Jedes Jahr nehme ich mir vor, beim Bachmannpreis nicht zu lästern. Ich möchte über niemanden herziehen, niemandem die literarische Daseinsberechtigung absprechen, niemanden aufgrund spontan erfundener Kriterien schlechtreden. Dieses Jahr scheitere ich schon am Flughafen, fünfzehn Minuten nach der Landung, und ich mache die nächsten Tage auch kaum etwas anderes, denn das Lästern endet selbst dann nicht, wenn das eigentliche Wettlesen schon längst vorbei ist. Genau genommen endet es nie: Kuriose Fälle der Vergangenheit – Vortragsweisen, vermutete Groschenromanauszüge – bleiben ohnehin im Kopf.
Jedes Jahr verpasse ich die Lesung des Siegertextes. Manchmal aus Versehen wie damals bei Tilmann Ramstedt, meistens aber absichtlich wie dieses Mal im Falle Maja Haderlap: Nach ganzen drei Sätzen ihres Textes setze ich meine Prioritäten auf eine kalte Gurkensuppe auf dem Klagenfurter Benediktinerplatz. Und das, obwohl ich diesen Jahrgang für einen besseren als beispielsweise den letzten hielt. In aller Regel finde ich zehn von vierzehn vorgetragenen Texten schlecht, im Sinne von: wirklich überhaupt nicht gut genug. Wenn das das Beste ist, was die deutschsprachige Gegenwartsliteratur zu bieten hat, sollte man Sperrbegriffe einführen, alle Fäkalwörter zum Beispiel, deren Verwendung die AutorInnen mindestens für die nächsten zehn Jahre daran hindert, ein Buch zu publizieren, oder sie nach Amerika schicken, damit sie dort lernen, wie gute Dialoge zu schreiben sind.
Und obwohl die Juroren beteuern, stets das „Neue“ zu suchen, stellen sie doch immer nur das Alte zur Diskussion. Es gewinnt zu oft der Ich-erzählte Bericht, am liebsten aus der Perspektive eines Kindes. Aus Liebe zur Kärtner Landschaft könnte ich mit der Entscheidung, der Haderlap diesen Preis zu verleihen, vielleicht leben, aber ich bin am Freitagmorgen zu der absolut unumstößlichen Überzeugung gekommen, dass der mit Abstand beste Text des Jahres von Linus Reichlin verfasst wurde – der es damit nicht einmal auf die Shortlist geschafft hat. Trotz eines erzählerischen Talents, das die Mehrheit der Jury, mit Verlaub, erblassen lassen müsste.