Kampf ums Deputat

Hasta La Deputat

Hier geht es um eine Tradition. Eine alte Tradition. Es geht um so genannte Deputate. Wie ich erfahren habe, will der RWE-Vorstand unter Konzernchef Jürgen Großmann diese nicht länger jedem Mitarbeiter des Stromriesen gewähren. Streit ist programmiert.

Hinter einem Deputat verbirgt sich eine Sonderleistung der alten Montangiganten im Ruhrpott. Jeder, der auf dem Pütt arbeitete, bekam einen Teil der Erzeugnisse aus seinem Betrieb geschenkt. Wer in einer Zeche malochte, dem wurden ein paar Tonnen Kohle vor die Tür gekippt. Ich kann mich gut an die Zeit erinnern, wenn man durch die Siedlung gefahren ist, und vor fast jedem Haus lag ein Kohleberg. Die meisten haben die Kohle verscheuert. Ein paar in den Keller gescheppt. Naja, das war alles nicht ungewöhnlich: Wer im Grubenwald ackerte, der bekam Holz. Und wer schließlich in der Energiewirtschaft schaffte, der kriegte Strom – entweder umsonst oder zu einem günstigen Tarif. Ähnliche Regelungen gibt es heute noch bei der Bahn oder bei Fluglinien. Auch Brauereien und Schnapsbrenner geben ihren Leuten einen Freitrunk.

Allerdings änderte sich im Ruhrgebiet im Laufe der Zeit die Form des Deputates. Statt Kohle und Holz bekamen die Arbeiter häufig einmal im Jahr das so genannte Deputatgeld. Eine Art Geschenk aus dem Betrieb. Andere Unternehmen verzichteten ganz auf die Regeln.

Und auch beim RWE will man diesen Zopf nun abschneiden, wie ich erfuhr. Im Vorstand wird demnach diskutiert, neu eingestellten Arbeitern ab 1. Januar keine Deputatregelungen mehr in die Verträge zu schreiben. Zudem sollen die unterschiedlichen Vereinbarungen in den RWE-Töchtern vereinheitlicht werden. Nach Ansicht des Managements ein guter Gedanke, wären da nicht die Gewerkschaften.

Und die schreien auf, wenn es um die Deputate geht. Mir liegt ein Schreiben der Gewerkschaften Verdi und IGBCE vor, in dem diese ankündigen, „den Widerstand gegen die geplanten Einschnitte bei den Mitarbeitern“ zu unterstützen. Zur Not werde die Deputatregel, die bisher freiwillig war, in den Haustarifvertrag verankert.

Im RWE liegen nun Unterschriftenlisten aus, um gegen die Deputatkündigung zu protestieren.

Den Sommer genießen

Parteien und Bürger haben gemeinsam beschlossen, den Sommer zu genießen, denn alle wissen: Der Herbst und der Winter werden unangenehm.

Eiegntlich mag ich Wahlkampfzeiten. Ich lese, rede und schreibe gerne über Politik, sauge jede Umfrage auf und habe schon ganze Nächte damit verbracht mit Freunden die Lage und den Ausgang der kommenden Wahlen zu diskutieren.
Diesmal ist alles anders: Statt dem „Duell“ Merkel vs. Steinmeier habe ich am vergangenen Sonntag den Simpsons Film geschaut und es nicht bereut.

Die noch weit entfernte Silvesterfeier bei Klaus und Simone wir ausgiebiger besprochen als die Bundestagswahl am kommenden Sonntag. Habe ich ein Parteiprogramm gelesen? Nein. Habe ich in der Fußgängerzone an einem Parteistand diskutiert? Nein. Interessieren mich die Blogs der Parteien und ihr superhipper Internetwahlkampf? Ich finde das eher alles ein wenig peinlich.

Wir alle, die Parteien wie die Wähler, wissen, dass der Wahlkampf nichts anderes als ein Sommertheater ist und wir wollen es auch nicht anders. Wir genießen die letzten warmen Tage, denn wir wissen, dass der Herbst bitter und der Winter hart werden wird: Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte in Deutschland ist laut der heutigen Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr von 63,4 Milliarden Euro auf 74,8 Milliarden gestiegen. Im kommenden Jahr sollen es dann 80,4 Milliarden sein. Gleichzeitig wird die Wirtschaft in diesem Jahr um fünf Prozent schrumpfen. Im nächsten Jahr wird sie stagnieren, denn die Prognostizierten 1,5 Prozent Wachstum, die im Augenblick  optimistischste Schätzung sind, tun nur so als wären sie ein Aufschwung: 1,5 Prozent beträgt in Deutschland das systemische Wachstum. Es kommt beispielsweise daher, dass Produkte komplexer werden, ab und an Innovationen auf den Markt kommen wie Navigationsgeräte, Dieselrussfilter oder es einen kleinen Boom bei Smartphones gibt. Ein Aufschwung fängt erst oberhalb von 1,5 Prozent an.

Für den Staat heißt das, dass in den kommenden Jahren die Steuereinnahmen auf einem niedrigen Niveau bleiben werden. Erst 2013 soll die Wirtschaft wieder das Volumen des vergangenen Jahres haben. Und gleichzeitig werden die Kosten für den Erhalt des Sozialsystems steigen. Und die Zahl der Arbeitslosen in die Höhe gehen. Und schon in normalen Zeiten mussten Schulden gemacht werden und stieg das Volumen der Haushalte.

Das Geld um das alles zu bezahlen muss irgendwo herkommen und es wird nicht nur über immer mehr Schulden kommen können. Wir werden es bezahlen. Keck fragt die Wirtschaftswoche in ihrer aktuellen Ausgabe, wie meine Brieftasche wählen würde. Ich habe sie gefragt: Sie würde gerne für ein paar Jahre unsichtbar werden, damit keiner sie ausplündern kann. Denn egal welche Koalition wir bekommen, es wird teuer für uns: Die Mehrwertsteuer wird steigen, es wird eine Vermögensabgabe geben, vielleicht kommt  ein Krisensoli, Verbrauchssteuern auf Tabak und Energie werden steigen. Gesundheit und Klima sind so gute Gründe uns unser Geld wegzunehmen, dass jeder Politiker sie gerne nutzen wird.

Unterschiede wer regiert? Sie werden gering sein. Es fehlt so viel Geld, es gibt so große Probleme, dass die Politik in den nächsten Jahren  durch die klammen Haushalte bestimmt wird. Gestaltungsspielräume? Wird es kaum geben.
Und da wir das alle wissen, die Parteien und wir Wähler, wahren wir die Form: Die einen plakatieren alberne Sprüche, wir werden zu Wahl gehen.

OK, man hätte auch über alles, was da auf uns zukommt, diskutieren können. Man hätte über Konzepte streiten können. Aber niemand wollte das. Wir wollten alle nur den Sommer genießen. Und wir wissen warum.

Die Party ist fast vorbei – der Solarbranche droht ein Absturz

Foto: Flickr.com / conergyus

Die Solarindustrie hat in Deutschland eine gute Zeit hinter sich. Dank üppiger Unterstützung aus dem Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) konnte sich eine neue Energiebranche schnell und erfolgreich entwickeln. Nun setzen Überkapazitäten setzen den Unternehmen zu. Statt die Produktion zu drosseln, hat in Deutschland ein Wettlauf um die Subventionen begonnen – mit vielleicht fatalen Folgen für die gesamte Branche.

In Lieberose, nahe der polnischen Grenze, tief in Brandenburg, schien für die Solarwirtschaft kürzlich ein großer Tag zu sein. Hier wurden 560 000 Solarmodule auf einem ehemaligen Übungsplatz der sowjetischen Armee installiert. Einer der größten Solarparks der Welt als Symbol für den Aufbruch in eine bessere Zukunft. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und sein Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns von der CDU waren da. Sie ließen ihre Finger über die glatten Oberflächen der Solarmodule streichen ließen und blauer Glanz schien auf ihre Gesichter zu strahlen.

Doch wenn man genau hinsieht, lernt man, dass dieser Glanz teuer erkauft wurde. Die sonnigen Zeiten für die Solarenergie neigen sich dem Ende zu. Mehr noch: Der Branche droht sogar ein jäher Absturz nach jahrelangem beispiellosen Booms.

Lange war die Solarenergie für alle Beteiligten ein glänzendes Geschäft. Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) garantiert der Staat jedem Betreiber eines Solarkraftwerks einen Erlös von bis zu 43 Cent je Kilowattstunde, und das auf 20 Jahre. Die genaue Höhe der Vergütung hängt von der Art und Größe der Anlage ab, nicht etwa von ihrer Wirtschaftlichkeit. Für die Kalkulation genügt also ein simpler Taschenrechner.

Die Kosten trägt dabei vor allem die Allgemeinheit, denn die Förderung wird auf alle Verbraucher abgewälzt. Auch wenn die garantierten Vergütungen nach dem EEG ab 2010 durchschnittlich um neun Prozent im Jahr reduziert werden, kommen gewaltige Förderbeträge zusammen. Denn jeder Betreiber hat Anspruch auf Unterstützung, egal, wie effizient seine Anlage ist.

Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung in Essen (RWI) hat berechnet, dass die 2009 installierten neuen Solarmodule den Verbraucher in den nächsten 20 Jahren gut zehn Milliarden Euro an Einspeisevergütung kosten werden. Damit nicht genug. Rechnet man die älteren Anlagen dazu, kommt das RWI auf zusätzliche Kosten von 30 Milliarden Euro. Die Fachzeitschrift "Photon" rechnet gar mit Kosten für den Solarstrom in Höhe von 77 Milliarden Euro oder mehr.

Die Betreiber des Solarkraftwerks Lieberose können dank einer Leistung von angekündigten 54 Millionen Kilowattstunden mit jährlichen Erlösen von bis zu 15 Millionen Euro aus dem EEG rechnen. Bei einer Investition von rund 160 Millionen Euro verspricht das satte Gewinne.

Um die eigentlichen Subventionen auszurechnen, müssen von diesen Summen allerdings die tatsächlichen Erzeugerpreise für normalen Strom abgezogen werden, entsprechend den Preisen an den Börsen. Hier ein entsprechendes Gutachten, wie das geht. klick. Doch auch nach dieser Rechnung sind die Subventionen für die Solarbranche immer noch hoch.

Laut Bundesnetzagentur produzierten die deutschen Solaranlagen 2007 rund 3000 Gigawattstunden Strom. Hier die Studie zum Thema: klick Dafür bekamen die Sonnenstromer aus dem EEG 1,6 Milliarden Euro überwiesen. Zieht man den Wert des Stroms von der Vergütungssumme ab, bleibt eine Subvention von rund 1,4 Milliarden Euro.

Zum Vergleich: Die Windbranche bekam in der gleichen Zeit 3,5 Milliarden Euro aus dem EEG. Dafür speisten die Windenergieerzeuger aber 13-mal mehr Energie in die Netze ein. Insgesamt trägt die Solarindustrie derzeit nur zu 0,7 Prozent zur Energieerzeugung Deutschlands bei.

Die Entwicklung scheint sich noch zu verschärfen. Da das EEG vorsieht, dass die Förderung für neue Anlagen 2010 um rund neun Prozent gesenkt wird, wollen viele Investoren noch in diesem Jahr so viele Anlagen wie möglich installieren, um von den hohen Beträgen zu profitieren. Deshalb werden schon seit Monaten hektisch große Solarparks angekündigt oder eröffnet – alle im Megawattbereich und auch in Gegenden, in denen eher selten die Sonne scheint.

Wegen der Wirtschaftskrise legen offenbar große Investmentgesellschaften ihr Kapital an, um an die sicheren Erträge aus dem EEG zu kommen. Philipp Spitz von der Fondsgesellschaft Murphy&Spitz drückt es so aus: "Es existiert ein gewisser Anlagedruck." Statistische Daten gibt es noch nicht, wie das Umweltministerium unter Sigmar Gabriel (SPD) mitteilt. Intern wird im Ministerium erst zum Ende des Jahres eine Untersuchung der Lage angekündigt. Bis dahin wird weiter ungebremst gebaut. Schon jetzt findet man unter den größten 50 Solarparks der Welt fast ausschließlich spanische und deutsche Anlagen. Beides Länder mit den höchsten Ausbauhilfen. Hier die Liste: klick

Unter Umständen hat die Bauwut fatalen Folgen für die Branche. Denn je mehr Anlagen von den Stromkunden subventioniert werden müssen, umso stärker steigen die Stromkosten aus dem EEG, die jeder Verbraucher schultern muss und umso gerät die Sonnenindustrie unter politischen Druck.

Denn während die Verbraucher mehr zahlen müssen, sinken seit Monaten die Preise für Solarmodule. Mittlerweile kostet ein Watt Sonnenstrom nur noch rund zwei Euro, vor einem Jahr lag der Preis bei drei Euro. Der Bau von Sonnenkraftwerken wird damit um bis zu 30 Prozent günstiger. Da laut Gesetz die Stromkunden weiter die hohen Vergütungen aus dem EEG bezahlen müssen, vergrößern sich so nur die Profite der Sonnenstromer.

Dagegen formiert sich Widerstand. Holger Krawinkel vom Bundesverband der Verbraucherzentralen warnt vor den "nicht hinnehmbaren" Mehrkosten für die Bürger. Er fordert: "Das EEG muss geändert werden." Ähnliches verlangt Manfred Panitz vom Bundesverband der Energie-Abnehmer: "Die neue Bundesregierung muss die Subventionen für erneuerbare Energien unverzüglich senken."

Bundespolitiker diskutieren bereits ernsthaft über eine Revision des Gesetzes. Aus Reihen der SPD wird kolportiert, es werde über eine außerplanmäßige Kürzung der Solarentgelte aus dem EEG nach den Wahlen nachgedacht. Offiziell will sich allerdings niemand aus der Partei äußern, um Umweltminister Gabriel nicht mitten im Wahlkampf in den Rücken zu fallen. Auch der energiepolitische Sprecher der CDU, Joachim Pfeiffer, fordert Änderungen des EEG. Er sagt: "Wir wollen uns das Gesetz nach der Wahl anschauen und die Vergütungen gegebenenfalls anpassen." Gabriels Ministerium bestreitet allerdings, dass eine erneute Überprüfung des EEG geplant sei.

Setzen sich die Kritiker durch, wird das die Situation in der Branche verschärfen. Die Lage ist ohnehin schon prekär: Trotz des Booms gibt es erhebliche Überkapazitäten im Markt. Unternehmen wie Conergy, Solon oder Ersol haben reihenweise schlechte Bilanzzahlen präsentiert. Selbst der einstige Branchenprimus Q-Cells musste schon Mitarbeiter entlassen. Chinesische Anlagenbauer verdrängen immer effektiver die deutschen Vorreiter auf dem Weltmarkt – sie können billiger liefern. Die deutschen Anlagenbauer fordern bereits Schutzzölle.

Verschärft wurde die Lage noch durch den Zusammenbruch des spanischen Marktes. Dort hatte die Regierung den ungebremsten Ausbau der Solarkraftwerke gestoppt. Die Ausgaben nach einem dem EEG verwandten Fördergesetz wurden gedeckelt. In Spanien bekommt nicht mehr jeder Geld, stattdessen wird nur noch bis zu einer Höchstgrenze subventioniert. Nach dieser Änderung scheiterten reihenweise Projekte. Bereits verkaufte Module kamen zurück auf den deutschen Markt, sie werden nun zum großen Teil hier verbaut.

Sollten nun auch in Deutschland die Förderungen aus dem EEG gedrosselt oder gar wie in Spanien gedeckelt werden, bräche der Absatz ein, Pleiten wären unausweichlich. Die Solarblase würde platzen.

Die Industrie hat das Problem erkannt. Um den politischen Druck etwas zu reduzieren und zu verhindern, dass das gesamte EEG infrage gestellt wird, diskutieren Branchenvertreter intern darüber, in den kommenden Tagen selbst eine niedrigere Einspeisevergütung vorzuschlagen. Die Rede ist von einer Kürzung der Entgelte um bis zu 13 Prozent im kommenden Jahr statt der vorgesehenen Senkung um durchschnittlich neun Prozent. "Man könnte einfach die vorgesehenen Senkungen der nächsten Jahre zusammenziehen", sagt ein Spitzenmanager der Branche.

In Lieberose an der polnischen Grenze würde das Ganze allerdings nicht weiter auffallen. Die Anlage ist rechtzeitig fertig geworden. Sie genießt Bestandsschutz, und die Millionen fließen weiter – so wie im Gesetz versprochen.

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Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Datenschutz-Demo: Polizei ermittelt gegen Beamte…taz

Opel: 2045 Jobs in Bochum weg?…Welt

Ruhr2010: Kulturhauptstadt im Gegenwind…Zeit

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Überhangmandate: Fehlstart für Schwarz-Gelb?…Sprengsatz

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Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

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Fotos: Duisburg Cyberpunking…Kueperpunk

 

Handelsblatt schwarz-gelb unterwandert?

Das Handelsblatt, führende deutsche Wirtschaftstageszeitung, berichtet heute über die Finanznöte des FC Schalke 04, die "offenbar größer als bekannt" seien. Nun ja, Fußballexperten wissen schon lange, das die Blau-Weißen im Schatten der Schwarz-Gelben Finanzkatastrophe, die von allen Gazetten aufmerksam begleitet wurde, unbemerkt entschieden waghalsigere Drahtseilakte eingegangen sind. Da sie in der letzten Saison deutlich an allen Europacup-Qualifikationen vorbeigespielt haben, wird es nun sehr, sehr eng.

 Das Handelsblatt beziffert die Schalker Schulden auf aktuell 137 Mio. Euro. Neben der Schuldenlast gebe es ein Liquiditätsproblem. Rechnungen würden angeblich erst 30 Tage nach Zahlungsziel beglichen, bei der Stadion Beteiligungs GmbH seien es sogar über 45 Tage, bei einem Drittel aller Rechnungen seien es sogar 120 Tage. Das Handelsblatt beruft sich bei diesen Angaben auf eine "Wirtschaftsauskunftei D&B Deutschland".

Die Kosten für Personal seien, so das Handelsblatt weiter um 5 auf 67 Mio. Euro gestiegen, der Spielerkader sei der zweitteuerste der Liga nach Bayern München. Neben dem teuren Trainerstab von Trainer Magath stünden nach wie vor der Ex-Manager Andreas Müller, Ex-Trainer Rutten und dessen Stab, sowie Ex-Berater Olaf Thon auf der Gehaltsliste. Mehr als 20 Mio. Euro müssten für Zinsen und Tilgung der Arena aufgebracht werden.

Auf der anderen Seite fehlen Einnahmen. Keine Champions League, keine Europa-Liga. Die Zuschauereinnahmen, so das Handelsblatt, seien bis 2025 an einen englischen Investmentbanker verpfändet. Der Name der Arena ist bis 2015 an eine Brauerei vergeben. Die Einnahmen aus der Bandenwerbung sind laut Handelsblatt an eine Agentur vergeben. Die Zahlungen von Gazprom und Adidas seien auch schon an Investoren abgetreten. So bleiben wohl nur Spielerverkäufe, sonst wird es eng bei der nächsten Lizenzvergabe.

"Die Liga ohne Schalke wäre eine Katastrophe" soll ein Manager "eines anderen Reviervereins" dem Handelsblatt gesagt haben. Wer mag das wohl gewesen sein? Bereits 1965 wurde die Bundesliga einfach aufgestockt, als Schalke auf einem Abstiegsplatz landete. Da wird sich doch jetzt wohl auch eine Lösung finden. Vielleicht beteiligen die jeweiligen Gastgeber die Schalker bei ihren Auswärtsspielen an den Zuschauereinnahmen? Schalke-Soli zahlbar in allen 18 Stadien? Oder Rupert Murdoch, der Besitzer des Pay-TV-Kanals Sky, leistet eine Sonderzahlung, damit die Schalke-Fans bei seinen Zuschauern bleiben? Und die Stadt Gelsenkirchen, die bekanntermassen in Steuereinnahmen schwimmt? Ist Schalke 04 nicht der größte Arbeitgeber in der Stadt? Also ein Rettungsschirm, denn S 04 ist doch eindeutig "systemrelevant".

Welche Ideen gibt es noch? Bitte gleich hier in den Kommentaren eintragen!

 

Piratenboykott in Schleswig-Holstein?

Die Piraten und die Freie Wähler in Schleswig-Holstein beklagen dass sie vom Schleswig Holsteinischer Zeitungsverlag boykottiert werden. Der Chefredakteur hält die aufgeregte Pressemitteilung von Freien Wählern und Piraten für Quatsch.

Aufregung bei den Piraten und den Freien Wählern in Schleswig Holstein: "Eine ‚Stallorder‘ der Chefredaktion verhindert, dass sämtliche dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag (SHZ) gehörenden 14 Tageszeitungen über die Freien Wähler  und die Piratenpartei berichten dürfen", so die beiden Parteien in einer gemeinsamen Presserklärung. Wolfgang Dudda (52), Pressesprecher der Piratenpartei Schleswig-Holstein, kommentiert den Vorgang in der Meldung scharf: "Der
‚Amtsblattjournalismus‘ des SHZ verhindert, dass sich die Bürgerinnen und Bürger umfassend und korrekt über die Parteien und die Kandidaten zur Landtags- und Bundestagswahl informieren können.‘
Für Stephan Richter, Chefredakteur der SHZ-Titel, ist das alles Quatsch. Richter zu den Ruhrbaronen "Wir berichten über alle 13 zugelassenen Partein – natürlich auch über Piraten und die Freien Wähler. Darüber hnaus gab es bei uns auch große Geschichten über die Rentnerpartei." Das einzige was die SHZ-Zeitungen nicht abdrucken sind Portraits der Kandidaten der kleinen Parteien: "Wir stellen in einer Extrarubrik die Kandidaten aller im Landtag vertreten Parteien vor und die der Linkspartei. Die tritt in allen Wahlkreisen an, ist im Bundestag vertreten und längst die fünfte Kraft in Deutschland."

Die Kandidaten aller 13 Parteien will er nicht vorstellen und das nicht nur aus Platzgründen: "Wir wollen Gruppen wie der NPD keinen Raum geben."

 

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Steinmeier macht Wahlkampf im russischen Online-Netzwerk

  Zumindest für seine Fotos bekommt der SPD-Kanzlerkandidat die besten Noten 5+, ein russischer Äquivalent von 1+. Bei den Kommentaren bezüglich seiner Politik sind sich die Nutzer des populären russischen Sozialnetzwerks odnoklassniki.ru nicht einig. Frank-Walter Steinmeier gehört seit Anfang September zu den „Klassenkameraden“, wie die Seite auf Deutsch heißt. Der Kontakt zur russischsprachigen Wählerschaft soll dadurch intensiviert werden.

Das soziale Netzwerk zählt 37 Millionen Nutzer. Laut Google kam die Seite im Juli  auf 1,1 Millionen Besucher aus Deutschland. Allein in der Gruppe „Odnoklassniki in Deutschland“ gibt es mehr als 17,5 Tausend Mitglieder. Der Kanzlerkandidat hat inzwischen 86 bestätigte Freunde, 3 Fotoalben und ist bei 27 Gruppen angemeldet. Darunter sind „Freies Deutschland“, „Integration“, „NEIN den Nazis!“, „Mann und Frau“ und „Russische Banja“.

Als Status steht bei Steinmeier am 16. September in perfektem Russisch: „Diese Wahl ist nicht dafür da, um Schicksahl der Parteien zu entscheiden, sondern dafür, um das das Land aus der Krise raus zu kriegen!“ Auf seiner Pinnwand gibt es inzwischen mehr als 240 Anträge von den Gästen. Der User Alexander kritisiert die Partei: „Seit SPD an der Macht ist, machen sich bekannte mir Menschen mehr Sorgen um die Zukunft. Nicht zuletzt dank SPD.“ (Die Schreibweise erhalten – Red.). Die 29jährige Tatjana macht wie einst ihre Namensvetterin in Puschkins „Onegin“ ihr Brief-Geständnis: „Lieber Frank Steinmeier, ich wünsche Ihnen einen Sieg bei den Wahlen.“ Sie setzt ein Smiley in Form eines Herzes auf ihre Mitteilung darauf. Der Kanzlerkandidat antwortet 18 Minuten später auf Russisch: „Tatjana, vielen Dank für Ihre Unterstützung!“

Einige User zeigen sich ironisch: „Leibes Steinmeier-Team, werdet ihr auch nach den Wahlen hier aktiv auf unsere Fragen, bzw. Anregungen reagieren?“ (Die Schreibweise erhalten – Red.) Andere zweifeln an der Authentizität des Profils: „Genauso Fake wie dieser Frank“, lautet ein Kommentar zum Foto von Steinmeier und Medvedev.

Die Seite ist aber nicht gefälscht. „Sie wurde von uns freigeschaltet“, bestätigt man in der SPD-Pressestelle. Das Profil wird von einem kleinen Team aus Frank-Walter Steinmeiers Wahlkampfbüro im SPD-Parteivorstand in Berlin betreut. „Wir sind seit zehn Tagen aktiv hier und haben fast tausend Gäste. Persönliche Briefe sind so viele, dass wir nicht mehr zählen. Wir schaffen aber noch allen zu antworten“, heißt es aus dem Steinmeier-Team. Es gebe keine andere fremdsprachige Seite von Frank-Walter Steinmeier. Die türkische Wählerschaft sei über die zahlreichen türkischen Medien in Deutschland informiert. Die Italiener wie auch andere Europäer nutzen vorwiegend dieselben Medien wie die Deutschen. Das russische Steinmeier-Profil wirkt persönlicher als sein Account auf StudiVZ. Auf der deutschen Seite sieht man den Kanzlerkandidaten auf den Parteitagen, Pressekonferenzen und Wahlkampfveranstaltungen.

 

Das russische Profil ist facettenreicher: Steinmeier-Fußballfan, Steinmeier-Koch, Steinmeier-Kind, Steinmeier-Jugendlicher. Auf dem Profilbild fährt der Außenminister lächelnd Fahrrad. „Jeder Text und jedes Foto ist von Steinmeier oder seinen engsten Mitarbeitern im SPD-Parteivorstand freigegeben“, erzählt ein Mitarbeiter des Online-Teams.

In der SPD weiß man, dass Russlanddeutsche bei den letzten Wahlen vorwiegend CDU gewählt haben. Die Sozialdemokraten möchten den Kontakt zu der neuen Generation intensivieren und „sie davon überzeugen, dass die SPD die besseren Lösungen für die Probleme der Zukunft hat“. Der 29jährige Russlanddeutsche aus Berlin Andrej Steinke ist skeptisch: „Dass Steinmeier sich ein Profil auf Odnoklassniki erstellen lassen hat, zeigt nicht, dass er an den Problemen der Russlanddeutschen interessiert ist. Es zeigt nur, dass sein Wahlkampteam professionell arbeitet und alle Möglichkeiten auslutschen will, um mehr Stimmen zu bekommen“. Steinke spreche die Steinmeier-Seite nicht an. Anders als 30jährige Odnoklassniki-Benutzerin aus Düsseldorf. Sie meldet sich unter dem Namen Poker Face auf Steinmeiers Pinnwand: „Lieber Herr Steinmeier, meine Stimme haben Sie!“

P. S. Um sich das Profil von W.-F. Steinmeier anzuschauen, muss man sich auf der Seite anmelden bzw. ein eigenes Profil erstellen.

Musik in meinen Ohren

Ich war mal wieder weg, im Ausland. Und dann bin ich gerade in meiner Bottroper Bäckerei gewesen und habe das Ruhrgebiet gehört. Diesen Klang, den es nirgendwo auf der Welt gibt. Ich weiß nicht mal, ob sich schon mal Sprachforscher damit beschäftigt haben. Es geht um diesen Mooooaaagennnnnn-Sing-Sang und dieses Tschühüüüüss-Gesumse. Das wird geflötet, gesäuselt, gehaucht, mit ansteigendem Ton auf der letzten Silbe, das N oder S verschliffen zu einem kaum wahrnehmbaren Laut. So als wolle der Sprecher den Klang wieder zurücknehmen. Ganz weich, ganz zart. Manchmal aber auch total bollerig und breit. Als würde einer die Kaffekanne auf den Tisch kloppen. Und sagen, so, fettich, geht los getzt. Was weiß ich, ich hab mich jedenfalls gefreut in der Bäckerei, als ich mit einem zweifachen Tschühüüüsss den Laden verließ. In diesem Sinne an alle ein fröhliches: Mooooooooaaagennnnn.

Foto aus dem Blog von Petra Reski