In den 90er Jahren war der österreichische Journalist Tom Kummer der Star unter den deutschprachigen Journalisten. Seine Interviews mit Joseph Stalin, Thomas Mann und Mutter Teresa faszinierten ein Millionenpublikum. Als sich herausstellte, das Kummer diese Interviews nie geführt hatte, war es mit dem Journalismus vorbei. Kummer lebt mittlerweile in Brasilien und ist Geschäftführer einer Großbäckerei in Rosario. Ich traf ihn heute am Rand der NRW-Journalistentages in Recklinghausen und interviewte Kummer beim gemeinsamen Mittagessen im Traditionsrestaurant Boente.
Ruhrbarone: Pferdegulasch – das ist nicht jedermanns Sache.
Tom Kummer: Ich bin bei meinen Großeltern im Mühlviertel aufgewachsen. Dort gab es oft Pferdefleisch. Es ist für mich eine Kindheitserinnerung und ich komme viel zu selten dazu, es zu essen. Die Brasilianer sind ja tief katholisch und verehren das Pferd als heiliges Tier. Pferdegulasch bekommen sie in ganz Brasilien nicht.
Ruhrbarone: Sie wurden in den 90er Jahren berühmt durch eine Reihe spektakulärer Interviews, die alle frei erfunden waren. Boris Becker outete sich in einem Gespräch mit ihnen als alleinerziehende Lesbierin…
Kummer: …und gewann dann immerhin 1993 zusammen mit Martina Navratilova das Damen-Doppel in Wimbledon…
Ruhrbarone: Joseph Stalin philosophierte gemeinsam mit ihnen bei einem Spaziergang durch die Eifel über Buddhismus.
Kummer: Niemanden fiel das auf. Die Redaktionen für die ich schrieb waren von diesen Interviews begeistert, die Leser liebten sie. Ich bekomme heute noch Post von alten Fans, die mich auffordern wieder zu schreiben.
Ruhrbarone: Was daran scheitert, dass keiner mehr ihre Texte haben will. Sie gelten als Betrüger.
Kummer: Ja, das ist so und das sagt sehr viel über den beschränkten Horizont der Chefredakteure in Deutschland aus. Jedenfalls mehr als über meine Qualitäten als Autor.