Foto: Hannelore Kraft
Wie berichtet, ärgert sich die SPD-Spitzenkandidatin und Landesvorsitzende in NRW, Hannelore Kraft, darüber, dass ihr runtergekürzter Lebenslauf für Aufregung sorgt. Nun hat sie die CDU in NRW tatsächlich verklagt – vor dem Landgericht in Köln. Mittwoch ist Verhandlung.
Dem politischen Gegner soll verboten werden zu fragen, warum Kraft ihre beinahe zwölf Jahre bei der Mülheimer Zenit GmbH weggestrichen hat. Ob es vielleicht daran lag, dass die Zenit vor zwei Jahren in einem NRW-Förderskandal verwickelt war? Nun, Kraft wollte auch mich in der gleichen Sache verklagen. Nachdem ich aber nachgewiesen habe, dass nicht nur die Zenit GmbH in den Förderskandal verwickelt war, sondern auch Kraft als Wissenschaftsministerin politische Mitverantwortung für den im Skandal bedeutsamen Zukunftswettbewerb Ruhr trug, habe ich nichts mehr von Krafts Anwalt gehört. Die Unterlassung habe ich nicht unterschrieben.
Richtig verrückt finde ich, dass Kraft nun auch diesen Spruch der CDU verbieten lassen will: "Kraftilantis Lebenslauflüge." Klar, der Spruch ist jetzt nicht besonders Shakespeare. Aber ist das ein Grund vor Gericht zu gehen? Der Bundesgerichtshof hat ausgeurteilt, dass im Wahlkampf und im politischen Wettbewerb, die Meinungsfreiheit und die Ausdrucksfreiheit noch höher als sonst zu bewerten ist. Im Wahlkampf ist die Überspitzung, die Polemik, manchmal sogar die Beleidigung erlaubt – solange es nicht zu sehr unter die Gürtellinie geht. Kraft hat offenbar keine dicke Haut, wenn sie nicht damit umgehen kann, wenn die CDU sie wegen ihres aufgehübschten Lebenslauf angreift. Den Ausdruck "Kraftilanti" wird sie kaum verbieten lassen können. Und "Lebenslauflüge"? Der Begriff ist sicher überzogen, aber ist er deswegen Verbotsfähig? Wenn das so wäre, müsste Franz-Josef Strauss heute noch als toter Mann im Knast sitzen, bei dem Unsinn, den zu Lebzeiten verbreitet hat.
Klage-Kraft gibt auf jeden Fall mit ihrem Vorgehen dem Generalsekretär der CDU in NRW, Hendrik Wüst, eine Steilvorlage. Er sagt:
Frau Kraft ist der politischen Debatte offensichtlich nicht mehr gewachsen
Und weiter sagt er:
Krafts Erklärung, die Tätigkeit bei Zenit sei aus Platzgründen gestrichen worden, ist mit Blick auf die Platzreserven im Internet kaum glaubwürdig. Unsere auf der Postkarte an Frau Kraft gestellten Fragen sind deswegen nach wie vor nicht beantwortet. Warum haben Sie die Löschung in Ihrem Lebenslauf herbeigeführt? Haben Sie etwas zu verbergen, Frau Kraft?
Ich finde es auf jeden Fall sehr bedenklich, wenn eine SPD-Spitzenkandidatin es nicht schafft, den Wettbewerber CDU politisch zu stellen. Stattdessen verliert Kraft sich in juristischen Scharmützeln am Rande der inhaltlichen Bedeutungslosigkeit. Kraft fällt nicht auf, weil sie soziale Ideen hat, weil sie den Durchbruch in der Schulpolitik verkörpert, weil sie den kommunalen Aufbruch schafft und Wechselstimmung verbreitet.
Sie fällt auf, weil sie in Münster gegen einen Kommunalwahltermin klagt – und einen anfänglichen Sieg in einer zweiten Klage vergeigt. Interessiert das irgendeinen Bürger? Hallo? Ist da wer?
Wie stellt Kraft sich das eigentlich vor, wenn die CDU vor dem Kölner Landgericht gewinnen sollte? Diese Blamage würde ich nicht erleben wollen. Kraft aber offenbar schon. Zumindest geht sie ein verdammt hohes Risiko ein.
Ihr Rechtsanwalt hat versucht, eine einstweilige Verfügung durchzubekommen. Damit ist er offenbar in der ersten Phase gescheitert. Das Landgericht hat vor dem Erlass einer einstweiligen Verfügung eine mündliche Verhandlung angesetzt. Das habe ich noch nicht so oft erlebt. Ich kenne das nur so, dass eine einstweilige Verfügung in der Regel ohne mündliche Verhandlung erlassen wird, und man sich später gegen diese Entscheidung wehren muss.
Das Kölner Gericht muss also schon jetzt Zweifel an der Berechtigung der Kraft-Klage haben. Mir stellt sich nur eine Frage an Frau Kraft:
Was tun Sie, wenn Sie verlieren?"
Wie ich gehört habe, will sie sich in den nächsten Tagen über Interviews mit mindestens einem Blog erklären. Ich wette, ich weiß schon jetzt, was sie sagen wird. Sie wird sagen, dass ihr Lebenslauf im Internet zu lang gewesen sei und sie deswegen ihren alten, zwölf Jahre langen Arbeitgeber gelöscht habe und nur noch die Praktika als Studentin Platz fanden. Dann wird Kraft mit Sicherheit noch sagen, dass Zenit ein toller Laden sei, und es ihr wehtue, dass er in Verbindung zu einem Förderskandal gestellt werde. Und dass damit endlich aufgeräumt werden müsse. Deswegen die Klage
Nur ein Wort dazu vorab, bevor Frau Kraft diese Sachen sagen wird.
Wenn Zenit einen Wettbewerb gemanagt hat, über den 102 Mio Euro verteilt wurden, und nachher heißt es im Bericht des Landesrechnungshofes, eigentlich gab es gar keinen Wettbewerb, weil es keine ordentlichen Vergleichskritierien gab, nach denen das Geld verteilt wurde – dann ist das Geldverteilen in meinen Augen Willkür und ein Skandal. Ich bin gespannt, wie Kraft ihren alten Arbeitgeber verteidigt und wie sie sich aus Ihrer politischen Verantwortung rausredet.
Was der CDU-Generalsekretär Wüst aus der Steilvorlage von Kraft machen wird, ist jetzt schon klar. Er sagt:
Wir werden unsere Kraftilanti-Kampagne in jedem Fall unbeirrt fortsetzen.
Wüst hat Kraft jetzt da, wo er sie haben will. In der Ecke. Da hilft nicht mal mehr weinen.
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Auszug aus dem vertraulichen Bericht des Landesrechnungshofes zum Zukunftswettbewerb Ruhr