Gift im Essen – Nein Danke!

„Hunger. Wenn ich das schon höre!“ Nun ja, so etwas passierte hin und wieder, wenn einer der Kerle miese Laune hatte. Dann brüllte er uns Jungs an: „Hunger. Ihr wisst doch gar nicht, was das ist: Hunger. Wir damals – wir hatten Hunger!“ Und wir wussten auch schon, wie die Platte weiterläuft. Egal. Offenbar war die Gattin gerade nicht da. Einkaufen oder so. Kein Problem: wir gingen einfach ein paar Häuser weiter. Wir hatten nämlich Kohldampf. Kein Wunder: wenn man ein paar Stunden auf dem Bolzplatz Fußball gespielt hatte, dann musste man auch mal etwas zwischen die Rippen bekommen. Genau genommen war das schon ziemlich praktisch. Unser Bolzplatz lag mitten in der Stahlarbeitersiedlung, in der wir alle wohnten. In diesen kleinen Häuschen mit diesen kleinen Vorgärten; und bei einigen war man, wenn man reinkam, direkt in der Küche. Oder die jeweilige Mutter war bei dem gutem Wetter, das wir zum Fußballspielen nutzten, ohnehin im Vorgarten oder Hof – Wäsche aufhängen oder so. Ziemlich praktisch insofern, als dass es galt, nicht allzu viel Zeit zu verlieren. Also riefen wir schon in einer Entfernung, ab der es die von uns auserlesene Mutter hätte hören können, was jetzt an hausfraulichen Pflichten anstand. Wir riefen – wegen der besagten knappen Zeit – einfach „Hunger“, und schon konnte es losgehen mit dem Stullenschmieren.

Mitunter hatte man halt Pech, und Neider hatte man sowieso. Wenn also statt der Stullenschmiererin einer dieser missgünstigen Biertrinker bei seinen nachmittäglichen Reflexionen gestört wurde, fing mit hoher Wahrscheinlichkeit die Dudelei dieser offenbar in allen Haushalten vorrätigen Schallplatte an: „Hunger – dass ich nicht lache! Soll ich Euch mal erzählen, was wirklich Hunger ist?! Aus Kartoffelschalen hatten die Weiber Suppe gekocht. So war das damals! Am schlimmsten war es ja gar nicht im Krieg, sondern nach dem Krieg. Winter 46 / 47. Ach, was rede ich?! Der Hungerwinter 47 / 48, der war schlimm, kann ich Euch sagen. Die Hühner hatten wir ja im Winter zuvor schon alle geschlachtet; da war dann natürlich Essig. Und heute kommt Ihr an und schreit Hunger. Ich will Euch mal was sagen: Euch allen geht es viel zu gut!“ Ja ja. Wie das so ist: auch die schärfste Schallplatte wird, wenn man sie zu oft gehört hat, irgendwann einmal langweilig. Und außerdem hatten wir meistens echt keine Zeit für diesen Scheiß. Wir hatten doch nur eine kurze Fußballpause.

Dennoch: wenn man etwas nur oft genug hört, bleibt eine Menge davon hängen. Unsere Kindheit war deshalb nicht nur ziemlich praktisch, sondern auch sehr lehrreich. Wir lernten, dass das Wort „Hunger“ offenbar zwei zwar irgendwie zusammenhängende, aber doch nicht ganz deckungsgleiche Phänomene beschreiben kann. Einmal das sich mehrmals täglich meldende Primärbedürfnis, etwas zu essen. Ein anderes Mal das vermutlich extrem unangenehme Gefühl, das sich einstellt, wenn man über einen längeren Zeitraum nicht oder nicht hinreichend in der Lage ist, Nahrungsmittel zu akquirieren. Die Ursache des Phänomens Nummer Eins ist ganz natürlich: rennst Du ein paar Stunden über den Bolzplatz, hast Du Hunger. Fertig. Mit der Ursache für das Phänomen Nummer Zwei scheint es sich offenbar wesentlich komplizierter zu verhalten. Klar war – das lernten wir auch aus ganz anderen Zusammenhängen: Krieg taugt nix. Man konnte zum Beispiel auch ziemlich satt sein. Wenn man es aber nicht rechtzeitig in den Bunker geschafft hatte, …

Sie müssen wissen, dass zufälligerweise direkt neben unserer Stahlarbeitersiedlung eine Stahlfabrik stand (und steht). Und weil die während des Krieges naheliegenderweise Rohre für die Panzer gebaut hatte, wurden wir damals ständig angegriffen. Logisch. Dass der Hunger, also der etwas dauerhaftere, kausal auch durchaus etwas mit dem Krieg zu tun haben könnte, leuchtete mir ebenfalls unmittelbar ein. Entweder Kanonen oder Butter, klar. Dass es aber nach dem Krieg mit dem Hunger schlimmer gewesen sein sollte als im Krieg, fand ich dagegen etwas befremdlich. Nur: so hatten es alle Kriegsberichterstatter in unserer Siedlung erzählt. Als ich das dann später auch noch in der Schule unterrichtet bekam, verflog mein Verdacht, dass es sich bei dieser Story einfach nur um dummes Zeug handeln würde. Bis ich mal dahinter kam, dass sich die Alternative Kanonen oder Butter gar nicht so drängend stellt, so lange man andere Leute für sich schuften lassen kann, hat es eine Weile gedauert. Da hatte ich wohl etwas auf der Leitung gestanden. Es hätte mir aber auch mal irgendjemand sagen können. Hatte aber keiner. Komisch eigentlich.

Bei Wikipedia ist unter dem Stichwort „Nachkriegszeit“ zu lesen: „Für später Geborene ist es kaum nachvollziehbar, worüber man alles nicht sprach, nicht einmal in den Familien. Statt dessen gab es – freilich nicht wenig – realen Stoff für Klagen (Kriegsgefallene und nicht heimkehrende Kriegsgefangene, Bombenterror, Flucht und dann Vertreibung, Hunger und Kälte), jedoch mit einem den Besatzungsmächten sofort auffallenden ausufernden Selbstmitleid und großem Unwillen, dasjenige Leid und Elend ins Auge zu fassen, das zuvor das nationalsozialistische Deutschland ringsum und in der eigenen Mitte anderen zugefügt hatte.“ Selbstmitleid hin oder her: das mit dem Hunger (Definition Zwei) war blöd. Außerdem traf die während meiner Kindheit übliche Formulierung „schlimmer als im Krieg“ den Nagel nicht so ganz auf den Kopf. Im Krieg hatten die alten Herrschaften nämlich überhaupt keinen Hunger.

Sie hatten auch eigentlich nie etwas Anderes behauptet; sie hatten bloß einen irreführenden Eindruck erweckt. Bestimmt, damit keiner von uns verwöhnten Fußballspielern einen Verdacht schöpft oder sich gar noch genauer erkundigt. Es durfte nämlich auf gar keinen Fall rauskommen, dass in all den Kriegsjahren Gift im Essen war. Im reichhaltigen Essen der Kriegsjahre steckte die Arbeit der von den Deutschen besetzten Völker, die für ihre nicht bestellte Beglückung horrende „Besatzungsgebühren“ zahlen mussten. Im Essen steckte die Maloche der unzähligen Zwangsarbeiter, die nicht für einen Appel und ein Ei, sondern hungernd für die deutschen Herrenmenschen schuften mussten. Im Essen steckte das Blut der Juden, die vor ihrer Vergasung noch der Vernichtungsarbeit ausgesetzt waren. Jeder hatte – jedenfalls nach dem Krieg – die Bilder dieser ausgemergelten Gerippe gesehen.

So mussten sich unsere Vorfahren schon vor siebzig Jahren mit Gift im Essen herumschlagen. Aber: es hatte damals nichts geschadet. Es scheint auch heute nicht wirklich zu schaden. Und Sie wissen ja: es hört nicht auf. Ständig dieses Gift im Essen. Dieses Jahr soll es besonders schlimm werden. Vermutlich werden diesmal so viele Menschen verhungern wie noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte. Die Nahrungsmittelpreise sind förmlich explodiert. 2009 hat – wegen der Weltfinanzkrise – die Zahl der Hungertoten auch schon kräftig zugelegt. Dieses Jahr scheint es dicker zu kommen, wenn man das so sagen darf. Es kommen so viele Faktoren zusammen, nicht nur Kriege. Und auch nicht nur die EU-Agrarpolitik – das muss auch mal gesagt werden! Zugegeben, die Nahrungsmittel sind bei uns so billig, weil sie in Afrika so teuer sind.

Na sicher: wenn die EU ihre Lebensmittelsubventionen einstellen würde, gäbe es hier einen Rabatz, dagegen wäre jetzt der Knatsch in Tunesien einfach nur Kindergarten. Aber in Tunesien verhungert kein Mensch; und was weiter südlich so läuft, wie gesagt: da kommen viele Faktoren zusammen. Außerdem: so billig sind die Nahrungsmittel bei uns nun auch wieder nicht. Wenn die jetzt auch noch teurer werden … Man weiß doch ohnehin schon nicht mehr, was man überhaupt noch essen soll. Essen kann, essen darf. Wenn ich an diese Dioxine denke, die können doch überall drin sein. Ständig dieses Gift im Essen, das hält doch auf die Dauer kein Mensch aus! Sie müssen bedenken, dass wir ja alle ständig älter werden. Da können sich diese Gifte im Körper ganz schön akkumulieren. So kann es jedenfalls nicht weitergehen. Es müsste mal einer kommen und mit diesen ganzen Ganoven ein für allemal aufräumen.

Einmal gab uns eine Mutter, als wir uns über ihren Alten wegen dieser Hunger-Litanei beschwert hatten, den brandheißen Tipp, wir sollten doch statt Hunger demnächst einfach Appetit sagen. Das sei ohnehin gepflegter. Spätestens da war mir der Appetit vergangen. Das brachte immerhin den Vorteil, dass ich alsbald diese Nachkriegshunger-Schallplatte nicht mehr aufgelegt bekam. Da in den 1960er Jahren jeder, der nicht mindestens 20 % Übergewicht auf die Waage brachte, als unterernährt galt, bekam ich fortan etwas ganz Anderes zu hören: „Du musst mehr essen, Junge! Du siehst ja aus, wie ein Biafra-Neger.“

Steag: Die absehbare Katastrophe

RWE hat die Lieferverträge mit der Steag gekündigt. Überraschend ist das nicht. Auch nicht überraschend ist das finanzielle Desaster, in das die Stadtwerke hineinlaufen werden, die sich gerade an der Steag beteiligt haben.

Wenn einem der größte Kunde kündigt, ist das normalerweise ein Grund sich sorgen zu machen. Anders bei den Stadtwerken. Schon im Dezember hieß es aus deren Kreisen, dass es egal ist, wenn RWE keinen Strom mehr von der Steag abnehmen wird. Dann könnte man den Strom auf dem freien Markt verkaufen. Theoretisch ist das richtig. Aber weil viele der Steag Kraftwerke alt und uneffezient sind, wird das nicht leicht werden. Der Steag-Strom aus diesen Kraftwerken ist teuer – warum sollte ihn jemand abnehmen?

Ohne den Kunden RWE ist die Gefahr hoch, dass die Steag-Gewinne einbrechen. Die sind aber nötig, damit die Stadtwerke die Kredite bezahlen können, mit denen sie den Kazf finanziert haben. Und die Gewinne sind auch wichtig, damit der Steag-Kraftwerkspark erneuert werden  kann. Ohne Gewinne wird das ganze schnell zu einem Zuschussgeschäft. Und wer zahlt diesen Zuschuss, wenn Städte und ihre Stadtwerke Unternehmer spielen? Wir. Die Stadtwerke könnten zum Beispiel künftig weniger Geld an die Städte überweisen, weil sie das Geld für das Steag-Abenteuer brauchen. Das werden dann die Kämmerer und über einen kleinen Umweg wir alle zu spüren bekommen. Denn dann werden die Städte noch mehr sparen müssen und ihre Leistungen weiter herunterfahren.

Oder sie erhöhen den Strompreis. dem kann man entgehen, indem man seinen Vertrag bei den Stadtwerken kündigt und sich einen anderen Stromanbieter sucht. Wie man es auch dreht und wendet: Der Steag-Kauf durch die Stadtwerke wird für die Ruhrgebietsstädte teuer werden.

Der Ruhrpilot

Energie: RWE kappt Strombezugsverträge mit Steag…Der Westen

BarCampRuhr4: Wecker stellen!…Hirnrinde

NRW: Post für den Finanzminister…Kölner Stadtanzeiger

NRW II: Letztes Kindergartenjahr soll ab August kostenlos sein…Ruhr Nachrichten

Ruhr2010: Dr. Stratmann kritisiert Macher von Ruhr.2010…Der Westen

Kongress: Miese Geschäfte mit den Loveparade-Opfern?…Bild

Bochum: Käßmann: „Nicht alle Islamisten sind Terroristen“…Ruhr Nachrichten

Bochum II: Käßmanns Antrittsgottesdienst…Spiegel

Bochum III: Wahlkampf an der Ruhr-Uni…Bo Alternativ

Duisburg: Abriss-Diskussion…Der Westen

Essen: „Wir haben die Museums-Schwelle gesenkt“…Der Westen

Petition: Netzzugang – Rechtsnorm für Zugang zu kabellosen Netzwerken…Unkreativ

Online: Erste Remixe des CSU-Werbespots…Netzpolitik

Umland: Peinliche CDU-Finanzmathematik…Zoom

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Demonstration gegen die Sperrzeit des DJÄZZ und ihre Folgen

Dem Club „Djäzz“ in Duisburg droht das aus. Gründe sind ein renitenter Nachbar und die Unfähigkeit des städtischen Ordnungsamtes.

Ein renitenter Nachbar hat durchgesetzt, dass das Djäzz in der Duisburger Innenstadt künftig um 1.00 Uhr schließen muss. Das Ordnungsamt war wohl zu blöde, den  Vorwürfen auch nur mit einer Lärmmessung nachzugehen. Peter Bölling heißt  der Leiter des Ordnungsamtes und ist wohl eine Zierde seines Standes. Mittlerweile regt sich Protest gegen die Schließung und man kann nur hoffen, dass er sich mit der Forderung verbindet, ein paar vernünftige Leute ins Ordnungsamt zu holen. Ein Bölling, der auf Nachfrage der WAZ noch nicht einmal weiß, ob eine Lärmmessung stattgefunden hat, ist offensichtlich überfordert und würde sicher auch mit einem Besen in der Hand eine gute Figur machen.

Das Djäzz weist auf seiner Homepage die Gäste schon einmal auf die Veränderten Öffnungszeiten hin:

Wie die meisten von Euch sicher bereits erfahren haben, haben wir uns am 10.1.2011 leider nicht mit unserer Klage gegen die Änderung der Sperrzeit durchsetzen können. Dies bedeutet, daß das Djäzz mit sofortiger Wirkung um 1 Uhr Nachts seine Pforten schließen muss. Wir werden dennoch alle angesetzen Konzerte & Sessions in den nächsten Monaten durchführen. Welche Tanzveranstaltungen stattfinden und in welcher Form werden wir in den nächsten Tagen mit den jeweiligen Veranstaltern entscheiden – wir müssen aber leider davon ausgehen, daß wir die meisten Parties absagen müssen.
Das Programm auf unserer Webseite wird so schnell wie möglich aktualisiert, bitte informiert Euch bei Interesse an einzelnen Termine kurzfristig über geänderte Anfangszeiten.

Wie die meisten von Euch sicher bereits erfahren haben, haben wir uns am 10.1.2011 leider nicht mit unserer Klage gegen die Änderung der Sperrzeit durchsetzen können. Dies bedeutet, daß das Djäzz mit sofortiger Wirkung um 1 Uhr Nachts seine Pforten schließen muss. Wir werden dennoch alle angesetzen Konzerte & Sessions in den nächsten Monaten durchführen. Welche Tanzveranstaltungen stattfinden und in welcher Form werden wir in den nächsten Tagen mit den jeweiligen Veranstaltern entscheiden – wir müssen aber leider davon ausgehen, daß wir die meisten Parties absagen müssen.
Das Programm auf unserer Webseite wird so schnell wie möglich aktualisiert, bitte informiert Euch bei Interesse an einzelnen Termine kurzfristig über geänderte Anfangszeiten.

Am 29. Januar findet dann auch noch eine Demo für das Djäzz und gegen die Dorf-Öffnungszeiten statt. Wo ist noch nicht klar. Wir halten Eich auf dem Laufenden.

Datteln: Neues Gutachten hält Kraftwerksbau für unrettbar

Kraftwerk Datteln Foto: Eon

Die Deutsche Umwelthilfe hat ein Gutachten zum Eon-Kraftwerk Datteln veröffentlicht. Es kommt zu dem Schluss, dass das Kraftwerk nicht zu retten ist.

Während das Ruhrparlament des Regionalverband Ruhr im Dezember beschlossen hat, erst einmal rechtlich zu prüfen, ob es überhaupt noch eine Möglichkeit gibt, dass Eon-Kraftwerk Datteln jemals fertig bauen zu lassen, bekommen die Kraftwerksgegner nun Unterstützung durch ein neues Gutachten. In Auftrag gegeben hat es die Deutsche Umwelthilfe. Das Gutachten von Prof. Martin Schulte kommt zu dem Schluss, dass das von der RVR-Verwaltung  geplante Zielabweichungsverfahren rechtlich nicht machbar ist:

„Eine Abweichung von den Zielvorgaben der Landesplanung ist für den von E.ON gewählten Kraftwerks-Standort nicht vertretbar. Außerdem verstößt auch der geplante ausschließliche Einsatz von Importkohle gegen den im geltenden Landesentwicklungsplan festgelegten Vorrang für heimische Primärenergieträger. Im Ergebnis müsste ein Zielabweichungsverfahren scheitern, weil es unter raumordnerischen Gesichtspunkten nicht vertretbar wäre und darüber hinaus die Grundzüge der Landesplanung berühren würde“.

Der RVR will selbst Mitte April eigene Gutachten vorstellen. Dann könnte sich das Schicksal des Kraftwerkbaus entscheiden. Kann Eon das Kraftwerk nicht zu Ende bauen hat der Konzern mehr als eine Milliarde Euro umsonst investiert und müsste zudem die Abrisskosten tragen.

NRW-Umweltminister Johannes Remmel kommentierte das Gutachten gegenüber den Ruhrbaronen: „Wir haben immer betont, dass der Bau von Datteln keine Frage von politischen Bekenntnissen ist, sondern von der Erfüllung der rechtlichen und gesetzlichen Vorgaben abhängt. Die Gerichte haben in ihren Urteilen für das geplante Kraftwerk Datteln bereits hohe Hürden formuliert. Mit dem heute von der Deutschen Umwelthilfe vorgelegten Gutachten des renommierten Planungsrechtler Prof. Schulte werden diese Hürden noch einmal eindrücklich und grundsätzlich bestätigt. Als Konsequenz scheint es daher ratsam zu sein, dass der RVR und die Regionalversammlung in dem nun beschlossenen anstehenden Prüfprozess zum Erarbeitungsbeschluss die Ergebnisse des Gutachtens detailliert aufgreift und sorgfältig prüft.“

Rot -Grün in NRW: Das Balu-Prinzip

Die rot-grüne Landesregierung in NRW pflegt einen neuen Politikstil: Möglichst viel soll von den Bürgern selbst entschieden werden. Die Folge: Regierung in Zeitlupe. Doch gibt es für Politiker, die an der Macht bleiben wollen, noch eine Alternative?

Die Unionsparteien fahren gerade eine Kampagne gegen die Grünen. Sie werden als die Dagegen-Partei bezeichnet und in einem peinlichen Video der CSU sogar in die Nähe von Gewalttätern gerückt. Das ist dumm, denn die Politik der Grünen ist populär, weil sie ein Gefühl in der Bevölkerung aufgreift. Nicht die Grünen sind gegen alles, immer größere Teile der Bevölkerung wollen keine Veränderungen mehr. Jede Partei, die in den vergangenen Jahren versucht hat etwas zu ändern, wurde von der Bevölkerung abgestraft. Ob Hartz IV, S21, neue Stromtrassen, Autobahnen, Kraftwerke, Windräder oder Schulreformen – Veränderungen werden  immer öfter von vielen Menschen als Bedrohung wahrgenommen.  Und das betrifft nicht nur die Wähler der Grünen. Die älter werdenden Deutschen fühlen sich von fast allem bedroht. Früher war es besser und so soll es bitte bleiben. Ob Facebook, Moslems oder Bauprojekte – das Neue ist das Böse, das man ablehnt.

In so einer Zeit ist es für Parteien fast unmöglich, ihre Agenda durchzusetzen ohne abgewählt zu werden. Die erste Regierung die das erkannt hat, ist die Landesregierung in NRW. Sie regiert das Land nicht, sondern moderiert Entscheidungsprozesse: Ob neue Schulformen wie die Gemeinschaftsschule oder die Wiedereinführung des Abis nach neun Jahren: Möglichst vieles soll an der Basis vom Bürger direkt geregelt werden. Die angekündigte Erleichterung  von Volksabstimmungen geht ebenfalls in diese Richtung. Andere Regierungen werden ihr folgen. Egal welche Parteien sie stellen. Dumm nur, dass die Addition von Partikularinteressen kein Gemeinwohl ergibt.

Und da wo das nicht geht, setzt man auf die Entscheidung von Gerichten. Zum Beispiel wenn es um das Kraftwerk in Datteln geht, will man möglichst nicht politisch entscheiden. Das wird nicht immer gut gehen – bei Datteln wird es irgendwann zum Schwur kommen – aber vorher holt man Gutachten über Gutachten ein. Entscheidungsfreudig ist man in Düsseldorf nicht.

Und das kommt an bei den Bürgern. Sie werden mitgenommen, einbezogen und nicht regiert. Der Nachteil dieser Konsens-Politik: Alle Veränderungen werden sehr lange dauern. Und will man das Konsensprinzip durchhalten, wird es fast unmöglich, kontroverse, strittige Entscheidungen gegen den Willen lauter Minderheiten durchzusetzen. Aber das ist ja auch nicht mehr gewollt. Man macht es sich gemütlich in diesem Land. Balu der Bär wird zum neuen Wappentier. Und Balu würde grün wählen.

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Der Ruhrpilot

Duisburg: Kritik am Ordnungsamt Duisburg nach Sperrzeit-Urteil gegen Club Djäzz…Der Westen

Duisburg II: Hundertmeister will auf Mietfreiheit klagen…Der Westen

NRW: CDU will Schuldenbremse in der Landesverfassung…RP Online

NRW II: Zittern bei der WestLB…Süddeutsche

Bochum: Margot Käßmann tritt Gastprofessur an der Ruhr-Uni in Bochum an…Welt

Bochum II: Unter Anselm Weber: Beste Auslastung seit 20 Jahren…Ruhr Nachrichten

Essen: Fibo geht nach Köln…Der Westen

Kultur: Zwölf Autoren aus dem Ruhrgebiet auf Lesereise in Las Vegas…Der Westen

Kongress: Fühlst du noch oder denkst du schon?…Achse des Guten

Online: Video des Tages: CSU versucht Negative-Campaigning…Netzpolitik

Medien: Drei Fragen an Sascha Lobo…Girls can blog

NRW-Wissenschaftsministerin Schulze: „Wir müssen mehr in der Breite fördern“

Interview mit der nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministerin Svenja Schulze. Sie ist seit Juli 2010 Mitglied der rot-grünen Landesregierung.

Das „Templiner Manifest“ der GEW formuliert Eckpunkte für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Was wollen Sie dazu beitragen?

Wir haben bereits eine Arbeitsgruppe eingerichtet, an der die GEW und mein Ministerium beteiligt sind. Darin klären wir, welches die konkreten Hebel eines Landesgesetzgebers sind, um die Beschäftigung an den Hochschulen zu verbessern. Der erste Hebel ist das Landespersonalvertretungsgesetz. Dort nehmen wir die wissenschaftlichen Mitarbeiter mit auf und weiten den Vertretungsanspruch an den Hochschulen wieder aus. Allerdings haben wir auf Landesebene durch die Hochschulautonomie nur begrenzte Möglichkeiten einzugreifen.

Die Autonomie der Hochschulen erschwert also Ihre Arbeit?

Ich stehe zur Hochschulautonomie, ganz klar. Niemand will an der Wissenschaftsfreiheit rütteln und natürlich auch nicht an der Autonomie der Hochschulen. Die NRW-Hochschulen bekommen pro Jahr drei Milliarden Euro Steuergelder. Es muss eine stärkere Diskussion darüber geben, wofür diese Mittel verwendet werden. Wir brauchen Leitplanken.

In den letzten Jahren wurde über viele Wettbewerbe vor allem die Exzellenz an den Hochschulen gefördert. Gut so?

Ich bin davon überzeugt, dass Exzellenz nur entstehen kann, wenn man auch die notwendige Breite hat. Man braucht eine Basis, auf der die Spitze stehen kann. In der Breite muss mehr gefördert werden, zurzeit wird zu einseitig auf Exzellenz gesetzt. Und wichtig ist auch, die Förderung nicht nur an kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen auszurichten, sondern die gesellschaftliche Verantwortung der Hochschulen zu stärken.
Wir wollen zum Beispiel unsere Industrie ökologisch umbauen und immer mehr erneuerbare Energie erzeugen und nutzen. Um das zu schaffen, brauchen wir auch Forschung, die sich heute noch nicht rechnet. Der Markt ist bei sozialen und ökologischen Fragen blind. Deshalb ist nicht zuletzt die Aufgabe von öffentlich geförderter Forschung, Lösungen für diese Fragen zu finden. Das Land will dafür gemeinsam mit den Hochschulen Verantwortung übernehmen.

Was tun Sie, um die Breite stärker zu fördern und mehr Menschen für ein Studium zu gewinnen?

Wir schaffen zum kommenden Wintersemester die Studiengebühren ab. Damit senken wir eine entscheidende Hürde, die den Hochschulzugang erschwert hat. Außerdem wollen wir die Hochschulen öffnen für Menschen mit beruflicher Qualifikation. Und wir wollen durch die Änderung des Hochschulgesetzes mehr Demokratie an den Hochschulen einführen. In den nächsten Monaten werden wir mit allen Beteiligten darüber diskutieren und gemeinsame Eckpunkte entwickeln.

Wie wollen Sie den Wegfall der Studiengebühren kompensieren?

Es geht um 249 Millionen Euro, die den Hochschulen aus Landesmitteln ersetzt werden. Das machen wir nach dem Leitmotiv „Das Geld folgt den Studierenden“, das heißt, auch die Hochschulen, die bislang auf Studiengebühren verzichtet haben, erhalten entsprechend ihrer Studierendenzahl Kompensationsmittel. Über die Mittelverwendung vor Ort entscheiden Kommissionen, die zur Hälfte mit Studierenden besetzt sein werden.

Wie sieht die Öffnung der Hochschulen konkret aus?

Wir müssen die Hochschulen zugänglich und attraktiv machen für Menschen, die bisher zu selten studieren. Es gibt immer noch zu wenig junge Frauen, es gibt zu wenig Studierende mit Migrationshintergrund, zu wenige Arbeiterkinder sowieso. Der Zugang für Menschen ohne Abitur, aber mit beruflicher Qualifikation soll erleichtert werden. Für all das brauchen wir neue und flexible Eingangsphasen ins Studium. Zurzeit entwickeln wir mit den Hochschulen ein Konzept dazu. Durch die Fernuni Hagen gibt es in NRW bereits wertvolle Erfahrungen, die wir nutzen wollen. Wenn man Berufstätige an die Hochschule holen will, muss zum Beispiel auch ein Teilzeitstudium möglich sein.

Wollen Sie an der Trennung von Universitäten und Fachhochschulen etwas ändern?

Auf Landesebene sind die Spielräume hier sehr klein. Allerdings denke ich auch, dass sich die Hochschullandschaft künftig weniger als noch heute an dieser Trennlinie orientieren wird. Das spezifische Profil einer Hochschule wird immer wichtiger. Die Universität Duisburg-Essen hat zum Beispiel vierzig Prozent Studierende aus hochschulfernen Schichten und ist gleichzeitig sehr forschungsstark. In dieser Konstellation ist das schon sehr ungewöhnlich und zeichnet die Uni aus. Ein anderes Beispiel ist die FH Aachen am Standort Jülich. Dort gibt es einen hervorragenden Campus mit sehr guter Studierendenbetreuung und ideale interdisziplinäre Forschungsbedingungen, die Forscherinnen und Forscher aus ganz Europa anlocken.

Studierende und GEW kritisieren am Bolognaprozess u. a. die extreme Leistungsverdichtung und Verschulung. Was tun Sie, um das Studium wieder studierbar zu machen?

Im Bolognaprozess sind zum Teil die Ziele aus dem Blick geraten, es wurden Lehrpläne zusammengeschraubt, die nicht funktionieren. Da muss man nachbessern und auch entschlacken. Einige Hochschulen sind bereits dabei. Als Ministerium begleiten und unterstützen wir das. Außerdem rücken wir die Qualität der Lehre mehr in den Mittelpunkt und werden dem Parlament regelmäßig einen Qualitätsbericht vorlegen. Es geht dabei nicht um Zahlenfriedhöfe, sondern um kontinuierliche qualitative Begleitforschung.

Was bedeutet Bologna für die Lehrerausbildung?

Die Lehrerausbildung ist nun auch gestuft in Bachelor und Master. Gemeinsam mit dem Schulministerium sind wir gerade dabei, das Lehrerausbildungsgesetz umzusetzen und dafür zu sorgen, dass das sinnvoll geschieht. Wer unterrichten will, wird schließlich nicht Bachelor-Lehrer, sondern braucht auf jeden Fall den Masterabschluss.

Sie machen offizielle Hochschulbesuche nur, wenn Sie auch mit dem AStA sprechen können. Warum?

So bekomme ich die verschiedenen Sichtweisen am besten mit, das Gesamtbild wird dadurch runder. Es ist schließlich ein Unterschied, ob man eine Hochschule leitet oder dort studiert. Oft sprechen beide Seiten über die gleichen Themen, aber mit anderen Schwerpunkten. Dieser Austausch kostet vielleicht am Anfang etwas mehr Zeit, aber am Ende spart man Zeit, weil es weniger Widerstände gibt, wenn man alle Beteiligten von Beginn an einbezieht.

Das Interview erschien in der Ausgabe 1/2011 des GEW-Magazins „Erziehung und Wissenschaft“.