Die Wahl der Begriffe lässt auf eine gewisse Adlerperspektive schließen, tatsächlich aber geht es um den Blick aus fahrenden Automobilen auf das Ruhrgebiet: Ein neues Großprojekt im Rahmen von Ruhr.2010 wurde vorgestellt. Aber im Grunde geht es schon lange nicht mehr nur um die Kulturhauptstadt, sondern man legt sich planerisch direkt auf 20 Jahre fest. Ein Bericht aus Düsseldorf.
Denn im Ministerium für Bau und Verkehr stellt man die neuen Pläne an einem Dienstag im Dezember erstmalig vor. Es fehlt: der angekündigte Umweltminister Eckhard Uhlenberg. Dafür betont Prof. Dr. Oliver Scheytt zunächst einmal den einmaligen Charakter des Projektes: Zur Umgestaltung der Flächen neben der A42 arbeiten alle Anrainerkommunen von Duisburg bis Castrop-Rauxel mit RVR, den Kulturhaupstädtern und natürlich den Landesministerien zusammen. Insofern ein symbolischer Ort für die gewünschte Strahlkraft des Projektes, aber auch Zeichen für die Akzentverschiebungen, zu denen Kooperationen und Finanzlage die Ruhr.2010 zwingen. Diesmal ist man halt in Düsseldorf zu Gast, demnächst sicher auch bei dem einen oder anderen Konzern.
Zur Sache: Oliver Wittke als Bauminister erklärt die Idee, Sichtschneisen in die Ödlandschaft aus "Straßenbegleitgrün" und Lärmschutzwänden rechts und links der A42 zu reißen und von dort aus Perspektiven auf Park ähnliche Gebiete und natürlich Kultur- und Industrie(denkmal-)Standorte zu eröffnen. "Fahren als Erlebnis" und "eine Autobahn ist mehr als eine Straße" empfiehlt er der anwesenden Presse mundgerecht als Schlagwörter, verweist auf den Werbeeffekt und auch auf Studien die davon ausgehen, dass eben keine Gefahr für die Autofahrer davon ausgeht, keinen Tunnelblick mehr zu haben. Die Maßnahmen seien sogar gut, um etwaigem Sekundenschlaf entgegen zu wirken.
Oliver Scheytt schlägt mittels der Rede vom "erweiterten Kulturbegriff" und der Anknüpfung an die IBA Emscherpark schnell die Brücke zur Einordnung in’s Große und Ganze: Die sogenannte "Parkautobahn" wird verstanden als Ergänzung zum Umbau des Emschersystems, man mache die Umgebung bewusster und selbst an den "Autobahnohren" werde neuer Raum dem Leben und der Kunst erschlossen, der sonst eher leeren Flaschen gehöre. Nun wird dort ein Mäh2-D2 grasen bzw. entgrasen. "Urbane Kulturlandschaft" als neuer Leitbegriff anstelle der Orientierung an reinen Mobilitätsfragen. (Später gibt Oliver Wittke zu, dass dieser Paradigmenwechsel in seinem Ministerium für einiges an frischem Wind gesorgt hat.)
Kulturelle Wahrnehmung soll gefördert werden, und dies im Rahmen eines auf 20 Jahre Laufzeit festgelegten Masterplans, wie Prof. Dr. Karl-Heiz Petzinka erläutert, Projektleiter der Stadt der Möglichkeiten im Rahmen von 2010. Nach Einbeziehung von Landschaftsplanungsbüros und der Erteilung des Zuschlags für die Gestaltung der "Ohren" an GTL in Düsseldorf und für den "Parkblick" an die Planergruppe Oberhausen mit der Foundation 5+ Kassel sollen Wettbewerbe für einzelne Abschnitte der Strecke zwischen Duisburg und Castrop-Rauxel ausgeschrieben werden. Finanziell möglich wird dies durch Umwidmungen von Geldern zur Lärmschutzrenovierung, aus den Kommunen und vom Land, sowie durch das noch nicht in trockenen Tüchern befindliche Ökologieprogramm Emscher-Lippe. Erste Abschnitte in Bottrop sind bereits realisiert, im Januar sollen weitere Schneisen folgen, im Herbst 2009 werden dann die "Ohren", also Autobahnkreuze, renoviert.
Und die Ökologie? Es geht doch mehr um eine (sinnvolle) andere Darstellung der Region gegenüber den oft nur Durchreisenden als um Gesundheit und Nachhaltigkeit? Anscheinend wird mit Blick auf die Finanzierbarkeit auch der Umweltbegriff ähnlich gedehnt wie der der Kultur. Man betont aber, dass Schneisen und "Schaufenster" nur an entscheidenden Stellen eingerichtet würden und die Lärmbelästigung kaum höher werde. Sogenannte "Parktankstellen" würden am Rande der A42 zudem Informationen zu Kulturstätten der Region anbieten und nicht etwa Benzin verkaufen. Ein wenig klang das so, als seien nach den Kulturtöpfen nun die Ökologietöpfe dran, und die zuständigen Sachbearbeiter übten sich in sanftem Zynismus.
Nachtrag: Hier kann man schon ein wenig in die Zukunft linsen: http://www.parkautobahn.de