Das Elend der öffentlichen Verwaltung

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Die Wirtschaftswundergeneration der BRD glaubte noch an die Leistungsgesellschaft. Leistung sollte sich lohnen, Wahlparolen wurden danach ausgerichtet. Wer arbeiten will, findet auch was, glaubte man. Deutschland wurde gar als „Modell“ bezeichnet, von der SPD im Wahlkampf 1976. Man glaubte, dass es, mit Rückschlägen durch einzelne Konjunkturkrisen zwar, die professoral und väterlich durch Karl Schiller und Helmut Schmidt tagesschaugerecht analysiert wurden, jetzt stetig aufwärts gehen würde. Den Kindern sollte es einmal besser gehen. Das war die soziale Marktwirtschaft in Reinform, die Attac-Mitglied Heiner Geißler heute rhetorisch verteidigt und gerne wiederhaben möchte.

Es ist anders gekommen. Viele Kinder haben interessantere Jobs als die Eltern, sie stehen nicht am Band, Hochofen oder im Stollen, sondern haben Abitur oder Studienabschluss und entfalten ihre Kreativität am PC. Allerdings: sie kommen die Eltern nur selten besuchen, haben eine Scheidung hinter sich, und vor allem wissen sie nicht, ob sie ihren guten Job auch nächstes Jahr noch behalten. Sie kämpfen mit psychosomatischen Erkrankungen, depressiven Phasen, erzählen den Eltern nichts davon, damit die sich nicht sorgen, aber die sind ja nicht blöd: je weniger geredet wird, umso mehr besteht Anlass zur Sorge.

Die Eltern haben Schwein gehabt. Sie sind aus ihren alten Industriejobs in Stahl- und Bergbauindustrie frühverrentet worden, mit Renten so hoch, wie sie nie wieder sein werden. Sie sind noch rüstig und haben jetzt viel Zeit, sich mit der Welt zu beschäftigen. Etliche gehören jetzt zu den StammwählerInnen der Linkspartei, manche sind sogar bei ihr Mitglied geworden und gehen den erfahrenen Funktionären, die nur wenig Zeit haben, dort jetzt gehörig auf die Nerven. Die jahrzehntelange Lebenserfahrung im Kapitalismus, die sie gesammelt haben, drängt nach Mitteilung, gerade jetzt.

In den 70er Jahren hätte man es nicht für möglich gehalten, dass der Vater mal freiwillig den 1000-Seiten-Wälzer „Schock-Strategie“ von Naomi Klein lesen würde. Naomi Klein ist durch den Bestseller-Erfolg ihres ersten Buchens „No Logo!“ so reich geworden, dass sie davon eine Recherche- und Schreibfirma aufgebaut hat, deren Produkt „Schock-Strategie“ ist. Kernthese des Buches: eine ideologisch von der Chicagoer Monetaristen-Schule Milton Friedmans ausgebildete Kamarilla von Beratern und Lobbyisten legt es überall auf dem Globus darauf an, über bewusst hervorgerufene Krisensituationen putschartig riesige Privatisierungsschübe und Umverteilungsprozesse von öffentlichen in private Kassen, von unten nach oben durchzusetzen. Sie waren und sind überall: in Chile 1973, im Thatcher-England, in Deutschland, Osteuropa, im Russland Jelzins, im China nach Mao, in Südafrika zwangen sie die ANC-Regierung in die Knie. Bei allen Finanzkrisen und fast allen Putschen hatten und haben sie ihre Finger im Spiel. Wer sich das Geschehen der letzten Wochen mit offenen Augen angesehen hat: wer wollte noch leugnen, dass Klein nicht nur rückblickend sondern leider noch mehr prophetisch Recht hat? Bevölkerungsmehrheiten in den USA wie hierzulande dürften ihr heute zustimmen. Wie sonst ist der Drang zur deutschen Bahnprivatisierung, gegen die 70% der Bevölkerung sind, zu erklären? Wie staatliche Milliardenbürgschaften für marode Banken und Konzerne? Und ein Billionen-Dollar-Schirm von US-Präsident Obama reicht „der Börse“ immer noch nicht aus?

Doch wo ist das Rettende? Denn das jämmerlichste Bild gaben in all diesen Prozessen oftmals demokratisch gewählte Parlamente und Regierungen ab. Was wäre durch Verstaatlichung gewonnen, wenn die Verfügungsmacht in die Hände dieser Gestalten gelegt würde? Beweisen die doch permanent, dass sie sich nicht für die Meinung ihrer Wähler interessieren, sondern eine wolkige Verantwortung heranziehen, der sie nachkommen müssen. Diese Verantwortung lassen sie sich von ihnen intellektuell überlegenen hochbezahlten Lobbywissenschaftlern erklären und anschliessend drücken ihnen entschieden nervenstärkere Konzern- und Bankvorstände die Pistole auf die Brust: Milliarden jetzt, oder „alles bricht zusammen“. Da kann man sich nicht lange mit Diskussionen mit dem Volk aufhalten.

Es ist dies eine Geschichte des Elends der öffentlichen Verantwortung und Kontrolle. Die politische Klasse ist nicht mit Personen bevölkert, die das ausüben können. Sie wurden systematisch dazu ausgebildet, solchen riskanten Aufgaben auszuweichen. Leistungsstarke Menschen, die mitten im Berufsleben stehen und in der Regel gleichzeitig eine Familie mit Kindern und pflegebedürftigen Eltern managen müssen, wählen zwar mit Riesenmehrheit Rot-rot-grün, haben aber keine Lust und noch weniger Zeit, selbst in der Politik mitzuwirken. Dafür ist ihnen das Niveau in Ortsvereinen und Ratsfraktionen zu niedrig, zeitverschwenderisch und intrigant. Dort sitzt ein Bevölkerungsausschnitt der, freiwillig oder gezwungenermassen, Zeit hat. Alt-68er im Ruhestand, Eltern, deren Kinder aus dem Haus sind, und prekär oder gar nicht Beschäftigte, die auf die kargen Sitzungsgelder angewiesen sind. Das ist die Basis, aus der heutige politische Elite ausgewählt wird. Helmut Kohl und Joschka Fischer sind prominente Beispiele, die Mehrzahl jedoch bildet heute eine gesellschaftliche Negativauslese. Sie sind eine getreue soziale Abbildung der Entwertung demokratischer Willensbildung durch den Neoliberalismus der letzten Jahrzehnte. Das subjektive Bewusstsein dieser durchaus gutwilligen und engagierten Menschen besteht aus Minderwertigkeitskomplexen, schliesslich ist PolitikerIn einer der niedrigst geachteten Berufe in unserer Gesellschaft, der ängstlichen Wahrnehmung und Witterung von Krisen und Risiken, und dem Versuch, ihnen stets rechtzeitig aus dem Weg zu gehen. Verantwortung wird auf vermeintlich schuldige KonkurrentInnen, gerne solche in der eigenen Partei, abgeschoben . (s. Freitag 06/2007 „Opfer der Verhältnisse“).

Wenn es solche Menschen nun demokratisch in den Aufsichtsrat der Stadtwerke, der Stadtsparkasse oder gar der Landesbank verschlägt, was will man dort von ihnen erwarten? Man sollte meinen, dass sie sich dort um die Förderung des Mittelstandes und der arbeitsplatzintensiven kleinen Unternehmen in ihrer Region kümmern. Oder um ökologische und verbraucherfreundliche Energieerzeugung. Schön wärs. Weisgemacht wird ihnen, dass wir Globalisierung haben. Dass wir im Wettbewerb stehen. Dass wir uns neu aufstellen müssen. Dass wir konkurrenzfähig bleiben müssen. Dass wir dafür mehr Rendite brauchen. Dass wir Bündnisse schliessen müssen mit Großbanken und Energiekonzernen. Sonst werden wir geschluckt und sind tot und haben nichts mehr zu sagen. Wenn es rundherum von Drachen und Schlangen nur so wimmelt, wie soll sich der Politiker im Aufsichtsrat ohne jegliche alternative Expertise dann verhalten? Er verhält sich wie das Kaninchen: nicht bewegen, Augen und Ohren zuhalten, von nichts wissen und sich also nicht den Schlaf rauben lassen, Aufwandsentschädigung nachhause nehmen, solange es noch geht, und wenn was schief geht schnell eine/n Schuldige/n finden.

Wenn dereinst mal die Milliardenkrisen fast aller deutscher Landesbanken untersucht werden, wird man immer wieder auf dieses Muster stossen. Selten wagt es mal ein Mitglied eines Verwaltungsrates nachzufragen oder seriöse Krisenbewältigungsstrategien zu verlangen. Ganz offensichtlich wurde in keinem dieser Gremien jemals eine Diskussion über Risikomanagement, das es in jeder Bank geben muss, geführt. Die Mehrheit in den Aufsichtsgremien pflegt über solches Sitzung-in-die-Länge-Ziehen die Augen zu verdrehen. Es kommt durchaus vor, dass mal ein professionelles Vorstandsmitglied den Teppich hochhebt, um alte Netzwerke und ihre Vorteilsnehmerei zu untersuchen und für die Zukunft auszuschliessen. Schliesslich steht man doch angeblich im Globalisierungswettbewerb und muss die Effizienz des Unternehmens steigern. Doch dann muss derjenige schnellstens zum doppelten Gehalt an eine andere Stelle gelobt werden, ganz so, wie man es mit übereifrigen sizilianischen Staatsanwälten zu machen pflegt, denen man ein besseres Leben in Rom oder Mailand anbietet.

Stellen wir uns nur mal theoretisch eine absolute Mehrheit der Linkspartei vor: Banken und Energiekonzerne sollen vergesellschaftet werden, aber wer soll diese Unternehmen dann führen? Wo soll das Personal herkommen, das so viel gesellschaftliche Verantwortung auch tragen kann? Mit dem heutigen System ist es nicht zu finden. Verwaltungsrat einer Landesbank, noch nicht einmal einer Stadtsparkasse, ist heute kein Nebenjob mehr, für den zwei Stunden Sitzung im Monat und ein wenig Lektüre der Lokalzeitung ausreichen. Parlamentsmitgliedern, die ihre Aufgabe ernst nehmen, fehlt selbst beim besten Willen die Zeit, eine solche Aufgabe qualifiziert wahrzunehmen. Sie nehmen sie trotzdem gerne an, weil es sie in der politischen Rangordnung aufsteigen lässt. Das ist gut für sie selbst, aber nicht für öffentliche Kontrolle. Selbst Oskar Lafontaine hat nach eigener Aussage bei einer Sitzung des KfW-Verwaltungsrates gefehlt, weil er in Bayern wahlkämpfen musste, eine Aufgabe, die ihn kaum überrascht haben kann. Und was sagt es uns, wenn ein Fraktionsvorsitzender in einer westdeutschen Großstadt lieber Chef der Stadtwerke als demokratisch gewählter Oberbürgermeister werden will? Zu Recht erhofft er sich dort mehr Geld und Macht. Die Demokratie ist gegenüber der ökonomischen Macht auf allen Ebenen in Nischen verbannt.

Parlamente sollten die Unternehmens-Vorstände und -KontrolleurInnen – ja, die Frauen nicht vergessen, hier wäre die Quotierung wohl besonders dringlich! – zwar wählen, aber keinesfalls aus ihrer Mitte. Parteipolitische Abhängigkeit senken, dafür mehr berufliche und/oder wissenschaftliche Qualifikation, intellektuelle und materielle Unabhängigkeit, das täte dem öffentlichen Eigentum, wie es Landesbanken, Stadtsparkassen, Energieunternehmen und Rundfunkanstalten darstellen, gut. Von den heutigen Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitspflichten müssten Aufsichtspersonen solcher öffentlicher Unternehmen befreit werden. Angelegenheiten öffentlicher Unternehmen müssen auch öffentlich erörtert werden dürfen. Die Verbindungen zum Volk müssen verbessert werden: Transparenz- und Berichtspflicht gegenüber der Öffentlichkeit, weniger Geheimhaltung, mehr Zugänglichkeit, vielleicht auch die Urwahl einiger Gremienmitglieder. Türen auf, mehr Luft rein! Es ist dringend! Eine Aufwertung von Politik wird nur gelingen, wenn inhaltliche und personelle Entscheidungen einer öffentlichen Willensbildung wieder zugänglich gemacht werden.

Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

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Großmann kommt nicht

Foto: RWE

Der Chef des RWE, Jürgen Großmann, hat seine Teilnahme an einer Betriebsversammlung des RWE am Standort Dortmund abgesagt. Eigentlich hatten die Betriebsräte der Vertriebs- und Handelssparte des RWE damit gerechnet, dass Großmann auf der Veranstaltung in der Dortmunder Westfalenhalle am 5. März seine Ideen von der neuen RWE Deutschland AG präsentiert. Zumindest hatte Großmann zugesagt zu kommen. Die Nummer wurde auf kleiner Flamme gekocht, es hieß offiziell lediglich, man wolle sich "gegenseitig Kennenlernen". Nun ja, mit Großmanns Absage fällt die Veranstaltung nun insgesamt flach, heißt es in einer Mitteilung des RWE-Energy-Betriebsrates.  Als Grund für seine Absage gab Großmann an, dass über die RWE Deutschland AG in der Presse und in Berichten wie diesem hier klack geschrieben wurde.

Und weiter steht da im Namen der Betriebsräte: "Unabhängig gehen wir davon aus, dass im Anschluss an die Aufsichtsratssitzungen der RWE AG, der RWE Energy AG, der RWE Rhein-Ruhr AG und der RWE Westfalen-Weser-Ems AG (alle Ende Februar) weitere Informationen zum Konzernumbau und ähnlichen wichtigen Themen veröffentlicht werden."

Wie immer freue ich mich über weiterführende Infos, gerne unter david.schraven@ruhrbarone.de

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Formen als Herausarbeiten – Pia Bohrs Skulpturen in Essen

Ein Gespräch am Rande der Vernissage von "Kraft und Anmut – Neue Holzskulpturen von Pia Bohr" im Essener Hotel Margarethenhöhe. Passend zum Namen ihrer Website, piacensored.com, nahezu ungekürzt und fast wie gesprochen.

Ruhrbarone ?: In der Vorstellung gerade wurde Hans Arp und seine Initialzündung für Deine Beschäftigung mit verschiedenen Holzarten angesprochen. Aber er hat doch eher mit Kupfer, anderen Metallen und sogar Papier gearbeitet…

Pia Bohr !:
Es geht nicht um das Material dabei, sondern um die Glätte, die Harmonie, die Rundungen. Und darum wie fasziniert ich war, dass das ein Mann gemacht hat, wo Männer ja vom Klischee her eher grob mit Objekt und Werkzeugen umgehen.

?: Du entwickelst die Skulpturen dagegen schon an den Maserungen, den Gegebenheiten des Holzes allgemein, entlang…

!: Das Holz zeigt mir den Weg, ja. Es ist ein ständiges Kommunizieren auf eine Art. Bei manchen Hölzern stoße ich auf Unregelmäßigkeiten, und manchmal begegnen mir auf dem Weg ins Innere auch ganze Termitenfamilien. Dann ist darin halt eine Rinne, mit der dann gearbeitet wird. Ich schimpfe dann hin und wieder, aber wenn ich angefangen habe, dann wird das auch beendet.

?: Es kommt dann ja immer etwas sehr Aesthetisches dabei heraus. Ist es leicht festzustellen, wann etwas fertig ist?

!: Das Schleifen allein dauert sehr lange, und da ist dann immer der Gedanke, dass hier und da noch etwas verfeinert werden sollte. Aber dann kommt ja immer noch die Ölung – obwohl manche Hölzer das gar nicht bräuchten – und damit leben die Skulpturen dann für mich.

?: Und die dürfen oder sollen ja dann sogar angefasst werden, wie es gerade in der Begrüßungsrede hieß. Auch eher untypisch für den normalen Kunstbetrieb. Es ist doch sicher auch spannend zu sehen, wie die Gäste dann reagieren…

!: Ich komme ja nun nicht von der Akademie oder so, sondern bin wie in der Musik auch Autodidaktin. Schön ist es wenn, wie gerade, direkt ein Mann sagt, wie schön sich das anfühlt. Aber es gibt auch andere Reaktionen. So kann ich in Dortmund zum Beispiel teilweise nicht ausstellen, ohne Mitglied in einer Vereinigung zu sein. Oder manche sagen, meine Arbeit sei sexistisch. Dabei habe ich das doch gemacht!

?: Ich kann mir schon vorstellen, dass da so old school Feministinnen kommen und von Reduktion auf Geschlechtsmerkmale erzählen.

!: Die sollen mal gerne kommen! Die habe ich besonders gerne!

?: Dabei stehen die Skulpturen ja ziemlich deutlich für sich und brauchen gar nicht viel Erklärungen…

!: Ich kann ja verstehen, dass bei einem Beuys oder so jemandem eine Einführung in das Werk nötig ist, aber so ist das bei mir nicht.

?: (zu sich:) Der Kunstmarkt funktioniert halt gerne so: Vereine, Professuren, Kuratorenjobs, Sekundärliteratur…
Zum Titel: "Kraft und Anmut" ist ja eben nicht gerade ein Gegensatzpaar hier. Obwohl Kraft gerade in einer Regionalkultur Ruhrgebiet immer noch vor allem mit Muskeln und Schweiß gleichgesetzt wird….

!: Kraft und Anmut haben vor allem die Skulpturen selbst, damit ist gar nicht mal das Arbeiten daran gemeint, obwohl ich zunächst ja auch mit groben Werkzeugen arbeite. Manche verstehen meine Arbeit und gerade was ich daran liebe halt überhaupt nicht. Wobei viele Männer grundsätzlich Probleme mit Weiblichkeit in der Kunst haben, viele gar nicht und viele ja.

Die Ausstellung im Hotel Margarethenhöhe ist noch bis zum 29. März zu sehen.
Phillip Boa & the Voodooclub sind mit dem neuem Album "Diamonds Fall" ab Ende Februar auf Tour und u.a. am 10. März in der Bochumer Matrix.

Obamas Sparkasse muss nach Köln

Foto: Sparkasse

Kommt der Kommunismus jetzt aus Amerika? Präsident Obama will die Vorstandsgehälter für Banken, die unter den staatlichen „Schutzschirm“ wollen, auf 500.000 Dollar begrenzen. Das sind umgerechnet derzeit weniger als 400.000 Euro! Sind westdeutsche Jusos nicht in den 70er und 80er Jahren für solch radikale Forderungen aus der SPD ausgeschlossen und der moskaugesteuerten DKP quasi überwiesen worden?

Wie absurd Obamas Vorstellung ist, übertrüge man sie auf die blühende deutsche Finanzbranche, können wir am Beispiel der Stadtsparkasse KölnBonn, eine der größten bundesweit, verdeutlichen. Sie gab in diesen Tagen, zufällig 3 Wochen nach der Verjährung damit zusammenhängender möglicher Straftatbestände, die Existenz einiger Beraterverträge zu. Der begnadete Netzwerker Rolf Bietmann, ehemals Verwaltungsratsvorsitzender dieser Stadtsparkasse, ehemals CDU-MdB und bis zu seinem Rücktritt vor wenigen Tagen auch erneuter CDU-Bundestagskandidat, erhielt z.B. von dieser wichtigen öffentlichen Bank ein Honorar von 900.000 Euro für seine Beratungsleistungen. Zwar fehlen dafür Belege, aber die Leistungen sollen doch sehr erheblich gewesen sein, denn Bietmann war und ist in Köln ein wichtiger Mann. Nach Obamas Maßstäben wäre eine solche wichtige Geschäftsverbindung gar nicht mehr möglich gewesen. In weiser Voraussicht wurde ein ähnlicher Beratungsvertrag mit dem ehemaligen Briefträger, ehemaligen CDU-Fraktionsgeschäftsführer und – seit Sonntag auch ehemaligen – Bürgermeister Jupp Müller zur Stadtsparkasse Düsseldorf ausgelagert (aber von Köln bezahlt), und ja, der wurde auch nur in D-Mark abgeschlossen. Müller soll, so wurde böswillig kolportiert, ein Problem mit einer „Rentenlücke“ gehabt haben – wer von uns kennt das nicht? Da wurde ihm geholfen. Sein bester Freund, Kölns Oberbürgermeister Schramma (auch CDU, auch langjähriges Sparkassenverwaltungsratsmitglied), versichert, dass Jupp mit ihm da nie drüber gesprochen habe.

Die CDU ist zur Recht empört darüber, dass alles nun so aussehe, als sei es eine CDU-Affäre. Denn angebahnt, so meint es nicht nur die CDU, hatte diese Beraterverträge der ehemalige Sparkassenvorstandsvorsitzende Gustav-Adolf Schröder (SPD), bis vor kurzem Vorstandsmitglied der RAG-Stiftung (das ist die, die die „Ewigkeitskosten“ des deutschen Steinkohlebergbaus absichert). Herr Schröder ließ durch seinen Anwalt mitteilen, von Untreue könne keine Rede sein, weil alle Verträge mit dem Sparkassenvorstand abgestimmt gewesen seien. Viele Verwaltungsratsmitglieder können sich dagegen nicht daran erinnern, jemals etwas davon erfahren zu haben. Es soll außerdem noch viel mehr solcher Beratungsverträge geben. Schröder selbst wiederum liess sich im Jahre 2000 vom Verwaltungsrat genehmigen, einer „Nebentätigkeit“ nachzugehen. Dem Verwaltungsrat reichte es damals aus, dass er diese Nebentätigkeit nur gegenüber dem Vorsitzenden näher beschrieb. Der Vorsitzende damals: Bietmann. Die Tätigkeit sollte im „Anlageausschuss“ des OppenheimEschFond stattfinden, also dem privaten Immobilienfond, den die Stadtsparkasse bei mehreren Großprojekten von unternehmerischen Risiken freigehalten hat – Risiken die sich mittlerweile auf einen dreistelligen Millionenbetrag summiert haben. Schröder lässt beteuern, dass er diese Nebentätigkeit allerdings gar nicht ausgeübt habe. Entscheidungen für die Beraterverträge habe er mit allen zuständigen Gremien abgestimmt, überhaupt habe er immer nur den Interessen der Stadt Köln gedient, was so viel bedeuten kann, wie: liebe MitwisserInnen, ich kann auch viel über Euch erzählen! Immerhin: sein Vorstandsmandat bei der RAG-Stiftung lässt Schröder jetzt seit kurzem ruhen; ob er es jemals wieder ausüben wird, wird bezweifelt. Fortsetzung folgt sicherlich.

Gut, dass die Stadtsparkasse KölnBonn unter keinen Rettungsschirm muss, weder bei Obama noch bei Merkel. Sonst würde sie all diese intelligenten und effizienten Köpfe verlieren, und wäre dem harten globalen Wettbewerb in der Finanzwirtschaft geradezu hilf- und kompetenzlos ausgeliefert. Die bekannt vermögenden und in Steuereinnahmen förmlich schwimmenden Kommunen Köln und Bonn haben selbst gerade 350 Mio. (Mio., nicht Mrd.!) € nachgeschossen, und zwar ausdrücklich nicht, weil es ihrer Stadtsparkasse schlecht ginge – das zu behaupten, wäre geschäftsschädigend – sondern, um das Kreditgeschäft auszuweiten. Bedrohte Unternehmer, klamme Häuslebauer, und politisch verfolgte Berater in Deutschland, Europa und Amerika, kommt ins Rheinland! Hier ist die Welt noch in Ordnung!

Was meinen Sie? Ist der Filz im Ruhrgebiet weniger schlimm als in Köln? Genauso schlimm? Oder schlimmer? Woran sieht man das?

Chef der Monopolkommission will Ebay beobachten

Foto: Monopolkommission

Justus Haucap, 39, ist Professor für Wirtschaftswissenchaften an der Uni Erlangen. Aber wichtiger noch, er ist Vorsitzender der deutschen Monopolkommission. Er wacht unabhängig von der Regierung darüber, ob sich in Deutschland Kartelle bilden, die den Wettbewerb gefährden, oder ob einzelne Firmen Monopolartige Strukturen ausbilden und ausnutzen. Im Gespräch mit den Ruhrbaronen glaubt Haucap nicht an eine Gefahr für das Internet durch Google. Überraschend stellt er aber fest, dass der Online-Marktplatz Ebay "beobachtet werden sollte". Es stehe zu befürchten, dass der Dienst seine einzigartige Stellung im Privathandel zu Lasten der Bürger missbrauche. Harte Worte eines Wissenschaftlers, der sich der Verteidigung des freien Marktes verschrieben hat. Justus Haucap wohnt mit seiner Frau und zwei Kindern in Berlin, er hat in Bochum gelehrt und unterhält enge Beziehungen zur Uni in Düsseldorf.

Ruhrbarone ?: Sie sind Blogger auf Carta.

Justus Haucap !: Ja, ab und zu, wenn es die Zeit erlaubt.

?: Wie kam es, dass Sie als Wissenschaftler in einem Blog schreiben.

!: Mir kam das Angebot dort mitzumachen, seriös vor. Es geht um hohe Qualität. Zudem ist es schön, mal etwas lockerer zu schreiben, als man es in der Wissenschaft gewohnt ist.

?: Glauben Sie, das Internet hat bereits Bedeutung für die Meinungsbildung in Deutschland?

!: Ich denke, bei den Menschen unter 40 ist das Internet sehr wichtig. Portale wie Spiegel Online haben eine große Meinungsmacht. Immer mehr Leute informieren sich über economist.com oder tagesschau.de. Immer weniger greifen allein auf traditionelle Medien zurück, um sich eine Meinung zu bilden. Ich finde das sehr spannend. Natürlich hat das Vor- und Nachteile. Die Qualität muss ja irgendwie sichergestellt werden. Oft genug gelingt das nicht. Es gibt ziemlich viel Schrott da draußen im Internet – wenn auch manchmal ziemlich unterhaltsamen. Wobei, es gibt ja auch in Printmedien ziemlich viel Schrott. Ich weiß nicht, ob es tatsächlich durch das Internet schlimmer wird.

?: Was gefällt ihnen?

!: Ich kann mich über alles informieren. Ohne Probleme. Wenn eine Kuh in Quakenbrück entlaufen ist, kann ich das lesen. Das ist gut. Ich stamme aus Quakenbrück. Außerdem ist das Internet schneller und vielfältiger als andere Medien, und jeder kann im Prinzip mitmachen.

?: Wie sind die Resonanzen auf ihre Blogbeiträge.

!: Ich bekomme Kommentare und Emails auf meine Beiträge. Das passiert auch, wenn ich in Printmedien schreibe. Allerdings habe ich den Eindruck, dass es im Internet manchmal direkter zugeht – aber auch unhöflicher und teilweise weniger durchdacht.

?: Wie schätzen Sie die Vormachtstellung von Google unter den Suchmaschinen ein? Droht ein gefährliches Monopol?

!: Natürlich suchen sehr viele Leute über Google im Internet nach Inhalten. Und Google nimmt eine Gatekeeper-Funktion war, die auch wirtschaftlich ausgenutzt wird. Etwa indem Google Suchergebnisse nach kommerziellen Gesichtpunkten listet. Wer bezahlt, bekommt einen besseren Platz. Aber wie lange kann diese Macht existieren? Wenn die Leute mit Google unzufrieden werden, kann sich die Position der Suchmaschine schnell ändern. Das Schöne ist doch, dass sich im Internet sehr viele Menschen einbringen, die zunächst keine finanziellen Interessen haben und kostenlos Programme bereitstellen. So entsteht ein großer Konkurrenzdruck auf die etablierten Marken. Ich bin gespannt, wer in 20 Jahren die dominierende Suchmaschine anbietet.

?: Google?

!: Ich glaube nicht. Yahoo ist doch noch gar nicht so lange her. Benutzen Sie Yahoo? Denken wir nur an Altavista oder AOL. Bislang wurden Suchmaschinen oder auch Portale als Gatekeeper immer schnell voneinander abgelöst. Jetzt im Augenblick ist Google sehr stark. Ob das so bleibt, ist offen.

?: Glauben Sie an politischen Einfluss der Suchmaschine?

!: Ich kann nicht erkennen, dass Google aus politischen Gründen Suchergebnisse manipuliert. Da ist ein Fernsehsender wie der Fox-News Channel in den USA doch sehr viel politischer. Entscheidender sind generell im Internet hierzulande die wirtschaftlichen Fragen.

?: Haben Sie etwas Spezielles im Sinn?

!: Ich beschäftige mich seit einiger Zeit mit dem Erfolg von Ebay. In wieweit hat die Online-Börse einen Monopolcharakter und nutzt ihre Stellung in Deutschland und anderen Ländern aus? Ich glaube im professionellen Bereich ist der Konkurrenzdruck stark genug. Da muss Ebay immer neue Anbieter fürchten. Dann gibt es auch noch Wettbewerber aus dem klassischen Einzelhandel. Die Leute können sich schließlich bei Saturn mit Elektrogeräten eindecken. Schwieriger wird es aber mit dem privaten peer-to-peer Handel. Hier ist die Position von Ebay sehr stark. Wenn ich privat einen Kindersitz fürs Auto verkaufen will, kann ich auf den nächsten Flohmarkt warten, oder aber den Sitz bei Ebay einstellen. Viele andere vernünftige Alternativen habe ich nicht. Zudem könnte man vermuten, dass Ebay seine starke Marktstellung ausnutzt. Erst vor Kurzem hat die Online-Börse ihre Preise für den Privathandel erhöht. Das sollte man beobachten.

?: Sehen Sie andere Gefahren für das Internet? Etwa wenn wenige Anbieter den Zugang kontrollieren?

!: Das Thema Net-Neutrality ist in den USA sehr stark. Dort wird über Gesetze diskutiert, wie man den neutralen, gleichberechtigten Zugang zum Internet garantieren kann. Alle Inhalte sollen diskriminierungsfrei nebeneinander stehen. Hier in Europa oder Deutschland gibt es die Diskussion eher nicht, oder sie wird nur in sehr kleinen Zirkeln geführt. Ich denke, das ist auf der einen Seite darin begründet, dass wir in Europa eine andere Struktur haben. Unsere entscheidenden Knotenpunkte im Netz werden nicht von großen Einzelfirmen kontrolliert, wie in den USA. Bei uns besitzen diese Knoten Firmen, die Anbieter gleichberechtigt ins Netz lassen. Zudem gibt es im Markt sehr viele Provider, die einen großen Wettbewerb garantieren. Ich kann als Kunde entscheiden, welche Geschwindigkeit ich haben will. DSL oder einen analogen Anschluss. Auf der anderen Seite ist auch inhaltlich fraglich, ob eine Email mit der gleichen Geschwindigkeit verschickt werden muss, die ein Telefonat über das Netz benötigt. Eine Email kann doch auch ruhig drei Sekunden später ankommen oder über eine schlechtere Verbindung verschickt werden, oder? Es gibt schon gute Gründe, warum manche Dienste priorisiert werden. Eine vollkommene Gleichbehandlung aller Dienste ist daher auch gar nicht sinnvoll.

?: Sie glauben also, die Debatte über Netz-Neutralität muss hier nicht geführt werden?

!: Ich sehe da keinen großen Bedarf. Wie sehen Sie das denn?

?: Irgendwie ist die Debatte spannend. Aber die Marktstruktur über AT & T und die Baby-Bells ist in den USA auch sehr viel stärker konzentriert als hier bei uns.

!: Zudem spielt auch das kommerzielle Peering in den USA eine große Rolle. Bei uns gibt es dagegen an manchen Orten fast genossenschaftliche Strukturen, die einen freien Zugang garantieren. Wir haben einfach eine andere Netz-Geschichte und eine andere Entwicklung hinter uns.

3000 sind schon weg

Bei ThyssenKrupp müssen sich die Beschäftigten um ihre Jobs sorgen. Deutlich mehr als eine Milliarde Euro will das Unternehmen sparen. Jeder fünfte Euro soll durch Einschnitte beim Personal geholt werden.

Es wird also ruppig zwischen Konzernführung und Arbeitnehmerschaft. Den Aufschlag machte Vorstandschef Ekkehard Schulz mit seiner Drohung, betriebsbedingte Kündigungen seien nicht ausgeschlossen. Vermeiden will er sie zwar, aber ein Unternehmen dürfe sich diese Option nicht nehmen lassen.

Die Betriebsräte konterten umgehend: Betriebsbedingte Kündigungen seien bis 2013 ausgeschlossen, heißt es. Dies stehe im Tarifvertrag Zukunft. Für einen Stellenabbau über andere Instrumente sind sie durchaus aufgeschlossen.

Was auch sonst, denn alleine in den Monaten Oktober bis Dezember mussten schon 3000 Mitarbeiter gehen. Zynisch klingt es an, wenn Schulz betont, zwei Drittel davon seien Leiharbeiter.

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Foto: Stadt Bottrop

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