Erstes Fernsehduell auf dem Mond

Draußen Holland im Regen. Da ist es gut, drinnen mit der FAZ zu sein. Auf einer ganzen Zeitungsseite erzählen heute "elf Zeitzeugen", wie sie die Mondlandung vor 40 Jahren am Fernseher verfolgt haben. Darunter die Kanzlerin, der Kandidat, Claudia Roth und Gregor Gysi. Überraschung für die gebeutelte SPD: Diese erste Elefantenrunde vor der Bundestagswahl konnte Frank-Walter Steinmeier klar für sich entscheiden.

Die Grüne Claudia Roth stieg 1969 mit Decken, Hund und Familie in den Partykeller hinab, zu der Zeit  "Fernsehraum" der Familie. Die Roths gingen zum Fernsehen also in den Keller, irgendwie traurig. Die Gysis hatten als Fernseher erstaunlicherweise schon 1969 eine "alte Krücke", so schaute er bei seiner Schwester wie "der Vorsprung der Sowjetunion" eingeholt wurde. Ganz ostdeutsch erinnert sich auch Merkel. "Sie ist Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende" steht unter ihrem Beitrag und von sich schreibt sie nur in der dritten Person: "Angela Merkel hat gerade ihren 15. Geburtstag gefeiert, als erstmals ein Mensch den Mond betrat." Wäre auch ein schöner Einstieg für ihre Autobiografie!

Gruselig geht es weiter: "früh aufgestanden war sie, draußen herrschte noch stockfinstere Nacht. Auf dem Pfarrhof der Eltern in Templin flimmerte ein Fernsehgerät." Doch dann kommt die Mondlandung, "die Bundeskanzlerin weiß noch, wie das Gefühl in ihr brannte, eine einmalige historische Stunde live miterleben zu dürfen". Die "Bundeskanzlerin" "live", und das in der DDR, anno 1969. Respekt! Respektabel findet "sie, die Physikerin," die ganze Mondmission – einfach "großartig, besonders in technischer Hinsicht!" Ein Kompliment, das sich die Kanzlerin auch für ihren Beitrag verdient hat, "besonders in technischer Hinsicht!" Doch ihr Herausforderer macht dann doch das Rennen.

"Frank-Walter Steinmeier, Außenminister und SPD-Kanzlerkandidat" – die Autobiografie ist gerade erschienen – da fließt dem Kandidaten die Mondgeschichte leicht aus der Feder: "Ich denke gern zurück an den 21. Juli 1969", schreibt er, sie hätten die Mondlandung mitten in der Nacht "live" verfolgt: "ich, damals, 13, mein siebenjähriger Bruder gebannt vorm Fernseher, daneben unsere Eltern". Das war aber keine reine Idylle, denn die Steinmeiers waren arm, "einen eigenen Fernseher hatte sich die Familie (also ich, mein siebenjähriger Bruder, daneben die Eltern) vielleicht ein oder zwei Jahre vorher gekauft".

Nachts vorm Fernseher, das gab es übrigens auch ein Jahr später wieder, fällt dem Mann aus Lippe ein und geschickt spielt er die Fußballkarte. Auch zur Fußball-WM 1970, Mexiko, "das spannende – und traurige – Halbfinale zwischen Deutschland und Italien", habe man zusammen vor der Glotze gehockt. Aber zurück zur Mondlandung, "hatte eine fast mythische Bedeutung" auf den jungen Steinmeier, zumindest eine pathetische: "Das technisch Machbare kam dem nahe, was wir uns in der Phantasie ausmalten. Und es entfernte sich immer mehr vom Fassbaren." Unfassbar ist wie Frank-Walter S. dann die Wahlkampfkurve kriegt – fast sieht man, wie er beim Schreiben die weißen Hemdärmel aufrollt und jedes seiner Worte heiser mitröhrt.  

Denn die Apollo-Mission habe in die "Aufbruchstimmung dieser Jahre" gepass. Zack. "Die Umwälzungen, die mit dem Schlagwort 1968 verbunden sind, waren auch in der ostwestfälischen Provinz nicht mehr zu übersehen." Zack. Eine Mondmission sei zwar heute zwar nicht mehr "vordringlich", aber mit dem gleichen  "Erfindungsgeist und Optimismus" könne man die globale Energiekrise lösen und dafür sorgen, "dass niemand mehr Hunger leiden muss". Zack. 1969 sei übrigens ein gutes Jahr für die Sozialdemokratie gewesen, Willy Brandt wurde später Bundeskanzler. Zack.

Ginge es nur nach Monderinnerungen, Steinmeier könnte im Herbst tatsächlich in Brandts Fußstapfen treten – in wenigen Sätzen alles gesagt: Armut, Ostwestfalen, großer Bruder, Fußball, 1968, Willy-Wählen. Nur einer der elf FAZ-Zeitzeugen ist noch gewiefter in eigener Sache: "Das Ereignis hat mich weitgehend unberührt gelassen", schreibt er, "damals bekam ich das Angebot meine erste Expedition zum Nanga Parbat zu machen" – und es ist natürlich Reinhold Messner. 

Genossendämmerung

Wie verliert eine Partei eigentlich die Macht in einer Stadt?  Die SPD und ihre Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz zeigen in Bochum wie es geht. 

Eigentlich zählte Bochum nicht zu den spannenden Städten bei der Kommunwahl am 30. August. Wie in Gelsenkirchen, Duisburg oder Hamm schien klar, dass die Amtsinhaberin, Ottilie Scholz (SPD) locker die Wahl gewinnen würde. Der CDU-Herausforderer, Lothar Gräfingholt, war selbst in der eigenen Partei nicht unumstritten und galt eher Verlegenheitskandidat denn als Hoffnungsträger. Schon vor fünf Jahren, als Scholz noch keinen Amtsbonus besaß, hatte er gegen die resolute ehemalige Kämmerin der Stadt den Kürzeren gezogen und nichts deutete daruf hin, dass es diesmal anders werden würde.

"Sechs Wochen vor der Kommunalwahl ist alles wieder offen" kommentiert heute WAZ-Redakteur Rolf Hartmann im Bochumer Lokalteil und die Bild fragt hämisch "Ist die Stadt Bochum der größte Saftladen Deutschlands?" Die Frage ist berechtigt. Bochum hat in den vergangenen Monaten eine beeindruckende Pannenserie hingelegt: 
– Die Loveparade mußte abgesagt werden – eine bundesweite Blamage
– Die Stadt ist pleite und muß künftig pro Jahr an die 100 Millionen Euro einsparen.
– Für einen geplatzten Cross-Border-Deal muss Bochum Anleihen für  90 Millionen. Euro kaufen und als eine Art Kaution abtreten.
– Der  Stadt droht wegen weggeworfener Nachweise für Fördermittel und falsch verwendeter Gelder eine Rückzahlung von Fördermitteln in zweistelliger Millionenhöhe. Die Unterlagen sollen 1998 noch vorhanden gewesen sein.

Und nun für alle Kommunalpolitiker da draussen, die wissen wollen wie man möglichst sicher seine Mehrheiten verliert: Ihr glaubt die  Situation der SPD in Bochum und ihrer Oberbürgermeisterin ist schlimm und kann nicht noch schlimmer kommen? Doch, die Bochumer Sozialdemokraten legen noch eins drauf: Anstatt Konsequenzen im Skandal um die verschwundenen Fördermittelnachweise zu fordern und Selbskritik zu üben, wird die Sache erst einmal runterspielt. In der Bild erklärt der Vize-Fraktiionschef, das  Schlampereien in allen Städten vorkommen und es in Bochum nicht schlimmer sei als in anderen Kommunen. Das wird die Bürger beruhigen – zumal bei einer Bagatellsumme wie 28 Millionen, die im schlimmsten Fall aus der Stadtkasse fällig werden – realistisch ist allerdings eien deutlich niedrigere Summe. Und was macht die OB? Sie äussert sich überhaupt nicht und erklärt auf ihrem ersten Wahlkampfvideo, dass in Bochum mit Opel und Nokia ein paar Sachen schief gelaufen seien, die Weltwirtschaftskrise aber zu bewältigen ist. Und die Stadt haut erst einmal auf die Presse ein und erklärt die Berichterstattung für überzogen: "Die Veröffentlichungen sind unsachlich und grob wertend. Sie informieren die  Öffentlichkeit nicht umfassend. Sie werden in ihrer Qualität und Ausrichtung weder dem Verfahrensstand noch Sachverhalt gerecht!"  Nun soll erst einmal der Sachverhalt ausgiebig geprüft werden – und das Ergebnis der Prüfung wohl am liebsten nach der Wahl veröffentlich werden.  

Mit dieser Verschleierungstaktik, mit diesem Spiel auf Zeit könnte der SPD das nahezu unmöglich gelingen: Die Kommunalwahl auf den letzten Metern zu verlieren.

Danke an Jens vom Pottblog für die Zusendung der Bild-Artikel, die er
im Beitrag "Weder Online first noch "Online last" bei der BILD Ruhrgebiet erwähnt.

Mehr zu dem Thema:

Bo-Alternativ: Presseschelte der Stadt

Seit verschlungen Millionen

SPD verliert Bochum

Die SPD in Bochum steht bei den Kommunalwahlen vor dem Desaster. Der Grund ist einfach. Ottilie Scholz, SPD-Oberbürgermeisterin der einstigen Genossen-Hochburg hat es versaut. Zunächst hat sie das Cross-Border-Leasing gegen den Willen der Bochumer Bürger durchgesetzt und musste dafür anschließend etliche Millionen an städtischen Vermögen verballern. Und dann hat sie noch die politische Verantwortung für ene Skandal, der kaum nachvollziebar ist. Sie muss verantworten, dass in ihrer Verwaltung sämtliche Belege zu diversen Fördervorhaben vernichtet wurden – wie ein Bericht des Landesrechungshofes enthüllte. Insgesamt stehen 35 Mio Euro auf dem Spiel, die unter Umständen an das Land zurückgezahlt werden müssen, weil gegen Förderbestimmungen verstoßen wurde. Wenn die SPD in Bochum noch die Kommunalwahl gewinnt, dann glaube ich gar nichts mehr.

Es ist unklar, ob die Löschtage im Bochumer Rathaus einen kriminellen Hintergrund haben, einen politischen oder einen schusseligen. Das ist auch egal. Denn in jedem Fall hat Ottilie Scholz als Oberbürgermeisterin die politische Verantwortung dafür, dass so etwas nicht passieren darf. Da kann ihr auch nicht mehr das Konzerhaus als Wahlkampfretter helfen, dass sie den Bürgern versprochen hat.

Ach, da fällt mir ein, das Konzerthaus wird ja auch nichts. Auch nur heiße Otilien-Luft.

Ich fasse mal kurz das Arbeitsrgebnis von Ottilie Scholz als Oberbürgermeisterin zusammen: DESASTER.

Und was sagt die SPD-Obrbürgermeisterin dazu?

Offiziell bis jetzt noch nichts. Hab zumindest von Ihr nichts gefunden. Weder in den Lokalzeitungen noch sonstwo. Stattdessen gibt es folgende Pressemitteilung der Stadt:

Über die möglichen Ergebnisse des Prüfungsberichtes des Landesrechnungshofes zum II Bauabschnitt der Westtangente zwischen Königsallee und Wasserstraße wurde in den Medien in den letzten Tagen berichtet. Scheinbar liegen Teile des Berichtes, der bisher der Stadt Bochum offiziell noch nicht zugesandt wurde, Redakteuren der Zeitungen vor. (Er wurde auch hier in den Ruhrbaronen veröffentlicht: nach dem klack. d.A.) Diese haben Feststellungen des Prüfers publiziert. Weder dieser Bericht noch die abschließende Beurteilung und Bewertung der Bezirksregierung Arnsberg, die vom Landesrechnungshof geprüft worden ist, liegen bei der Stadt Bochum vor. Auch das für einen solchen Vorgang notwendige offizielle Anhörungsverfahren der Stadt Bochum wurde noch nicht durchgeführt.

Die Veröffentlichungen sind unsachlich und grob wertend. Sie informieren die Öffentlichkeit nicht umfassend. Sie werden in ihrer Qualität und Ausrichtung weder dem Verfahrensstand noch Sachverhalt gerecht!

Gleichwohl bleiben im Raum offene Fragen, die eine schnelle und erschöpfende Beantwortung erfordern. Deshalb hat Frau Dr. Scholz sofort das Rechnungsprüfungsamt der Stadt Bochum eingeschaltet und mit einem Prüfungsauftrag versehen.

Sie hat gebeten, drei Fragestellungen zu betrachten:

– Als Erstes sollen die vor 20 Jahren durchgeführten Baumaßnahmen, die im Bericht des Landesrechnungshofes untersucht worden sind, zusammen mit der Fachverwaltung durchleuchtet und begutachtet werden.

– Zum Zweiten soll nachgesehen werden, ob der Prüfungsvorgang in den letzten zwei Jahren umfassend und vollständig bearbeitet wurde.

– Zum Dritten soll der Frage nachgegangen werden, ob die Fachverwaltung alle Termine, Verfahrensschritte und Ergebnisse im Hause sachlich richtig und umfassend weitergegeben und kommuniziert hat.

Frau Dr. Scholz hat am heutigen Tage den Leiter des Rechnungsprüfungsamtes gebeten, die Prüfaufträge zügig anzugehen und ihr dazu schnellstmöglich einen Bericht zu erstellen.

Anstatt das Problem anzugehen, die Schuld einzugestehen und die Verantwortlichen zu stellen, spielen hier Ottilie und die Stadt auf Zeit. Das ist unmöglich.

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Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Bochum: CDU fordert OB-Rücktritt…Ruhr Nachrichten

Moers: Fraktionen zensieren Bürger…Der Westen

Bild-Ruhr: Weder online first noch online last…Pottblog

Loveparade: Heute hätte sie stattgefunden…Der Westen

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Düsseldorf: Designer wollen Revier fluten…Bild

 

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Jochen Distelmeyer spielt neue Konzerte ohne Herrn Blumfeld

Letztlich kam in einer geselligen Runde die Frage auf, was wohl der Jochen Distelmeyer, ehemals Sänger der formidablen Kombo Blumfeld, aktuell macht. Seit der Abschiedstournee und Auflösung der Band sind mittlerweile gut zwei Jahre ins Land gegangen. Und jetzt is er wieder da und hat sogar am 16.7. im Grend in Essen den zweiten Auftritt seiner Soloaktivitäten zum besten gegeben. Richtig: zum BESTEN, denn entgegen so mancher Meinung in der Twittersphäre war es richtig gut. 

Blumfeld begründeten in den 90ern die "Hamburger Schule". Die ersten drei bis vier Alben waren Blaupause für Generationen von deutschsprachigen Bands. Bei den letzten Platten deutete sich unter den Fans die Aufsplittung der Meinungen an: Polarisiert in "wat´n Scheiß" und "supergeil". Das neue Album in neuer Bandbesetzung – also nicht das gefürchtete Ich-alleine-mit-meiner-Gitarre Soloprojekt – ist aufgenommen. Heavy heißt´s und erscheint 25.09.2009. Einen in seiner Studiversone eher langweiligen Song kann man auf Jochen Distelmeyers Seite schon jetzt im Stream anhören live dagegen wesentlich grooviger gespielt.

Diestelmeyer rockt das Grend mit seiner neuen 5köpfigen Band. Heiß war es in der Halle und eng auf der Bühne. Den Drummer habe ich erst beim letzten Song vor der Zugabe den Drummer entdeckt. Dachte schon der käme nur von Band. Und dass ein Keyborder mit am Start ist, habe ich dann bei der Bandvorstellung mitbekommen.
Böse Zungen behaupten Distelmeyer sei nun in der deutschen Musikszene zum Mark E Smith mutiert. Nein, nicht ob seiner genuschelten Zwischenansagen, sondern aufgrund des zunehmenden Verschleiß von Musikern. Dem Sound hat die aktuelle Besestzung keineswegs geschadet. Es wird kräftig gerockt. Ob es bei der sg. Abschiedstournee von Blumfled auch so war, kann ich nicht sagen. Den Abschied nahm ich nicht ernst und wollte ihn erst beim Comeback weider sehen. Hat sich gelohnt. Denn die "Schlagerelemente" sind wieder in den Hintergrund getreteten. Ein bisschen Singer-Song-Writer-Attitude steht ihm aber gut zu Gesicht.
Das Publikum liebt ihn wie eh und je. Mit gut 120 Besuchern ausverkauften Grend kein Wunder. Und der von Distelmeyer inszenierte Canon bei "Quo Vadis" – die Männer singen im Chor "Quo Vadis" und die Damen "Stets dem Leben zu, zwischen ich und du" war schon ziemlich abgefahren.

Aus aktuellem Anlaß hier noch der Link zu unserer Verlosungsaktion vom 21. bis 24. September 2009
 

Weitere Termine:

17.07.2009 Würzburg, Cafe Cairo
18.07.2009 Gräfenhainichen, Melt! Festival
30.08.2009 Hamburg-Kampnagel, Internationales Sommerfestival
05.11.2009 Dortmund, Freizeitzentrum West
06.11.2009 Bielefeld, Kamp
07.11.2009 Mülheim an der Ruhr, Ringlokschuppen
09.11.2009 Köln, Gloria-Theater
11.11.2009 Erlangen, E-Werk
14.11.2009 Stuttgart, Universum
15.11.2009 München, Ampere-Muffatwerk
02.12.2009 Osnabrück, Lagerhalle

Der Anti-Atom-Agent

In den 70er und 80er Jahren wurde die Auseinandersetzung um die Atomenergie wesentlich härter geführt als heute. Die Anti-Atom-Bewegung hatte in dem Konflikt Helfer aus den Reihen der Atomindustrie. Sie verrieten Betriebsgeheimnisse, um den Bau von Atomkraftwerken zu verhindern. Einer von ihnen ist nun gestorben. Eine Erinnerung.

AKW Zwentendorf Foto: Werner Hölzl Lizenz: CC

Klaus P. war ein unauffälliger Zeitgenosse, manchmal etwas mürrisch, aber in der kleinen Siedlung in einem Vorort von Nürnberg fiel der pensionierte Maschinenbauingenieur nicht sonderlich auf. Gut, dass er den Garten seines Reihenhauses nutzte, um eigenes Gemüse zu ziehen war etwas außergewöhnlich, aber dafür waren seine Gartenbautipps in der Nachbarschaft beliebt. Still war es in den vergangenen Jahren in dem schlichten 70er Jahre Haus geworden: Die beiden Töchter waren ausgezogen, seine Frau schon lange zu einem anderen Mann gezogen.

Was wohl kein Nachbar wusste: P., der vor zwei Wochen bei einem Autounfall starb, gehörte zu den zentralen Figuren der Auseinandersetzung zwischen der Anti-Atom-Bewegung auf der einen und der Atomindustrie und dem Staat auf der anderen Seite.

Nach seinem Studium an der RWTH Aachen verbrachte P. sein gesamtes Berufsleben bei der Kraftwerk Union (KWU) – damals noch ein Joint Venture von Siemens und AEG. Das Unternehmen baute anfangs vom US-Technologiekonzern Westinghouse lizensierte Reaktoren und erschloss ab Mitte der 70er Jahre mit eigenen Entwicklungen den nach der ersten Ölkrise weltweit boomenden Reaktormarkt. Ob Deutschland, Argentinien oder der Iran: Die KWU spielte in der ersten Liga der Reaktorbauer. Ein Milliardengeschäft: Atomkraft galt als sicher und sauber, als Energieträger, der unabhängig macht von den zu dieser Zeit unsicheren Ölexporten aus dem Nahen Osten.

P. hatte einen guten Job, das Gehalt stimmte, die Arbeit war anspruchsvoll: P. war an der Entwicklung von Sicherheitssystemen beteiligt und nahm Risikobewertungen für bestehende und geplante Reaktoren vor. Sein persönliches Fazit: Atomkraftwerke sind ebenso hochkomplexe wie hochriskante Maschinen, deren Sicherheit nicht gewährleistet werden kann. Man kann sie sicherer machen, aber sie werden nie sicher sein. Eine Hochrisikotechnologie, die nicht weiter verfolgt werden darf. Aus diesen Erkenntnissen zog P. die Konsequenzen: Ab Mitte der 70er Jahre nahm er Kontakt zur Anti-Atom-Bewegung auf, lieferte technische Einschätzungen und beriet Atomkraftgegner bei den damals zahlreichen Prozessen gegen den Bau neuer AKWs. Einer, der sich damals immer wieder mit P. traf und ganze Wochenenden in dem Reihenhaus in Franken verbrachte war Michael Sailer. Sailer, damals Ingenieurstudent in Darmstadt, war früh Mitarbeiter des Öko-Institutes und ist heute Mitglied der Reaktorsicherheitskommission, deren Vorsitzender er auch zeitweise war. Er erinnert sich gut an P.: „P. versorgte uns mit Informationen, die dafür sorgten, dass wir vor Gericht auf Augenhöhe mit den Experten der Industrie streiten konnten. Wir verwickelten sie in Fachdiskussionen und auch wenn keines der Atomkraftwerke auf dem Gerichtsweg verhindert wurde, wurden doch zum Teil auch wegen Informationen von P. die Sicherheitsauflagen erhöht.“ P. sei, sagt Sailer, nicht der einzige aus den Reihen der Industrie gewesen: „Wir hatten damals mehrere solche Kontakte, aber P. war einer der wichtigsten.“

Die von ihm gelieferten Informationen hätten mit dafür gesorgt, die Bürger Österreichs davon zu überzeugen, dass Atomkraftwerke in ihrem Land nicht gebaut werden sollten. In einer Volksabstimmung am 5. November 1978 sorgten sie dafür, dass das AKW Zwentendorf nicht ans Netz ging, und in Österreich kein neuer Milliardenmarkt für die KWU entstand. Sailer: „Bei Zwentendorf waren Ps Informationen sehr wichtig für die Informationskampagne über die Schwächen des Reaktors.“

P. und die anderen Unterstützer der Anti-AKW-Bewegung standen unter einem erheblichen Druck. Der Kampf um Atom wurde mit harten Bandagen geführt. Klaus Traube, damals wie P. ein KWU-Mitarbeiter, sorgte in jener Zeit für Schlagzeilen, weil er vom Verfassungsschutz bespitzelt worden war. Auch P. lebte immer in der Sorge, erwischt zu werden. Die Konsequenzen waren ihm klar: Er hätte nicht nur seinen Job und die Betriebsrente verloren, sondern wäre in der gesamten deutschen Industrie zum Paria geworden. Dazu drohten ihm möglicherweise Schadensersatzforderungen durch die KWU in Millionenhöhe. P. entschied sich für das Risiko, blieb seinen Überzeugungen treu und zahlte den Preis dafür: Über viele Jahre hinweg lebte er in der Angst, erwischt zu werden und die Existenz seiner Familie zu gefährden. Enge Freundschaften im Kollegenkreis waren tabu, und auch sonst brauchte P. lange, bis er Vertrauen fasste. Aus dem charmanten, witzigen jungen Mann wurde im Laufe der Jahre ein zunehmend misstrauischer und eigenbrötlerischer Mensch, der sich schnell mit den wenigen Freunden, die er fand, wieder zerstritt. Seine Ehe scheiterte, der Kontakt zu den Töchtern blieb bis zum Ende eher oberflächlich. Noch heute nach seinem Tod muss er anonym bleiben, damit seinen Angehörigen nicht juristisch verfolgt werden.

Michael Sailer: „Auch heute noch helfen Menschen wie P. Bürgerinitiativen wenn es um die  Auseinandersetzung mit Großanlagen geht, aber ihre Zahl ist geringer geworden. Heute stehen die technischen Informationen auch direkter zur Verfügung und sind öffentlicher zugänglich.
Fachleute mit atomkritischer Sicht diskutieren heute fachlich auf Augenhöhe mit der Befürworterseite und werden dort ernst genommen werden. Dass es dazu gekommen ist, haben wir auch P. zu verdanken.“

P. wurde am Dienstag beigesetzt.

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Arcandor: Insolvenzverwalter wirft hin…Spiegel

NRW: Union will Bleiberecht für 12.000 Flüchtlinge…Der Westen

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Piraten wollen Thiesen rauswerfen

Der Protest gegen Bodo Thiesen innerhalb und ausserhalb der Piratenpartei zeigt Wirkung: Der Bundesvorstand will Thiesen rauswerfen.

Das melden die Nordpiraten unger Verweis auf eine Twitter-Meldung des ehemaligen Piraten-Vorsitzenden Dirk Hilbrecht: "Wie soeben bekannt wurde, wird der Bundesvorstand der Piratenpartei ein Parteiausschlussverfahren gegen Bodo Thiesen einleiten. Wie bereits an dieser Stelle berichtet, war Bodo Thiesen in der Vergangenheit durch umstrittene Äußerungen zum 2. Weltkrieg und zum Holocaust aufgefallen. Details zum Verfahren werden natürlich an dieser Stelle nachgereicht, sobald diese bekannt sind."

Die Piraten positionieren sich damit zwar spät, aber eindeutig gegen Thiesen und seine kruden Thesen zu Themen wie Holocaust oder Pädokriminellen. Es scheint ein Lernprozess in Gang gekommen zu sein und  hoffentlich ist er nicht nur des Drucks von Aussen geschuldet, sondern auch der Erkenntnis, dass man mit rein legalistischen Positionen (Solange er nicht verurteilt ist, kann er seine Meinung sagen) in der politischen Auseinandersetzung nicht weit kommt. Klar ist, dass der Rauswurf Thiesens, so er denn vollzogen wird, eine weitere Belastung für die Piratenpartei darstellen wird. Aber diese Belastung könnte auch eine gute Gelegenheit sein die ärgsten Spinner loszuwerden, die sich immer, wenn eine Partei sich neu bildet oder erste Erfolge hat, dabei sind.  Das alles kann erst der Anfang sein: Wollen die Piraten ernst genommen werden müssen sie sich nicht nur von Gestalten wie Thiesen trennen, sondernauch progammatisch breiter aufstellen als bisher. Wir werden sehen ob die gemeinsame Basis in der Partei dafür ausreicht.

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Seid verschlungen – Mi-lli-on-en…

Bochum kämpft mit allen Mitteln für die Sanierung des Landeshaushaltes. Nun will die Stadt sogar 35 Millionen Euro an Fördermitteln an das Land zurück zahlen.

Weil die Stadt Bochum Nachweise für den Erhalt von Fördermitteln vor Ablauf der Aufbewahrungsfrist vernichtet hat, wird sie wohl 35 Millionen Euro an das Land NRW zurückzahlen müssen. Für Bochum, auch als das Davos des Ruhrgebiets bekannt, kein Problem: Die wohlhabende Stadt wird das Geld wie üblich wohl aus der Portokasse überweisen und somit dem Land helfen, seinen maroden Haushalt zu sanieren. Hier findet Ihr einen Auszug aus dem Bericht des Landesrechnungshofes.    

Das besondere an der Geschichte ist die Art und Weise mit der Bochum sich verhoben hat. Dokumente wurden vernichtet. Dazu wurden Millionensummen in nicht zuwendungsfähige Projekte gestopft. Mieten wurde einfach so eingesackt, ohne sie anzugeben. Die Vorgänge sind unglaublich, man gewinnt den Eindruck, da stinkt etwas richtig mies. Die Behördenchefin, Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD), steckt jedenfalls nach der Cross-Border-Pleite, die sie selbst verantwortet hat, im nächsten Großskandal.

Wer auf das Bild klickt, erhält den Auszug aus dem Bericht des Landesrechungshofes als pdf zum Skandal.