„Der Naziaufmarsch in Dortmund ist das zentrale Event für die hiesige Neonaziszene“

Vom 3. bis zum 7. August findet im Druckluft in Oberhausen wieder ein Antifa-Camp statt. Es ist auch ein Teil der Vorbereitungen gegen den „Antikriegstag“ der Nationalen Autonomen  der am 3. September in Dortmund stattfindet. Ein Gespräch mit den Organisatoren. 

Zum wievielten Mal organisiert ihr das Antifa-Camp in Oberhausen und wie viele Leute kommen da hin?

Das Antifa-Camp fand zum ersten Mal 2001 statt und verfügt mit den nunmehr elf Jahren seines Bestehens über eine gewisse Tradition im Ruhrgebiet. Wir legen die Camp-Zeit meistens in den August: nicht nur wegen des schöneren Wetters, sondern auch weil da in NRW Sommerferien sind und so gerade jüngere Leute die Möglichkeit haben, am Camp teilzunehmen. Jedes Jahr zelten etwa 100 TeilnehmerInnen auf dem Gelände des Kulturzentrums Druckluft in Oberhausen. Dazu kommen noch etwa 50 Leute, die lediglich zu bestimmten Tagen anwesend sind oder nur einzelne Vorträge besuchen wollen.

Warum macht Ihr dieses Camp?

Eine sehr gute Frage, die wir uns jedes Jahr aufs Neue stellen. Wir sind eine sehr heterogene Vorbereitungsgruppe und haben demnach auch unterschiedliche Gründe für die Organisierung des Camps. Sowohl in Hinblick auf die

Continue Reading

Der Ruhrpilot

Adolf Sauerland

Duisburg: SPD sucht Kandidaten für Nachfolge von OB Sauerland…Der Westen

NRW: Grüne erwarten harte Haushaltsberatungen…RP Online

NRW II: Justizminister Kutschaty nimmt Sextäter-Gutachter ins Visier…Der Westen

JMStV-Beteiligungsplattform: Laufzeit verlängert!…Netzpolitik

Bochum: Der Rassismus – ein Machtinstrument – „Deutschenfeindlichkeit“ – ein Graffito…Bo Alternativ

Dortmund: Wütender Oberbürgermeister stauchte Polizisten zusammen…Ruhr Nachrichten 

Dortmund II: SPD-Fraktionschef Ernst Prüsse tritt 2014 nicht mehr an…Ruhr Nachrichten 

Dortmund III: Universität stoppt Geschichts-Studium kurz vor dem Start…Ruhr Nachrichten

Duisburg: Unfreundlichkeiten und Krach bei Rot-Rot-Grün…Der Westen

Essen: Stadt untersagt Facebook-Party…Der Westen

Umland: Unangekündigte Amok-Alarm Übung…Zoom

News von der Hundertmeister Party

21:oo Uhr

Die Hundertmeister Party wird um 22 Uhr nach Rücksprache mit den Behörden enden.Der Grund : Ab dann ist auf den Strassen kein Lärm mehr erlaubt und da wird sich natürlich auch dran gehalten.

😉

20:00 Uhr Das Hundertmeister ist nicht besetzt. Eine entsprechende Erklärung war zu früh veröffentlicht worden.Gut hundert Leute stehen vor dem geschlossenen Haus und veranstalten eine Party.Die Polizei ist vor Ort.Alles in allem eine ruhige und friedliche Demonstration.

 

Werbung

Duisburg: Hundertmeister besetzt – Unterstützungs-Demo um 19.00 Uhr

Das Zentrum Hundertmeister in Duisburg wurde besetzt. Die Intiative Du it yourself ruft um 19.00 Uhr zu einer Unterstützungsdemo am Dellplatz auf.

 

Hier die Erklärung der Besetzer:

DU erhält(st) Kultur!!!

Herzlich willkommen im Kulturraubstadtjahr 2011. Herzlich willkommen in Duisburg!

Das Jahr 2011 hat uns gezeigt:

Es gibt keinen Freiraum  für  unsere  kulturellen,  künstlerischen,  sozialen,  politischen  und  lebendigen Aktivitäten in dieser Stadt. Die jüngsten Entwicklungen haben uns klar gemacht, dass wir seitens der Stadt keine Hilfe dabei erwarten dürfen, das Leben in Duisburg wieder attraktiv zu gestalten. Im Gegenteil: Wo es gerade noch solches Leben gibt, wird es momentan nach und nach abgewürgt.

Zugleich wird Duisburg dreist als „Kulturstadt“ vermarktet. Diese Labelung könnte realitätsferner nicht sein. Und nicht geschmackloser. Wo immer sich (sub-)kulturelles Leben in dieser Stadt regt, wann immer neue Freiräume eingefordert oder alte verteidigt werden, besteht die offizielle Reaktion maximal  aus lauwarmen Worten. Weder jahrelange Verhandlungen mit der Stadt noch die Nachttanzdemo für  einen autonomen kulturellen Ort in Duisburg noch die „I love DJäzz“-Kampagne erzielten irgendeinen realen Effekt. Aber Duisburg verkauft sich als Kulturstadt. NICHT MIT UNS!!!

Continue Reading

Berlin-Wahl 2011: Das Abgeordnetenhaus – Geschichte eines Feierabendparlaments

Das Berliner Abgeordnetenhaus um 1900

Am 18. September 2011 wird nicht nur die Berliner Bezirksverordnetenversammlung (BVV), sondern auch das  Landesparlament des Stadtstaats neu gewählt. Dieses Landesparlament, auch „Abgeordnetenhaus“ genannt, besteht aus Mitarbeitern, die zusammen ebenfalls als „Abgeordnetenhaus“ bezeichnet werden und in einem Gebäude regieren, das… na?… „Abgeordnetenhaus“ heißt. Alles klar.

Das Berliner Abgeordnetenhaus um 1900
Das Berliner Abgeordnetenhaus um 1900

Seit April 1993 regiert das Abgeordnetenhaus im Gebäude des ehemaligen Preußischen Landtags. Nachdem Gestapo-Gründer Hermann Göring im Dritten Reich einen Teil des Reichsluftfahrtministeriums darin untergebracht hatte, nutzte die Regierung der DDR das Haus als Sitz diverser Kommissionen und Horcheinrichtungen (sprich: Abhöranlagen) der Stasi. Zu jener Zeit verlief die Berliner Mauer direkt zwischen dem gegenüberliegenden Martin-Gropius-Bau und dem heutigen Abgeordnetenhaus. Das Landesparlament regiert also nicht, wie man vielleicht vermutet hätte, aus dem Reichstag oder dem Roten Rathaus heraus, sondern unweit des Potsdamer Platzes. Im Abstand von 14 Tagen finden dort Plenarsitzungen statt, in denen zum Beispiel Gesetze verabschiedet oder Regierende Bürgermeister gewählt werden.

Offiziell handelt es sich beim Berliner Abgeordnetenhaus um ein so genanntes „Feierabendparlament“. Das heißt, dass die Abgeordneten ihr Amt – theoretisch – in der Freizeit ausüben und ansonsten normal arbeiten sollten. Auf Länderebene gibt es das außer in Berlin nur in Bremen, auf kommunaler Ebene kommen solche Feierabendparlamente aber öfter vor. Und obwohl kaum vorstellbar ist, dass sich seriöse politische Arbeit auf Landesebene ehrenamtlich und nebenberuflich erledigen lässt, werden immer wieder Forderungen nach mehr Freizeitpolitikern laut. Das Hauptargument: Kosteneinsparungen. Da fragt es sich am Beispiel des Brandenburger Parlaments nur, für wen eigentlich?

[Stadtprofil] Bochum

Da ich letzten Sonntag doch tatsächlich die beiden [kleinen stadtprofile] vergessen habe…wo ich gestern dann mal so ganz nebenbei dran erinnert wurde…

gibt es heute – quasi zum Wochenendeinstieg – ein paar Bochumer Profilbilder …

Und damit wünsche ich allen erholsame und spannende zwei Tage mit hoffentlich etwas besserem Wetter !

Continue Reading

New York: Der klaffende Bluff

Petra Engelke schreibt über „das leuchtende Disaster und die Tragik der Stahlträger“. Foto: Dennis Yenmez

Der Fluxus-Künstler steht neben dem Punk-Band-Musiker. Langsam wird es voll in der Eve-Bar. Etwa 50 bis 60 Menschen drängen sich in die kleine Kellerbar, um der Frau mit den Dreadlocks zu lauschen. Ein paar bekannte Gesichter sind dabei. Die Menschen in meinem Rücken rätseln: „Wer ist das eigentlich?“ -„Die da?“ „Nee, so sieht man doch nicht aus in New York.

Doch. Genau so. Wer selber prüfen möchte, wie man in New York aussieht (oder eben nicht), der fährt heute Abend nach Dortmund in die STÄNDIGE VERTRETUNG. Denn da macht Petra Engelke Halt, um von ihrem Leben mit dem Big Apple zu berichten.

Kurz nach ihrer Ankunft in Bochum ist Engelke bereits heiser. In den vergangenen Tagen musste sie viel erzählen. Über Hochhausdächer, Platzmangel und grüne Inseln in New York. Denn dort lebt und arbeitet die Exil-Bochumerin als Journalistin. Im Moment macht sie Diät, denn sonst bloggt sie an sechs von sieben Tagen in der Woche über die Stadt mit dem tollen Käsekuchen und den hohen Mieten. Die Stadt, die niemals schläft. Mittwoch lud sie in die Eve-Bar, um ein bisschen von New York zu erzählen, Bilder zu zeigen, mit Klischees aufzuräumen. „Hier lernt jetzt niemand, wie man mit der U-Bahn fährt. Das können wir vielleicht in der Pause machen.“ Neben Blogbeiträgen und Anekdoten, las sie auch literarische Texte vor. Kuriose Kindergespräche wechseln sich ab mit bewegenden Gedanken über U-Bahnanschläge. Träume ohne Ton treffen auf die Ironie der 80er, mischen sich mit Pathetischem, wirken wie Peinliches, um sich in witz- und geistreichen Paraden aufzulösen.

Wer erfahren will, wie man mit Drogensucht Geld verdienen kann, wer der wahre Dr. House ist, was die New Yorker statt Quark in ihren Käsekuchen tun, wo der Schutthaufen von 9/11 geblieben ist, was Killer-Hörnchen sind und warum, der Weltrekord im Hot-Dog-Wettessen im wahrsten Sinne des Wortes ‚gebrochen‘ wird, der hat nur noch heute die Gelegenheit:

Petra Engelke

Um 20.00 Uhr, im Workshopraum der STÄNDIGEN VERTRETUNG DORTMUND (Hoher Wall 15, 44137 Dortmund)

Eintritt frei!

Werbung

Liga der Schädlinge

Heute startet die Zweite Bundesliga in eine frühe Spielzeit. Befürchtet wird eine Gewaltsaison, die SZ widmet sich den „Randalemeistern“ aus Dresden, Braunschweig, Frankfurt, St. Pauli. Dabei ist Gewalt nur ein Ausdruck einer veränderten Lage auf den Kurven. Die Fanszene hat sich gewandelt, radikalisiert. Rund um Ultras ist eine Art Bewegung entstanden für „lebendige Fankultur“, gegen Sicherheitsapparat, Fußballvermarkter und Sportmedien.

Ein Essay zum Ligastart

„Hooligans sind keine Verbrecher“, skandiert der Blonde durch blitzweiße Zähne. Ein Redeflash auf der Bremer Brücke in Osnabrück: Das sei so krass gewesen, 2.000 Mann hätten gesungen, als die „Bullen“ die Bo-City Leute rausgefischt hätten, 2.000 hätten gewartet, bis Bo-City wieder frei kam, müsse man sich vorstellen, auch wenn die Hools doch nicht ins Stadion rein durften, hätten alle gewartet, bis alle frei waren, alle, gewartet, echt …

Der atemlose Blonde ist auf Adrenalin. Im vergangenen Jahrhundert hätte so einer Tennis gespielt. Er reckt den Kopf, als ein älterer Fan übers Absperrgitter will. Ein Ordner steht im Weg, Tritte von oben, der Blonde brüllt: „Wir-krie-gen-euch-all-le“. Dazu Vermummte, einer mit Clownsmaske, die sich auf den Zaun zum Spielfeld schwingen, bengalische Feuer anzünden, ein Transparent entrollen, das zur Akzeptanz von „Emotionen“ aufruft. Vorher Flugblätter, T-Shirts mit Slogans, politische Sprechchöre, Spuckis. Vor dreißig Jahren wäre das als Demonstration durchgegangen.

Piraten der Kurve

Fußballfans, vor allem die jüngeren, die auf Stehkurven und Auswärtsfahrten sind Teil einer Bewegung. Ob sie es wollen oder nicht. Vor allem die seit den 1990er entstandenen Ultras organisieren nicht nur Support im Stadion, sie sorgen für fanpolitisches Grundrauschen, fordern Bewegungs- und Aktionsfreiheit auf den Fußballtribünen, mehr Mitsprache in ihren Vereinen, prägen eine eigene Ästhetik des Widerstands.

Die Themen der Kurve erinnern dabei an die von Netzaktivisten oder Piraten: weniger Verbote, Überwachung, Kriminalisierung, Aussperrungen und Polizeistaat, für Bürgerrechte, Freiheit, Freiräume, Mitbestimmung. Aber natürlich kämpfen die Fußball-Bewegten auch gegen die sportliche Konkurrenz, um Mannschaften mit Identität, Spieler mit Mumm, Trainer mit Erfolg, um Titel oder mindestens um den Klassenerhalt.

History repeated

Aus zaghaften Anfängen – als sich Mitte der Achtziger Jahre Linke, Punks, Autonome vor allem beim FC St. Pauli auf die Tribünen trauten und gegen Rassismus, Neonazis und im Zusammenspiel mit neuen Fanprojekten für den Erhalt einer neu entdeckten, neu titulierten „Fankultur“ stritten – wuchs etwas eigenes, starkes, freilich weniger ideologisch politisches heran. Eine Jugendkultur, Jugendbewegung, Subkultur – auch weil sie aneckt.

Den  Aktiven auf den Fankurven ergeht es heute ähnlich wie den Atomgegnern der 1970er, den Linksautonomen der 1980er Jahre. Dissidenz und Aktivismus, Eskalation und Radikalität wachsen in dem Maße, in dem der Mainstream ablehnt. Geschichte wiederholt sich.

Ohnmacht in der Fußballwelt

Im Staatsrundfunk und Gazetten wurde seinerzeit selbst über Latschdemos gegen Nato-Doppelbeschluss mit gestutzten Zahlen und in abschätzigem Tonfall berichtet. Und mit jeder Sendeminute stieg die Verdrossenheit auf Staat und Apparat. Nach dem deutschen Herbst, in Wendezeiten wurde noch jede Provinzkundgebung mit Hundertschaften in Kampfmontur begleitet. Für die auf der Straße waren die Fronten klar. Der Gegner saß am Mikrofon, im Bundestag oder hatte ein behelmtes Gesicht, Schlagstöcke, Pferde. ACAB, bei Fußballfans findet sich das heute wieder – ob Ultra oder hartnäckiger Auswärtsfan, sie sind Dissidenten, draußen, ausgegrenzt.

Fans auf Zäunen, Fans auf dem Platz, Fans blockieren Mannschaftsbusse, Fans mit Bengalos. In Sportschau, auf Sky oder Sat 1 werden die, die sich so zeigen, unisono verurteilt als des Fußballs „hässliche Fratze“. Wer Rauchmittel zündet, ist „Chaot“, „so genannter Fußballfan“ – „Szenen, wie wir sie im Fußball nicht sehen wollen“, empört sich die Reporterbank im kollektiven Beißreflex. Dabei ist es dreist, nein: letztlich unverantwortlich, einem Jugendlichen, der sich mit kaum etwas außer Fußball beschäftigt, ausgerechnet das abzusprechen, was ihn ausmacht, Fußballfan zu sein. Weil es trotzdem geschieht, entsteht Ohnmacht in der Fußballwelt.

Gewalt gegen Kamera

Eine Jugendbewegung wuchs heran, die sich nicht verstanden fühlt in ihrer Besessenheit, ihren Abgrenzungen, Ritualen und Konkurrenzkämpfen, in Provokation und Ausschreitung. Eine Szene, die zunehmend – und anders, ungeregelter als die Hooligans – ausrastet gegen Sachen, Ordner, Polizisten. Es ist auch eine Eskalation von Leuten, die im Abseits stehen. Etwa im Frankfurter Commerzbankstadion, ein Spielfeldsturm,  eine zertrümmerte Spezialkamera.

Doch wer Ultras weitgehend nur als „hirnverbrannte Idioten“ hinstellt, darf sich nicht wundern, wenn sie sich genauso verhalten. Erstaunlicherweise ging nach der Sachbeschädigung an der Ultra-HD-Kamera ein Aufschrei durch die Medienlandschaft. Lauter, als wenn Ordner und/oder Polizisten und/oder Fans und/oder Publikum ins Krankenhaus geprügelt werden; – vielleicht ist das zu sehr Alltag.

Heile Fußballwelt

Es tobt ein ungleicher Kampf um den Fußball, nicht weniger als der Konsensapparat einer stark zerklüfteten Gesellschaft. Bundesliga, Nationalmannschaft, nun auch Fußballfrauen, sind das ganz große Joint Venture von Staat, Verbandswesen und Konzernwirtschaft. Im Fußball findet das Land zur Einheit, freilich eine pseudo Gemeinschaft aus VIP-Logen und Stehrängen, die spätestens bei An- und Abreise zerfällt in angebelltes eingepferchtes angerittenes umzingeltes Fuß(ball)volk , gequetscht in Bahnen und Bussen, im Rückstau – während Logenpächter, Fußballermöglicher und Vereinsfunktionäre noch miteinander anstoßen.

Früher hatte offene Politik das Stadion zu meiden. Das harsche Publikum wollte keine Instrumentalisierungen. Heute sind sie es selbst, ist der Fußball zum Spielfeld der Träume geworden von Politik, Wirtschaft, Werbung. Hier wird sie ausgebrütet die ideale Gesellschaft, Utopia, Geschichten aus dem Sommer-Märchenbuch. Hier soll sich Fußballdeutschland feiern, seine besten Söhne und Töchter, multikulturell, weltoffen und heimatverbunden, patriotisch und gastfreundlich, taktisch-technisch-temporeich auf Weltniveau, Adlerträger, Konsumfreude.

Continue Reading

„Schon gehört?“

Zu Besuch beim Hörbuchfestival Lüdinghausen. Von unserer Gastautorin Marie-Claire Delarber.

Aus einem Ort, der eigentlich zum Sehen einlädt, zum Ansehen, Zusehen und Entdecken, wurde letzten Sonntag nun bereits zum vierten Mal ein Ort, an dem es nur um eins geht: um das Hören, genauer: das Zuhören. Gemeint ist die malerische Burg Vischering in Lüdinghausen, ländlich gelegen zwischen Dortmund und Münster. Beate Barth, die Inhaberin des Hörbuchverlages Pit&Land veranstaltet hier jährlich ein ganz besonderes Event für Liebhaber des Hörgenusses: Den Lüdinghauser Hörbuchtag. Hier treffen Interessierte und Fans auf renommierte Hörbuchsprecher, die Auszüge ihrer Hörbücher in Lesungen präsentieren. Zusätzlich gibt es ein buntes Rahmenprogramm, diesmal bestehend aus dem Auftritt des Saxophonquartetts „Pindakaas“, welches ihr Repertoire von anspruchsvollem Jazz und Klassik, bis hin zu Interpretationen bekannter Pop-Klassiker in ein komödiantisches Theaterstück einbetteten, sowie das Projekt:“Eine Stadt spricht ein Hörbuch!“ bei dem Einwohner und Besucher die Chance hatten, am Entstehungsprozess eines Hörbuches hautnah teilzuhaben, in dem sie selbst in einem Nebenraum der Burg Gedichte von Annette von Droste-Hülshoff für eine Hörbuchproduktion einsprachen.

Auch ich legte gleich los, mit dem Gedicht „Die tote Lerche“ und wurde während des Aufnahmeprozesses tatkräftig vom Aufnahmeleiter und einer Assistentin, die mir als Laie Tipps beim Einsprechen gab, unterstützt.  Überraschenderweise war ich schon nach fünf Minuten fertig (obwohl ich damit gerechnet hatte viel länger zu brauchen), muss auf das Ergebnis aber leider noch einige Wochen warten, denn da offensichtlich ohne Schnitt beim „Hörbuchmachen“ aufgenommen wird, konnte ich mir das Resultat vor Ort noch nicht zu Gemüte führen.

Zudem wurde die Burg Schauplatz eines einzigartigen Projektes, bei dem Fünftklässler eines ortsansässigen Gymnasiums Rittergeschichten schrieben, von denen die besten zehn von namhaften Sprechern wie Johannes Steck eingesprochen und beim Hörbuchtag inklusive eine liebevoll gestalteten Booklets verkauft wurden: der Erlös ging an die Klasse selbst. Voller Stolz hörten die jungen Autoren zu, wenn ihre Geschichte von bekannten Stimmen aus Film und Fernsehen auf der Bühne zum Besten gegeben wurden.

Auch wenn aufgrund des schönen Wetters der große Besucheransturm ausblieb: Das begeisterte Publikum zeigte, dass das Hörbuch immer noch ein ernst zu nehmendes Medium ist.  So unterschätzt Karl Menrad, bekannter Regisseur, Schauspieler und Hörbuchsprecher, auf keinen Fall den Einfluss des Hörbuches. Aus Erfahrung weiß er, dass dieses gerade bei den Jüngsten erstaunlich hohen pädagogischen Wert hat und vor allen Dingen die Lust am Lesen erwecken kann. So wollen viele der Kinder, so Menrad, nachdem sie zunächst begeistert das Hörbuch gehört haben, sich bald darauf mit der Buchvorlage befassen. Dass die Stimme eines Karl Menrad Kinder begeistern kann, ist nicht schwer zu verstehen. Nicht nur die jüngeren Besucher seiner Lesung aus dem „Kleinen Ritter Trenk“ (Kirsten Boie) lauschten gebannt und lachten mitunter laut, wenn Menrad die einzelnen Charaktere mit erstaunlich vielfältigen Dialekten und Sprechweisen in den Köpfen der Zuhörer zum Leben erweckte, nein, auch die erwachsenen Zuhörer konnten das eine oder andere Schmunzeln nicht unterdrücken. „ Die Gestaltung der Stimmen der einzelnen Charaktere wird den meisten Sprechern von den Autoren selbst überlassen. Das ist etwas natürliches, die Ideen, wie der eine oder der andere Charakter klingen muss, kommen einem spontan beim Leseprozess. Man hat da meistens alle Freiheiten.“, erklärte Menrad. Er selbst fand durch Zufall zum Hörbuch, wurde spontan als Sprecher entdeckt und übt diesen Job seitdem mit Leidenschaft aus. „Es macht einfach eine riesen Freude“, so seine Antwort auf die Frage, was denn genau das Reizvolle am Sprechen von Hörbüchern sei.

Ob Düsseldorfer Stadtsagen, Thriller oder Kindergeschichten, die familiäre und dennoch erhabene Atmosphäre der Burg Vischering bot eine angemessene Plattform für sie alle. Denn in alten Rittersälen, romantischen Burginnenhöfen und alten holzvertäfelten Kämmerchen hört es sich gleich doppelt so gut: Für die Veranstalter und auch die Besucher war der vierte Lüdinghauser Hörbuchtag ein voller Erfolg.