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Toleranz ist der Kern einer freien Gesellschaft. Nicht Beliebigkeit. Toleranz. In Frankfurt wird in wenigenTagen der hessische Kulturpreis verliehen. Ein Preis sollte an Navid Kermani aus Köln gehen. Doch die hessische Staatskanzlei unter Roland Koch (CDU) hat nun den Preis aberkannt. Es gab einen Eklat.
Man könnte jetzt einmal über die Taktlosigkeit sprechen, jemanden einen Preis zu verleihen und dann wieder abzuerkennen. CDU-Bundestagspräsident Norbert Lammert hält das für eine Posse.
Man könnte über die Methode sprechen, wie das geschah. Kermani wurde nicht von Kochs Behörde informiert, dass ihm der Preis aberkannt worden ist. Er erfuhr es von einem Reporter, der ihn um eine Stellungnahme zu dem peinlichen Fall bat.
Man könnte auch drüber sprechen, wie die Koch Behörde später log, als sie sagte, Kermani sei sehr wohl informiert worden und der Autor erzähle Quatsch. Das Vorgehen der Kochianer erinnert an die butalstmögliche Aufklärung. Aber egal.
Ich will über den Hintergrund reden: Kermani wurde der Preis aberkannt, weil sich zwei seiner drei Mitpreisträger beschwerten, sie wollten nicht zusammen mit dem Muslim ausgezeichnet werden. Der katholischen Kardinal Karl Lehmann und der ehemalige evangelische EKHN-Kirchenpräsident Peter Steinacker sagten, sie würden die Annahme des Preises ablehnen, weil Kermani sich in einem Artikel über die Götzenabetung des Kreuzes ausgelassen hätte.
Der Vizepräsidenten des Zentralrates der Juden, Salomon Korn, ist der dritte Preisträger. Er hat nichts gegen Kermani. Und störte sich nicht weiter an dem Bildersturm.
Das Verhalten der beiden Christen ist in meinen Augen nicht nachvollziehbar. Zunächst geht es um Toleranz.
Deswegen wurden Vertreter von allen drei Religionen ausgezeichnet.
Zur Toleranz gehört es, Verständnis von der eigenen Religion zu haben, die anderen Religionen in ihren Eigenarten zu akzeptieren und die Unterschiede zu begreifen.
Der Streit um die Bilderverehrung ist uralt. So alt wie das Christentum, das Judentum und der Islam.
In allen Religionen ist oder war die Verehrung von Götzen, also bildlichen Darstellungen zumindest zeitweise verboten.
Heute lehnen das Judentum und die Muslime die Anbetung von Bildern ab.
Nur das Christentum erlaubt die Preisung von Materie, die Anbetung von Kreuz, Jesus am Kreuz und Heiligenbildern. Manche Bilder gelten sogar im Christentum als Wundertätig.
Kermani hat nun die Anbetung des Kreuzes in einem Artikel für die Neue Zürcher Zeitung als Götzenanbetung beschrieben und abgelehnt – in drastischen Worten. Das ist die klassische islamische Position. Gleichzeitig hört der Artikel nicht an diesem Punkt auf, stattdessen entwickelte der Kölner Autor in dem Artikel Verständnis für den Götzendienst. Die Kraft der Jesusdarstellung könne sogar einen Menschen zum Glaubensübertritt bekehren.
Und er spricht Wahrheiten aus. Nämlich dass die Jesusdarstellungen gerade in ihrer Barocken Form zum Pornografischen neigen.
Das ist ein Fakt. Er schreibt, dass er die Vergötterung des Schmerzen ablehne, gerade weil er das von der islamischen Schia kenne. Dass er dies barbarisch finde, als undank gegenüber der Schöpfung, als körperfeindlich.
Dies sagt er nicht aus fehlendem Respekt gegenüber den Kreuzanbetern, sondern als Anerkennung der Unterschiede zwischen Islam, Judentum und Christentum.
Kardinal Lehmann und der Protestant Steinacker lehnen diese Äußerungen ab. Und wollen nicht mit einem Menschen, der diese Gedanken hat, auf einem Podium stehen. Weil sie sich in ihrem Glaubenskern beleidigt fühlen.
Wer ist hier intolerant?
Ich denke nicht Kermani, der die Unterschiede zwischen den Religionen in einer sehr eingängigen Sprache beschreibt.
Ich denke Lehmann und Steinacker sind intolerant. Sie müssen lernen, dass es Unterschiede zwischen den Religionen gibt. Und dass nicht alle das Anbeten von zwei Latten samt Folteropfer toll finden.
Zunächst sollten Lehmann und Steinacker in der Geschichte der Kirche sehen, dass die Anbetung von Bildnissen nicht immer gut geheißen wurde. Im Konzil von Hiereia wurden Bilderanbeter aus der Kirche geschmissen. Erst das Konzil von Nicäa erlaubte schließlich zumindest die Verehrung von Bildern, wenn auch nicht die Anbetung von Kreuzen. Damit nicht genug. Etliche christliche Kaiser versuchten auch danach diesen Dienst am Bild auszurotten. Selbst die Protestenaten versuchten sich noch im Bildersturm.
Aber OK, das ist Geschichte und wir haben heute das Folteropfer am Kreuz im Herzen unserer Kirchen.
Ich denke, Lehmann und Steinacker sollten einsehen, dass es bei der Betrachtung der Kreuzanbetung zwei Sichtweisen gibt.
Einmal die äußere. Die nicht christliche. Und da sehen halt Betrachter in den Kirchen Menschen, die einen Balkensepp anbeten und glauben durch Zauberei gewonnenes zu Gott gehörendes Menschenfleich und –blut zu konsumieren. Das ist ein Fakt. Das kann der Betrachter ablehnen als Götzendienst. Diese Position dürfte nachvollziehbar sein.
Daneben gibt es die innere Sicht, die christliche. Und hier fühlen sich Menschen heimisch und aufgehoben bei Gott, in dessen tiefste Geheimnisse sie im Anbetracht des Leidenden aufgenommen werden. Auch dies ist ein Fakt, aber ein gefühlter, innerer. Niemand kann erwarten, dass diese Nummer nachvollzogen wird. Ein Gläubiger kann nur Respekt erwarten. Mehr nicht.
Kermani hat beides gemacht. Er hat die Äußerlichkeiten wahrgenommen und die innere Sicht respektiert.
Ich glaube nicht, dass man dem Denker Kermani einen Vorwurf machen kann.
Erst durch den Glauben selbst werden aus den harten Fakten der Wirklichkeit die Fakten der Religion. Wird aus ein Lattenkreuz samt halbnacktem Folter-Ken ein Göttliches Wesen, dass als Lamm die Sünden der Welt auf sich nimmt.
Diese Wahrheiten müssen auch Lehmann und Steinacker akzeptieren, wenn sie die anderen Religionen respektieren wollen.