Update: Kommunalwahl: SPD verliert flächendeckend

Der WDR hat das Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap damit beauftragt, die politische Stimmung in elf nordrhein-westfälischen Großstädten zu ermitteln.  Für die SPD deutet sich eine weitere Niederlage an.

 

Bleibt in SPD-Hand: Dortmunder Rathaus

Mit Dortmund, Duisburg und Essen wurden vom WDR nur drei Ruhrgebietsstädte abgefragt. Während in Duisburg Amtsinhaber Adolf Sauerland (CDU) im Oberbürgermeisterrennen klar vorne liegt und in Dortmund Ullrich Sierau (SPD) als klarer Favorit in der Wahl am 30. August geht wird es in Essen spannend: Reinhard Paß (SPD)und Franz-Josef Britz (CDU) liefern sich dort mit 38 – 37 ein Kopf an Kopf Rennen.  In Köln scheint das Rennen gelaufen: Jürgen Roters, der gemeinsame Kandidat von SPD und Grünen liegt mit 56 klar vor Peter Kurth (CDU) der auf gerade einmal 32 Prozent kommt.

Verheerend ist die Umfrage für die SPD: Viele Sozialdemokraten können schon jetzt langsam damit anfangen, von ihren Mandaten Abschied zu nehmen. In nahezu allen abgefragten Städten wird die SPD verlieren – nur in Essen und Duisburg kann sie ihre Ergebnisse halten, die sich dort allerdings schon bei der vergangenen Kommunalwahl vor fünf Jahren auf historischen Tiefständen bewegten. Trotz dieser Verluste: Das Ruhrgebiet bleibt für die SPD wichtig: 33 Prozent in Essen, 35 Prozent in Dortmund oder 38 Prozent in Duisburg – so viele Prozente sind in NRW auch bei Kommunalwahlen für die SPD keine Selbstverständlichkeit mehr: In Düsseldorf und Wuppertal begegnen sich bei den Umfrageergebnissen von 20 (SPD) und 15 (Grüne) Sozialdemokraten und Grüne auf Augenhöhe.

Doch die großen Gewinner der Kommunalwahl am 30. August könnten Liberale und Linkspartei werden. Die FDP kann in vielen Städten mit einer Verdoppelung der Stimmen zählen und auch die Linken legen – wenig überraschend nach der Vereinigung von PDS und WASG zu. Allerdings wachsen die Bäume für die Linken nicht in den Himmel: Mehr als acht Prozent holen sie nirgendwo, meist liegen sie sogar deutlich darunter. Die Piraten indes haben gute Chancen im nächsten Münsteraner Rat zu sitzen: In der Uni-Stadt kommen die Freibeuter auf 2 Prozent.

Update: Hier die vom WDR noch einmal überarbeiteten Zahlen:

AachenTREND:

OB Wahl: Karl Schultheis (SPD) 39, Marcel Philipp (CDU) 39

Rat: CDU 37 (37,3) SPD 25 (32,0) Grüne 20 (17,6) FDP 7 (5,2) Linke 5 (2,4)

Sonstige 6

BonnTREND:

OB Wahl: Jürgen Nimptsch (SPD) 38, Christian Düring (CDU) 35

Rat: CDU 33 (38,0) SPD 28 (29,6) Grüne 17 (16,2) FDP 12 (8,5) Linke 4 (1,8) BBB 3 (4,8) Sonstige 3

BielefeldTREND:

OB Wahl: Peter Clausen (SPD) 41, Bernd Landgraf (CDU) 35

Rat: CDU 33 (36,8) SPD 30 (31,4) Grüne 15 (15,5) FDP 8 (4,3) Linke 5 (2,7)

BfB 7 (6,4) Bürgernähe 2 (2,9)

DortmundTREND

OB Wahl: Ulrich Sierau (SPD) 44, Joachim Pohlmann (parteilos für CDU und FDP) 34

Rat: CDU 32 (32,7) SPD 36 (41,3) Grüne 12 (11,5) FDP 7 (3,8) Linke 7 (2,8)

Sonstige 6

DuisburgTREND

OB Wahl: Jürgen C. Brandt (SPD) 32, Adolf Sauerland (CDU) 48

Rat: CDU 38 (36,0) SPD 38 (38,0) Grüne 8 (9,9), FDP 5 (4,4) Linke 6 (5,2)

Sonstige 5

DüsseldorfTREND

keine OB Wahl

Rat: CDU 43 (44,5) SPD 20 (30,3) Grüne 15 (12,3) FDP 13 (6,2) Linke 5 (2,9) Sonstige 4

EssenTREND

OB Wahl: Reinhard Paß (SPD) 38, Franz-Josef Britz (CDU) 37

Rat: CDU 36 (39,4) SPD 33 (34,2) Grüne 9 (10,7) FDP 8 (4,0) Linke 8 (3,1)

Sonstige 6

KölnTREND

OB Wahl: Jürgen Roters (SPD und Grüne) 56, Peter Kurth (CDU) 32

Rat: CDU 33 (32,7) SPD 29 (31,0) Grüne 21 (16,6) FDP 7 (7,4) Linke 5 (3,0)

pro Köln 3 (4,7) Sonstige 5

MünsterTREND

OB Wahl: Wolfgang Heuer (SPD) 43, Markus Lewe (CDU) 50

Rat: CDU 38 (42,7) SPD 25 (25,3) Grüne 18 (19,4) FDP 10 (7,9) Linke 4 (1,5) UWG 2 (2,3) Piraten 2, Sonstige 5

SiegenTREND

keine OB-Wahl

Rat: CDU 37 (40,9) SPD 26 (29,6) Grüne 12 (10,8) FDP 10 (7,4) Linke 4, UWG 8 (9,4) Sonstige 3

WuppertalTREND

OB Wahl: Dietmar Bell (SPD) 24, Peter Jung (CDU) 54

Rat: CDU 37 (37,3) SPD 25 (32,0) Grüne 20 (17,6) FDP 7 (5,2) Linke 5 (2,4)

Sonstige 6

Zwitschereien vom Wahlforum in Bochum

Die Kommunalwahlen rücken immer näher, am 30. August 2009 stimmen die Wählerinnen und Wähler über die Bezirksvertretungen, Stadträte und auch die Oberbürgermeister vor Ort ab.
In Bochum treten insgesamt vier Kandidaten an – und diese vier Kandidaten und die Spitzenkandidaten der sonstigen im Rat vertretenen Parteien werden heute abend im Haus der Geschichte des Ruhrgebietes den Gästen des WAZ-Wahlforums Rede und Antwort stehen.


Bochums Oberbürgermeisterin Dr. Ottilie Scholz (SPD) ihre drei Herausforderer Günter Gleising (Soziale Liste), Lothar Gräfingholt (CDU) und Jens Lücking (FDP) werden von den Kommunalpolitikern Wolfgang Cordes (Grüne), Klaus-Peter Hülder (UWG) und Anna-Lena Orlowski (Die Linke) bei der nur nach Anmeldung besuchbaren Veranstaltung komplettiert.

Der Pottblogger Jens Matheuszik wird – so hat er es jedenfalls bei sich im Blog angekündigt – die Veranstaltung besuchen und davon über den so genannten Microblogging-Dienst twitter berichten. Dazu wird er wieder den Twitter-Account @twitpolitik verwenden, den er schon für diverse Parteitage (siehe Abbildung) verwendet hat. Anderen potentiellen Twitterern (da gibt es ja in der Bochumer Kommunalpolitik beispielsweise Christian Michalak von den Grünen oder Dirk Schmidt von der CDU) empfiehlt er den folgenden Twitter-Hashtag: #bowahl09

Dann drücken wir ihm mal die Daumen, dass das mit der Technik vernünftig klappt, damit man ab 18:00 Uhr twittendrin statt gar nicht dabei ist…

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Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Kommunalwahl: WDR-Umfragen zu ein paar Städten…Pottblog

Bundestagswahl: Zensursula Demagogie…Netzpolitik

Kommunalwahl II: Linkspartei will 10% im Ruhrgebiet…Der Westen

Kommunalwahl III: SPD hofft auf das Ruhrgebiet…FR Online

Kommunalwahl IV: Britz sieht sich als Teamspieler…Der Westen

Schweinegrippe: Jeder 2. Dortmunder muss geipmft werden…Ruhr Nachrichten

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Krise: Blaubeeren und Boni…Weissgarnix

Energie: Greenpeace demystifiziert RWE Werbung…FXMBR

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Ruhr2010: Keine 2. Stadt…FAZ

Ruhr2010 II: Kreativen-Festival…Halterner Zeitung

Schwalmtal: Gladbeck reloaded?…Ostroplog

 

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3 FÜR 7 – Festival-Special

"The campaign for real rock" geht unaufhörlich weiter. Konsum orientierte Massenveranstaltungen stehlen tatsächlich auch in diesem Sommer den kleinen und intimen Events die Schau. Tja, und wer hätte das gedacht, dass die Ruhrbarone diesen Trend a) nicht verschlafen und b) auch noch fördern? Nun, "Ihr wollt Stromgitarren? Die bekommt Ihr jetzt!" heißt das Motto, Laissez-Faire der pädagogische Ansatz. Verrohung wird in Kauf genommen, der Pro-Kopf-Verbrauch muss stimmen, Hauptsache die Kids machen keinen echten Ärger und beschäftigen sich schön mit sich selbst und gegenseitig. Und wir gehen hin und gucken zu, ob das dann auch perfekt Metropolen fähig, Kulturhauptstadt würdig und TV kompatibel ist, z.B. bei: Area 4, Zeltfestival Ruhr, Beatplantation.

Area 4? Flugplatz. Knapp hinter Dülmen. Von FKP/Scorpio, also einem altgedienten Rockdienstleister. Dazu passend viele Künstler des LineUps, weshalb bestimmt richtig schönes "16 bis 56"-Gefühl aufkommen wird. Aus den 70ern: CJ Ramone. Aus den 8090ern: Jet, Deftones, Hosen, Faith No More, Life Of Agony, Urlaub. Und Kettcar, Eagles Of Death Metal, Anti-Flag und so. An drei Tagen, mit Spieldauern von einer halben bis zu eineinhalb Stunden pro Band und ab 12 bzw. 15 bis 23.30 bzw. 1 Uhr. Also alles recht konservativ gehalten.

Zeltfestival Ruhr? Stauseenähe. So bei Witten. Von einer GmbH & Co. KG mit Björn Gralla, Lukas Rüger und Heribert Reipöler als Geschäftsführern. Macht auf ganz großes Mainstream-Abgreifen, weshalb über all die Tage verteilt bestimmt richtig schönes "6 bis 66 in die Tasche gegriffen"-Gefühl aufkommen wird. Und das Publikum freut sich natürlich über und mit z.B.: Selig, Heather Nova, Annett Louisan, Götz Alsmann, Hagen Rether, Silbermond, Max Raabe, Polarkreis 18, Frank Goosen, Sarah Kuttner, Vollplaybacktheater, Patricia Kaas, Dieter Thomas Kuhn, Georgette Dee, Piet Klocke und Amy McDonald (ausverkauft). 17 Tage lang wird hier Vollauslastung praktiziert. Generalstabsmäßig, Top-Down vom Ordentlichsten.

Beatplantation? Nähe Neue Mitte, aber auf "autonomem" Boden. Mitten in Oberhausen. Von mitteljungen Kreativen. Das Prinzip orientiert sich an so etwas wie veganem Haribo, also inklusive Niedlichkeitsprinzip und Rebellen/Konsumkritik-Appeal, weshalb bestimmt richtig schönes "16 bis 36"… s.o. Die in Deutschland aufgrund einer gewissen medialen Verbreitung geläufigsten Namen des LineUps sind: Jacques Palminger & the Kings of Dub Rock (Foto: Dorle Bahlburg), Angelika Express, Turmspringer, André Uhl und Breger. Einen Tag und eine Nacht lang, mit Kunstabteil, Filmecke, Poetrygarden und vielen Tanzfluren. Das Prinzip hat letztens beim Duisburger Traumzeit Festival bereits seine Mainstream-Kompatibilität bewiesen und gilt als links-alternativ.

Area 4 von Freitag bis Sonntag.
Zeltfestival Ruhr von Freitag bis zum 6. September.
Beatplantation am Samstag.

All the money or the simple life, honey?

Veröffentlicht: Jens Kobler , Kulturhauptstadt |

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Ruhr 2010: Stadt unter Tage nun auch amtlich gestorben…Der Westen

Ruhr 2010 II: Ende des Kunstbergbaus…Kölner Stadtanzeiger

Ruhr2010 III: Kulturbanause 2010…Pottblog

Dortmund: Keine Stadt für Männer…Ruhr Nachrichten

Duisburg: Jüdischer Kindergarten eröffnet…Der Westen

NRW: Wie viele Lehrer fehlen?…FR Online

Wahlkampf: …ist langweilig…FXMBR

Kirmes: Crange mit guter Bilanz…Der Westen

Gelsenkirchen: Neues aus dem Norden…Hometown Glory

Lesen: Ich mach was mit Büchern…Mediaclinique

Wirtschaft: Am Busen nagt der Zahn der Zeit…Weissgarnix

HSK: Vier für Volksentscheide…Zoom

 

 

 

Mülheim – ein Traum!

In Mülheim, im Mühlenfeld, im Gegenlicht – da ist die Welt noch in Ordnung! klick

Oh, Mülheim du Insel der Seeligen, du grünes Tal der Hoffnung, du Horst des Generationenfriedens. Anders als im abgerockten Rest der Welt, herrscht hier in der Sozialdemokratie noch große Zuversicht statt Politikverdrossenheit. Denn wozu gibt es denn das Planungsrecht, den Jugendstadtrat und die Errungenschaften der französischen Revolution?! Also am 30. August unbedingt wählen gehen. Wie sagt es Top-Befrager Sven Liebert so süß: "Das kann ich auf jeden Fall quasi nur bestätigen." Absolut. 

 

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PFT-Skandal geht weiter. Über 1000 Felder in Ganz NRW betroffen. Von Dorsten bis Warendorf

Foto: Umweltministerium / Minister Uhlenberg (CDU) (links)

Das Ausmaß des PFT-Skandals ist nach meinen Recherchen weitaus größer als bisher angenommen. Vor drei Wochen konnten ich Lieferscheine für über 270.000 Tonnen PFT-verdächtiger Klärschlämme allein für den Zeitraum 2002 bis 2004 untersuchen. Das Zeug wurde auf weit über tausend Felder geschüttet. Darüber hinaus liegen mir Lieferscheine für mehrere zehntausend Tonnen vor, die in den Jahren 2005 und 2006 verklappt wurden. Damit wird jede Dimension gesprengt, die man sich bisher vorstellen konnte. Die Rede ist von über 10.000 Lastern, die teils in Nacht und Nebel ihre Zeug abkippten.

Ich hab die Akten, die bislang geheim gehalten wurden, aus dem Umfeld des Umweltministeriums bekommen. Ein Teil der Felder wurde untersucht, die meisten jedoch nicht.

Wie dem auch sei: Aus etlichen Feldern sickern die so genannten Perflourierten Tenside (PFT) ins Wasser der Ruhr und anderer Flüsse. PFT gelten dabei als krebserregend. Sie reichern sich im Körper an und können nicht abgebaut werden. Die Theorie des NRW-Umweltministeriums, das von einer Punktquelle als Hauptursache für die PFT-Verseuchung ausging ist damit nicht mehr haltbar.

Tatsächlich ist auch drei Jahre nachdem der PFT-Skandal an der Ruhr aufgeflogen ist, noch immer nicht das tatsächliche Ausmaß der Verschmutzung bekannt. Bislang gilt weiter offiziell die Verseuchung von landwirtschaftlichen Flächen im Sauerland mit verschmutzten Abfällen als Hauptursache.

Doch das ist sicher nicht alles. Ich konnte nachweisen, dass aus den Kläranlagen des Ruhrverbands mindestens 50 Prozent der PFT-Frachten in der Ruhr stammen. Zudem sickert auch aus Klärschlämmen des Ruhrverbandes weiter PFT in die Ruhr. Erst vor wenigern Wochen wurde etwa bekannt, dass aus einem Ruihrverband-Schlammdepot bei Iserlohn PFT-verseuchtres Wasser in die öffentliche Kanalisation gespült werden.

Aber auch wenn man diese Fälle berücksichtigt, lässt sich aus allen bislang bekannten Quellen nicht schlüssig die andauernde Verseuchung des wichtigen Trinkwasserflusses erklären. Auch nach den Sanierungsmaßnahmen an einigen wenigen Feldern und bei industriellen Gift-Einleitern ist nach wie vor PFT in der Ruhr zu finden. An der Überwachungsstation Essen beispielsweise lagen die Werte bei der letzten öffentlich verfügbaren Messung vom April 2009 bei 46 Nanogramm je Liter. Im Dezember 2006 lagen die Werte hier bei 45 Nannogramm je Liter Ruhrwasser.

Das Bild ist bei anderen Überwachungsstationen ähnlich. Die Konzentrationen in der Ruhr bewegen sich rauf und runter, je nachdem, wie viel Wasser durch den Fluss strömt. Es scheint, als hätten die Maßnahmen zur Reinhaltung der Ruhr bislang kaum Effekte gehabt. Auch wenn die Konzentrationen gering sind und keine akuten Maßnahmen erfordern, so reichert sich das Gift PFT weiter in der Umwelt an, steigt über Fische und Pflanzen die Nahrungskette hoch. Mittlerweile wurde der krebserregende Stoff im Blut von Anglern und ihrer Frauen nachgewiesen, die Fische aus der Ruhr und ihrer Nebenflüsse verzehrt hatten.

Eine Erklärung für die weiter fortbestehende Belastung der Ruhr könnte in den Flächen liegen, die überall in NRW mit PFT verseucht wurden. Der Welt am Sonntag liegen Auszüge aus vertraulichen Akten der Firma Terra Vital vor. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld ermittelt gegen diese Gesellschaft und ein damit verbundenes Unternehmen wegen des Verdachts auf Umweltdelikte im Zusammenhang mit dem PFT-Skandal. Terra Vital hatte unter der Bezeichnung Terra Top, Terra Farm und Terra Aktiv so genannte „Biodünger“ und „Bodenverbesserer“ auf den Markt gebracht. Dabei wurden überwiegend Klärschlammabfälle mit Industrieabfällen in einem Bodenmischwerk mit anderen Materialien vermengt und dann auf Felder gekippt. Ich konnte über 80 Aktenordner der Firma sichten. Dabei wurden Lieferscheine für über 270.000 Tonnen dieser Materialien allein für den Zeitraum 2002 bis 2004 festgestellt. Darüber hinaus liegen Lieferscheine für mehrere zehntausend Tonnen vor, die in den Jahren 2005 und 2006 verklappt worden sind.

Wie aus Gerichtsunterklagen des Verwaltungsgerichtes Arnsberg hervorgeht, stand die Firma Terra Vital seit mindestens 2002 mit dem belgischen Geschäftsmann Jacco van de V. in Geschäftsbeziehungen. Dieser lieferte als Leiter der Firma Orinso Industrieabfall aus der Papierfabrik von KimberleyClark, aus dem chemischen Betrieb Artillat und aus Kosemtikfabriken von Ester Lauder an die Firma Terra Vital und das verbundene Unternehmen GW Umwelt. Selbst die Degussa lieferte so laut Gerichtunterlagen Filterkuchen aus Chemiebetrieben ins Sauerland.

Von hier aus wurde das Material auf weit über 1000 Felder verklappt. Die Flächen finden sich nicht nur im Sauerland, sondern in ganz NRW und darüber hinaus in Hessen und Rheinland-Pfalz. Den Schwerpunkt bildet der Kreis Soest. Hier wurden mindestens 80.000 Tonnen verklappt. In den Unterlagen finden sich Hinweise darauf, wie der Schlamm genutzt worden. In einem handschriftlichen Vermerk heißt es, das „Substrat“ sei „ins Korn“ gestreut worden. Mal ist die Rede vom Verklappen in Futtermais oder von Baumkulturen. Im Fleisch von Tieren, die mit Mais von belasteten Flächen gefüttert worden waren, konnte PFT bereits nachgewiesen werden.

Die Bauern in Soest erhielten in der Regel Geld dafür, dass sie die Laster mit dem Schlamm auf ihre Äcker gelassen haben. Der Bauer Albert I. beispielsweise bekam im Januar 2004 eine Gutschrift über 3780 Euro dafür, dass er 108 Lieferungen mit Schlamm auf knapp zwei duzend Felder am Ruhrzufluss Möhne kippen lies, wie aus den Dokumenten hervorgeht.

Nicht immer ging das Geschäft gut. Augenzeugen berichten, dass die Laster meist nachts kamen. Einmal rutschte ein Kipper in einen Fischzuchtteich. Ein anderes Mal fühlten sich Anwohner eines Dorfes von den stinkenden Lieferungen und dem Schwerlastverkehr mitten in der Nacht belästigt.

Den Behörden lagen schon im Jahr 2002 Beschwerden über das Verklappen vor. Doch die Beschwerden blieben in der Bürokratie auf Ebene des damals zuständigen Landesamtes für Ernährungswirtschaft und Jagd hängen. Weitreichende Untersuchungen fanden nicht statt, stattdessen wurden etliche Lieferscheine vom Amt abgestempelt, wie aus den Unterlagen hervorgeht.

Überraschenderweise stand aber nicht der Kreis Soest, in dem der derzeitige NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg Ehrenvorsitzender des CDU-Kreisverbandes ist, im Focus der öffentlichen Sorge. Auch die anderen Kreise, in denen jeweils zwischen 35.000 und 20.000 Tonnen auf hunderten Feldern verschwanden, wurden kaum beachtet. Im Kreise Gütersloh etwa, oder in den Kreisen Warendorf und Kassel wurden zwar einige duzend Felder untersucht, aber keine Maßnahmen eingeleitet. Der Kreis Recklinghausen wusste bis zu meiner Anfrage nicht einmal, dass allein auf Feldern des Bauern K.-B. in Dorsten weit über 15.000 Tonnen PFT-verdächtige Schlämme ausgekippt wurden.

Stattdessen stand der Hochsauerlandkreis im Zentrum des Skandals. Dabei wurden hier zwischen 2002 und 2004 lediglich knapp über 19.000 Tonnen entsorgt. Hier wurde die ersten Maßnahmen mit großen PR-Aufwand ergriffen. Es hieß zunächst, eine Baumschule in Brilon-Scharfenberg sei für die PFT-Belastungen in der Ruhr verantwortlich. Das Gelände wurde für über eine Mio Euro saniert. Später wurde diese Aussage schrittweise zurückgenommen. Eine weitere Fläche im Kreis Soest wurde saniert und die industriellen Einleiter aufgefordert, weniger PFT in die Ruhr zu kippen. Damit schein der Skandal für das Umweltministerium erledigt zu sein: „Nach derzeitigem Kenntnisstand besteht kein weiterer Sanierungsbedarf, da keine (auch nur annähernd) so hohen Bodenbelastungen wie auf den beiden Flächen in Brilon-Scharfenberg und Rüthen festgestellt wurden und die Belastung der Gewässer den Leitwert von 300 Nanogramm je Liter unterschreitet“, heißt es in einer Erklärung.

Wie es aussieht muss in Zukunft kein Bauer befürchten, dass wegen der Klärschlammlaster seine Äcker saniert werden. Der Abfall bleibt einfach liegen.

Der Fall geht weiter. Ich bleibe dran. Wenn jemand etwas hat: Ich freue mich unter david.schraven@ruhrbarone.de über Hinweise.

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