Wer schlechten Umgang bevorzugt, und zwar den mit guten Büchern (die einen bekanntlich fürs Leben verderben), dem empfehle ich „TABU I. Tagebücher 1989 – 1991″ des doch tatsächlich 1929 in Dortmund geborenen Peter Rühmkorf.
Die aufgeklärt-aufklärenden Kommentare und virtuosen Gedichte des 2008 verstorbenen Schriftstellers fehlen allenthalben. Umso faszinierender ist es zu lesen, wie Rühmkorf über seine Fragmente, Aphorismen und „Einfallsquanten“ mit den Jahren 89 bis 91 auch sich selbst als politischen Kopf und begnadeten Hypochonder porträtiert. So werden seine Tagebücher zu einem tragikomischen Schelmenroman: Der Lyriker Rühmkorf als schreibender Don Quichote im Kampf mit den Windmühlen der Zeit. Und dabei ist Rühmkorf immer hellsichtig, ein gelehrter Poet mit lakonischem Witz und artistischer Sprache.
Zitate gefällig?
„Politik? – Einfach mal eine Weile nicht hinkucken und abwarten, bis sich die ehernen Wahrheiten von heute als Blech vom Tage entlarvt haben.“
Oder: „Man soll ungeniert zu sich selbst sprechen und nicht als trüge man sein Ich wie eine Monstranz vor sich her. Manche Dichter behandeln ihre Depressionen wie rohe Eier.“
Und wenn man’s gelesen und genossen hat. Na, einfach TABU II und ein Glaserl Wein zur Hand nehmen und ab geht die Retro-Reise in die Jahre 1971 – 72.