Ernst? Oder alleine Manuel Neuer? Ich finde das Besorgnis erregend, da hier wahrscheinlich aktuell Abschreibungen anstehen, die auch von den Zuschreibungen nicht aufgefangen werden. Es gab ja einige Abgänge. Und einige Verträge dürften auslaufen. Wieviel ist Jermaine Jones heute wert?

Dann ist noch spannend, dass die Personalkosten so hoch sind. Und sie sind wahrscheinlich in diesem Jahr ähnlich hoch – vielleicht sogar gestiegen, es kam ja Felix Magath samt Truppe dazu. Die Einnahmen dürften dagegen weiter gefallen sein, denke ich – auf jeden Fall dürften sie ohne internationale Spiele nicht gestiegen sein. Genaue Aussagen dazu sind derzeit nicht möglich. Genauso wenig, wie man derzeit sagen kann, wer die Lieferantenkredite gegeben hat und wie diese verzinst werden. Interessant sind zuletzt die sehr hohen sonstigen Kosten, die nicht weiter detailliert sind. Wer hat da für was Millionen kassiert?

Wie dem auch sei, hier die Daten. Ich habe sie gewissenhaft abgetippt, aber es können Detailfehler drin sein. Ich schaue koninuierlich nach. Sollte ich einen Fehler finden, werde ich ihn verbessern. Sollte jemand einen Hinweis auf eine Fehler haben, gerne auch per Email an david.schraven (at) ruhrbarone.de.

 

 

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Katzen: Kratzbürsten auf Tischen…Hackblog

SZ-Blogs: Don Alphonso findet was nicht doof…Blogbar

iPhone-Roulette: Was alles machbar ist..Kueperpunk

SPD-Castingshow: Prantl über die immer neuen Großen Vorsitzenden…Süddeutsche

Wikimedia: Satzmonsterbewunderer…prospero

Wikimedia II: Fefes Streit um Artikel-Killen mit relevanten Inhalten wird international…Wikipedia Signpost

Rassismus: 336 Worte Vorurteile…Coffee And TV

Superhelden: 13 Bilder über He-Man bis zur Ewigkeit…Jon Vermilyea

Urheberrecht: Die Zukunft hat angefangen. Sie sichert Monopole fürchtet…Netzpolitik

Alaska: Palin die dumme Nuss…Huffpost

Kriegsbilder: Bald werden die Kinder den Krieg im Revier nicht mehr kennen…Bild Ruhr

Umwelt: Uhlenbergs Feinstaubdebakel..DerWesten

Pleite-Bochum: Tiefrote Zahlen töten die Kultur – im Kulturhauptstadtjahr…DerWesten

Rocker: 1000 Mann, mehr als erwartet, in Schwerte…Ruhrnachrichten

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Mission Impossible

Sigmar Gabriel ist neuer Vorsitzender der SPD. Auch wenn er Erfolg haben sollte, wird er die SPD nicht zur alten Größe zurückführen können.

Wer die beiden mittlerweile arg geschrumpften Volksparteien retten will, muss das Wahlrecht ändern: Nur mit Mehrheitswahlrecht werden sie ihre alte Dominanz erreichen können. Und das Mehrheitswahlrecht wird nicht kommen. Also steht die Entwicklungsperspektive von SPD und CDU fest: Sie werden mittelfristig tendenziell kleiner werden. Die SPD  ist der CDU nur vorausgegangen und die hat bei der Bundestasgwahl auch in grottenschlechtes Ergebnis eingefahren.

Was passiert denn, wenn die neuen Mitglieder in die Ortsvereine kommen? Egal ob CDU oder SPD: Sie werden zumeist hoch überalterte Parteitreffs vorfinden, in denen es schwer fällt, sich zu engagieren. Das ist bei kleineren Parteien andres: Dort ist man auch als einfaches Mitglied näher dran, kann viel schneller selbst Politik mitgestalten. Und die kleinen Parteien entsprechen auch mehr dem Lebensgefühl vieler. Eine Gesellschaft die sich zunehmend in Einzelgruppen auflöst, die immer weniger über einen Kitt verfügt, der alles zusammenhält, bekommt auch eine entsprechende Parteienlandschaft. Wachsen werden Grüne, FDP, Linkspartei, Piraten oder Freie Wähler, die auf kommunaler Ebene längst der Union zuzusetzen. Bilden sie auch in den Ländern und im Bund eine demokratische, konservative Alternative zur CDU wird sie noch stärker schrumpfen. Die CSU in Bayern hat ihrer großen Schwesterpartei diese Erfahrung voraus.

Wenn Gabriel einen guten Job macht, und ich könnte mir vorstellen dass ihm das gelingt, wird er die SPD stabilisieren, ihren Mitgliedern wieder Mut machen und vielleicht bei der nächsten Bundestagswahl sogar etwas  dazu gewinnen. Zur alten Stärke wird er sie nicht bringen können. Die Zukunft wird für Volksparteien nicht Vergnügungsteuerpflichtig.

Die Herzkammer schweigt ? Aus für Engelen-Kefer

Im Hintergrund – Steinmeier Foto: ruhrbarone

Der Parteitag liest. Und zwar Zeitung(en). Während Frank-Walter Steinmeier am Samstagmorgen eine ordentliche Wahlkampfrede hielt – „Schwarzgelb,das ist Schuldenpolitik im Blindflug.“ –, interessierten sich die Delegierten und Gäste mehr dafür, wie Günter Bannas und Co. in FAZ und Konsorten den Neuaufbruch der SPD bewerten. Tenor: Oho, aber…  ein Bericht von Gastbaron Uwe Knüpfer aus Dresden

Nun ist ein Parteitag ein Printparadies, Zeitunglesers Schlaraffenland. Zeitungen liegen hier im Dutzend aus, und alle sind umsonst, von Abendzeitung bis Zürcher, vom Neuen Deutschland bis zur alten Rheinischen Post. Nur Ruhrgebietstitel sind weit und breit nicht zu finden, nirgends, und das liegt nicht daran, dass sie vergriffen wären.

Auch im Plenum des Parteitags fällt die Fast-immer-noch-Hochburg der Sozialdemokratie durch Zurückhaltung auf. Während sich Genossinnen und Genossen aus Schleswig-Holstein, Bayern und Südhessen zu beinahe jedem Thema zu Wort melden, hat die Ruhr-Sozialdemokratie zum Neuaufbruch der SPD offenbar nichts bis wenig beizutragen. Dabei gelten Dortmund und Umgebung doch als „Herzkammer der SPD“. Schlagen soll es wohl, das Herz, doch nachgedacht wird anderswo.

Michael Groschek aus Oberhausen immerhin trat auf – und schaffte es dennoch erst im zweiten Wahlgang in den Parteivorstand (mit 298 Stimmen, im ersten Wahlgang waren es 224). Deutschlands größte urbane Agglomeration (um das Wort Stadt zu vermeiden) wird im 45köpfigen Leitungsgremium der SPD jetzt von Hannelore Kraft aus Mülheim, Ulla Burchardt aus Dortmund (278 Stimmen) und Joachim Poss aus Gelsenkirchen (er bekam respektable 335 Stimmen) vertreten. Thomas Schlenz, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Thyssen-Krupp, im 1. Wahlgang missachtet, kam erst nach einer wuchtigen Intervention des neuen Vorsitzenden im weiten Durchgang auf 458 Stimmen.

Ohne jemandem zu nahe zu treten: so richtig prominent und lautstark macht das Revier im Leitungsgremium der SPD nicht auf sich aufmerksam. Dabei hat die SPD doch hier, jedenfalls bei den Kommunalwahlen, vorgeführt, dass sie noch gewinnen kann; in Gelsenkirchen zum Beispiel, wo das auch nicht ganz so einfach ist.

Die SPD hat ihre Liebe zu Losern entdeckt. Wie sonst könnte sie eine Politikerin mit der anspruchsvollen Aufgabe betrauen, der Partei neues Debattenleben einzuhauchen, die bei der Bundestagswahl die Wähler in ihrem eigenen Wahlkreis nicht zu überzeugen wusste, trotz fleißiger Präsenz vor Ort (oder vielleicht deswegen?). Dass Andrea Nahles Sigmar Gabriel allenfalls ein Papiertaschentuch reichen kann, wie während dessen Rede am Freitag geschehen – er war verschnupft -, aber nicht das Wasser, hat die Partei bislang nur klammheimlich begriffen. Mit 69,6 Prozent (255 Stimmen) erzielte Frau Nahles immerhin das schlechteste Ergebnis bei der Besetzung der Spitzenpositionen.

Hannelore Kraft kam bei der Wahl der stellvertretenden Vorsitzenden auf 90,2 Prozent, ein Kredit, den sie jetzt bei der NRW-Landtagswahl im Mai 2010 einlösen muss. Klaus Wowereit, der immerhin schon Wahlen gewonnen hat, erhielt 89,6 Prozent. Sogar die blonde, junge Manuela Schwesig („Ich bin die Neue.“), die sozialdemokratische Antwort auf Frau Koch-Mehrin, durfte sich über 87,8 Prozent fotogen freuen.

Gewählt ist gewählt, mag Andrea Nahles sich gedacht haben, und strahlte auf dem „Parteiabend“ Freitagnacht in einer ruhrgebietsartigen Industriehalle, als wäre ihr der Weihnachtsmann leibhaftig erschienen. Am Samstag durfte sie dann schon vor Franz Müntefering sitzen, der ihren Aufstieg einst fürs erste verhindern konnte. Der Alt-Vorsitzende musste sich jetzt mit einem Platz in der zweiten Reihe begnügen, in der Nachbarschaft von Ute Vogt und Chistoph Matschie. Aber immerhin noch auf dem Podium.

Ihre politische Endstation hat in Dresden Ursula Engelen-Kefer erreicht, die einst hellste Stimme der deutschen Arbeitervertretungsbewegung. Im ersten Wahlgang wählten sie nur 204 Delegierte. Sie trat dennoch ein zweites Mal an, wohl auf die Frauenquote vertrauend. Falsch. Jetzt waren es nur noch 183 Stimmen. Wahlen sind manchmal auch brutal.

Wolfgang Tiefensee, bis neulich immerhin Bundesverkehrsminister und, als er noch in Leipzig Oberbürgermeister war, ein Hoffnungsträger der ostdeutschen SPD, zog vorsichtshalber kurz vor der Wahl seine Kandidatur zurück. Von ihm wird in Erinnerung bleiben, dass er die Bahn gegen den erkennbaren Willen seiner Partei privatisieren wollte.

Frank-Walter Steinmeier darf Oppositionsführer im Bundestag bleiben, jedenfalls solange, bis es wieder ernst wird mit dem Kampf um die höchste Macht im Staat. Verräterisch, wie Versammlungsleiterin Doris Ahnen den Soeben-noch-Kanzlerkandidaten am Samstag ankündigte: „Wir freuen uns auf die Rede von Frank-Walter Steinmeier. Bitte im Raum bleiben!“

Urplötzlich lebendig war das Plenum dagegen einige Minuten früher geworden. Da war Kurt Beck ans Rednerpult getreten, um die Opel-Arbeiter der Solidarität der Sozialdemokratie zu versichern. Es erhob sich spontaner, kräftiger Applaus. Das war keine Routine. Das war Labsal auf die Seele des erst kürzlich aus dem Amt gejagten Ex-Vorsitzenden. Der Applaus am Ende der Steinmeierrede verplätscherte dagegen pflichtgemäß.

Die SPD will jetzt laut Leitantrag eine neue Sprache sprechen lernen, denn „…sie muss von allen Bürgerinnen und Bürgern verstanden werden.“ Eine klare Sprache sei „das wichtigste Medium der Politik.“ Eine interessante Erkenntnis. Noch allerdings klingt die SPD oft so wie im Antrag B4 zur Bildungspolitik: „Ziel des Bolognaprozesses (…) ist eine Bildungsexpansion und keinesfalls eine Bildungsexklusion zum Zwecke der Kostenersparnis.“

Insofern ist ausgiebige und regelmäßige Zeitungslektüre vielleicht eine gute Schule. Sigmar Gabriel geht mit gutem Beispiel voran, wie es sich für einen Vorsitzenden gehört. Er offenbarte sich als Leser von Handelsblatt, Süddeutscher Zeitung und vor allem der FAZ, die er (Ironie!) den Genossinnen und Genossen als „SPD-Kampfblatt“ zum Abonnement empfahl: wegen der Kritik der FAZ an der Finanzpolitik der schwarzgelben Bundesregierung.

Sogar acht Tageszeitungen liest nach eigenem Bekunden Christoph Zöpel, täglich, der in Bochum wohnt und viel zu sagen hätte, aber schon Minister und PV-Mitglied gewesen ist, in Dresden nur Zuschauer ist und offenbar nichts mehr werden will.