Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Dortmund: Sieraus erster Tag im Amt…Ruhr Nachrichten

Dortmund II: Hengstenberg verzichtet auf CDU-Chef-Kandidatur…Der Westen

Bundestag: Kein Spiegel der Gesellschaft…FAZ

WAZ: Meinungsmache und Moral…Zoom

SPD: Nicht mehr sexy…Der Westen

Nazis: Prozess endete mit Freispruch…Der Westen

Wirtschaft: Mehr als Döner…Ruhr Nachrichten

Lesen: Gegenwartsliteratur im Revier…Bo Alternativ

Kunst: C.A.R. 09…Hometown Glory

Ruhr2010: Gerz hat seine Straßen…Der Westen

Kolaitionsvertrag: Aggression auf Filzlatschen…Weissgarnix

 

 

Rettet die SPD!

Die SPD ist in „katastrophalem Zustand“. Das sagt, immerhin, ihr künftiger Vorsitzender. Sigmar Gabriel hat Recht. Die Partei, die er führen will, hat sich allmählich aufgegeben. Überflüssig ist sie nicht, im Gegenteil. Nur völlig desorientiert.
Von unserem Gastautor Uwe Knüpfer

Als die SPD entstand, vor fast 150 Jahren, entwurzelte die Globalisierung Millionen von Menschen; wirtschaftlich und geistig. Neue Wirtschaftsimperien entstanden, es wurden gewaltige Reichtümer aufgehäuft. Gleichzeitig wuchs die Kluft zwischen Arm und Reich. In guten Schulen und Universitäten waren die Kinder des Adels und der Reichen unter sich.

Klingt irgendwie vertraut. Zwar sind wir weit von den sozialen Verhältnissen des 19. Jahrhunderts entfernt. Doch die alten Themen tauchen wieder auf. Was nur zeigt: die SPD wird gebraucht. Vielleicht sollte sie sich erinnern:

Bevor die Sozialdemokratie eine Partei wurde, bestand sie aus Arbeiterbildungsvereinen. Statt Brot und Spiele für die Armen verlangte sie Aufstiegschancen. Mitbeteiligung. Sie folgerte aus der universellen Geltung der Menschenrechte, dass auch Arbeiter Bürger sind; gleichberechtigte Bürger. Das war revolutionär.

Einem Teil der sozialdemokratischen Bewegung war das nicht revolutionär genug. Während die Mehrheitssozialdemokratie die Mitverwaltung der bürgerlichen Gesellschaft anstrebte – also einen Kapitalismus mit menschlichem Antlitz – , wollte eine Minderheit etwas anderes. Dieses „Andere“ ging dann später als „Diktatur des Proletariats“ in die Geschichte ein.

Die Spaltung der Bewegung in Sozialdemokraten und Kommunisten war folgerichtig und ist es noch heute.

Gleiches Recht und gleiches Stimmrecht für alle. Freier Zugang zu jeder Form von Bildung für jeden. Abschaffung unverdienter Privilegien. Kampf dem Militarismus. Gemeinwirtschaft statt ungehemmtem Profitstreben. Zähmung der Marktkräfte durch staatliche Regeln und Aufsicht. Internationale Solidarität. Darauf fußte das Programm der SPD, und:

Arbeit sollte sich lohnen. Nicht wer von Papa Titel oder Konto geerbt hatte, sollte in der Gesellschaft und in der Politik den Ton angeben, sondern wer sich durch Fleiß und gute Arbeit ausgezeichnet hat. Die Sozialdemokratie verstand sich als eine Selbsthilfeorganisation der unterprivilegierten Leistungsträger.

Würde die SPD diese Ziele wieder ernst nehmen, wäre der erste Schritt zu ihrer Rettung getan. Der zweite müsste folgen:

Bevor die Sozialdemokratie Partei wurde, war sie Verein. Eben eine Selbsthilfeorganisation. Irgendwann ist der SPD das peinlich geworden. Irgendwann hat sie sogar die Hauskassierer abgeschafft, die von Tür zu Tür gingen, um Mitgliedsbeiträge einzusammeln und dabei nach Sorgen und Nöten zu fragen. Heute werden neue Genossen längst nicht mehr persönlich begrüßt, geschweige denn gefragt, warum und wie und wo sie ihren Platz in der SPD finden wollen. Richtet einen Dauerauftrag ein und spendet zusätzlich, wenn Wahlkampf ist! Mehr scheint die SPD von denen, die ihr Mit-Glied sein wollen, nicht zu verlangen.

Ihren Höhepunkt erreichte die Entvereinigung der SPD unter Gerhard Schröder. Für ihn und die Seinen war die Partei nur noch als Resonanzboden wichtig, ansonsten lästig. Aus Parteitagen wurden Akklamationsveranstaltungen. An die Stelle von Debatten traten Heldenverehrungen. Meinungsbildung im öffentlichen Raum war unerwünscht; sie fand in kleinen und immer kleineren Kreisen statt, allenfalls unter Einbeziehung geladener „Experten“, Demoskopen und Journalisten.

Das galt als modern. Das hatten Kampagnentechnokraten in Amerika gelernt – übersehend, dass Parteien in den USA ganz andere Traditionen haben als bei uns. Ganz selten gelingt es dort einem kleinen Zirkel von Parteifunktionären, einen der Ihren zum Kandidaten für hohe Regierungsämter zu küren. In Wahrheit muss sich jeder Kandidat einer Vielzahl von Prüfungen stellen; er muss sich vor Ort, im Kontakt mit Menschen bewähren, bevor er in die Welt der Kameras und Photo-Opportunities entschwebt.

Die SPD hat diesen Weg abgekürzt. In ihr ist es gang und gäbe geworden, „den Gremien“ zu sagen, was sie zu entscheiden und wen sie bitte schön zu wählen haben. Die Bolschewiken, gäbe es sie noch, würden vor Neid erblassen. Den „demokratischen Zentralismus“ hatten eigentlich sie erfunden – um das Unberechenbare wahrhaft demokratischer, offener Mehrheitsbildungen und Wahlen auszuschließen.

Wer die SPD retten will, muss sie in neuem Sinne wieder-vereinen. Überall findet man Menschen, denen es wichtig wäre, die alten Ziele der SPD in die neue Zeit zu übertragen. Überall gibt es Menschen, denen es ernst damit ist, Schulen so zu gestalten, dass dort jedes Talent entdeckt und gefördert werden kann. Die wissen wollen, wie den wieder enthemmten Kräften des Kapitalismus beizukommen ist. Die sich sorgen, militaristisches, nationalistisches Denken könne wieder um sich greifen.

Die SPD müsste sich die Mühe machen, solche Menschen zu sammeln. Sie miteinander ins Gespräch zu bringen. Sie aus der Geschichte lernen zu lassen. Ihren Ideen Ausdruck zu geben.

Das sollte heutzutage viel leichter sein als im 19. Jahrhundert. Das Grundgesetz garantiert die Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit. Und das Internet kann enorm bei Organisation und Meinungsbildung helfen. Doch das Wichtigste wird sein, den Orts-Verein, die Kernzelle der SPD, neu zu erfinden. Als einen Ort, an dem Menschen zusammenkommen, um ernsthafte Anliegen ernsthaft zu diskutieren – und schließlich Einfluss zu nehmen. Und nicht, um sich anzuhören, was aus Funk und Illustrierten bekannte „Spitzenpolitiker“ ihnen auftischen; in der Regel Aufgewärmtes, vielfach schon Gehörtes und Gelesenes. Und auch nicht, um sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen, die Türen fest zu verriegeln und das nächste Sommerfest zu planen.

Kurt Tucholsky hat mal vorgeschlagen, die SPD umzubenennen – in: „Hier können Familien Kaffee trinken“. Ihm war die SPD zu kleinkariert, zu bräsig und konfliktscheu. OK. Das ist sie immer noch. Aber welcher Familie käme es heute in den Sinn, bei und mit den Genossen Kaffee zu trinken?

Wenn sie das wieder schafft: wenn Menschen, ganze Familien gar, wieder Lust haben, bei der SPD „Kaffee zu trinken“ und dabei, zum Beispiel, über Erziehung, das Genossenschaftswesen oder den Krieg am Hindukusch zu sprechen, wird ihr Wiederaufstieg unaufhaltsam sein.

Ruhr oder Berlin Teil 4 – Der Kreative als solcher

Was macht ihn eigentlich aus?  Und aus was besteht eigentlich die aktuell so viel gerühmte  „Keative Klasse“ ? Was steckt hinter dieser schon nicht mehr ganz neuen “Begriffs-Sau“ die seit einiger  Zeit durchs weltweite Medien-Dorf getrieben wird? Nach dem ich in den ersten drei Teilen die Rahmenbedingungen für Kreativität geklärt habe, möchte ich mich heute denen zuwenden, die den Kern der Sache ausmachen. Genauergesagt der Eigenschaft die sie als ihr Hauptmerkmal verbreiten: ihrer  Kreativität.

Bild: Kreativer am Samstagvormittag

Ist die eigentlich angeboren? Oder kann man die erlernen? Beides scheint der Fall zu sein, wenn man den Wissenschaftlern traut, die sich damit beschäftigen.  Seit den ersten Intelligenzdefinitionen die sich auch der Empirie zu stellen hatten, was natürlich mal wieder eine Idee des (amerikanischen) Militärs war, stand diese Frage im Raum. Welche Eigenschaften muss der Mensch haben, der in der Lage ist, etwas Neues zu  denken. Sei es weil er dazu gezwungen ist, weil die alten Problemlösungen nicht mehr funktionieren. Sei es weil  er einfach Spaß daran hat, Dinge nicht hinzunehmen wie sie sind. Sei es weil er in einem Metier beschäftigt ist dass davon lebt, dass nichts so bleibt wie es ist, wie z.B. in der Mode. Sei es weil er sich mit seiner ganzen Persönlichkeit der Berufung verschrieben hat, ein Erfinder zu sein.

Intelligenz, so stellte sich heraus,  ist nicht die Folge sondern die Voraussetzung von Kreativität. Blöde kommen – wie die meisten auch aus ihrer Alltagserfahrung wissen –  selten auf neue Gedanken und können deswegen auch schlecht Probleme lösen. Zumindest nicht absichtlich und bewusst. Umgekehrt , so fanden unsere Forscher heraus, gilt aber nicht der Satz: Je intelligenter je kreativer. Es gibt (leider) auch viele Menschen mit einem hohen IQ denen nicht viel Neues einfällt. Selbst wenn es dringend notwendig ist. Erleben wir gerade wieder, oder?

Wo also ist das Gen, das der Intelligenz z.B. eines Rechengenies die Fähigkeit, ja sogar Neigung, hinzufügt, um die Ecke oder Quer oder anders herum zu kalkulieren?  Die Sache auf den Kopf zu stellen? Sich aus den gewohnten Bahnen heraus zu katapultieren? Ob das ein richtiges Gen ist, weiß bis heute noch keiner so richtig. Aber es gibt, das weiß auch unsereins,  Menschen die für alle andreren nachprüfbar so sind. Wir nennen sie gewöhnlich unkonventionell. Nicht nur anders im Sinne von Unterschied, sondern im Sinne von gegensätzlich, zumindest aber im Sinne von sich nicht dem Gängigen fügend.   Unkonventionell eben.

Über diesen Verhaltenstypus gibt es entsprechend auch, und natürlich wissenschaftlich etwas komplizierter und ausschweifender, reichlich empirische Untersuchungen und die haben im großen und ganzen ein Ergebnis: er ist in allen diesbezüglich untersuchten Gesellschaften in der Minderheit. Auf gut Deutsch: Der Unkonventionelle ist, wie der Name es ja auch sagt, kein Herdentier.  Wenn überhaupt und allerhöchstens macht er gut ein Drittel der Bevölkerung aus.  Als Denkender aber nur!

Als Handelnder verringert sich seine Prozentzahl nochmal erheblich. Denn gegen die Konventionen zu handeln erfordert Mut , wie wir alle wissen. Und sein Auftreten hängt dazu noch von der Unterstützung der sozialen Umgebung ab. Sind alle um einen herum eher ängstlich sinkt der eigene Mut. Mit jeden weiteren Mutigen steigt er an. Auch das ist mittlerweile wissenschaftlich erwiesen.Bringen wir das ganze wieder mit der Kreativität zusammen so erfordert sie Intelligenz  u n d  Mut. Oft zumindest.

Wie kommt also jemand auf die Idee diese sehr besondere individuelle und zugleich nur wenigen Menschen nur unter ganz bestimmten Bedingungen zugängliche Eigenschaft mit dem Begriff der „Klasse“ zu verbinden? Also einem recht hemdsärmelig gebrauchten soziologischen Begriff der sich z.B. , wie es sein berühmtester Vertreter Richard Florida tut, mit einer oder mehreren ganz  bestimmten Berufskategorie verknüpfen lässt um sie (relativ) genau zählbar und damit räumlich und sozial  verortbar zu machen? Oder konkreter gefragt: Ist z.B. ein Architekt schon per Berufsdefinition als Kreativer zu bezeichnen?

Wer sich jeden Tag unsere gebaute Umwelt anschaut weiß: das Gegenteil ist der Fall. Das gleiche gilt z.B. für Designer, Werbe- und Modefuzzis, die mittlerweile ebenso automatisch zur Kreativen Klasse gezählt werden. Dagegen haben sich die Banker, die lange quasi als Markenzeichen für Solidität eben auch als Ausgeburt des Unschöpferischen gegolten haben, in den letzten Jahren als ausgesprochen kreativ erwiesen.  Womit augenscheinlich ein weiteres Problem der so viel gelobten Kreativität aufscheint: Kreativ in was und für wen? Oder anders ausgedrückt: Kreativität ist ähnlich wie Intelligenz und Unkonventionalität ein gefährlich inhaltsleerer Begriff. Und er ist keineswegs automatisch mit dem verknüpft, was der Begriff „Klasse“ andeutet: Elite im Sinne von verantwortlicher Führungsfähigkeit.

Jemand als Kreativen zu bezeichnen erfordert also  weit mehr als eine bestimmte  Berufsbezeichnung. Solche Personen lassen  sich nach meiner Ansicht soziologisch gar nicht erfassen. Sie tauchen viel mehr immer wieder als Einzelpersönlichkeiten aus der Masse auf und suchen sich ihren ganz eigenen Weg. Sie lassen sich deswegen auch nicht kategorisieren oder sozial oder kulturell und erst recht nicht ökonomisch einordnen.  Sie tauchen in der Unterschicht genauso auf wie bei den Reichen. Man findet sie nicht nur in den sogenannten innovationsfreundlichen Milieus und Berufsgruppen.  Aber sie sind überall in der Minderheit. Auch da wo Erfindergeist  zum Tagesgeschäft gehört.Uns sie (be)suchen sich gegenseitig, weil sich die eigene  Kreativität ohne Dialog und Außeninspiration nicht steigern lässt.

Deswegen haben sie immer schon das gebildet, was heute als „Cluster“ oder „Netzwerke“ bezeichnet wird. In der Provinz wie in den Metropolen. Ehe Richard Florida sie „entdeckt“ hat, waren sie schon lange da. Und überall machen sie immer die gleiche Erfahrung: Das ihre Kreativität über kurz oder lang den Rest der Gesellschaft nervt.  Das ihr Gebrauchtwerden immer nur auf Zeit ist. Dass sie immer nur in bestimmten Phasen, ja manchmal nur für sehr kurze Momente die Heroen der Mehrheit sind. Das wird auch dieses Mal so sein. Egal ob in Ruhr oder Berlin oder sonstwo.

Teil1, Teil 2, Teil 3

Werbung


Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Opel: Opel-Verkauf verschoben…Ruhr Nachrichten

Priester-Terror: "Keinen Hass sachüren"…Der Westem

Bochum: Kampfkandidatur um CDU-Fraktionsvorsitz…Pottblog

Dortmund: Grüne enttäuscht von Prüsse…Der Westen

Essen: Dezernent für Integration?…Der Westen

Bundesregierung: Ökonomen zerpflücken Steuerversprechen…Spiegel

Baring: Mehr Sarrazins in die Politik…Welt

Ruhrgebiet: RVR kann wieder planen…Welt am Sonntag

1999: Pacta sunt servanda…Frontmotor

Kunst: Kuboshow review…Hometown Glory

Kultur: Jazz und Adorno…Exportabel

Medientage: Ringen um Web-Inhalte…FR Online

China: Fotos von der Potsapokalypse…Kueperpunk

Offene Fragen an den Uhlenberg-Untersuchungsausschuss

Foto: Umweltministerium / Uhlenberg steht links

Spitzenbeamte des Umweltministerium NRW sahen die Belastungszeugin im Fall Harald F. „teilweise als eine Art agent provocateur“. Trotzdem wurden drei Anzeigen gestellt. Wer hatte dafür die politische Verantwortung?

Wenn am Montag die Anhörungen im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum möglichen Machtmissbrauch von NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) beginnen, werden die Abgeordneten versuchen, Licht eine düstere Affäre zu bringen. Sie werden sich mit dem Strafverfahren gegen den ehemaligen Abteilungsleiter des Umweltministeriums Harald F. befassen, sie werden von einer dubiosen Zeugin hören und von einem großen Lauschangriff.

Früh kam der Verdacht auf, die Verfolgung von Harald F. basiere auf politischem Druck. Der Beschuldigte gilt als einer der wichtigsten Kritiker von Minister Uhlenberg im PFT-Skandal, zudem ist er als grünes Parteimitglied ein Vertrauter von Ex-Ministerin Bärbel Höhn (Grüne). Im Mai 2008 wurde das Haus von Harald F. durchsucht, er selbst wurde als angeblicher Kopf einer kriminellen Bande für mehrere Wochen eingesperrt. Mittlerweile wurden alle Vorwürfe aus dem Haftbefehl fallen gelassen. Lediglich in zwei Randaspekten wird derzeit noch ermittelt. Aber auch hier steht eine Einstellung der Verfahren nach Informationen aus dem NRW-Justizministerium bevor.

Tatsächlich gibt es genügend Gründe, nach einer politischen Motivation zu fragen. Selbst in Reihen des Umweltministeriums wurde die Rolle der Hauptbelastungszeugin Dorothea Delpino nicht unkritisch gesehen. Schon Wochen bevor überhaupt Anzeigen beim Landeskriminalamt (LKA) gestellt wurden, beschäftigten sich Spitzenbeamte von Minister Uhlenberg mit der Motivation der Zeugin. In einem internen Bericht an Umweltstaatssekretär Alexander Schink (CDU) wird detailliert ausgeführt, wie Delpino Akten im ganzen Haus zusammenträg, Spittzelberichte schreibt und den damaligen Abteilungsleiter beschuldigt. Gleichzeitig wird notiert, dass Delpino eine Beförderung im Ministerium verweigert worden sei, die Zeugin aber wegen des anstehenden Angriffs auf den Abteilungsleiter auf eine Klage gegen das Uhlenberg-Haus verzichte. Als Motivation für ihre Beschuldigungen gab Delpino an, sie wolle was gegen Mobbing durch den Abteilungsleiter tun. „Sie könne das nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren.“ Zudem heißt es, es müsse damit gerechnet werden, dass die Aussagen von Delpino angegriffen würden, weil diese „persönliche Motive für die Diskreditierung“ des Beschuldigten habe. Und weiter: „Bei Durchsicht der Unterlagen der Zeugin zeigt sich, dass die Zeugin teilweise als eine Art agent provocateur handelte.“

Trotz dieser Erkenntnisse erstatte Umweltstaatssekretär Schink vor allem auf Basis der Beschuldigungen von Delpino im Juli 2006 gleich drei Anzeigen gegen Harald F. wegen des Verdachts auf Korruption und Geheimnisverrat, wie Unterlagen des LKA belegen. Hat Schink das auf eigene Rechnung getan? Oder in Abstimmung mit seinem Minister Uhlenberg? Eine Antwort wird der Untersuchungsausschuss finden müssen.

Auch im Landeskriminalamt gab es früh Zweifel, ob die Zeugin Delpino ausreicht, ein großes Verfahren anzustrengen. Vor allem die Recherchen des Leiters der Ermittlungskommission (EK) „Stuhl“ Eckhard Lech auf Basis der Zeugin wurden hinterfragt. Ihm selbst war früh die politische Dimension des Verfahrens bewusst. In einem internen Vermerk vom 5. März 2007 gibt Lech zu, dass bei seinen Recherchen „aufgrund der Fachlichkeit eine Abhängigkeit vom MUNLV besteht“. Gleichzeitig merkte Lech an, dass im Ministerium während eines arbeitsrechtlichen Verfahrens gegen Harald F. „alles zusammengesucht wurde, um Herrn Dr. F. arbeits- und strafrechtlich zu belasten.“ Dies könne dazu führen, dass die Aussagen von Mitarbeitern des Ministeriums öffentlich angezweifelt würden. Es „muss zumindest bedacht werden, dass ggf. versucht wird, die Ermittlungen politisch zu instrumentalisieren.“

Warum wurden diese Bedenken nicht gehört? Gab es politischen Druck? Fakt ist: Trotz der unsicheren Basis trieb das LKA die Verfolgung des Ex-Abteilungsleiter energisch voran. In einem großen Lauschangriff wurden nicht nur politische Gespräche des Landtagsabgeordneten Johannes Remmel (Grüne) abgehört, sondern nahezu wahllos jedes Telefonat, das auf einen betroffenen Anschluss auflief. Dabei wurden keine Terroristen belauscht, sondern die Anschlüsse von Professoren, Firmeninhabern und Institutsleitern. Mir liegen Unterlagen über ein mitgeschnittenes Gespräch zwischen der Frau des Beschuldigten D. mit ihrem Priester in Dortmund vor. Die Frau des Beschuldigten B. wurde bei einem Gespräch mit ihrem Arzt belauscht. Und das Telefon des erwachsenen Sohnes eines weiteren Beschuldigten wurde abgehört, weil das LKA damit rechnete, der Vater könne den Anschluss nutzen.

Gegen nahezu alle Beschuldigten wurden bereits die Verfahren eingestellt, weil keine Schuld nachweisbar war. Die aufgezeichneten Gespräche, so heißt es, seien vernichtet.

Der Untersuchungsausschuss wird klären müssen, wer die politische Verantwortung für die offenen Fragen übernehmen muss.

Schalker Finanznöte. Ein Report aus dem Reich der Gelsenkirchener Kickertöchter

Foto: flickr / cerberusofcologne2008

Wenn ich in den letzten Tagen und Wochen über Schalke nachdenke, dann muss ich immer an einen Catenaccio der alten Schule denken. Alles was nicht offensichtlich ist, wird bestritten. Dazu werden Nebelkerzen gezündet und Vertuschungen gestartet. Was schlimm ist und was nicht, kann kaum einer sagen. Nur soviel ist sicher, es gibt eine finanzielle Krise. Wie diese genau aussieht, dazu schweigen die Manager des Vereines. Statt detailliert aufzuklären, wird mit Gegendarstellungen gedroht. Es heißt immer nur wieder, die Lage sei nicht schön. Aber man werde das schon schaffen.

Allerdings fängt der Abwehr-Riegel an zu wanken. Die Not ist einfach zu groß. Die ersten Insider reichen Dokumente des Vereins weiter, aus dem Aufsichtsrat, aus den Bilanzen und den Büchern. Daraus geht hervor, dass die sich auftürmenden Schulden weit höher sind als bisher bekannt. Es geht um ein vereinsnahes Firmengeflecht, um ein dubioses Verrechnungskonto und nicht zuletzt um die Position von Aufsichtsratschef Clemens Tönnies. Denn der Fleischtycoon aus Rheda-Wiedenbrück wacht auf Schalke über alles.

Das Bild, das sich aus den Dokumenten ergibt, ist schwierig. Das Spiel beginnt irgendwann im vergangenen Winter, als Bargeld auf Schalke wieder knapp wurde. Gerade erst war der Vertrag mit Manager Andreas Müller verlängert worden. Ihm wird aufgetragen, den Kader zu verkleinern, damit er in der kommenden Saison finanziert werden kann. Maximal 47 Mio. Euro dürfe die Mannschaft und das drumherum kosten, heißt es. Müller nimmt die Aufgabe an. Er verkauft den Mittelfeld-Spieler Fabian Ernst, verleiht den kostspieligen Einkauf Albert Streit und löst die Verträge mit Gustavo Varela und Peter Lövenkrands. Das ist sichtbar auf Schalke.

Im Hintergrund aber beginnt eine weitere Geschichte. Vertraulich suchen Verantwortliche rund um den damaligen Schalke-Präsidenten Josef Schnusenberg den Kontakt zum Londoner Finanzmakler Lawrence B. Schechter.

Der Mann ist auf Schalke kein Unbekannter. Im Auftrag des Clubs hatte sein Büro schon zwei große Deals durchgezogen. Schechter hatte den Schalkern eine Anleihe über insgesamt 85 Mio. Euro besorgt und zudem dabei geholfen, die gesamten zukünftigen Fix-Einnahmen aus dem Sponsorvertrag mit Gazprom im Gesamtwert von 44 Mio. Euro zu versilbern. Nun wollte er den Sponsorenvertrag mit Adidas verkaufen.

Dazu sollte er ähnlich wie beim Gazprom-Deal die zukünftigen Einnahmen an einen Investor verkaufen. Das Geschäft ging plangemäß über die Bühne. Schalke hat rund 12,5 Mio Euro Bargeld bekommen. Dafür streicht ein amerikanischer Geldgeber in den kommenden vier Jahren nahezu alle Überweisungen von Adidas ein. Um die Millionen durchzureichen, wurde im April eigens eine Briefkastenfirma gegründet. Die FC Schalke 04-Service GmbH.

Doch Schechter sollte nicht nur diesen Deal vorbereiten. Die Schalker Manager um Schnusenberg übergaben dem Finanzmakler auch die bislang unveröffentlichte Bilanz der Arena Gesellschaft. Schalke selbst gehören rund 78 Prozent an der Stadion-Gesellschaft. Der Rest gehört der Stadt Gelsenkirchen oder auch Privatleuten, wie Clemens Tönnies, Josef Schnusenberg oder auch Rudi Assauer persönlich, sowie Freunden und Verwandten des Vorstandes. Schechter sollte sich überlegen, wie man aus der Arena Gesellschaft noch einmal möglichst viel frisches Geld pressen kann, berichten Insider.

Warum war das nötig? Schalke hatte sich in den erfolgreichen Jahren keinen Speck angefressen. Im Gegenteil. Aus dem Club wird berichtet, dass immer neue Spielereinkäufe Millionen verschlangen. Ein Beispiel nur ist der Transfer des Brasilianischen Kickers Ze Roberto II, der für rund drei Mio Euro geholt wurde. Insider berichten, dass Manager Müller den Mann nicht haben wollte, doch Schalkes damaliger Präsident Josef Schnusenberg habe darauf gedrängt, das Geschäft zu machen. Später saß Ze Roberto II meist auf Tribüne, bevor er zurück nach Brasilien geschickt wurde. Auch die Trainerwechsel auf Schalke kosteten immer wieder Millionen. Selbst nach ihrem Rauswurf muss der Club auf Jahre hinaus die Gehälter von Mirko Slomka und Fred Rütten zahlen. Zuletzt soll die Entmachtung von Manager Andreas Müller kurz nach dessen Vertragsverlängerung den Verein mehrere Millionen Euro kosten, wie ein Beteiligter berichtet.

Das besondere dabei, jeder Rauswurf muss direkt mit einer Rückstellung in der Höhe des noch zu zahlenden Gehaltes abgesichert werden. So wird das Bargeld automatisch in der kommenden Saison knapp. Wie eine Welle, die sich aufbaut.

Zudem müssen alleine für die von Schechter vermittelte Anleihe sowie Zinsen und Tilgungen für die Arena jedes Jahr über 20 Mio. Euro gezahlt werden. Das Bilanzloch je Saison wird im Schalke Umfeld auf bis zu 30 Mio. Euro geschätzt.

Investitionen außerhalb des Fußballs waren in den seltensten Fällen lukrativ. So brüstet sich der Schalke Vorstand oft damit, in eine Klinik am Stadion und damit in die Zukunft investiert zu haben. Doch nach dem aktuell vorliegenden Geschäftsbericht ist das Unternehmen mittlerweile bilanziell überschuldet. Gewinne wurden nicht eingefahren, dafür Verluste.

Um frisches Geld für den Kick zu besorgen, hat Schalke deshalb ein kaum zu durchschauendes Geflecht von Tochterfirmen geschaffen. Diese Firmen sind für den Stadionbetrieb verantwortlich oder für das Catering. Ein Unternehmen verwaltet die Rechte des Clubs. Ein anderes kümmert sich um die Ruine des Parkstadions. Kontrolliert werden diese Firmen fast alle von Schalke-Vorstand Peter Peters.

Wie aus den Bilanzen der Schalke-Töchter zu sehen ist, wurde rund um diese Firmen ein System geschaffen, in dem sich die einzelnen Unternehmen über ein Verrechnungskonto gegenseitig Darlehen geben oder Forderungen fällig stellen. Wie in einem Karussell. „Das Ziel war es, das Bargeld immer an die Stelle zu bringen, wo es gerade gebraucht wurde“, erzählt ein Insider. Am Ende sollte so der Verein selbst zuverlässig mit dem nötigen Cash versorgt werden, um problemlos die Lizenzbedingungen der Deutschen Fussball Liga (DFL) erfüllen zu können. Denn diese kontrolliert nur die Bilanzen des Clubs, nicht aber die der angeschlossenen Unternehmen.

Mittlerweile prüft die DFL die Finanzen von Schalke, sowie bei fast zwei dutzend anderen Clubs in einem Nachlizensierungsverfahren. Es drohen Punktabzüge oder Geldstrafen.

Über die Jahre wurden die Schalker Töchter ausgepresst wie Zitronen. Wenn es anders nicht ging, mussten die Firmen sogar eigene Kredite aufnehmen und das frische Geld an den Club weiterreichen. Gerade werden Darlehen des Vereines in Höhe von rund 10 Mio. Euro an die Arena Gesellschaft aufgelöst. Die Tochter muss nun an den Club zahlen. Ob es dabei zu Scheingeschäften gekommen ist, wie manche Insider sagen, lässt sich anhand der vorliegenden Konten nicht beweisen.

Auf diese Art und Weise türmen sich nach meinen Recherchen heute zusätzlich zu den etwa 137 Mio Euro Schulden, die Schalke in der Vereinsbilanz ausweist, weitere Schulden von weit über 100 Mio Euro auf. Wie hoch die Gesamtbelastungen sind, ist schwer zu sagen. Schalke stellt zwar eine Konzernbilanz auf, in der die ganzen Verrechnungen im Firmengeflecht aufgehoben werden müssten. Allerdings bleibt dieses Zahlenwerk unter Verschluss. Das letzte Mal wurde eine Zahl für das Jahr 2006 öffentlich. Damals sagte Finanzchef Schnusenberg, die Schalke-Gruppe sei mit 66 Mio Euro bilanziell überschuldet. Es ist unwahrscheinlich, dass die Lage seither besser wurde.

Wie eng es bei den Töchtern mitunter zugeht, zeigt eine Momentaufnahme. Die meisten Schalker Unternehmungen werden über die FC Schalke 04 Holding GmbH & Co. KG gesteuert. Diese Firma hat laut der zuletzt veröffentlichten Bilanz am Stichtag 31. Dezember 2007 Schulden von 36,1 Mio. Euro ausgewiesen. Auf den Barkonten der Firma befanden sich damals noch exakt 385 Euro und 24 Cent.

In der laufenden Saison hat sich die Situation nun verschlimmert. Schalke hat es nicht in die internationalen Wettbewerbe geschafft. Gleichzeitig leistet sich Schalke einen der teuersten Kader der Liga. Die gesamten Personalkosten des Clubs lagen laut Bilanz zuletzt bei 69 Mio. Euro. Verträge von Leistungsträgern wie Heiko Westermann oder Benedikt Höwedes wurden zu erhöhten Bezügen verlängert. Und obendrauf kommt der neue Manager Felix Magath mit seinem Stab. Aus dem Schalker Aufsichtsrat ist zu hören, der gesamte Tross koste etwa 10 Mio. Euro im Jahr. Für Magath alleine seien sechs Mio. fällig.

Der Club muss also wieder neues Geld besorgen. Es kam die Idee auf, die Arena zu versilbern. Der Finanzprofi Schechter machte zusammen mit dem damaligen Schalker Rechtsanwalt Theo Paeffgen nach Studium der Unterlagen der Arena Gesellschaft einen ambitionierten Vorschlag. Er wollte die Arena in einen so genannten REIT überführen. Das ist eine Immobiliengesellschaft, deren Anteile frei gehandelt werden können. Die Arena sollte an der Düsseldorfer Börse notiert werden. Dort hätten Fans, aber auch institutionelle Investoren die Scheine des Stadions wie Aktien kaufen und verkaufen können. Ein entsprechender Vorschlag wurde Verantwortlichen des Clubs „streng vertraulich“ vorgelegt, wie es aus dem Verein heißt.

Doch das Vorhaben ist nicht ganz trivial. Die Arena gehört unter anderem der Stadt Gelsenkirchen. Die Kommune hat rund 10 Mio. Euro über eine stille Beteiligung und weitere fünf Mio. Euro über eine kommunale Tochter in der Halle stecken. Auf das Geld oder die Gegenwerte für die Millionen kann die klamme Gemeinde kaum verzichten. Sondierungen zum Thema sollen trotzdem laufen. Bestätigt wird das allerdings weder von der Stadt noch vom Verein.

Und auch wenn Schalke sagt, die Arena sei das große Vermögen des Vereins, so stimmt das nur bedingt. Aus der Bilanz der Arena für das Jahr 2008 geht hervor, dass die Anlage zwar noch einen Buchwert von knapp 130 Mio. Euro hat, demgegenüber stehen aber Schulden von insgesamt rund 110 Mio. Euro. Selbst die technische Einrichtung in der Arena wurde schon an Banken verpfändet. Jahrelange Verluste der Firma sorgten zudem dafür, dass vom Eigenkapital der Gesellschaft zur Zeit nur noch etwa 15 Mio. Euro vorhanden sind – auch wenn die Arena im vergangenen Jahr einen Gewinn von 1,1 Mio Euro gemacht hat.

Man kann die Situation von Schalke mit einem Häuslebauer vergleichen, der einen Palast auf Pump gebaut hat. Noch fühlt er sich als Besitzer – aber will er seinen Palazzo Prozzo verkaufen, muss er seine Bank und die Nachbarn um Hilfe bitten. Und wenn erst Raten ausbleiben, verliert er alles und sitzt auf der Straße.

Tja, und dann gibt es noch ein Problem. Auch Schalkes Aufsichtsratschef Clemens Tönnies ist laut Arena-Bilanzen mit einer stillen Beteiligung eingebunden. Das Geld des Metzgers sei als Kapitalspritze gedacht gewesen, heißt es aus dem Schalker Karussell. Ein älteres Darlehen sei so umgewandelt worden, damit kein Bargeld fließen musste. Tönnies selbst hat dazu auf Anfrage nichts gesagt. Im Jahr 2006 lag die stille Beteiligung bei zwölf Mio. Euro, das steht in den Papieren. In der aktuellen Bilanz der Arena KG ist die Beteiligung mit 5 Mio. Euro notiert. Schalke-Vorstand Peters sagt, Die stille Beteiligung sei Teil des „Finanzierungskonzeptes für den ARENA-Neubau.“

Der Plan die Arena in einen REIT zu verkaufen, ist vorerst gescheitert. Tönnies und seine Getreuen auf Schalke wollten oder konnten die Umwandlung nicht mitmachen. Rechtsanwalt Theo Paeffgen wurde das Mandat entzogen, das Verhältnis zu Schechter auf Eis gelegt. Es hieß, Paeffgen habe die Vollmacht über die Schalker Konten anstelle von Peters beansprucht. Dies sei nicht hinnehmbar gewesen.

Mittlerweile ist der Sturm auf Schalke deutlich zu spüren. Felix Magath soll jetzt den Club verteidigen. Er verspricht eine neue Transparenz und bessere Strukturen. Vor allen das Geflecht der Tochterfirmen will er durchforsten lassen. Sogar über den Verkauf der beiden wichtigsten Schalker Töchter, der Rechtefirma oder der Catering KG, denkt Magath nach. Und sein Co-Vorstand Peters sekundiert, eine Restrukturierung des Schalke-Konstruktes werde geprüft. Sollten die beiden Firmen abgestoßen werden, hätte Schalke nicht mehr viel Besitz. Die Sponsoreinnahmen auf Sicht verkauft, das Stadion verpfändet und dann auch noch die Rechte abgetreten. Mehr kann man kaum verkaufen.

Oder doch: Spieler. Auch wenn Magath öffentlich bestreitet, Kicker aus Not abgeben zu müssen, wird derzeit auf Schalke über den Verkauf von Mittelfeldstar Jermaine Jones oder Torhüter Manual Neuer spekuliert.

Warum das ganze? Es gibt ein großes Problem. Schechter hatte Tönnies und Getreue nämlich nicht nur ein Angebot gemacht. Er hatte auch eine Warnung im Gepäck. Um ihn zu „schützen“ habe er seinen „langjährigen Klienten“ Schalke darauf hingewiesen, dass es Probleme mit der Abwicklung der Anleihe geben könnte, sagte mir Schechter.

Was sich dahinter verbirgt, zeigt wieder ein Blick in Dokumente. Die Schalke Anleihe wird von der Londoner "Prudential Trustee Company Limited" kontrolliert. Diese Firma kassiert für ihre Kunden unter anderem von den beiden Schalker Konten "Ticket Collection A" und "Media Collection A" bei der WGZ Bank die Raten für die Anleihe. Einnahmen wie Fernsehgelder müssen laut Vertrag über diese Konten fließen. Nach den Bestimmungen der Anleihe dürfen die Konten niemals unter eine bestimmte Grenze geleert werden.

Tatsächlich aber hat sich Schalke in permanenter Geldnot wiederholt bei den Konten bedient und die Grenzen nach unten überschritten. Dies könne laut Schechter einen Vertragsverstoß darstellen. Nach meinen Informationen wollen die Verantwortlichen der "Prudential Trustee Company Limited" in den kommenden Tagen mit den Investoren beraten, ob die Anleihe deswegen gekündigt wird. In diesem Fall müsste Schalke auf einen Schlag rund 100 Mio Euro zahlen, hat Schechter festgestellt. Die "Prudential Trustee Company Limited" wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Vorgang äußern. Schalke bestreitet bisher öffentlich, dass es einen Grund für die Kündigung geben könne. Alle Zahlungen seien pünktlich abgegangen. Es werde nicht über die Anleihe verhandelt, sagte Peters.

Ein Rückzug der Investoren wäre für Schalke ein Desaster. Nicht nur, dass im Augenblick kaum daran zu denken ist, 100 Mio. Euro aus dem Ärmel zu schütteln. Für die Anleihe haften nach meinen Recherchen gleich die drei wichtigsten Schalker Tochterfirmen: Zunächst die Rechtegesellschaft und der Cateringbetrieb. Damit nicht genug: Schalke hat auch eine Grundschuld auf die Arena verpfändet, wie aus den vorliegenden Unterlagen hervorgeht.

Das Ende des Vereines muss trotzdem noch nicht nah sein. Der Berliner Wirtschaftsprofessor Joachim Gassen sagt: "Ein Fußballverein funktioniert nicht wie ein Konzern. Es kann immer noch jemand kommen, der dem Club ein paar Millionen Euro schenkt."

Im Fall von Schalke ist die Hoffung groß, dass Clemens Tönnies dieser Ausputzer sein könnte, der nach dem Fall der Abwehr als letzten Mann alles noch rettet. Seinem Metzgerimperium wird ein dreistelliges Millionenvermögen nachgesagt. Doch wie das Schicksal spielt, hat ausgerechnet Tönnies derzeit viel zu tun. Die Staatsanwaltschaft Bochum prüft eine Klage gegen ihn. Hintergrund: Tönnies soll unter anderem bei der Abrechung von Gehacktem betrogen haben, was dessen Anwälte allerdings energisch bestreiten. Sollte Tönnies verurteilt werden, dürfte sein Reichtum abschmelzen. Im modernen Fußball gibt es den letzten Mann ja auch nicht mehr.

Werbung


Netzneutralität und Aus für Stoppschilder

Die Netzsperren werden auf Eis gelegt und Schwarz-Gelb will die Netzneutralität zur Not auch mit Gesetzen durchsetzen.

Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ist fertig. Im Online-Bereich kann er sich sehen lassen: Zumindest für ein Jahr wird es keine Netzsperren geben – die FDP hat sich mit "Löschen statt sperren" durchgesetzt: "Wir sind uns darüber einig, dass es notwendig ist, derartige kriminelle Angebote schnellstmöglich zu löschen statt diese zu sperren. Wir werden daher zunächst für ein Jahr kinderpornographische Inhalte auf der Grundlage des Zugangserschwerungsgesetzes nicht sperren. Stattdessen werden die Polizeibehörden in enger  Zusammenarbeit mit den Selbstregulierungskräften der Internetwirtschaft wie der  deutschen Internetbeschwerdestelle sowie dem Providernetzwerk INHOPE die Löschung kinderpornographischer Seiten betreiben.
Nach einem Jahr werden wir dies im Hinblick auf Erfolg und Wirksamkeit evaluieren und aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse ergebnisoffen eine Neubewertung vornehmen. Vor Abschluss der Neubewertung werden weder nach dem Zugangserschwerungsgesetz noch auf Grundlage der zwischen den Providern und BKA abgeschlossenen Verträgen über Internetsperren Sperrlisten des BKA geführt oder Providern übermittelt."

Die neue Bundesregierung will auch die Netzneutralität gewährleisten: "Wir vertrauen darauf, dass der bestehende Wettbewerb die neutrale Datenübermittlung im Internet und anderen neuen Medien (Netzneutralität) sicherstellt, wer den die Entwicklung aber sorgfältig beobachten und nötigenfalls mit dem Ziel der Wahrung der Netzneutralität gegensteuern."

Auch künftig soll der Internetzugang für allzu eifrige Runterlader nicht gesperrt werden: "Wir werden keine Initiativen für gesetzliche Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP Internetsperren bei Urheberrechtsverletzungen ergreifen."

Tja, Schnarri hat wirklich keinen schlechten Job abgeliefert. Besser als die Gesetze der Großen Kolaition sind die Eckpunkte im Koalitionsvertrag zum Thema Internet allemal.