Drall nach QQ – Max Goldt liest im Ruhrfestspielhaus

Katz und Goldt

Katz und Goldt: the duo who does what duos should do.

Der Mann hat während seiner Auftritte auch mal Musik gemacht, allerdings gibt es mittlerweile höchstens noch eine knappe a-capella-Einlage als Zugabe, anders als bei seinem ehemals befreundeten Autor- und Musikerkollegen Wiglaf Droste ("Ist das Hirn zu kurz gekommen, wird sehr gern Moral genommen."), dessen Gesangsanteile – früher begleitet vom Essener Spardosenterzett – schon mal den halben Abend in Anspruch nehmen können, was ja ganz okay ist, aber auch nicht sein muss; dann doch lieber nur Texten lauschen.

Zum Beispiel denen von Herrn Goldt am morgigen Mittwoch, 20. Februar um 20.00 Uhr im Ruhrfestspielhaus Recklinghausen. Karten gibt’s für ca 14 EUR.
Wer stattdessen lieber zuhause bleiben möchte, kann dies gerne tun und sich wahlweise eine seiner unzähligen Hörbücher reinziehen.

Sicher werden wieder vorwiegend frische Texte gelesen. Vielleicht auch mal Kostproben aus seinem aktuellen Werk "QQ" oder dem letzten "Vom Zauber des seitlich dran Vorbeigehens":

Die Verbesserung von Jessicas Mutter mit Hilfe eines Mülleimers:

"Liefe jemand zum Zwecke statistischer Erhebungen durch eine Fußgängerzone, würde er zu dem Resultat gelangen, daß um die zehn Prozent aller erwachsenen Frauen (aber höchstens ein Prozent der Männer) eine Puppe, Tigerente oder, meistens, einen Teddybären an ihrer Tasche befestigt haben. Es ist dies ein Phänomen des frühen 21. Jahrhunderts; noch vor wenigen Jahren hätte man in jemandem, der sich mit einem solchen, von der Schnickschnackindustrie <<Bag Charme>> genannten Zierat ausstattet, einen Angehörigen einer therapeutischen Wohngemeinschaft gesehen, einen, der es schwer hat, sich im Leben zurechtzufinden, und professioneller Betreuung bedarf. – Leider sagt den Bärchenfrauen niemand, wie der Hase läuft. Sie haben keinerlei milieuüberschreitende gesellschaftliche Kontakte und empfinden vielleicht jeden, der sich kein Spielzeug ans Stadtgepäck heftet, als abgehoben und herzlos. Kinder sollten in dieser Frage auf ihre Mütter einwirken, denn <<Erziehung darf keine Einbahnstraße sein>>. "

"MODERATOR: Warum legen eigentlich heute so viele Frauen Wert darauf, möglichst gemein zu sein? Jede noch so biedere Seriendarstellerin sagt im Fernsehen, dass sie am liebsten ‚bitterböse‘ sei, und selbst meine gute Mutter liest nur noch Bücher, in denen Frauen ihre Gatten im Schornstein einmauern.

PETRA HIPPROTH (Krimiautorin): Ach, das sind halt ins Ritualhafte abgedriftete Überbleibsel eines einstmals berechtigten Widerstands gegen das Postulat des Sanften. Alter Käse, streng genommen. Das wird sich schon wieder beruhigen. Ich bewege mich schon seit längerem davon weg, ich verspüre mehr so einen Drall in Richtung QQ.

MODERATOR: QQ? Sie verwenden heute ziemlich exotische Ausdrücke.
PETRA HIPPROTH: Kennen Sie nicht QQ? Das steht für ‚quiet quality‘ – stille Güte. Ein neues Schlagwort aus den USA für alles, was nicht schreit und spritzt. Da ich mir allerdings einmal eine schöne Wohnung im Augustinum leisten möchte, also in einem dieser Altersheime für gut situierte Leute mit ein bisschen Hirn, habe ich mir ausgerechnet, dass ich noch fünf Jahre schreien und spritzen muss, und dann kann’s losgehen mit QQ."

Legion der Unsichtbaren

Fotos: Städte Köln, Frankfurt, Düsseldorf, Berlin und RVR

Das Ruhrgebiet braucht keinen starken Repräsentanten, es hat viele starke Oberbürgermeister – den Satz habe ich mehr als einmal gehört. Doch die Repräsentanten der Revierstädte werden nicht wahrgenommen – niemand kennt sie, auch wenn Städte wie Essen oder Dortmund größer sind als Düsseldorf – ihre OBs, Wolfgang Reiniger und Gerhard Langemeyer, sind trotzdem Teil der Legion der Unsichtbaren. Ich habe fünf Tage lang die Namen der lokalen Spitzenpolitiker des Reviers in Google-News eingegeben, und sie mit ihre Kollegen aus Berlin, Frankfurt, Düsseldorf und Köln verglichen. Sondereffekte wie Nokia habe ich rausgenommen und einen Durchschnitt gebildet. Das Ergebnis, über das man natürlich diskutieren kann, zeigt: Das Ruhrgebiet braucht nicht nur ein Parlament, dass sich in regionale Aufgaben wie Nahverkehr, Wirtschaftsförderung und Kultur einmischt, sondern auch einen Repräsentanten, der dem Revier ein Gesicht und eine Stimme verleiht – natürlich von allen Bürgern gewählt. Damit auch eines klar ist: Ich will nicht sagen, dass die OBs einen schlechten Job machen, weil sie nicht bekannt sind. Sie haben in dieser Stadtlandschaft einfach  kaum eine Chance sich zu profilieren – schon weil die Nachbarn darauf aupassen.   Die Zahlen:

                     

Bottrop Peter Noetzel: 1
Bochum Ottilie Scholz  6
Dortmund Gerhard Langemeyer 7
Hagen Peter Demnitz    2
Hamm Thomas Hunsteger-Petermann 0
Mülheim Dagmar Mühlenfeld 3
Duisburg  Adolf Sauerland  30
Oberhausen Klaus Wehling 1
Gelsenkirchen Frank Baranowski 8
Herne Horst Schiereck 4
Kreis RE   Jochen Welt 24
Kreis EN  Arnim Brux 3
Kreis WES Ansgar Müller 14
Kreis UN Michael Makiolla 2
RVR Heinz Dieter Klink 0
Köln Fritz Schramma 180
Frankfurt Petra Roth 158
Düsseldorf Joachim Erwin 68
Berlin Klaus Wowereit 492
     

Traurig aber wahr: Die Bürgermeister und Landräte des Reviers repräsentieren noch nicht einmal die Bürger ihrer Städte jenseits der eigenen Stadtgrenzen. Vom Ruhrgebiet ganz zu schweigen.

Dokumentation: Ruhrgebietsumfrage 2001

2001 hat die WAZ die letzte große Umfrage zum Ruhrgebiet bestellt. Da geht es auch darum, wie sich Dortmunder und Duisburger fühlen: Immer noch mehr als Ruhrgebietler denn als Westfalen oder Rheinländer – das taten schon 2001 vor allem die Alten. In erster Linie sind alle  natürlich Deutsche etc.. Und viele sehen die Kirchturmpoltik als ein Problem an. Mein alter Kumpel Peter Kruck und sein Institut BIFAK  haben sie damals gemacht – und Peter hat sie den Ruhrbaronen zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür. Hier isse.

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Zum Winkel im Pott


Klaus Zumwinkel. Foto: Deutsche Post
Jetzt ist der Postchef in Bochum in den Winkel gedrückt worden, bis er gequietscht hat. Aber warum gerade in Bochum? Mitten im Revier?

Weil hier die guten Staatsanwälte sitzen, sagen viele.

Kann sein, aber die gibt es auch in Köln und anderswo.

Weil der BND über die Wuppertaler Steuerfahnder einen Informanten weitergeleitet hat, sagen die gewöhnlich top informierten Quellen.

Kann sein, aber die hätten das auch an Köln weiter geben können, wo der Klaus Zumwinkel wohnt.

Weil es andere Beschuldigte gibt, die ihren Sitz in Bochum haben und Zumwinkel nur ein, wenn auch prominenter, Nebentäter ist, sagt mir einer von den Bochumer Ermittlern.

Kann auch sein. Aber wer soll das sein? Wer soll so viel Einfluss haben hier in Bochum? Wer sind die Nebentäter, verdammt.

Da ist die Rede  von  der Batliner-CD, die seit Jahren in Bochum liegt. Da ist die Rede von 600 Beschuldigten.

 

Wir müssen in die Tiefe gehen. Da eintauchen und bohren. Vielleicht kommen wir an Infos. Vielleicht erfahren wir, wer die anderen sind.

Wir müssen sehen, was los ist, warum in Bochum der Hammer kreist. Schaut nach, fragt nach, kriegt es raus.

Und Zumwinkel? Wenn der tatsächlich 1 Mio Steuern hinterzogen hat. Dann gehört der in den Bau. Wie alle anderen auch.

schurians runde welten: Schattenbolzen und Dampfablassen

 

 

„Die in diesem Gesetz aufgeführten Rauchverbote gelten in Gebäuden und sonstigen vollständig umschlossenen Räumen.“ klick!

Irgendwann war ich es leid, im Stadion ein Bier nach dem anderen zu trinken, wie man es leid ist, Bücher ungelesen der Bibliothek zurückzugeben, weil die Leihfrist abgelaufen ist. Seither habe ich mehr vom Spiel. Was ich nicht lassen kann, ist das Rauchen im Stadion – aus gesundheitlichen Gründen.

Es macht gerade eine Untersuchung zu den kardiologischen Gesundheitsgefahren des Fußballguckens die Runde. Und die angelsächsischen Forscher haben Recht. Zuschauen birgt enorme Risiken. Ohne seinen Platz verlassen zu können, muss man ohnmächtig die gruseligsten Dinge mitansehen. Das Herz beginnt zu rasen, der Blutdruck steigt, eine Stresssituation. Man schwitzt, brüllt und ahmt die Bewegungen der Spieler im Strafraum nach, zuckend wie eine träumende Katze. Doch ohne Geschrei, Schattenbolzen und ohne Zigaretten würde einem das Spiel noch mehr ans Herz gehen. Ohne Dampfablassen und Übersprungshandlungen wäre es hochriskant.

Ob es diese umgekehrte Gesundheitsapostelei ist? Deutschland hat jedenfalls weiter ein Herz für Stadionraucher. Zwar wird im Sommer sogar in Kneipen Schluss gemacht mit dem Paffen, doch für Stadien gilt das nicht. Mit einem kleinen Kniff hat das die Landespolitik auch in NRW geschafft. Und einige unangenehme Fragen ignoriert:

Warum soll Fußball und Rauchen gehen, obwohl da auch jede Menge Jugendliche, sogar Kinder zugegen sind? Weshalb sind angezündete Zigaretten in Konzerthallen oder Eisstadien Tabu, nicht aber in Fußballarenen mit Schiebedach? Und schließlich: Warum müssen Nichtraucher in den Kurven nicht genauso vor Tabakqualm geschützt werden wie in Eckkneipen, zumal mehr Nichtraucher zum Fußball gehen als in verrauchte Bierschwemmen?

Dennoch hat die Politik mit einer „Lex Schalke“ am Fußballqualm nicht rütteln wollen – selbst in der Arena mit dem Schiebedach nicht. Nur für die Gelsenkirchener ist im Gesetz von „vollständig umschlossene Räume“ oder auch von „dauerhaft geschlossenen Räume bei öffentlich zugänglichem Sportbetrieb“ die Rede. In den Erläuterungen des Gesetzgebers findet sich die plumpe Formulierung der „überdachten aber nicht vollständig geschlossenen Sportstadien“. Und auch diese wissenschaftlich nur mittelmäßig haltbare Erklärung: „In der Außenluft können sich die Schadstoffe des Tabakrauchs besser verteilen, so dass die Gesundheitsgefahren durch Passivrauchen erheblich vermindert sind“.

Irgendwie putzig. In Wirklichkeit haben sie nur Angst vor lauter Herzklabaster auf der Tribüne.

Unsichtbares Ruhrgebiet


Ruhrgebiet in den Medien: Bundesliga dominiert Foto: Privat

In die Medien kommt das Ruhrgebiet vor allem über Ereignisse, nicht über Personen. Und Ereignisse produziert vor allem der Fußball: Wirft man einen Blick in Google-News, scheint das Ruhrgebiet eine Gegend zu sein, die mal um zwei, mal drei oder vier Stadien herum liegt. Und dann gibt es noch Opel, Nokia und die Zechen. Die großen Jobkrisen sind spektakulär, viel spektakulärer als die vielen kleinen Erfolge, als die mittelständischen Unternehmen, die im Revier Jobs schaffen. Und so prägen auch die Krisen das Bild vom Ruhrgebiet. Nur ganz selten blitzen sternschnuppengleich Erfolge auf: Die ThyssenKrupp-Heimkehr war eine solche Meldung.

Das Bild des Ruhrgebiets ist also das einer strukturschwachen Region, in der junge Männer in kurzen Hosen gerne gegen Bälle treten.

Was dem Ruhrgebiet vor allem fehlt, ist ein Gesicht. Frankfurt hat Petra Roth, Berlin Klaus Wowereit und München Christian Uhde. Ihre Städte haben Gesichter, sind mit Personen verbunden, die sich immer wieder auch zu Themen jenseits ihrer Städte zu Wort melden, die in Talkshows eingeladen werden, die sich und ihre Region repräsentieren. Sie können auch die Geschichten der kleinen Erfolge erzählen, sind Imageträger.
Und in diesem Bereich der medialen Vermittlung, der durch den Hang der Medien zu Personalisierung von Nachrichten in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen hat, kann das Ruhrgebiet nicht mithalten. Gut, mit Beitz, Müller und Grossmann gibt es wieder drei veritable Ruhrbarone, aber kann es sich eine Region erlauben, von ein paar Managern repräsentiert zu werden? Was, wenn statt diesen dreien, die in der Tat eine starke mediale Präsenz haben, eines Tages graue Mäuse an ihre Stelle treten?
Die Ruhrbarone, sie reichen nicht aus – das Ruhrgebiet braucht einen Kopf, demokratisch legitimiert, mit einer Adresse, an die sich Journalisten und Unternehmer wenden. Einen solchen Kopf gibt es nicht – die Oberbürgermeister, jeder von ihnen medial schon auf Landesebene unterhalb jeder Wahrnehmungsschwelle, wollen nicht, dass jemand ihre vergleichsweise kleinen Lichter überstrahlt.

Somit ist das Ruhrgebiet, was die mediale Präsenz betrifft, schlecht aufgestellt.

Ein weiteres Problem ist, dass das Ruhrgebiet keine Talente anzieht und die, die aus ihm hervorgehen, exportiert. Berlin auf die Berliner reduziert ist vor allem eine Ansammlung langweiliger bis muffliger Transfer-Empfänger – aber die Stadt zieht interessante, kreative Menschen an und das nicht nur aus Deutschland: David Bowie und Iggy Pop lebten dort in den 70ern. Heute schwärmen Bratt Pitt und Angelina Jolie von der einstigen Mauerstadt. Und das Ruhrgebiet: Ob Herbert Grönemeyer, Ingo Naujoks, Claude-Oliver Rudolph, Philip Boa oder FM Einheit – wir exportieren sogar noch unsere Talente.
Der Fluch des Ruhrgebietes ist sein Mangel an Zentralität. Selbst so etwas Banales wie den Sitz eines Regierungspräsidiums gibt es in dieser Region nicht. Eine Region ohne zentrale Funktionen, im besten Falle solche, die kulturell, wirtschaftlich oder politisch über die Region hinaus Bedeutung besitzen, produziert keine Nachrichten, ist nicht Sitz von Medien mit überregionaler Strahlkraft und nicht in der Lage, ihr Bild in der Öffentlichkeit selbst zu bestimmen. Sie ist Objekt der Berichterstattung – und damit nicht Zentrum, schon gar nicht Metropole, sondern Provinz.

Auch wenn das Ruhrgebiet wirtschaftlich stark ist, der Sitz zahlreicher Konzerne und gar im Energiebereich durchaus eine bundesweit dominierende Rolle einnimmt – das ewige Gejammer um Unterstützung, das permanente Einfordern von Solidarität, das Betteln um Subventionen und Fördergelder – es schwächt das Bild des Ruhrgebiets. Die Region ist auch so stark auf Hilfe von außen angewiesen, weil sie die möglichen Synergieeffekte nicht nutzt. Wenn ich ein Steuerzahler in München wäre – meine Begeisterung, mit meinen Steuergeldern ein paar Dutzend vor sich hin wurschtelnde Nahverkehrsunternehmen, 56 Stadt- und Kreisverwaltungen und viele, viele andere überflüssige Parallel-Organisationen durchfüttern zu sollen, würde sich in engen Grenzen halten.

Die Alimentierung des Reviers verhindert nicht nur die Entwicklung effizienter Strukturen, sie raubt der Region ihren Stolz, und das spürt man auch medial.

Natürlich gibt es Ausnahmen. In Bereichen, in denen die Zentralität traditionell nicht allzu stark ausgebildet ist, in denen das Ruhrgebiet wettbewerbsfähig ist, ist das Ruhrgebiet gut vertreten: Wissenschaft und Fußball sind die beiden Themenfelder, in denen das Revier auch international wahrgenommen wird. Vor allem die Berichte über Schalke 04 und Borussia Dortmund gehen um die Welt.
Hier ist das Ruhrgebiet mit seinen im Augenblick vier Bundesligisten sehr gut dabei. Der fußballerische Erfolg führt aber auch zu einer Verzerrung in der Wahrnehmung: Weil die anderen Bereiche, weil Politik, Kultur, aber auch Nachtleben, Einkaufen oder andere Freizeitbereiche nicht vorkommen.
Jeder hat eine Ahnung von München oder Berlin, die so wenig mit der Wirklichkeit zu tun hat wie die medial transportierten Bilder über das Ruhrgebiet. Die Images dieser Städte sind aber attraktiver, weil sie scheinbar umfassender sind, weil sie nicht auf so wenige Aspekte wie Fußball und Großindustrie reduziert werden – die Berichterstattung über den Wissenschaftsbereich spielt für die große Masse der Medienkonsumenten keine allzu wichtige Rolle.
Hinzu kommt, dass es seit Ende der 90er Jahre keine aktive Öffentlichkeitsarbeit des Ruhrgebietes gibt. War die Kampagne „Ein starkes Stück Deutschland“ noch ein Vorbild für zahlreiche spätere Stadt- und Regionalkampagnen, hat man diese Arbeit seit längerem aufgegeben. Stattdessen setzt der Regionalverband Ruhr, der Zusammenschluss der Städte des Ruhrgebiets, auf eine mediale Repräsentanz der Region durch Großereignisse wie die Kulturhauptstadt 2010. Ein riskantes Konzept, hat man doch auf die Qualität solcher Ereignisse und ihre Öffentlichkeitswirksamkeit nur einen beschränkten Einfluss. Dass dieses Konzept eher eine Verlegenheitslösung als eine Strategie ist, wird daran deutlich, dass es für die Zeit nach der Kulturhauptstadt überhaupt keine Pläne für vergleichbare Großereignisse gibt.

Das Problem des Ruhrgebiets bei seiner medialen Repräsentation ist das Problem des Ruhrgebiets in seinem Alltag: Es fehlt der Region an Bedeutung. Die muss sie einfordern, und das kann sie nur zusammen: Mit 5,5 Millionen Menschen kann man Ansprüche stellen, nicht ewig auf weitere Unterstützung – das ist würdelos – sondern auf seinen Teil vom Kuchen: Ein Regierungspräsidium, mehr Geld für die Hochschulen, Ansiedlung von Landes- und Bundesbehörden, von europäischen Institutionen. Warum ist das Landesarbeitsamt in Münster? Warum Westlotto? Warum werden nicht mehr Großforschungsanlagen im Ruhrgebiet errichtet? Warum haben wir nicht mehr Fraunhofer-Institute? Mehr Max-Plank-Institute? Wieso werden unsere Autobahnen so schleppend ausgebaut? Unsere Bahnhöfe? Wir stellen knapp sieben Prozent der Bundesbevölkerung – und haben mindestens in diesem Maße einen Anspruch auf zentrale Institutionen mit Außenwirkung. Da diese in erster Linie ohnehin nur in Großstädten angesiedelt sind, haben wir ein Recht auf einen noch deutlich größeren Teil. Diesen Anteil können wir zu Recht einfordern und sollten es mit Selbstbewusstsein tun.

Institutionen mit zentralen Funktionen und mit Strahlkraft würden die mediale Repräsentanz des Ruhrgebiets ändern, ja, die Bedeutung der Medien aus der Region für die Bundesrepublik stärken – und dann würde sich das Bild der Ruhrgebiets in den Medien verändern.

Rocken mit Rudi & Ralph

 

Jägermeister bläst zur Rock:Liga 2008, mit Gruppenspielen ausgetragen unter anderem in Bochum und Essen.

In der Zeche Bochum treten heute, Mittwoch, 13. Februar, 20.00 Uhr in der Gruppe B Therapy? (Belfast), Dúné (Skive, DK) und Portugal. The Man (Wasilla/Alaska) gegeneinander an, wobei der Auftritt des Indie-Rock-Trios aus Alaska (eigene Stilbeschreibung: Soul / Progressive / Grime) noch am spannendsten ausfallen dürfte.

Therapy? kann man ja schon als leicht verbraucht zählen; deren beste Phase war Mitte der 90er und danach klingen sie immer noch. Jedenfalls passen sie prima in das seit Jahren gepflegte Veranstaltungskonzept der Zeche Bochum, die sich offensichtlich zum Ziel gesetzt hat, abgehalfterten Prog- und Classic-Rock-Rentnern wie Manfred Mann, Wishbone Ash oder gar gleich einem ganzen CLASSIC ROCK PACKAGE auf verbliebene Lebenszeit Asyl zu bieten. Von der anderen grausamen Ausrichtung (Olaf ‚Lasso‘ Henning) sprechen wir lieber nicht.

Gruppe D findet sich erst in ca 6 Wochen, am 24. März (Ostermontag), um 20.00 Uhr in der Zeche Carl in Essen-Altenessen ein. Mit Mediengruppe Telekommander (Berlin), The Electric Soft Parade (Brighton/UK) und Zoot Woman (London) wird es wesentlich elektrolastiger ausfallen, am wenigsten aber noch bei The Electric Soft Parade: deren Ableger Brakes dürfte ein paar Leuten noch von ihrem damaligen Auftritt im Bahnhof Langendreer als Vorprogramm der Editors in bester Erinnerung sein, beispielsweise die liebevolle zehnsekündige Hommage an Dick Cheney.
Meine persönlicher Favorit der Gruppe D: Zoot Woman. Ist mehr Pop als Rock, dafür aber richtig gut. Eine Woche später, am 31. März, kann man sie nochmals in voller Länge im bis dahin frisch renovierten Prime Club in Köln erleben.

Tickets kosten ca 14 EUR an der Abendkasse.

Zu den Regeln: jede Band darf sich 45 Minuten auf der Bühne austoben. Anhand der Applauslautstärke wird abgestimmt; klingt irgendwie nach Poetry-Slam. Aus jeder Gruppe kommt nur der Erste ins Finale. Das findet in Berlin statt, soll hier also nicht weiter interessieren.

Einen klebrigen Beigeschmack hat die Jägermeister-Veranstaltung dann doch: da wären die nachgesagten – selbstverständlich dementierten – engen Verbindungen zwischen Curt Mast – ein Sohn des Firmengründers Wilhelm Mast – und dem Reichsjägermeister Göring, desweiteren der Miss Arschgeweih contest – mittlerweile arg abgeglitten im Trend und deshalb in Sachen Promotion ersetzt durch die Jägerettes, angeworben als „junge dynamische und selbstbewusste Männer und Frauen im Alter von 20-25 Jahren“, ausserdem die ausgesprochen schicken Merchandising-Artikel wie Hirschfellimitat-Bikini und Arschgeweih-String-Tanga, und nicht zu vergessen dieses süssbraune eklige Kräutergebräu, besonders verheerend in Kombination mit Orangensaft.

Auf der Unternehmens-Webseite finden sich dann noch jede Menge Zahlen, Fakten, Fakten, Fakten und Daten wie
„Jägermeister tritt für den verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol ein. Jägermeister meint es ernst“.
Wie ernst sie es meinen, das demonstriert bereits eindrucksvoll die Zugangsbeschränkung auf der Infotainment-Homepage: diese verlangt die Eingabe des Heimatlandes sowie des Geburtsdatums. Und tatsächlich: ist man noch keine 18, kommt man partout nicht rein und wird stattdessen begrüsst mit den warmen Worten „Vielen Dank, dass du so ehrlich bist und zugibst, nicht zu unserer Zielgruppe zu gehören!“ Zur Zielgruppe reichen auch die Jäger nicht mehr aus, was bereits in den 60er Jahren erkannt wurde.

In der Unternehmensrubrik Alkohol und Verantwortung findet sich die Marketing-Maßnahme „keine Darsteller unter 25 Jahren in der gesamten Kommunikation“. Ich empfehle dann mal der Marketing-Abteilung, diese Botschaft mit den Jägerettes abzustimmen.
Die Kurzchronik gibt sich wie erwartet kurz; die meisten Akten seien schliesslich im Krieg verbrannt, heißt es. Abschliessend die neue Kommunikationsstrategie:
„In 2002 wurde das gesamte Kommunikationskonzept noch mal leicht nachjustiert: Der neue Claim ACHTUNG WILD! steht für Kantigkeit, Wildheit und Selbstbewusstsein.“
Das macht mich ganz schwindelig. Ob das auch so in der Rock:Liga praktiziert wird? Bin dann mal gespannt auf die nächste Justierung.

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Nokia: Endgültiges Aus


Foto: Görges

Keine Überraschung: Das Nokia-Management hat sich nicht auf die Vorschläge des Betreibrates zur Rettung des Standortes Bochum eingelassen. Nun wollen beide Seiten nach Lösungen für die Mitarbeiter suchen. Die gemeinsame Stellungnahme von Nokia und dem Betriebsrat der Nokia GmbH zu den heutigen Gesprächen in Helsinki klingt schon beinahe versöhnlich. Zur Zukunft der Nokianer hat Christoph Schurian indes einen eher sekptischen Arbeitsmarktexperten interviewt.

Über die Ohnmacht des Ruhrparlamentes


Die Verwaltungsspitze des RVR (v.l.n.r): Dieter Funke, Bereichsleiter Wirtschaftsführung,
Heinz-Dieter Klink, Regionaldirektor, Ulrich Carow, Bereichsleiter Umwelt, und
Dr. Thomas Rommelspacher, Bereichsleiter Planung. Foto: RVR/Kazani

Alle Macht dem Parlament. Das sollte auch fürs Ruhrgebiet gelten, denke ich, gerade wenn es um das Geld geht. Doch hier macht mir das Ruhrparlament Sorgen. Haaaachh

Heute habe ich die vollständige Liste der neuen Förderanträge des Ruhrgebietes angesehen. Da wird auf duzenden Seiten unter Federführung der Tochter des Regionalverbandes Ruhr (RVR), also der Metropole Ruhr GmbH, alles das zusammengetragen, was nach Ansicht des Reviers Anspruch auf Europäische Förderungmillionen hat.

Was sollte man erwarten? Irgendwas wie Tokyo in Flammen oder so, ein Konzept, eine Idee von einem Aufbruch, der eigentlich schon bevorsteht und nur noch ein paar Flocken braucht, damit die Funken fliegen! Ja, so was sollte man erwarten.

Doch das gibt es leider gar nicht. Stattdessen, die übliche Tristesse: Zum Beispiel wird in Bottrop ein Innenstadtumbau geplant, um die City attraktiver zu machen – damit die Bottroper Kaufkraft bei dem aktuell anschwellenden Leerstand trotzdem in der Kommune bleibt. Ach so. Dieser völlig realitätsfremde Antrag berücksichtigt nicht, dass dieser phantasielose Innenstadtumbau, lange im Gang ist, völlig unmodern bleibt und dafür auch noch an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei geht.

Falls mir diese Behauptungen keiner abnimmt, was ich mir denken kann, hier nur ein Hinweis: In der Realität wird in Essen mit dem neuen Arcandor-Shopping-Center gerade eines der größten Kaufrauschhäuser der Welt gebaut. Bottrop liegt direkt daneben. Kann nun ein von Brüssel bezahltes Bürgerbüro in Bottrop den Abfluss der Kaufkraft aufhalten? Nein, kann es nicht.

Brüssel sollte also lieber ein Projekt bezahlen, mit dem alle Revierstädte sich auf ein übergreifendes Einzelhandelskonzept einigen, damit alle Kommunen davon was haben. Im Fall von Bottrop könnte das heißen: warum nicht aus der Stadt eine Kneipenlandschaft machen, ein Westbermudadreieck, oder so? Etwas, das abends und nachmittags Leute in diese verschnarchte Schlafstadt von Essen holt?

Was auch immer. Der Leerstand im Einzelhandel kann nur Städteübergreifend in einen Raum für zukünftiges Wachstum umgewandelt werden.

Womit wir endlich beim Thema sind.

Die Arena, in der die Ideen für die wichtigsten Förderprojekte des Ruhrgebietes im Wettstreit miteinander bestehen müssten, sollte das Ruhrparlament sein.

Denn das ist der Kern jeder Demokratie. Über Geld wird im Parlament gestritten.

Auch im Ruhrparlament ist das eigentlich so. Doch hier wird über Fahrradwege parliert, während über den dicksten Brocken, die rund 1,6 Milliarden Euro Fördergeld aus Brüssel und Düsseldorf, kein Wort verloren wird.

Stattdessen stellt die Wirtschaftsförderung eine zusammenhangslose Liste von Einzelprojekten aus jeder Kommunen zusammen, und versucht erst künstlich über Bezeichnungen und Tabelletitel eine Art von Zusammenhang zu kreieren. Eine Addition von Nullen bleibt aber eine Ideenlose Null fürs Große und Ganze.

Warum die Liste nicht ins Parlament geholt wird, um hier darüber zu diskutieren?

Ganz einfach, weil die Oberbürgermeister und Landräte das nicht wollten. In ihrer Kirchturmdenke soll der RVR nicht zu der Arena der Zukunft werden.

Das ist Schade. Die Parteien im Ruhrparlament hätten sich gegen diese Abwertung wehren sollen. Dass sie es nicht taten, spricht für die Macht der Bürgermeister und Lokalos und gegen die Tatkraft der Parteien im RVR.

Nachtrag: Den kleinen Parteien ist da eigentlich kein Vorwurf zu machen. In erster Linie wäre es der Job von RVR-Direktor Heinz-Dieter Klink (SPD) gewesen, seinen Untergebenen Hanns-Ludwig Brauser (SPD) von der Wirtschaftsförderung anzuweisen, den Beschluss über die Förderanträge ins Ruhrparlament zu geben. Und als Klink dies nicht tat, hätten die Fraktionschefs von CDU und SPD dies fordern müssen, auch gegen den Willen ihrer jeweiligen Oberbürgermeister und Landräte.