
Ein tief ausgeschnittenes weißes Shirt, orange Hot-Pants, Sneakers und Glanzstrumpfhose. Nach dem Umziehen erkenne ich mich kaum im Spiegel. Ich möchte die Hot-Pants etwas nach unten zupfen – dafür sind sie aber zu eng. Ich trage die Hooters Uniform. Die Haare offen, Kniestrümpfe auf den Knöcheln und eine Geldtasche zwischen den Beinen. Ich will in dieser Uniform arbeiten. In einem dieser Schnellrestaurants aus den Staaten, in denen es zum Burger tiefe Ausschnitte gibt.
Fotos: Thorsten Schraven
Tanja ist eine Kollegin von mir. Sie ist erfahren. Tanja trägt die gleiche Kleidung wie ich. Nur hat sie über ihrem hautengen Shirt eine knappe Jacke gezogen. Der Reißverschluss ist offen. Sie fragt mich, ob ich einen Kulturbeutel dabeihabe. Meine Schminke taugt nichts, meint Tanja. Sie holt ihre eigenen Sachen. Mit einem schwarzen Eyeliner zieht sie dicken Linien auf meine Augenlider, dann trägt sie großzügig Wimperntusche auf. Tanja geht einen Schritt zurück. „Jetzt siehst du besser aus“, sagt sie. Tanja weiß, dass es hier um die Optik geht, mit der man Geld verdient. Es muss sexy sein.
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Mir wird gesagt, ich soll strahlen, wenn Gäste reinkommen, „Welcome to Hooters“ sagen und dabei lachen. Einer der ersten Gäste, die ich sehe, ist ein vollbärtiger Mann mit hängendem Bierbauch und grauem, schütterem Haar. Eine Kollegin setzt sich zu ihm an den Tisch, sie ist Mitte zwanzig. Sie spielt mit der Fernbedienung des TV, lacht, schaltet auf den Sportkanal. „Habt ihr Hunger?“, sagt sie. „Was darf es zum Essen sein? Einen Burger vielleicht?“ Jetzt schaut sie mich an: „Olga, wonach fragt man beim Burger?“ „Welche Soße möchten Sie?“, rate ich. Meine Kollegin schüttelt den Kopf: „Mit welchem Salat möchtet Ihr Euren Burger?“ Meine Kollegin hat lange, schwarze Haare, einen vollen Mund und große Brüste. Sie kommt aus Lateinamerika. Sie bekommt viel Trinkgeld. Die alten Männer schauen ihr in den Ausschnitt.
Die Kette Hooters expandiert derzeit in Deutschland. Es gibt Hooters-Filialen in Neukirchen, Bochum und Düsseldorf. In den kommenden Wochen werden in Berlin und Frankfurt neue Läden eröffnet. Das Konzept stammt aus Florida. Hier begann die Burger-Geschichte 1983 im Küstenörtchen Clearwater, der Heimat von Beachgirls und Hot-Pants. Seither wurden weltweit über 400 Shops eingeweiht. Ich arbeite in Bochum.
Auf der Karte steht klassisches Fastfood: Chicken Wings, Hot Dog, Burger. Ich bin die Bedienung, ich bin die Entertainerin. Als Hooters Girl kann ich machen, was ich will, heißt es bei der Einweisung. Ich soll mit den Gästen spielen. Ich soll flirten, ich soll nur auf eines aufpassen: Ich soll nicht „zu schlampenmässig rüberkommen.“ Das hat meine Hooters-Trainerin zu mir gesagt. Es geht um Spaß. Alles soll ganz easy sein. Wenn ich Spaß habe, hat auch der Gast Spaß, heißt es. Und wenn der Gast Spaß hat, dann kriege auch ich am Ende Trinkgeld. „Hast Du noch Fragen?“, werde ich gefragt. Eigentlich nicht.
Später am Abend ruft mich der Barkeeper an die Theke. Ein Gast will ein Foto mit mir machen. Ich muss zustimmen. Der Gast ist Mitte vierzig, sein Gesicht solariumbraun, eine Fitnessstudiofigur. Er hat mich den ganzen Abend schon angesehen. Ein Hooters Girl ist immer für ein Foto zu haben, heißt es. Ich stelle mich neben den Gast und strahle in die Kamera. Plötzlich packt der Kerl meine Hüfte. Er zieht mich ran. Ich schlage auf seine Hand. Er lässt ab. Später sagt eine Kollegin zu mir: „Es gibt Gäste, die glauben, wenn wir in Hot-Pants vor ihnen herlaufen, können sie uns für alles haben.“ Ich zittere immer noch, irgendwie fühle ich seine Hand an meiner Taille.
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Drei Jungs haben sich an einen Tisch in der Ecke verzogen. Als ich sie frage, was sie trinken wollen, werden sie rot. „Was studiert ihr denn?“, frage ich. Als Kellnerin hab ich verstanden: Jungs wollen wie Männer behandelt werden und die Alten wollen 30 Jahre jünger sein. Auf jeden Fall wollen alle mit mir flirten. Jeder erhofft sich dabei etwas mehr hinter meinem Lächeln. Hofft, dass sich dahinter etwas verbirgt, etwas persönliches, privates, intimes. Etwas nur für ihn. „Wir sind noch Schüler“, sagen die drei Jungs. Sie sind aus Mühlheim mit der Bahn bis nach Bochum gefahren, um einmal Hooters Mädchen zu sehen. Als sie ihr Bier bestellen wollen, fangen die Jungs an zu lachen. „Entschuldigung“, stammeln sie verlegen. Sie sind gespannt. Sie warten, dass etwas passiert. So als säßen sie in einer verruchte Kneipe. In einem Lokal in dem sie etwas zu sehen kriegen, was sie noch nie gesehen haben. Aber Hooters ist wie eine Stripteasebar ohne Striptease. Klinisch sauberer Sex-Appeal, der selbst im Bibel-Belt der Vereinigten Staaten legal ist. Ich habe Hot-Pants an. Ich lächele. Mehr gibt es nicht.
Ein paar Männer kommen rein. Bier wird aus Eimern ausgeschüttet, die 1,5-Liter-Pitcher heißen. Ein Mann sticht heraus. Er ist Ende 20. Er hat gegelte Haare, einen dunkelbraunen Anzug und eine Krawatte. Er sagt: „Ich habe heute mein Studium beendet. Jetzt wird gesoffen. Ich bin ein Scheiß-Jurist.“ Eine Kellnerin lacht. „Na dann, Prost, Jungs.“ Während ich weitergehe, spüre ich wie die Blicke meinen engen Hosen folgen.

Es gibt auch Frauen hier. Ich bringe ihnen das Bier. Ich bringe ihnen die Burger. Die Stimmung ist kalt. „Die Pommes haben wir nicht bestellt.“ Die Frau schaut dabei an mir vorbei, so als würde sie sich für mich schämen.
Irgendwie wusste auch ich damals im November nicht, wo ich hin sehen soll. Als ich das erste Mal in Bochum in einer Hooters-Bar war. Die Kneipe wirkte auf den ersten Blick wie eine finnische Sauna, helle, glattgebürstete Holzwänden, glänzende Tische, Surferbretter an der Wand und Mädchen in zu kurzen Shorts. Ich habe mich gefragt, was die Frauen dazu bringt, hier zu arbeiten? Macht das Spaß? Ich will wissen, was sich hinter der blanken Fassade verbirgt.
Ein paar Tage später habe ich mich bei Hooters online beworben. Zwei Monaten später klingelte mein Handy: „Hast Du Zeit?“ 6,30 Euro gibt es in der Stunde, dazu Trinkgeld.
Meine Kollegin Tanja erzählt mir, dass sie am vergangenen Samstag fast zweihundert Euro verdient hat. Das ist viel. Tanja will später studieren und spart nun ein wenig Geld. „Ty govorisch po-russki?“ fragt sie mich, ob ich Russisch kann. „Da“, antworte ich überrascht, "Ja". Tanja spricht akzentfreies Deutsch und ich hätte nicht erwartet, dass sie Russisch spricht. Die meisten Kellnerinnen kommen aus dem Ausland. Manchmal kann man sich was nebenher verdienen, erfahren ich. Noch etwas wenig mehr als das Trinkgeld.
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An der Theke sitzt ein Stammgast. Niko heißt er. Ich habe ihn während meiner letzten Schicht kennen gelernt. Niko sieht nicht alt aus. Er ist vielleicht Mitte dreißig. Niko trägt einen Anzug und trinkt Kaffee. Vor ihm liegt ein Notizblock. „Bist du traurig?“ frage ich. Niko ist überrascht: „Ich? Nein. Ich bin verträumt….“ „Wovon träumst du denn?“ „Von Tanja“, sagt er dann. „Sie ist wunderschön“. Niko holt eine Kamera heraus. Darauf hat er Fotos von Tanja gespeichert. Einige von ihnen sind Aktaufnahmen. Eines ist mir im Gedächtnis geblieben. Tanja blickt starr in die Kamera. Über ihren nackten Brüsten hängen Stahlketten wie ein Tuch. Niko hat die Fotos von einer Internet-Seite herunter geladen. Dort verkauft Tanja ihre Fotos. Niko sieht sich das Ketten-Bild weiter an und sagt: „Ich darf bald ein Foto-Shooting mit Tanja machen. Sie ist ein perfektes Model“.
Tanja hat mir erzählt, dass sie als Kind nach Deutschland kam und hier einen Realschulabschluss gemacht hat. Jetzt ist sie 20 Jahre alt und muss sich allein durchschlagen. Auch andere Männer fotografieren sie.
Wenn ich morgen hier aufhöre, gehe ich zurück an die Uni. Tanja arbeitet weiter bei Hooters.
* Alle Namen sind geändert.
