Zwischen den Jahren, Zeit zurück zu blicken und Schüttelkrämpfe zu bekommen. Die Frage sei am Jahresende erlaubt: Warum, liebes Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, quälst Du mich seit Jahren mit der unsäglich trutschigen, dafür doppelseitigen Rubrik „Personalien“?
Nun hat man Dir Hang zum Klatsch schon immer unterstellt. Aber was hier Woche für Woche an Belanglosigkeiten über wichtige Menschen und solche, die es in Kaufbeuren oder Montpellier gerne wären, verbreitet wird, ist einfach würdelos. Würdelos nicht für die Beschriebenen, die hin und wieder in schlimmer Selbstüberschätzung diese Geschichtchen noch scannen und an Freund und Feind verschicken mögen, es ist würdelos für den Leser als Volldepp angesprochen zu werden. Es sei denn, die Projektion der Redakteure träfe ausnahmsweise, und die Lektüre der Einspalter und das Betrachten des stets großformatigen Frauenbildes auf der Aufschlagseite führte tatsächlich zu männlichen Tagträumen oder zu Handlung gewordenen männlichen Tagträumen.
Der Humorgehalt der Schnurren unterbietet locker das Niveau eines jeden „Kennen Sie den schon?“-Witzes kostenloser Stadtteil- und Apothekenblätter. Es ist sicherlich unter der Würde des Spiegel, Nebensächlichkeiten zu wiederholen, die schon von Tageszeitungen in den Spalten „Vermischtes“; „Buntes aus aller Welt“ und sonst wo entsorgt wurden, Neues von Lady Gagas Friseur, vom Stiefsohn von Wladimir Putins Schulfreund oder von Xang Chi, dem dreibeinigen Hund, der im nördlichen China als Wiedergeburt von wahlweise Stalin, Hitler oder Wladimir Putins Schulfreund verehrt wird. Banalen Klatsch können Gala und Bunte besser. Preiswürdigen Klatsch produzierte vor 20 Jahren einmal aus Versehen der Bayerische Rundfunk mit „Leo´s“. Im ORF-Magazin „Seitenblicke Spezial“ füllen ebenso faltenreiche wie hirnlose Zahnarztgattinen und Operettenstars dermaßen penetrant Vernissagen, Empfänge und Premieren, dass man zu Spenden aufrufen möchte für den Berufsverband freiberuflicher österreichischer Amokläufer.
Da ist die Nische für ein Nachrichtenmagazin, das einen erkennbar eigenen Stil pflegen will, eng. Nur leider will niemand, exakt niemand wissen, was die Schwiegermutter von Laura Hadland im Spiegel 46/2010 sagt angesichts eines Porträts, das sie als Mosaik aus 9852 Toastbrotscheiben zeigt. („Es ist sehr, sehr seltsam, mein Gesicht als Toastbrot zu sehen.“) Es tut auch sehr, sehr weh zu erfahren, welchen Mördergag der „alerte“ Norbert Röttgen raushaut, wenn er anlässlich eines Firmenbesuchs in Sachsen einen örtlichen Kinderzirkus besichtigen muss (Spiegel 23/2010). Achtung, festhalten: Röttgen dankt dafür, dass die Anmoderation, gleich kommt er, „keinen Bezug zwischen Kinderzirkus und…“ , haltet euch fest, „… Bundesregierung hergestellt hat.“ Hammer! Da grinst der devote Büroleiter, kreischt der besuchte Unternehmer und pisst sich der mitschreibende Spiegeljournalist vor Lachen in die Hose. Nur ich denke daran, Teilzeit-Analphabet zu werden.
Ganz ehrlich, bei mir haben die „Personalien“ im Spiegel-Hinterhof nur eine Funktion. Ich habe mir geschworen, sobald ich das erste Mal über eine der Stories lache oder nur lächele, fange ich an ZDF zu gucken, WDR 4 zu hören und melde mich zum Nordic Walking an.
Wer schreibt so etwas wie die „Personalien“? Lernbehinderte Schülerpraktikanten? Gebt denen besser ein Porträt von Angela Merkel, lasst sie lustige Brillen, Hitlerbärtchen und kleine Pimmel ins Bild krickeln und druckt das. Redakteure, die mal richtig Mist gebaut haben und mit der Versetzung in dieses Ressort bestraft wurden? Macht sie zum stellvertretenden Leiter der Landesredaktion Sachsen-Anhalt oder schickt sie eine Woche auf Dienstreise mit Guido Westerwelle und schmeißt den Bericht anschließend in den Papierkorb. Oder wollt Ihr Eure treuen Leser bestrafen, die sich montags Euer Blatt am Kiosk kaufen, weil sie immer noch von der investigativen Kraft des Spiegels überzeugt sind? Erhöht einfach den Preis um 20 Cent. Ach so, das habt Ihr gerade.