Limbecker Platz: „Andere Zentren werden den Preis zahlen!“

Shopping Malls sind mittlerweile ein weltweites Phänomen. In den USA, in denen sie „erfunden“ wurden, gelten sie seit vielen Jahren als eine der sichersten und profitabelsten Investitionen und damit auch als beliebte Geldanlagen.

Limbecker Platz. Foto: Görges

Es gibt weit mehr als 30.000 davon und beim Größenvergleich läge das CentrO selbst in der erweiterten Fassung in Nordamerika gerade mal in der „unteren Mittelklasse“. Das ist im Land des Automobils, in dem es so etwas wie  eine „Innenstadt“, die eben nicht mit einer „Downtown“ zu vergleichen ist, nur in wenigen Ausnahmefällen gibt, nicht verwunderlich.

Das solche Anlagen jedoch in Europa einen solchen Siegeszug antreten konnten, ist im ersten Moment erstaunlich. Bei näherer Betrachtung hat sich dieses Konzept aber erst nach einer Anpassung an die „europäischen Bedürfnisse“ flächendeckend durchsetzen können. Am CentrO, einem der ersten größeren Projekte dieser Art in Europa, kann man dass schon studieren. Die „ Außenpromenade“ wurde von dem hinzugezogen  deutschen Architektenteam den angelsächsischen Promotoren förmlich aufgedrängt und erst in der Kombination mit dem Druck der Stadt Oberhausen möglich.

Aus dieser „Zuwendung“ zur städtischen Umgebung wurde bei zunehmendem generellen Protest gegen die Einkaufszentren auf der „grünen Wiese“ stufenweise das „integrierte Citymall“, wie es vor allem der Großentwickler ECE seit Jahren propagiert und realisiert. „Integration“ bezieht sich dabei aber nicht nur auf den Standort der Mall sondern auch auf seine äußere Erscheinung. „Fassade“, ein Fremdwort für die meisten amerikanische Malls, bei denen es vor allem auf das Innenleben ankommt, ist in Europa und vor allem in Deutschland zunehmend ein Schlüsselbegriff. Genauer gesagt müsst man von einer attraktiven Hülle sprechen, denn das Innenleben einer Mall richtet sich jenseits des jeweiligen Designs ausschließlich nach dem ausgesprochen erfolgreichen Geschäftsprinzip.

Da dies im wesentlichen gleich geblieben ist, haben alle Malls aber einer bestimmten Größenordnung  im Inneren eine erstaunliche räumliche Ähnlichkeit genauer gesagt fast immer die gleiche Raumstruktur. Diese „strukturelle Langeweile“, die sich nach dem Besuch mehrer dieser Konsumtempel automatisch einstellt, wird mit immer aufwendigerem Interieur, erweiterter Möblierung, Naturversatzstücken, „Platzgestaltung“ und „Themendesign“ quasi zu vertuschen versucht. Das Ergebnis ist, im Verhältnis zur ersten Generation, zumindest wenn man im System denkt, eine ausgesprochen anspruchsvolle Architektur im Innen- und Außenbereich, erstaunlichen Aufenthaltsqualitäten und die zunehmende Verwendung anspruchsvoller Materialien. Alles zusammen erst macht den Januskopf dieser neuen „Innenstadtkathedralen“ aus. Sie haben einerseits das Potential zur überstädtischen Attraktion und andererseits ziehen sie alleine so viele „Konsumgläubige“ an, dass für die anderen Anbieter häufig weniger überbleiben.

Malls haben deswegen eine ganze andere Wirkung als die früheren „Kaufhäuser“.  Sie sind nicht mehr nur die unverzichtbare „neuen“ Attraktoren  bzw. Ankerpunkt der „neuen“ Innenstadt sondern sie haben zugleich einen enormen und beabsichtigten „Staubsaugereffekt“. In Oberhausen hat dieser der ehemalige Innenstadt zumindest als Einkaufsort jede Luft zum atmen genommen. Auch die Untersuchungen für andere Städte zeigen nur in weniger als der Hälfte der Fälle einen Kaufkraftgesamtzuwachs für die betroffenen Zentren. Mal sehen was in Essen passiert.

Meine Hypothese: Das neue „State of the Art“ Mall wird nicht so erfolgreich sein wie es sich die Investoren vorgestellt haben und die Stadt Essen es sich wünscht. Es steht  nämlich, eben weil es eine Mall ist, auch in direkter baulich-räumlicher 1:1 Konkurrenz mit dem CentrO. Während dieses vor allem davon profitierte, dass es  das erste in der gesamten Region war, ist das bei der Karstadtmall eben nicht der Fall. Gleichzeitig und aus gutem Grund rüstet das CentrO weiter auf während die Stadt Oberhausen sein Umfeld um weitere Attraktion bereichert.

Es kann aber auch sein, dass die enge räumliche Kombination der Karstadtmall mit der Essener Innenstadt einen Effekt erzeugt, den ich  als die Kombination von räumlich geschlossener und räumlich offener Zentralität  bezeichnen würde. Allgemeiner verständlich: Das Mall wird deswegen so interessant, weil es in direkter Kombination mit „echter“ Stadt „benutzt“ werden kann, was in Oberhausen nach wie vor nicht der Fall ist. Dort hat die Stadt es bis heute nicht geschafft, den Eindruck eines „Flughafenumfeldes“, wenn auch auf gestalterisch höherem Niveau zu vermeiden bzw. es entsprechend zu verändern.

Wenn man allerdings die bislang  ungebrochen Autoorientierung der Deutschen insbesondere beim Einkaufen mit in Betracht zieht, halte ich das eintreten der zweiten Möglichkeit für eher unwahrscheinlich. Obwohl es der Stadt Essen ausdrücklich zu wünschen wäre. Aber selbst bei einem solchen eher unwahrscheinlichen „Erfolg“ würde auf Grund der nach wie vor sinkenden Gesamtkaufkraft in der Region dann eben andere Zentren den Preis dafür bezahlen.

Jugend Kultur Zentren 2010 – Teil 5 (2)

?: Man ist ja heutzutage auch immer sofort im Markt und es gibt direkt Konkurrenz in der sogenannten Off-Szene. Da ist man dann selten noch im Clinch mit der Stadtverwaltung,  dafür hat man jetzt die Kulturhauptstadt, zu der man sich verhalten muss…

!:
Ich versuche eher meine eigenen Sachen zu machen mit ein paar weiteren Leuten, dann ist auch klar dass das inhaltlich in Ordnung ist. Ich arbeite gerne mit vielen Leuten zusammen, aber nicht zwingend mit Institutionen. Ich weiß selbst recht gut wie ich meine Bereiche abdecken kann, aufgrund meiner Erfahrungen, dafür brauche ich nicht unbedingt Hilfe von der Kommune oder anderen. Schön wäre es, aber es muss eben auch ohne gehen. Ich hatte z.B. für Ruhr.2010 kein Projekt abgegeben, weil ich da einfach zuviel zu tun hatte. Ich fand damals die Idee ja sehr gut, dass mal klar wird dass in der Region viel Potenzial steckt, bis ich gemerkt habe, dass bei der Idee „Kulturhauptstadt“ ein bisschen etwas anderes angesteuert wird. Auf einmal kamen dann Leute in meine Stadt, fragten alle möglichen kulturell Aktiven aus, und sonst passierte nicht viel. Man erzählte denen also was hier passiert, das auch gerne, aber ich bin ehrlich gesagt froh, dass ich denen keine Ideen geschenkt habe – und das geht ja im Grunde auch gar nicht. Ohne Hintergrund-Infos sind gewisse Arbeiten schon von vornherein zum Scheitern verurteilt. Irgendwie nervt es mittlerweile auch, dass alle über Kultur quatschen aber inhaltlich viel zu wenig passiert. Und da habe ich dann in letzter Zeit eher mal überlegt, aus dieser Situation und dieser Stadt weg und dahin zu gehen, wo wirklich etwas passiert und nicht mehr nur plötzlich alle darüber reden.

?: Das hat natürlich auch mit der speziellen Struktur zu tun, dass das hier im Grunde eine große alte Arbeitersiedlung ist, die eben keine gewachsene Stadt ist, strukturell wie historisch.

!: Ja, denn es gibt hier etwas sehr Eigenes, was ich auch sehr mag. Die Leute hier haben halt eine große Schnauze und sind wie sie sind. Und darin ist eine ganze Menge an eigener Vielfalt zu finden. Das hat auch was ehrliches. Nichts gegen gut aufgezogene Kampagnen und Großprojekte, aber es geht halt um Inhalte. Ich kenne das aus Holland, dass da gute Leute ihr eigenes Konzept verwirklichen, und dann kommt die Stadt und fragt, ob man das nicht in einer ihrer leeren Hallen durchführen kann. Oder dass Freunden von mir leer stehende Ladenlokale angeboten werden. Ein Gebäude wurde dann auch irgendwann angemietet. Das ist so ziemlich das Gegenteil von Ausschreibungen und Wettbewerben. So etwas mache ich im Grunde grundsätzlich nicht. Wie gesagt, da laufen auch gerade Klagen wegen Ideenklau.

?: Klingt ja fast als würde genau die Situation ausgenutzt, dass die Kommune sich nicht kümmert…

!: Ich habe dann mal nachgefragt, was daraus wurde dass ich mal bei Ruhr.2010 vorbei bin um denen ein paar Infos zu unseren Arbeiten und Vorgehensweisen zu geben. Im Nachhinein  hieß es „Das habe ich dem Dieter ganz genau erzählt.“ Und ich sagte: „Das kann ich mir gut vorstellen, dass Du das dem Dieter ganz genau erzählt hast. Und sonst?“ Da fragt man sich schon, was da mit den Ideen und Namen passiert, die man denen anvertraut hat. Wobei die das eh nicht so hinbekommen würden, wie wenn etwas aus einer Subkultur heraus passiert. Bei meiner derzeitigen Arbeit für „Crayfish“ von Sami Akika am Rheinischen Landestheater in Neuss hat der Regisseur zumindest Leute aus den einzelnen Sub-Szenen heraus geholt und arbeitet mit denen gemeinsam an der Produktion. Auf dem Level klappt das dann wieder. Lustig war auch als einer vom Theater angerufen hat und sich darüber beschwerte, dass nur Wahrzeichen aus dem Ruhrgebiet und nichts aus der Stadt Neuss im Bühnenbild vorkommt – obwohl es in einer Szene des Stücks um einen HipHopper aus Wanne-Eickel geht. Nach ein paar Erklärungen hat er das dann auch eingesehen und hat auch nichts mehr gegen meine Zechen- und Industrielandschaft (Illustration) gesagt.

Halb so wichtig

2010 ist es  da: Das Kulturhauptstadtjahr.  Als  wir  es wurden, habe ich mich gefreut. Weniger, weil ich mich auf ein tolles Programm freute,  ich  lese lieber als das ich ins Theater  oder ins Konzert gehe,  sondern weil das Ruhrgebiet gemeinsam etwas gewonnen hatte und ich hoffte, dass das Lust auf mehr Kooperation macht.

Goethe und Schiller in Weimar. Foto: Flickr/froutes

Und  im ersten Augenblick habe ich  auch einen großen Marketingeffekt für das Revier gesehen. Doch dann bin ich in mich gegangen. Wen interessiert eigentlich die Kulturhauptstadt Europas? In den letzten Jahren habe ich immer mal rumgefragt, welche Stadt den gerade Kulturhauptstadt ist – kaum einer in meinem Freundeskreis wusste es. Mit der europaweiten Ausstrahlung konnte es also nicht so weit her sein. Und dann hat der Spiegel seine Archive geöffnet. Ich bin kein großer Feuilletonleser. Mein Referenzmedium ist der Spiegel. Also schaute ich nach, was das Magazin, das ich seit Jahrzehnten jeden Montag lese, über die letzte deutsche Kulturhauptstadt Weimar im Jahr 1999 so geschrieben hatte. Tatsächlich war Weimar in diesem Jahr ein  Riesenthema –  allerdings dominierte Monika Weimar die Berichterstattung.  Die doppelte Kindermörderin hatte seinerzeit ihr Revisionsverfahren.  Über die Kulturhauptstadt Weimar wurde auch berichtet – vor allem über Finanzprobleme, den Nachbau des Goethehauses neben dem Goethehaus und ein Bratwurstessverbot in der Innenstadt Weimars. Und dann feierte Goethe noch seinen 250. Geburtstag – auch bei diesem Thema kam an Weimar keiner vorbei, obwohl der Meister ja in Frankfurt geboren wurde. Aber die Kulturhauptstadt sorgte noch nicht einmal in Deutschland für sonderlich viel Aufmerksamkeit.

Das Essen für das Ruhrgebiet Kulturhauptstadt Europas geworden sei, sei das wichtige Ereignis gewesen, weil niemand der Stadt so etwas zugetraut hätte. Was im Jahr selbst passiert sei dagegen relativ unwichtig. Der Imagegewinn sei schon auf das Prestigekonto der Stadt eingezahlt – das erklärte ein Repräsentant Essens auf einem Wirtschaftsforum im vergangenem Herbst. Ist das zynisch? Es ist realistisch.  Wäre die Kulturhauptstadt ein Megaereignis – Hamburg, Frankfurt oder München wären in den Ring gestiegen – und nicht Braunschweig und Münster. Was Scheitt und Gorny über Nachhaltigkeit und Kreativwirtschaft erzählen, kann man getrost vergessen – es sind die Stichworte, die man heute  nun einmal benutzt, wenn man Fördermittel loseisen will.  Wir bekommen ein neues Folkwangmuseum und der U-Turm wird erhalten. Ein paar Jahre nach dem Ende der Kulturhauptstadt, wenn von Kreativwirtschaft niemand mehr redet, wird Langemeyer dort sein Museum haben. OK, zwei tolle Gebäude, eine Party auf der A40 und sicher ein paar schöne Veranstaltungen – das wird das Kulturhauptstadtjahr sein. Und am 1.1.2011 wird  alles so sein wie vorher. Events schaffen für eine Region keine neue Perspektive, sondern ein paar schöne Augenblicke. Das ist schon etwas. Aber wer glaubt, das Ruhrgebiet erfindet sich im Jahr 2010 neu und wird sich weltweiter Aufmerksamkeit erfreuen,  wird sicher enttäuscht werden, und das nicht nur, aber sicher auch, wegen Istanbul.

Und das Schlimmste: Es gibt keine einzige Idee für eine Kooperation im Revier  über das Jahr 2010 hinaus. Nichts. Nada. Niente. Die Chance, aus der einen erfolgreichen Kooperation eine Reihe zu machen, zu lernen, das man nur gemeinsam etwas erreicht, wurde vertan.

PS.: Da stehe ich beim Chinamann und während ich auf mein Chop Suey warte, blätter ich im Kinomagazin Trailer herum und finde ein Interview von Lutz Debus mit Jochen Malmsheimer zum Thema Kulturhauptstadt. Ihr müßt ein wenig herunterscrollen, aber der Text ist schlicht grandios. Ach, mehr als das, aber mir gehen gerade die Superlative aus.

2010 in aller Stille

 Foto: Archiv

 

Zum Glück sprach die WAZ heute mal mit Dr. Oliver Scheytt, dem GF der Ruhr 2010 GmbH. Das Gespräch bekam einen abmoderierenden Bild-Teaser auf der Titelseite: "Noch 21 Monate bis 2010. Oliver Scheytt verrät – nichts". Stimmt aber nicht, denn Scheytt verriet doch etwas. Bitteschön:

Scheytt: Wenn das mit der A 40 gelingt, wird es eine Sensation (…) Kegelclubs haben schon Tische bestellt, und alle ehemaligen Bewerberstädte kommen. Köln hat 1000 Tische reserviert. Es heißt nicht umsonst „Stillleben A 40”! Das wird ein Feiertag, ein großes Gemeinschaftserlebnis. Und Fritz Pleitgen will mit einem Zeppelin da lang fahren und alles filmen.

Hm. Revier-Intendant Fritz Pleitgen wird also "mit einem Zeppelin da lang fahren und alles filmen". Wir freuen uns schon: Fritz sitzt in seinem Zeppelin und fährt die A 40 entlang und filmt 1.000 Kölner Kölschtische, ach was, 100.000 Kölner an Kölschtischen und macht daraus einen Dreiteiler für die ARD im Winter 2011. Die Kegelschwestern sind auch da und das ganz nennen sie Stillleben A 40. Köstlich. Raffiniert. Fabelhaft: Still Leben, weil alles still steht! Weil der Lärm weg ist! Und die Autos. Dafür gibt es aber den winzigen Rest von 1.000.000 Kölschtischen und Kegelgeschwistern, was natürlich auch hübsch still ist und auf jeden Fall den zentralen Gedanken vieler Stilleben gekonnt umsetzt: Vanitas, die Vergänglichkeit.

Statt knallbetrunkene Keglerinnen oder filmende Fernsehfritzen in Luftschiffen werden sonst allerdings lieber abbrennende Kerzen, Totenschädel oder faule Trauben genommen. Ich freu mich schon auf das Fernsehprogramm 2010/11. Fritz Pleitgen präsentiert das Fernseh- und Luftbildereignis zwischen den Jahren: "Die A40. Teil 1, Von Moers bis Kaiserberg. Die A 40, Teil 2, Von Styrum bis Kray. Die A 40, Teil 3, Von Frillendorf bis Kley."

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Wie Apple alles richtig macht, weil es alles falsch macht

Wired, das amerikanische Magazin für den Kult um den Computer, hat einen schönen Artikel über Apple veröffentlicht – und eigene Analysen aus dem Jahr 1997 korrigiert. 

Foto: Foto: Flickr/Sigalakos

Moderne Unternehmen behandeln ihrer Mitarbeiter zumindest theoretisch als gleichberechtigte Partner. Apple bevorzugt das Modell venezianische Galeere. Moderne Unternehmen sind offen. Apple ist verschlossener als der nordkoreanische Geheimdienst.  Eigentlich, so die Analyse von Wired, macht Apple alles falsch. Das Unternehmen funktioniert nicht, so der Tenor des Artikels, wie ein  hippes, modernens Silicon Valley Unternehmen, sondern wie ein Industriekonzern aus dem 19. Jahrhundert. Aber es funktioniert.

Rommelspacher: Regionalplanung nicht mehr aufzuhalten

Das Ruhrgebiet wird ab dem kommenden Jahr für sich selbst planen. Daran wird wohl auch Dortmunds OB Langemeyer nicht viel ändern können.

"Nach der Verkündung des Kommunalwahlergebnisses im kommenden Jahr wird die Regionalplanung für das Ruhrgebiet nicht mehr in Arnsberg, Düsseldorf oder Münster gemacht sondern im Ruhrgebiet", erklärt RVR-Planungsdezernent Thomas Rommelspacher. "Was wir jetzt in der Öffentlichkeit erleben sind letzte Rückzuggefechte. Dazu gehören auch die Drohungen mit dem Austritt aus dem RVR." Erst gestern hatte Dortmunds OB Langemeyer wieder diese Karte gezogen und sich damit gegen seine Partei gestellt.

Rommelspacher sieht in keiner Stadt und in keinem Kreis im Ruhrgebiet die dafür notwendige 2/3 Mehrheit. Auch die Finanzierung der Regionalplanung durch das Land sei gesichert: "Die notwendigen Kosten wird die Landesregierung in den kommenden Haushalt einstellen." Mit Experten aus den Bezirksregierungen ist Rommelspacher schon Gespräch – nicht wenige wollen künftig für das Ruhrgebiet arbeiten. Mit der Übertragung der Regionalplanung auf den RVR gäbe es für das Ruhrgebiet ein deutliches Mehr an Selbstbestimmung: "Da setzt ja der RVR nicht einfach Landespolitik, um sondern das Ruhrparlament wird entscheiden. Das ist auch ein Zuwachs an Demokratie im Ruhrgebiet.."

Auch einer der Gegner eines Ruhrbezirks, der DGB Regionalvorsitzende für Südwestfalen, Heinz Rittermeier, teilt Rommelspachers Einschätzung – wenn auch mit Bedauern: "Die Regionalplanung für den RVR wird sich nicht mehr aufhalten lassen. Das ist für mich eine Schwächung Südwestfalens und der Einstieg in die Schaffung dreier Regierungsbezirke in NRW, darunter ein Ruhrbezirk." An einen Ausstieg von Städten und Kreisen aus dem RVR glaubt der Gewerkschafter nicht: "Die Mehrheit dafür wird es leider nicht geben." Für Rittmeister als DGB-Chef auch ein soziales Problem: "Damit verliert Arnsberg viele Jobs und aus Südwestfalen wir ohne Bochum und Dortmund zu Restfalen. Das können wir in Südwestfalen nicht einfach so hinnehmen. Wir werden weiter gegen die Dreiteilung des Landes kämpfen."

Da könnte das Ruhrgebiet auf der Gewinnerseite sein und die Politik ist dagegen. Typisch Ruhrdistan.

Grüne Contra Langemeyer

Die grüne Fraktion im Regionalverband Ruhr wehrt sich gegen die Versuche des Dortmunder Oberbürgermeisters Gerhard Langemeyer, den Verband in eine Agentur umzuwidmen und einen Städtebund als Alternative zum RVR zu etablieren. Martin Tönnes, Fraktionsvorsitzender der grünen RVR-Fraktion meint: „Der Dortmunder Oberbürgermeister Dr. Langemeyer vertritt inzwischen ohne Rücksicht auf die Interessen der Metropole Ruhr einzig und allein seine eigenen Interessen.“

 

Martin Tönnes, B90/Die Grünen. Foto: Grüne RVR-Fraktion

Pikant wird die Lage durch zwei Punkte. Einmal ist die SPD im RVR in einer Koalition mit den Grünen. Zum anderen arbeitet die SPD auch in Dortmund mit den Grünen zusammen. Auch hier ist Martin Tönnes einer der führenden Köpfe.

„Um als Metropole Ruhr im Wettbewerb mit anderen europäischen Metropolen bestehen zu können, ist jedoch eine regionale Sicht und regionale Kooperation aller 53 Kommunen notwendig. Der von ihm geplante Städtebund geht zu Lasten der kleineren Städte, da ein solches Modell faktisch auf eine Dominanz weniger großer Städte hinauslaufen würde. Damit verabschiedet sich OB Dr. Langemeyer von der regionalen Solidarität in der Metropole Ruhr.“

Auch für Langemeyers Absage an eine einheitliche Regionalplanung und einen eigenen Regierungsbezirk für das Ruhrgebiet haben die Grünen kein Verständnis. „Das Gezerre um die Umweltzone hat erst kürzlich bewiesen, dass die bürokratische Dreiteilung der Region schadet und durch Doppel- oder Dreifachzuständigkeiten immer wieder städteübergreifende Initiativen gehemmt werden“, fährt Tönnes fort. „Und wo steht eigentlich die Ruhr SPD in dieser Diskussion? Erst vor drei Wochen hat sich die SPD-Fraktion einschließlich elf SPD-OberbürgermeisterInnen und SPD-Landräte im RVR gemeinsam mit allen anderen Fraktionen zum Regionalverband als starke regionale Klammer bekannt. Falls dies nicht nur ein Lippenbekenntnis war, ist es nun höchste Zeit zu einer klaren Aussage der Ruhr SPD. Die Störfeuer aus Dortmund müssen endlich ein Ende finden, weil dies dem Verband wie auch der Region massiv schadet.“

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Dortmunds OB Langemeyer will den aktiven Städtebund

 

Dortmunds Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer. Foto: dortmund.de

Man muss dem Dortmunder OB Gerhard Langemeyer einiges lassen. Unter anderem, dass er sich kreativ für neue Lösungen im Ruhrgebiet einsetzt, auch wenn sie Kontroversen auslösen.

Vor diesem Hintergrund verteidigt Langemeyer im Gespräch mit mir auch die Idee eines Städtebundes Ruhr mit den Oberbürgermeistern als einzige legitime Spitze, die sich in geheimen Runden treffen, um gemeinsame Strategien abzusprechen.

„Wir sind als Oberbürgermeister direkt gewählt und für unsere Kommunen verantwortlich. Wenn wir uns treffen, dann sind wir von unseren Bürgern dafür demokratisch legitimiert“, sagte Langemyer. Mehr öffentliche Kontrolle sei also nicht nötig. Und wenn es was mitzuteilen gebe, werde das von den lokalen Pressestellen weitergereicht. Nachfragen – leider noch nicht vorgesehen.

Aber natürlich geht es um die Inhalte des Städtebundes, und hier zieht Langemeyer eine scharfe Trennlinie zum Regionalverband Ruhr. „Der RVR ist eine kommunale Veranstaltung. Wenn dorthin jetzt staatliche Aufgaben wie die Planungshoheit verlagert werden, dann ist das nicht hinnehmbar. Welcher Oberbürgermeister soll das gut finden?“ Und weiter: „Eine Quasi-Staatliche Form der regionalen Verwaltung ist nicht tragbar. Das ist Fremdbestimmung. Das brauchen wir nicht.“

Für den Fall, dass der RVR wie von der Landesregierung vorgesehen die Planungshoheit über das Revier im Jahr 2009 erhalten sollte, kündigte Langemeyer bereits jetzt weitreichende Schritte an. „Wenn wir aus dem RVR austreten, bleiben wir automatisch im Regierungsbezirk Arnsberg, dann ändert sich für uns nichts. Die Frage ist doch, was wir brauchen, eine staatliche Regionalplanung im RVR oder eine Regionalplanung in Arnsberg.“

Druck von außen will sich Langemeywer auf jeden Fall nicht beugen: „Die Landesregierung muss zur Kenntnis nehmen, dass es im Ruhrgebiet kommunale Interessen gibt. Und diese Interessen müssen vertreten werden. Es gibt keine Lösung an den Städten vorbei. Das kann kein Lammert durchsetzen.“

Auch an die Lösung der Kleinstädterei durch gemeinsame Finanzinstrumente glaubt der Dortmunder Oberbürgermeister nicht. Einen kommunalen Finanzausgleich bei den Gewerbesteuereinnahmen könne es nicht geben, so wie er von einigen Städten angestrebt wird. „Der Ausgleich funktioniert über das Land durch die Kommunalzuweisungen. Mehr ist nicht nötig.“ Eine Ausnahme macht Langemyer nur bei gemeinsam entwickelten Gewerbegebieten in städtischen Randlagen. „Hier kann es Insellösungen geben.“

Auch ein gemeinsamer Flächennutzungsplan mit anderen Städten, wie ihn das Landesplanungsrecht für das Ruhrgebiet vorsieht, ist für Dortmund kein Thema:. „Wir haben erst 2004 einen neuen Plan aufgestellt und ihn in die Planungen der Bezirksregierung Arnsberg eingepasst. Wir haben keinen Bedarf an neuen Planungen. Unser Plan ist sicher 20 Jahre gültig.“

Langemeyer will endich die Strukturdebatten im Ruhrgebiet beenden: "Wir brauchen Lösungen für konkrete Projekte. Darauf sollten wir unsere Kraft konzentrieren.“ In diesem Sinne könnte der RVR die Rolle einer Agentur übernehmen, die gezielt Projekte für die Kommunen umsetzt. Sei es in der Grünpflege oder im Tourismus. „Ich sehe die Rolle des RVR ähnlich wie die des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr. Er muss sich um konkrete Aufgaben kümmern und nicht um die Belange der Kommunen."

Von dem gemeinsamen Ruhrbezirk, wie ihn SPD und Grüne noch in den letzten Wochen der rot-grünen NRW-Koalition vereinbart hatten, will der Dortmunder OB nichts mehr wissen. Das "Düsseldorfer Signal", so hieß die Vereinbarung damals, spielt für Langemeyer „keine Rolle“ mehr. „Die SPD steht für diese Überlegungen nicht mehr zur Verfügung.“

Klare Worte des Oberbürgermeister.

 

 

 

Thoben: Es kommt auf den RVR an!

NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben. Foto: nrw.de

In einem Interview wollte Landeswirtschaftsministerin Thoben wie zuvor schon andere Mitglieder des Landesregierung und der Koalition, keinen Termin zur Schaffung eines Ruhrbezirkes nennen. Thoben auf die Frage, wann mit der Schaffung eines Ruhrbezirks zu rechnen sei:

"Mich irritieren Menschen, die über den zweiten, dritten und vierten Schritt diskutieren, bevor der erste vollzogen ist. Die Landesregierung wird die Planungskompetenz für das Ruhrgebiet nach der Kommunalwahl im Jahr 2009 auf den RVR übertragen. Das ist ein historischer Schritt, der seit mehren Jahrzehnten gefordert und nun endlich umgesetzt wird. Ich denke, dass die Art und Weise, wie die Verantwortlichen im Revier mit der neu gewonnenen Planungshoheit umgehen, großen Einfluss auf den Fortgang der Verwaltungsmodernisierung in Nordrhein-Westfalen haben wird. Wir reden über Verwaltungsstrukturen, die zum Teil über 200 Jahre alt sind. Angesichts solcher Zeiträume ist man gut beraten, wenn man Modernisierungsschritte sorgfältig und in stetigem Dialog mit den Betroffenen vorbereitet und dann auch umsetzt."

Die Zukunft des Ruhrgebiets in den Händen des RVRs – wer sich dass Führungspersonal des Verbandes anschaut, das die dort regierende Rot-Grüne-Koalition zusammen gewählt hat, dem kann Angst und Bange werden. Das gewählte schwache Personal zeigt nun, was es alles nicht kann. Regionaldirektor Klink hat es geschafft, in seinem eigenen Verband mehr für Erheiterung als für Ideen zu sorgen und der für den Bereich Planung zuständige Bereichsleiter, Thomas Rommelspacher, gilt zwar als Experte, hat aber in den Auseinandersetzungen mit den Planungsdezernenten der Städte beim Aufbau einer starken Regionalplanung kaum politische Rückendeckung – schin gar nicht von seinem Chef, der einfach nur in Ruhe seiner Pensionierung entgegendämmern möchte. Die Städte wollen keine Regionalplanung, sondern, ganz Kirchturmspolitiker, lieber laue Absprachen ohne große Verbindlichkeiten, ganz so, als ob die Entwicklung des Ruhrgebiets in den vergangenen Jahrzehnten so strahlend und erfolgreich war, dass es eigentlich keinen Änderungsbedarf gibt. Zudem gibt es wohl Personalprobleme: Der RVR braucht Experten aus den Regierungsbezirken, die ihre Arbeit für das Revier künftig in Essen erledigen und weiterhin vom Land bezahlt werden –  gerade über den letzten Punkt gibt es wohl noch Diskussionsbedarf. Wenn es das Land mit dem Ruhrgebiet ernst meint, muß es dem RVR die Fachleute zur Verfügung stellen, die das Ruhrgebiet für eine eigene Planung braucht.