Wired-Jubiläum: Es steht 3:3 bei den Scouts des digitalen Zeitalters

Seit 15 Jahren gibt es das Magazin Wired. Kaum eine andere Zeitschrift hat sich so intensiv (und oft auch klug) mit der digitalen Revolution auseinander gesetzt. Auch was das Design von Magazinen betraf, haben die Kalifornier Maßstäbe gesetzt. In einem Brief an seine Kinder hat nun Louis Rossetto, einer der Wired-Mitbegründer, eine erste Bilanz gezogen. 

Mitte der 90er Jahre pilgerte ich Monat für Monat zur Bahnhofsbuchhandlung im Hauptbahnhof Essen um auch ja keine Ausgabe von Wired zu verpassen. OK, Benzin war nach heutigen Maßstäben billig, aber vergnügunssteuerpflichtig war die Fahrt von Gladbeck nach Essen-Mitte nie. Wired vermittelte eine Ahnung der Zukunft des Internets, die ich mir, ausgestattet mit einem 16 Mhz LCII und einem 1200 Baud-Modem zwar sehnlichst wünschte, aber doch nicht wirklich vorstellen konnte. In Wired schrieb Negroponte seine Kolumnen, wurde die Unabhängigkeitserklärung des Internets von John Perry Barlow diskutiert und schaffte es Richard Dawkins auf das Cover – mit vergrößertem Kopf, weil er so schlau ist und ja irgendwo so viel Gehirn hin muß.
Nun hat Louis Rosetto, einer der Wired-Gründer, in einem Brief an seine Kinder Bilanz gezogen. Wired war immer meinungsfreudig und hat gerne Prognosen abgegeben. Rosetto schaut nun nach, welche eingetreten sind und welche nicht. Er kommt zu einem drei zu drei – unentschieden, kein schlechter Wert. Wired lag seiner Meinung nach falsch mit:

– Dem Ende der Geschichte. Das Heft hatte sich hinter Francis  Fukuyamas These gestellt, dass nach dem Ende der Sowjetunion der Siegeszug von Marktwirtschaft und Demokratie nicht mehr aufzuhalten sein würde. Rosetto räumt ein, dass er mit dem Hass des Islamismus nicht gerechnet hat.

– Dem Tod der alten Medien: Zu früh hatte Wired das Ende der Printmedien ausgerufen. Die halten sich allerdings mit großer Zähigkeit.

– Das Ende der Politik: Noch immer ist die Macht in den Händen von Politikern. Die politische Klasse wurde nicht von demokratischen, selbstorganisierenden Netzwerken verdrängt.

Doch es war natürlich nicht alles schlecht:

– Der oftmals belächelte Long Boom ist nach Rosettos Meinung Wirklichkeit geworden:  Die Armut nimmt weltweit ab, immer mehr Menschen können lesen und schreiben und leben in Demokratien.

– Das Internet  hat sich zu dem entwickelt, was Wired "Die eine Maschine" nannte.  Durch die technologische Verbindung ist zwar ein Weltbewußtsein noch nicht geschaffen worden, es ist aber, so Rosetto, auf dem Weg.

– Technologien werden die Beziehungen der Menschen untereinander verändert. Twitter, Facebook  etc. belegen das ja.

Auch für die Zukunft ist Rosetto optimistisch: Er geht davon aus, dass die Menschen in Zukunft weniger egoistisch sein und sich verantwortungsbewußter verhalten werden: Die Milleniumgeneration, so zumindest seine Hoffnung, wird idealistischer sein als deren Eltern und Großeltern. Da schauen wir 2043 noch einmal nach – dann wird Wired 50.

Was wurde eigentlich aus O.Vision?

O.Vision gehörte zu den spektakulärsten Projekten im Ruhrgebiet. Auf gut 60 Hektar sollte in Oberhausen ein Park rund um das Thema Gesundheit entstehen. Von den Träumen der Stadt ist nicht viel übrig geblieben.

Keine Platz für Visionen. Foto: Ruhrbarone

Ein gläserner Mensch in der Mitte, ein Wellness-Hotel und Fraunhofer-Institute mit ihren Showrooms, eingebettet in eine Parklandschaft. Und natürlich Wasser – kleine Seen für die Besucher, die vom nahen CentrO herüberkommen oder,
spektakulärer, mit der Straßenbahn aus Essen kommend im alten Stahlwerk halten sollten.
O.Vison war ein Traum, der Ende dieses Jahres Wirklichkeit werden sollte. Ein Traum, den sich das klamme Oberhausen nicht leisten konnte und der von der Landesregierung Anfang 2006 gestoppt wurde. Doch da war wohl auch den Verantwortlichen in Oberhausen schon klar, dass sich die Vision nie rechnen würde und dass der Versuch, den CentrO-Erfolg aus den 90er Jahren zu wiederholen, längst gescheitert war.

Oberhausens Oberbürgermeister Klaus Wehling gab sich dann auch trotzig optimistisch, als sich im Mai 2006 mit dem irischen Unternehmen Euro Auctions ein Investor für das 60 Hektar große ehemalige Stahlwerksgelände gegenüber dem CentrO gefunden hatte: „Der Verkauf ist ein wichtiges Signal für die Weiterentwicklung der Neuen Mitte Oberhausen, für die Ansiedlung attraktiver Unternehmen und für die Schaffung von dringend benötigten neuen Arbeitsplätzen. Jetzt müssen bald konkrete Pläne und schließlich auch Kräne folgen.“
Bei der Entwicklung und Vermarktung des Grundstücks setzte Wehling auf eine enge Zusammenarbeit zwischen der Stadt und dem neuen, Optimismus versprühenden Eigentümer. Derek Keys, Inhaber der Euro Auctions Immobilien GmbH, erklärte: „Jetzt gilt es, mit ganzer Kraft die verschiedenen Nutzungsoptionen mit Leben zu füllen und anhand eines mit der Stadt gemeinsam entwickelten Masterplans abzuarbeiten.“

In der Folgezeit gab es zahlreiche Gerüchte: Eine Automeile oder ein internationales Mehrmarken-Autohaus
hätten Interesse an der Fläche. Aber mittlerweile gibt es sogar kaum noch Gerüchte.
Nun, nach zwei Jahren, sind die von Wehling so sehnlich gewunschten Kräne tatsächlich auf dem riesigen Gelände zu
sehen – ein Großmarkt fur Gartencenter errichtet auf einem guten Hektar eine Filiale.
Ein Allerweltsbau, der so auf jeder Gewerbefläche in der Nähe einer Autobahnauffahrt entstehen könnte.
Reden will niemand über das Vermarktungsdesaster– weder bei der Oberhausener Wirtschaftsförderung, die erklärt,
es sei nun nicht mehr ihr Gelände, noch beim Eigentümer Euro Auctions Immobilien.
Niemand scheint sich mehr so recht fur die Fläche interessieren. Von der Stadt Oberhausen hört man, ideal wäre ein Interessent mit einem spektakulären Projekt, der gleich einen Großteil der Fläche übernehmen wurde. Aber es gibt keinen Interessenten und schon gar kein spektakuläres Projekt. Es gibt nur eine Brache, auf der sich Busche und Unkraut ausbreiten.
Und wenn man ganz viel Pech hat, finden bald auch noch Mopsfledermäuse und Feldhamster Gefallen an den 60 Hektar.

Der Regionalverband Ruhr und die Krisen-AGR

Diese Geschichte von dem Ende der Ökomedia GmbH kann man von zwei Seiten betrachten. Man kann schreiben, dass sich die Abfallgesellschaft Ruhr (AGR) von unnötigem Ballst befreit und zielgerichtet auf ihr Kerngeschäft konzentriert. Man kann aber auch schreiben, dass in der Krise die Einschläge langsam näher kommen, nah heran ans Haupthaus. Ein Treffer und alles bricht zusammen.

Wie gesagt, es geht um die Firma Ökomedia. Das ist eine hundertprozentige Tochter der AGR. Die Abfallgesellschaft selbst ist wiederrum eine hundertprozentige Tochter des Regionalverbandes Ruhr (RVR). Der Geschäftsführer der Ökomedia heißt Heinz Struszczynski. Das ist der Pressesprecher der AGR. Ein naher Kontakt ist ja manchmal nützlich. In diesem Fall zum Beispiel für Kredite, die die AGR in die Ökomedia gepumpt hat. Nach den Vorliegenden Unterlagen waren das ein paar hunderttausend Euro, die da mit Werbequatsch verbrannt wurden. Aus den vorliegenden Unterlagen geht hervor, dass schon Ende 2006 eine Bilanzielle Überschuldung von 462.000 Euro bei der AGR-Tochter mit Sitz in Essen gegeben war. Eine Pleite konnte damals nur vermieden werden, weil die AGR ihren Anspruch auf die Kredite  in der Tochterfirma teilweise aufgab. Insgesamt schuldete die Ökomedia des Pressesprechers dem Mutterkonzern zu der Zeit 535.000 Euro.

Das ist aber noch nicht alles. Selbst das laufende Geschäft gab keinen Grund zur Hoffnung. Die Ökomedia schob aus dem laufenden Geschäft einen Verlustvortrag von 613.000 Euro vor sich her. Sicher ist da im Lauf des Jahres 2007 noch ein fettes Brot dazugekommen.

Gut. Irgendwann ging es nicht mehr. Das hat auch die AGR eingesehen und der RVR. Es gab eine Sitzung im Dezember. Die Gesellschafterversammlung der AGR beschloss, die Ökomedia einzustellen. Und zwar unbemerkt von der Öffentlichkeit am 30. April. Die neun Mitarbeiter wurden entlassen, berichtet die Co-Geschäftsführerin Janna Wadle. "Nach der Betriebsstilllegung verfügt die ÖKOMEDIA GmbH über keinerlei Aktivitäten mehr. Über die weitere Vorgehensweise bezüglich des leeren und inaktiven GmbH-Mantels kann und wird später noch entschieden werden." In der Gesellschafterversammlung der AGR gibt Heinz-Dieter Klink (SPD) der Regionaldirektor des RVR den Ton vor.

Ist die Entscheidung richtig? Ich weiß es nicht. Auf der einen Seite ist es gut, wenn die AGR ihre Kommunikationsaufgaben im eigenen Haus erledigt. Welchen Sinn soll eine Verlustbringende Tochterfirma unter Kontrolle eines Pressesprechers auch machen. Und nur die Konzentration auf das Kerngeschäft kann die leckgeschlagene Firma wieder flott machen.

Auf der anderen Seite tun mir die acht Leute leid, die Ihren Job verloren haben. Es gab "betriebsbedingte fristgerechte Kündigungen", sagt Wadle. Aber alle acht hätten "wieder eine adäquate neue Beschäftigung." Was auch immer das heißt. Zählen dazu auch vom Arbeitsamt finanzierte Gehversuche in der Selbstständgkeit oder Parkwächtertätigkeiten in Herten?

Für die AGR bedeutet die Betriebseinstellung jedenfalls den Totalverlust der Kredite. Wieder weit über 500.000 Euro verbrannt unter Verantwortung des Pressesprechers. Wir habens ja.

Warum wurde die Ökomedia eigentlich nicht verkauft?

Und warum wurde die Firma überhaupt gegründet oder von einem Herrn F. gekauft.

Da gehen Großmannträume vor die Hunde. Von Menschen, die glaubten, sie seien Medienmacher.

Kurt Beck: „Kuba könnte der Nato beitreten…“

26. Oktober 2009 – Die Ruhrbarone haben als einziges Blog einen Interviewtermin bei Kurt Beck bekommen. Beck wirkte während des Gesprächs gelöst und jovial. Er hat die Bundestagswahl überstanden, die SPD ist souverän zweitgrößte Partei geblieben und Beck hat gute Aussichten, Merkels Nachfolger zu werden.

Kurt Beck. Foto: SPD

Ruhrbarone: Herr Beck, sitze ich hier dem künftigen Bundeskanzler gegenüber?
Kurt Beck: Ich möchte den nun beginnenden Gesprächen nicht vorgreifen. Bei uns in der Pfalz haben wir den schönen Spruch „Gegessen wird die Wurst erst, wenn sie aus dem Kessel ist“, aber die Aussichten für einen Politikwechsel in Deutschland sind gut.

Ruhrbarone: Aber das wird ja nur mit der Linkspartei gehen. Vor der Wahl haben Sie ein Bündnis mit der Linkspartei ja ausgeschlossen.
Beck: Sehen Sie, bei uns in der Pfalz gibt es ja die alte Regel „Am Tag nach der Kirmesrauferei sitzen wir alle auf der Kirchenbank nebeneinander“ und so ist das auch nach der Bundestagswahl. Der Wähler hat entschieden und als guter Demokrat habe ich dem Willen der Wähler folge zu leisten und ihn nicht an ihm herumzukritteln. Die Fraktion der Linkspartei ist demokratisch gewählt und für uns ein Gesprächspartner. Sie müssen ja auch sehen, dass es zwischen der Linkspartei und der Fraktion große Unterschiede gibt, dass sind ja auch rechtlich ganz verschiedene Organisationen…

Ruhrbarone: Aber die Fraktion besteht aus Mitgliedern der Linkspartei, die Sie ja im Wahlkampf schroff angegangen sind.
Beck: Noch einmal: Fraktionen gehen Koalitionen ein, nicht Parteien. Die stehen im Wettbewerb miteinander. In der Linkspartei laufen viele Wirrköpfe herum, aber in der Fraktion gibt es ordentliche Leute, viele von denen waren doch früher bei uns in der SPD. Ich kann die ja nicht alle unter Quarantäne stellen.

Ruhrbarone: Aber es gibt immer noch Abgeordnete, die in der Stasi waren…
Beck: Sie sagen es: Waren. Ich bin mir mit Oskar Lafontaine und Gregor Gysi einig, dass aktive Stasi-Mitarbeiter in einem demokratischen Parlament nichts zu suchen haben.

Ruhrbarone: Befürchten Sie nicht große Probleme in der Außen- und Sicherheitspolitik?
Beck: Das wird nicht einfach. Aber es zeichnen sich Kompromisslinien ab. Wenn Kuba in die Nato eintritt, könnte sich die Linkspartei entschließen, dass auch Deutschland Nato-Mitglied bleibt.

Ruhrbarone: Das Nordkorea-Problem ist also gelöst?
Beck: Wir werden ihnen keine U-Boote liefern. Wir werden aber humanitäre und technische Hilfe leisten.

Ruhrbarone: Und die wird wie aussehen?
Beck: Wir planen die Lieferungen von submarinen Transportschiffen. Politik besteht daraus, dass man sich an einen Tisch setzt und Kompromisse findet.

Ruhrbarone: Auch in der Sozialpolitik?
Beck: Da sind wir gar nicht so weit auseinander, wie es den Anschein hat.

Ruhrbarone: Die Linkspartei will ja weg von den Reformen der Ära Schröder.
Beck: Ja wer will das denn nicht?

Ruhrbarone: Werden die Sozialausgaben ansteigen?
Beck: Nein, nicht um einen Cent. Da bleiben wir dabei. Wir werden uns auf die Senkung der Massenarbeitslosigkeit konzentrieren. Sehen sie, die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist im internationalen Vergleich auch deshalb so hoch, weil Anteil der öffentlich Beschäftigten verschwindend gering ist. Im öffentlichen Dienst existieren also erhebliche Potentiale, mithilfe zukunftsweisender Investitionen Arbeitslosigkeit zu reduzieren und Beschäftigung zu fördern. Und dann haben wir ja auch noch das bewährte Mittel der Arbeitszeitreduzierung zur Verfügung.

Ruhrbarone: Diese Politik wird nicht preiswert.
Beck: Ach wissen Sie, die Zeit von Geiz ist geil ist vorbei.

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Ein Sachs und einen Kasten Oettinger bitte…

Einstmals gehörte das Café Sachs im Bermudadreieck in Bochum zu den führenden Szenekneipen des Reviers. Das ist lange her. Wer will, kann das Sachs übernehmen.

Café Sachs. Foto: Flickr/freelight046

Die einstmals angesagte Szene-Location ist seit geraumer Zeit nur noch am Wochenende geöffnet –  und unter der Woche, wenn  Fußball im Fernsehen läuft. Schade, vor allem tagsüber fand ich es im Sachs immer ganz schön – und auch der asiatische Mittagstisch war lecker. Empfehlenswert zu schreiben, bringt ja nun nix mehr. Aber in den letzten Jahren hatte das Sachs viel von seiner besonderen Ausstrahlung verloren – sagen selbst einstige Stammgäste und Mitarbeiter. Ich persönliche habe ja seitdem ich in Bochum wohne immer dem Intershop den Vorzug gegeben. Der hat seinen Charakter in all den Jahren bewahrt. Nun wird jemand gesucht, der das Sachs  übernimmt. Wird gegenüber die Bochumer Symphonie gebaut,  geht vielleicht sogar etwas anderes als ein Szenelokal. Interessenten können sich vertrauensvoll an das Unternehmen Getränke-Hartmann wenden. Vielleicht gibt es zum Sachs ja noch einen Kasten Oettinger oben drauf.

Schwan und die Rote Ruhr

Die SPD setzt af die Linkspartei – nicht nur bei der Wahl des Bundespräsidenten. Im Kampf um die Rathäuser im kommenden Jahr werden die Sozialdemokraten nicht auf die Unterstützung der Linkspartei verzichten können – und die wird sie im Bund und im Ruhrgebiet einen hohen Preis zahlen lassen.

Foto: Die Linke

Nichts spricht gegen Gesine Schwan als Bundespräsidentin: Schwan ist seriös, eine gute Rednerin, klug und hat Realitätssinn. Der sorgte sogar dafür, dass sie in den 80er Jahren aus der Grundwertekommission der SPD rausgeworfen wurde, weil sie den Kuschelkurs der SPD mit den roten Diktaturen in Osteuropa nicht mittragen wollte und die SPD lieber an der Seite der Unterdrückten sehen wollte.

Ob Horst Köhler oder Gesine Schwan Bundespräsident (beziehungsweise Bundespräsidentin) wird ist mir egal: Beide machen eine gute Figur und werden einem das Fremdschämen ersparen. Viel mehr kann man von einem Bundespräsidenten nicht verlangen.
Was mich stört ist der Preis, den die SPD für Gesine Schwan wird zahlen müssen. Hätte Gysi vor ein paar Jahren der SPD noch geholfen, um aus dem Polititprekariat herauszukommen, so wird Lafontaine seine Unterstützung von Bedingungen abhängig machen. Das können Absprachen für die Zeit nach der Wahl sein oder aber unrealistische, aber populistische Forderungen wie das Ende von Hatz IV oder einen Wechsel in der Außenpolitik. Lafontaine ist ein glänzende Effektpolitiker, der nun ein Jahr Zeit hat, den tumben Beck vor sich her zu treiben – und sich diesen Spaß nicht nehmen lassen wird. Dabei kann die SPD nur verlieren.

Die Wahl Schwans wäre aber auch ein „Stück Machtwechsel“: Die Weichen für die Bundestagswahl im kommenden Jahr wären gestellt: Die SPD kann sich nach der Wahl Schwans mit den Stimmen der Linkspartei einem möglichen Bündnis im Bund kaum noch verweigern.

Ähnlich sieht die Situation im Ruhrgebiet aus: Umfragen sehen die Linkspartei im Revier bei um die zehn Prozent – tritt sie mit eigenen Kandidaten bei den Bürgermeisterwahlen an, könnte es für so manchen sozialdemokratischen Mandatsträger eng werden – und weil es nur einen Wahlgang gibt, könnten sich christdemokratische Bewerber so auch in Städten durchsetzen, in denen das bislang eher unwahrscheinlich war.

Die SPD ist also auf dem Markt und muss, will sie ihre Kandidaten durchbringen, der Linkspartei etwas bieten. Will sie im kommenden Jahr auch den Kanzler stellen, wird der Preis, den Lafontaine fordert, hoch sein: Ein Rückfall der SPD in die Zeit vor Schröder. Diesen Preis werden nicht alle Wähler der SPD zahlen wollen: Viele wählten bei der letzten Wahl auch SPD wegen Schröder und den Hartz-Reformen – weil sie erkannten, dass eine Neujustierung der Sozialpolitik in Deutschland unumgänglich war. Weil sie wussten, dass die Globalisierung nichts ist, was man annehmen oder ablehnen kann, sondern eine Tatsache ist, auf die man reagieren muss und von der Deutschland bislang stark profitiert hat.
Es gibt zwei Möglichkeiten wie die Sache ausgeht: Entweder verliert die SPD diese Wähler und damit für lange Zeit ihre Regierungsfähigkeit – oder dieses Land wird zum Spielball frustrierter ex-Sozis, wirrer ehemaliger K-Grüppler, alter Stasikader und einem vor Eitelkeit und Selbstüberschätzung berstenden Lafontaine. Die erste Alternative wäre mir lieber.

Ruhrbistum gefährdet?

Es gibt eine Neuigkeit vom Rande des Katholikentages. Und zwar wird im Kreis der deutschen Bischofskonferenz überlegt, das Ruhrbistum aufzulösen. Die  flächenmäßig kleinste Diözese Deutschlands gibt es erst seit 1958. Nun, mit den stetig zurückgehenden Mitgliederzahlen, den steigenden Kosten für Kindergärten und Altenbetreuungen, wird die Verwaltung des Bistums scheinbar zu teuer.

Bislang hat Bischof Felix Genn alles versucht, sein Bistum zu erhalten. Nahezu alle Zivilbeschäftigten wurden in der Steuerungszentrale rausgeworfen und durch streng katholische Mönche oder Laien ersetzt. Dieser Closed Shop machte anschließend gegen den Widerstand der katholischen Verbände nahezu alle Jugendhäuser im Revier platt, setzte Zwangsvereinigungen von Gemeinden durch und überführte unabhängige Kindergarten in übergeordnete Zweckverbände. Das Große Ziel: maximale Einsparung.

Doch all diese Anstrengungen reichen offenbar nicht. Deswegen wird im Kreise der Mitraträger überlegt, den Wasserkopf am Bischof-Sitz ganz aufzulösen. Stattdessen könnten sich wieder die Diözesen Köln, Paderborn und Münster ihre alten Kirchsprengel einverleiben, die sie kurz nach dem Krieg aufgeben mussten.

Sollte diese Idee Realität werden, würde die einzige Verwaltungseinheit des Ruhrgebietes 50 Jahre nach ihrer Gründung zerschlagen werden und die Zersplitterung des Potts weiter voranschreiten.

Wobei: So ganz brachte auch das Ruhrbistum keine Einheit für das Revier. Köln konnte etwa das Örtchen Kettwig in seinem Kichenkreis halten. Die Gemeinde im Essener Süden hat ein bedeutendes Kirchensteueraufkommen. Und Dortmund hat sich geweigert irgendwo mitzumachen, wo Essen im Namen ist. Auf Latein heißt  das Ruhrbistum nämlich:  Dioecesis Essendiensis. Stattdessen blieb die Ostpott-Kommune im Bannstrahl von Paderborn.

Mir hat diese Geschichte ein führener Verbandskatholik aus Berlin erzählt – mit direktem Zugang zur Bischofskonferenz. Sie wurde von einem anderen leitenden Organisationskatholik aus Osnabrück bestätigt. Ich gehe davon aus, dass die Nummer stimmt.

 

Da wo lustig iss…I

"Ich mag ja die Ruhrbarone, aber…   

…wenn ich Euren Blog lese, sind da fast nur schlechte Nachrichten drauf. Bei Euch sammelt sich das Elend der Welt", so ein Kollege zu mir vor ein paar Monaten und er hat ja Recht: Zum Lachen gehen wir immer in den Keller – und in meinem Keller steht natürlich ein Computer mit Internetanschluss. Mit dem schau ich mir Seiten an, die wo lustig sind – zum Beispiel The Joy of Tech – meine liebste Rubrik auf der grandiosen Site Geekculture.com. Vor allem Macuser finden dort immer wieder erheiternde, kleine Bildergeschichten.   

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Laumann der Woche (*)

Zum "Laumann der Woche"*, ach was, zum Ehren-Laumann wird hiermit Fußballspaßvogel Josef Laumann ernannt: Denn der Ex-Schalker ist päpstlicher als der Papst erlaubt.

 

Fotos: nrw.de, flickr.com/photos/beamariepia, vfl-luebeck.de

 

Josef Laumann, also  d e r  Josef Laumann, war schon eine witzige Nummer, als er noch bei Schalke und dann bei Ahlen spielte. Weil sein Namensvetter, NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann, partout nicht mit (uns von) der taz nrw reden wollte, die für den erzkatholischen Münsterländer Teufelszeug darstellte, wurde irgendwann der gleichnamige Regionalliga-Fußballer aufgesucht fürs ultimative Laumann-Interview: Den Minister kannte Kicker-Laumann nur aus den Nachrichten, mit Schalkes heutigem Wundertorwart Manuel Neuer teilte der Deutsch-Marokkaner das Zimmer, er studierte und fuhr BMW.

Jetzt hat Josef Laumann, den man richtig ohne Karl und mit PH schreibt, noch einen Beweis erbracht, dass man sich seinen Namen merken sollte. Trotz Vertrag mit Rot-Weiß Erfurt absolvierte Laumann in Arnheim ein geheimes Probetraining. Als er dort nach seinem Namen gefragt wurde, nannte er sich aber nicht Laumann, was holländischen Kollegen kaum aufgefallen wäre, sondern Josef Ratzinger. Ergebnisse: klick und klack

Fazit: Abgesehen von der Kündigung in Erfurt gab es aber insgeheim natürlich ein Lob von Laumann, dem Chef der CDU-Sozialauschüsse, es lautete ungefähr so: "Josef Laumann, Josef Ratzinger, gefällt mir. Das nächste mal nennste dich Josef von Nazareth!"


(*) Mit dem Laumann der Woche zeichnete die taz nrw seinerzeit besonders scheue, widerborstige Zeitgenossen aus, weil der Namensgeber des Preises sich genauso hartnäckig einem Interview verweigerte.

Der namenlose Tote von Hagen – eine Enthüllung

Den Fall, den Annika Joeres für die Frankfurter Rundschau in Hagen aufklärt, ist wie ein geheimes Puzzle. Zuerst ist ein Mann tot. Ein Türke, offensichtlich total bekokst. Er starb auf der Polizeiwache. Er war gefesselt. Wehrlos. Und dann leblos. Annika hat sich gefragt, wie konnte das passieren? Die Antwort war: Das Kinn des Mannes wurde auf dessen Brust gedrückt. Daran ist er erstickt.

Ich habe einen Selbstversuch gemacht. Ich habe meinen Kopf auf die Brust runtergedrückt. Und versucht zu atmen. Aufgeregt. Hektisch. Ich habe keine Luft gekriegt. Je aufgeregter ich wurde. Umso weniger Luft habe ich bekommen. Mir wurde schlecht.

Wer das bei einem Menschen macht und weiter zudrückt, weiß, dass dieser Mensch sterben wird. Nein, das ist nicht das richtige Wort. So stirbt man nicht. Man verreckt elendig – hingerichtet, wie mit einer Garrotte.

Die Polizei in Hagen hat das getan. Sie hat den Kopf des Türken auf dessen Brust gedrückt. Und dann fixiert. Mir einer Kordel? Mit einem Band, mit Klebestreifen? Was weiß ich?

Ich weiß: Adem Özdamar ist verreckt.

Aber das ist nicht alles. Es geht weiter. Immer weiter. Der unglaubliche Fall führt Annika bis in die dreckigen Details. Es ist eine Geschichte, die man nicht in NRW erwartet.

Annika bekommt einen Anruf. Ein Mann will anonym bleiben. Er berichtet von einer weiteren Leiche. Wieder war die Polizei im Spiel. Wieder mit der gleichen Tötungstechnik. Diesmal ist ein Franzose verreckt. Er wurde vor einem Jahr umgebracht. In irgendeiner Klinik, gefesselt, erstickt. Drei Polizisten standen um ihn herum. Niemand hat über diesen Toten berichtet. Es war ein Schwarzer. Im Obduktionsbericht heißt es, der Franzose sei an einem Hirntod in Folge einer Reanimation zu Grunde gegangen. Wie zynisch ist das? Nur einer der tot ist, kann wiederbelebt werden. Die Mediziner verschieben das Ende des Menschen mit ihrer verquasten Formulierung auf einen Zeitpunkt, an dem die drei Polizisten ihre Hände schon wieder waschen konnten. Aber das ändert nichts daran. Die drei Männer haben diesen Tod auf dem Gewissen. Und dabei hilft ihnen kein Gutachten. Das müssen sie mit sich selbst ausmachen. Sie haben getötet.

Der Todesfall wurde verschwiegen. In Hagen, NRW, Deutschland. Die Staatsanwaltschaft sah keinen Grund weitere Einzelheiten zu dem Tötungsdelikt zu veröffentlichen. Ermittlungen? Hier ein paar Fragen, da ein Gutachten. Und den Mann verscharren, ohne das die Öffentlichkeit etwas davon erfährt. Das war es. Ein Menschenleben wurde eine Notiz in den Akten.

Wie gesagt, wir reden nicht von Simbabwe. Wir reden von Hagen, wo der Mann verschwand. Die Lokalpresse hat nicht von dem Toten berichtet. Und das obwohl die Hagener Polizei etwa sechs Pressemitteilungen am Tag raushaut. Vom Fahrradklau bis zum abgebrochenen Autospiegel.

Annika schreibt, die Umstände des Vorfalls erinnern bis ins Detail an den Tod von Adem Özdamar. Auch der 26-jährige Türke fiel im Februar auf einer Hagener Polizeiwache während der Fesselung ins Koma und verstarb wenige Wochen später. Sein Todesfall wird inzwischen von der türkischen Justiz untersucht, die Ermittlungen der deutschen Behörden dauern an.

Bei dem toten vergessenen Schwarzen bestätigt die Staatsanwaltschaft jetzt nur, dass der Mann sich in einer Hagener Klinik befand, als die Polizeibeamten ihn fixierten. Laut Oberstaatsanwalt Reinhard Rolfes litt er unter einer Psychose und weigerte sich, Medikamente einzunehmen. Drei Polizeibeamte sollen ihn daraufhin an Händen und Füssen gefesselt haben. Zur "Verhinderung von Beiss- und Spuckversuchen" wurde außerdem sein Kinn fixiert. Wie lange und wie sein Kinn fest gebunden und damit seine Atmung möglicherweise behindert wurde, will die Staatsanwaltschaft nicht Annika gegenüber beantworten.

Dabei ist unter Medizinern und auch Polizeibeamten die Gefährlichkeit dieser Maßnahme bekannt. Die Fixierung kann die Atmung behindern, auch die Zunge kann in den Rachen fallen und diesen gänzlich verschließen. Bei erregten Personen, wie es psychiotische Menschen sind, kann eine reduzierte Sauerstoffaufnahme schon nach einer Minute zu einem Herzstillstand führen.

Zahlreiche Fragen lässt die Staatsanwaltschaft Annika gegenüber offen. Wieso haben Polizeibeamte den Mann fixiert? Für Ärzte und Pflegepersonal auf psychiatrischen Stationen ist es Routine, dass sich Menschen mit Psychosen gegen ihre Medikamenteneinnahme wehren. Warum wurde sein Kinn fixiert? Schließlich war er an Füßen und Händen schon mit Fixierbändern gefesselt und nicht in der Lage, Beamte oder Pflegepersonal zu beißen.

Nicht einmal die Dauer der Ermittlungen will die Staatsanwaltschaft Annika gegenüber mitteilen. Sie beruft sich bei ihrer Verweigerung auf das "im allgemeinen Persönlichkeitsrecht wurzelnde Geheimhaltungsinteresse der beteiligten Personen". Staatsanwalt Rolfes sieht sich "außer Stande, weitere Angaben zum Tatort und zu den Beteiligten zu machen." Abgesehen davon, dass sich Polizeibeamte nicht auf das Persönlichkeitsrecht berufen können und auch die Person des Verstorbenen nicht durch Angaben seiner Todesumstände verletzt wird, hat die Hagener Polizei im Falle von Adem Özdamar sehr persönliche Umstände preisgegeben. Mehrfach gab sie an, er solle Kokain konsumiert haben.

Beauftragt mit der rechtsmedizinischen Begutachtung, die bei jedem Todesfall in Anwesenheit von Polizeibeamten obligatorisch ist, wurde wie im Fall Özdamar das Dortmunder Institut für Rechtsmedizin unter der Leitung Ralf Zweihoff beauftragt. Sie kamen in ihrem Gutachten über den verstorbene Franzosen und im vorläufigen Gutachten zu Adem Özdamar zu der gleichlautenden und entschuldigenden Formulierung: "Hirntod durch Herz-Kreislauf-Stillstand als Folge eines Zustandes nach Reanimation."

Auch hier reagierte die Staatsanwaltschaft erst auf den Druck der Öffentlichkeit. Schon einen Tag nach der Obduktion des Leichnahms von Adem Özdamar verlautbarte sie, es gebe keinerlei Anhaltspunkte für eine Schuld der elf beteiligten Polzisten am Tode des Deutsch-Türken. Nach kritischen Medienberichten vor allem durch Annika in der Frankfurter Rundschau und in türkischen Zeitungen wurde die Verkündung der endgültigen Ergebnisse immer weiter verschoben. Inzwischen sind zwei Monate vergangen. Weder die deutschen noch die türkischen Gerichtsmediziner wollen bislang ihre Ergebnisse veröffentlichen.

Es ist zu vermuten, dass der verstorbene Franzose keine Familie hinterlassen hat, die die Vorgänge um seinen Tod ans Tageslicht zerrt wie die Angehörigen von Özdamar. Sein Sterben war bislang nur eine interne Aktennotiz.

Und sein Name ist unbekannt. Die Staatsanwaltschaft will nicht sagen, wie der Mann heißt.

Annika bleibt am Ball. Sie sucht Zeugen. Sie will wissen, wie der Tote Franzose heißt. Sie will wissen, wer hat ihn getötet. Welche Polizisten sind an der Tat beteiligt? Sind es die gleichen, die auch Adem Özdamar auf dem Gewissen haben?

Und vor allem, warum wird soviel vertuscht?