Heute beginnen in Nordrhein-Westfalen die Jüdischen Kulturtage. Nicht weniger als 500 Veranstaltungen werden rund um das diesjährige Motto „jüdisches [er]leben“ bis zum 17. April angeboten. Darunter finden sich Lesungen mit hochkarätigen Autoren wie Louis Begley und Rafael Seligmann, Auftritte von Stand-up-Comedian Oliver Polak sowie Themenabende mit dem vielversprechenden Titel „Happy Hippie Jew Bus“.
Bereits zum vierten Mal finden die Kulturtage in Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland statt. Nahezu ganz NRW beteiligt sich an dem Programm. Alles in allem sind 52 Städte und 14 jüdische Gemeinden mit eigenen Veranstaltungen vertreten. Einen Schwerpunkt bildet dabei das Angebot aus den Gebieten Musik, Film, Bildende Kunst, Literatur, Tanz und Theater. Ein zweiter Themenkomplex der Kulturtage sind die zahlreichen Begegnungsprojekte. Sie sollen das Judentum einem nichtjüdischen Publikum näherbringen. So bieten etwa die Gemeinden in Essen, Herford und Mönchengladbach kostenlose Synagogenführungen an, in deren Rahmen Gemeindevertreter in jüdische Religion, Bräuche, Rituale und Feste einführen. Darüber hinaus wird der Journalist Michael Wuliger in mehreren Lesungen aus seinem ebenso witzigen wie bissigen Buch „Der koschere Kgnigge. Trittsicher durch die deutsch-jüdischen Fettnäpfchen“ vortragen.
Ein Blick in das Programm verrät, dass der Fokus der Kulturtage bewusst auf der Gegenwart zugewandter Themen liegt. In Köln beispielsweise trifft mit dem Liedermacher Hanjo Butscheidt jüdischer Charme auf Kölsche Lebensart; in Gelsenkirchen gibt es gleich an vier ganzen Tagen die Gelegenheit, die traditionelle, aber auch moderne aschkenasische und sephardische Küche kennenzulernen. Zwar soll auch dieses Mal eine ganze Reihe von Auftritten der obligatorischen – zumeist mit Nichtjuden besetzten – Klezmer-Bands ein authentisches Bild vom Judentum vermitteln. Doch angesichts der zum Teil ideenlosen Programme in den Vorjahren und der leeren Kassen in Nordrhein-Westfalen ist den Veranstaltern ein großes Kompliment zu machen. Ihnen ist es gelungen, die Erinnerung an die Opfer der Schoa wachzuhalten, ohne das heutige Leben der Juden in der Bundesrepublik aus dem Blick zu verlieren.
Man müsste schon den österreichischen Spötter Karl Kraus bemühen, um auch hier das viel zitierte Haar in der Suppe zu finden. Denn angesichts des prallen Programmkalenders der Kulturtage fragt man sich unweigerlich, wo man, um mit ebenjenem Kraus zu sprechen, nur all die Zeit hernehmen soll, so viele Veranstaltungen nicht zu besuchen. Jede Entscheidung für einen Abend ist zwangsläufig eine Entscheidung gegen mehrere andere, nicht weniger interessante Termine. Für die Schirmherren der Kulturtage, NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Zentralratspräsident Dieter Graumann, könnte es indes keine schönere Beschwerde geben.