Das eigene Fremde – Anspruch und Wirklichkeit der Kulturhauptstadt Ruhr 2010

In ein Meer von Fahnen und plakativen Optimus getaucht, ein ganzes Jahr und noch viel mehr, bestimmte das dauerleuchtende Event bis Advent die Kulturhauptstadt auf Ruhr. Für die mediale Aufmerksamkeit hatten Marketing- und PR-Agenturen die Haut der Träume zugeschnitten und der Ruhrmetropole ein buntes, pauschalisertes bisweilen niveauvolles Unterhaltungsprogramm verpaßt: Mitmachspiele ohne Grenzen, sonntags geöffnete Realzeitmuseen, Kunstachterbahnen,…, kurz, die standartisierte Einkleidung kultureller Identität, maßgeschneiderte Kulturhauptstadt -Trachten und Betrachtungen. Von unserem Gastautor Herbert Schero

Zwanghaft bemüht, dem eigenen Bewahrungswillen und Gestaltungsinstinkt gerecht zu werden, es zudem noch möglichst allen recht zu machen: Wetten, dass? – schickten die Kulturhauptstadtmacher den tradierten Themenvorrat des Ruhrgebietes, Denk- Ideal- Kult- und Heimatfiguren, internationale Stars und provinzielle Utopien ins Rennen. Zeitgleich wurde die gemeinhin hochgelobte soziale Integrationskraft des Wettbewerbes unterwandert: Propheten im eigenen Land, kritscher Eigensinn, Kunst- und Problemfiguren erhielten Startverbot. Und die Würde des Fragens, Kulturpolitik also, hatte fragwürdigen Zielen und Verblendungs- zusammenhängen dienlich zu sein. Die Rede ist von der Politik der Ekstase und ihren katastrophalen Fehlentscheidungen, von Seilschaften, ihrem Geltungsdrang, Karrieredenken und Wirtschaftsbeschaffungsmaßnahmen auf allen Ebenen. Kleiner Mann – grosse Ruhr 2010 GmbH: Was ist geblieben vom Anspruch: “…kulturelle Leuchttürme, Höhepunkte mit internationaler Strahlkraft zu schaffen, die die Kulturhauptstadt Europas 2010 weithin sichtbar machen.”? Wo und wie wurde der Möglichkeits- und Wirklichkeitssinn der vier Themenschwerpunkten: “…neue Formen der Urbanität, kreatives Milieu, integrierte Migrantenkultur und schließlich ein kreativ-ökonomisches Modell für Europa zu schaffen.” eingelöst?

Blick zurück, ohne Zorn. Die Leistungsschau der Kulturhauptstadt Ruhr 2010 (GmbH) stellte von Beginn an medienwirksame Großevents in den Fokus der Öffentlichkeit, ihre Guinness-Politik der Rekorde die Aufwertung des Wirtschafts- u. Freizeitortes:  “RUHR 2010 hat die Vision, aus der regionalen Gemeinschaft von 53 Städten eine Metropole neuen Stils zu bilden.”

“Wir malochen für das Ruhrgebiet” hatte BILD das Engagement des Ruhr 2010 Direktoriums gelobt, das sofort kurz nach der Hauptpressekonferenz loslegte und sich ungeniert mit fremden Federn, mit der ehrenamtlichen Arbeit unzähliger Kultur- und Heimatvereine, mit den alltäglichen Kulturveranstaltungen des Ruhrgebietes schmückte. Wo die Hütte brannte, das hob die WAZ täglich hervor. Ihr Satellit, NRW-TV, strahlte die zu Local Hero-Wochen umbenannten Kulturhauptstadt-Wochenmarktangebote zu besten Sendezeiten in die digital empfangenden Haushalte: Illuminationen von Du zu Du, Lyrik von Nachtwächtern und Müllmännern, soziale Skulpturen und ihreTränen des Eros. Die Montagsandacht der Steuerzahler und die Solidaritätsparty der Banker&Sponsoren in den maroden Kommunen der Ruhr-Verbundenheit wurden live von Televisonsampeln übertragen. Das ZDF-Kulturprogramm strahlte Aspekte der Traumzeit- und Schnittkultur aus: 66 (+ -) türkische Modells in Brautkleidern ohne Kopftuch; made in Marxloh, Geisterfahrer&Geistreiche gingen auf Sendung. Das philosophisch-phallokratische Quartett vor dem Kiosk Dortmunder U diskutierte über das Paarungsverhalten der Kohlenpöttler, Revierhasen und Schützenkönige.

Jeden Monat neu aufgelegt, strotzten dickleibige Veranstaltungsprogramme der Ruhr 2010-GmbH vor Anglizismen, suggerierten Wirgefühle und versprachen eine nie dagewesene Alchemie der Gefühle: Metaxa & metexis am Abend mit Goldrand, feurige Stahlabstiche und die Twilight – Kunstlichtshow im Hafen der Kulturhauptstadt. Feierabende, an denen die Goldene Sieben in Spielhallen aufleuchtete, der Mariacron-Stern über dem Tresen. Und so ging tatsächlich jeden Tag für die Liebhaber der Television in der Börse der quadratische Horizont auf. Es fiel das angekündigte, das entscheidende Tor und die Freunde der Kulturhauptstadt &Fußballweltmeisterschaft, vereinten sich. Kulturen&Nationen. In der Arena der Geschichte wurde The day of songs zelebriert! Alles gab es per se und für lau noch oben drauf: Manzonis eisgekühlter Mittelstürmer, Klarer mit Speck aus dem Hieronymus Bosch-Kühlschrank Garten der Lüste. Und Poetische Nächte auf der Halde, da kam nämlich der Steiger und erzählte Grubenmärchen gegen den Kohldampf. Vom Gläsernen Hut mit Mercedesstern obendrauf, von der Brücke der Solidarität und so.

Night&day lief die Kulturmaschine Ruhr 2010 GmbH auf Hochtouren. Respekt. Himmelstürmende Lichtprojektionen auf alten Rathausmauern und Feuermusiker am Werk, illuminierten den Flug des Feuervogels. Ja, es hat ihn gegeben, den Himmel aus glühendem Stahl, sie, die Götterdämmerung, in der Gebläsehalle. Ja, der von Herrn Krupp-Beitz gesponserte Neubau des Museum Folkwang steht seit langem, wie `ne Eins, in Essen. Der im Volksmund genannte “Schukasten”, der Dachaufbau für das Museum Küppersmühle in Duisburg, Kosten mit Nachbesserung 20 – 40 Millionen, ist in der Mache I. Ebenso das Zwei-drei-Straßen- Projekt von Jochen Gerz. Idee&Realisierung muten wie das Haus ohne Hüter an, wie so viele der medial aufgeblasenen Ruhr 2010-Kunstprojekte. Ob die von Gerz für 2011 angekündigte Print-Dokumentation des Wohn- u. Interaktionsprojektes, ihr Wirklichkeitsversprechen einlösen wird? Schon in den Siebzigern, “einst vor Jahren, zur Zeit der Allerseelenstürme” hatte Aktionskünstler HA Schult anläßlich seiner TOUR-de-RUHR eine gleichgeartete Livingroom-Kunstmitmach-Idee artbissiger und weniger artig im Kohlenpott realisert. Ja, damals kochte Max von de Grün Literatur im Pott und Ruhrkomiker lösten immer noch Smokealarm aus.

Kulturhauptstadtschlagzeilen und  Aufsehen erregte der Auftritt der Duisburger Symphoniker, die in leerstehenden Wohnungen sogenannter “Stadtteile mit sozial-kulturellem Erneuerungsbedarf” ohne Kohle so überzeugend musizierten, dass die Zuhörer glaubten, die Auflösung der hochsubventionierten Symphoniker stünde bevor; zumindest die Streichung der Streicher.

Der drastische Kulturabbau im Namen der Kultur, das Streichkonzert der Einsparungen mit Zensureffekt, war schon 2009 über die Bühne gegangen. Den schätzungsweise 50.000 im Ruhrgebiet lebenden Kreativen der Freien Kulturszene verweigerte die Ruhr 2010 GmbH die Teilhabe an der Kulturhauptstadt, das Mitsprache- und Selbstvertretungsrecht.  Schon im Jahr 2007 waren zweitausend Kreative blauäugig der Aufforderung der Ruhr 2010 GmbH gefolgt und hatten Projektideen zur Kulturhauptstadt eingereicht, nicht ahnend, dass alle Fördermittel längst verplant waren und pro forma nur zwei Dutzend kleinere Projekte einen Kulturcent erhalten würden. Im Herbst 2009 folgte dann der finale Schachzug der NRW-Regierung.                -2-

Ministerpräsident Rüttgers  bewilligte den Ruhrkommunen – einen Euro pro Einwohner – zweckgebundene Kulturhauptstadtmittel, die nur für Projekte der Ruhr 2010-GmbH verwendet werden durften. Grub so der Kultturszene Ruhr auch noch auf kommunaler Förderebene das Wasser ab.  Besonders junge, kritische und ungewöhnliche Kulturansätze mit partizipativem Anspruch, hohen Risiken und großen Chancen stehen – im Gegensatz zur institutionellen, etablierten Kultur – im Ruhrgebiet oft ohne jede Chance auf öffentliche oder private Unterstützung da. Warum das so ist, versuchte im Kulturhauptstadtjahr die Ruhr Universität mit einer soziologischen Erkundung der solidaritätsmüden Kunst- und Kulturszene Ruhr herauszufinden. Das Thema wirft viele Fragen auf: Wie kann die sogenannte “Freie” Kulturszene überhaupt in einer Gesellschaft existieren, deren kulturspezifische Erziehung nach Auschwitz den Terrror der Selbstverwirklichung predigt? In der nicht das feuilletonistische Zeitalter des Glasperlenspieles den Geist der Utopie durchtönt, vielmehr der Homo Sociologicus und seine erlernte Hilflosigkeit dem entfremdeten Sehnsuchtsbild des Homo Ludens begegnet, der sich in der Moderne zu tode spielt! Gibt es dort die vorbildliche Freiheit der Andersdenkenden? Die neuen wilden Jünger von Egon Fridell, Manés Sperber, André Malraux, Hilmer Hoffmann, Peter Weiss: die Traditionen des ästhetischen Widerstandes, den Aufruhr in den Museen der Imagination? Wo also finden wir die pantagruelischen Freigeister, die Traumzeiten- und Grenzgänger, die ihre Wunden zeigen, nicht die Lügen der Malerei und in ihren kreativen “Labyrs” (Labyr:Laboratorium&Labyrinth. Begriffsschöpfung des Bochumer Künstler Andre Thomkins; Erschaffer der Knopfeier & Palindrome: DOGMA IAM GOD) Utopiate backen, dabei den Baudelaire singen: “Es ist weniger anstrengend zu arbeiten, als sich zu amüsieren.”?

Engagierte Kulturschaffende, die  das Wahrlügen (L.Aragon) lesen und sich den Strategien “ästhetischer Doppelmoral” (S.Sontag), ) verweigern, werden ausgegrenzt. So erhielt die 1. Ruhr Biennale zeitgenössischer Kunst, deren Themenschwerpunkt Aqua Futurbana – Zukunft des Wassers und der Lebensräume – nach vierjähriger Vorbereitungszeit Werke&Konzepte von 57 Künstlern aus 12 Nationen, Kunst im Aussenraum, Filme,Videos, Atract etc. und Künstler des Ruhrgebietes ausstellte, keine öffentlichen Fördermittel. Nach 2 1/2 Jahren Bedenkzeit kam von der Ruhr 2010 Gmbh eine Kooperationsabsage. Derweil der Rat der Stadt Duisburg die jährlichen Fördermittel (120.000,- EUR) für die Projkete der Freien Kulturszene strich. Die  zunächst von der Stiftung Wilhelm Lehmbruck Museum erteilte Aufstellungsgenehmigung für die  Ruhr Biennale – Skulpturen “Wasserhahn” und TV-Sessel im Kantpark, wiederrief Direktor Raimund Stecker zwei Tage vor dem geplanten Aufbau. Begründung: Er bevorzuge statt temporärer Kunstwerke mehr  Spaziergänger im Park.

Parteiübergreifend machen die Kulturverwalter immer drastischer deutlich: selbstreferenzielle Kultur, die von der Differenz zur Politik lebt, ist unerwünscht. “Die Banalität betritt die Bühne”(Jeff Kons). Statt sinnstiftender Denkmodelle dominieren Nullikonen – Ruhr-Edelstahlwürfel & Marmorkugeln – öffentliche Plätze; der Nullgrad der Textlichkeit durchtönt digitale News-Schaufenster. Vorbei an warenästhetischen Botschaften durchfahren Menschen auf Rolltreppen die begehbaren Filme urbaner Architektur. Auf heißen Stühlen und geliftet Kunstinstallation für Autobahnfahrer. Die durften an einem restgrünen Rasenstreifen der Ruhrautobahn an eine Hundertschaft leerer, nur mit deutschen Städtenamen bedruckter Liegestühle, vorbeirasen, anläßlich der Kunst am Bau – Auschreibung Paradoxien des Öffentlichen. So also sieht sie aus, die institutionalisierte Kulturbewußtheit auf der Flucht vor sich selbst also, macht sie deutlich, wer die kulturphlegmatischen Permanentszenen des rasenden Stillstandes, die angesagten Mythen des Alltags und die sinnentleerten Symbole ihrer Geltungs- und Wirkungsformen zu verantworten hat.

Das Kulturhauptstadtjahr ist ausgeklungen. Was ist aus den Kulturverbindlichkeiten der Twins- und Melez-Veranstaltungen geworden; was klingt noch nach vom Impetus der tausend Chöre, vom Sprach- und Heimfindungsvermögen kultureller und integrativer Identität?  Was wird aus den unter Berücksichtigung des Kunstmarktranking eingekauften, millionenschweren Kunstinseln?, jenen Atollen auf dem Essen-Baldeneyer See, die nur von denen bestaunt werden konnten, die ein Boot, Helikopter, Fernglas oder Feuilleton zur Hand hatten. Das A40 Stilleben aneinandergereihter Flohmärkte und Miniaturbühnen hat es ins weltweite Guinessbuch der Rekorde geschafft. Eins ist sicher: die Liebhaber des Glückauf – Pils-Gesanges werden sich an die gelben Schachtzeichen-Ballons zur Pflege des Traditionbewußtseins, an Zechen,Thyssenbarone, Dahlbuschbomben und Unglücke erinnern. Das Trauma der Loveparade -Tragödie und der sie begleitende Mangel an ziviler und politischer Courage, die schmerzhafte Kultur nie gekannter Verantwortungslosigkeit und sozialer Amnesie wird auf unbestimmte Zeit im kollektiven Gedächtnis nachwirken.

P.S.  “Dem Bürger fällt vom spitzen Kopf der Hut. In den Lüften hallt es, wie Geschrei, Dachdecker fallen von den Dächern und fallen entzwei.” ( J.van Hoddis)

Ein Drittel des auf  70-150 Millionen Euro geschätzten Ruhr 2010-Budget haben Berater& Werbeplattformen verschlungen. In einem kritischen Artikel der WAZ (Okt. 2010) ist nachzulesen, dass allein die  Dieter Gorny Internetplattform artlab Fördermittel in Millionenhöhe erhalten hat (überdies auch für das Jahr 2011). Ironie der Geschichte. Der Medienbunker Hamborn produziert für ARTLAB Beiträge, u.a. eine filmische Dokumentation zur 1. Ruhr Biennale, die bis dato nicht ins Netz gespeist, vermutlich  zensiert wurde. Ein weiteres Drittel der Kulturhauptstadtmittel schüttet die GmbH an ihr Personal, darunter Herrn Gorny, gerne eben zusätzlich für die Projekte ihrer Juroren & Direktoren aus. Im Falle des Architekten Prof. Karl-Heinz Petzinka, zuständig für den Bereich Bildende Kunst, bleibt unklar, ob der von ihm mit Kulturhauptstadtmitteln geförderte mehrstöckige Ausbau des denkmalgeschützten Zechengebäudes in Gelsenkirchen, das noch einen Marcus Lüpertz-Herkules auf´s Dach bekommt, als “Wirtschaftsbeschaffungsmaßnahme”, Zweckentfremdung von Fördergeldern oder “normaler Vorgang im Bereich kultureller Befugnishoheit” einzuordnen sein wird. Das im Bau befindliche Vorhaben wird, so pfeifen es die Spatzen von den Dächern, von des Architekten eigener Baufirma realisiert und vermutlich mit Mitteln aus dem kleinsten, dem Etat für Kultur- Kunstprojekte u. Sonderausgaben, finanziert.

H.Schero, Kurator der 1. Ruhr Biennale, Vorsitzender des AortA Kunst- u. Kultur eV

Der Ruhrpilot

NRW: Der starke rot-grüne Staat…Welt

NRW II: Linke stellt sich hinter Gesine Lötzsch…RP Online

NRW III: Wo bleibt die Opposition?…Welt

Bochum: Mehr Geld vom Land für Theater…Ruhr Nachrichten

Bochum II: Infoveranstaltung zu Dresden 2011…Bo Alternativ

Oberhausen: Gewalttäter kommen in die JVA Oberhausen…Der Westen

Umland: Kölner Dom-Klöppel muss neu geschmiedet werden…Welt

Umland II: “Ich lass’ doch meine Karte nicht auslesen!”…Zoom

Nazis: Gewalt gegen Piraten…Isis

Medien: NvB-TV…Pottblog

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Der Ruhrpilot

Niederrheinexpress (RB 31) am Gleis 4 des Moerser Bahnhofes - Foto: Carschten via Wikipedia

NRW: Land fordert Reinvestition der Bahn-Gewinne…Spiegel

NRW II: Land will Opfern von Genitalverstümmelung helfen…RP Online

NRW III: Einige Gymnasien wollen Turbo-Abi kippen…Spiegel

NRW IV: WestLB muss weiter schrumpfen…RP Online

NRW V: Hauptschulen verlieren landesweit…Zoom

NRW VI: EU prüft Gas-Bohrungen…Ruhr Nachrichten

Bochum: Spender zeigen sich bei Musikzentrum spendabel…Ruhr Nachrichten

Bochum II: Rückschau auf die ersten Premieren unter Weber…Der Westen

Dortmund: Hoffnungen und Probleme in der Brückstraße…Der Westen

Medien: WAZ-Chef Hombach wirft Europarat fehlendes Interesse an Pressefreiheit vor…Spiegel

Medien II: Kommt die WP nun doch an den Desk?…Medienmoral NRW

Westropolis ist dann mal weg…

Im Dezember  wurde bekannt, dass die WAZ ihr Kulturblog Westropolis zum Jahreswechsel einstellen will. Nun ist er ganz weg.

Das war es dann wohl: Die WAZ hat ihr im Februar 2007 gestartetes Kulturblog Westropolis nicht nur eingestellt, sondern komplett aus dem Netz genommen. Der Link führt auf die Kulturseite VON Der Westen. Selbst die ungefähr 5000 Beiträge, die in den vier Jahren zusammengekommen sind, sind nun offline.

Westropolis war 2007 als Teil der Online-Offensive der WAZ-Gruppe gestartet und galt als Vorläufer für Der Westen.

In einer Pressemitteilung hieß es damals voller Elan:

Die WAZ Mediengruppe hat heute den ersten Baustein Ihrer Online-Offensive vorgestellt.
Unter der Internetadresse westropolis.de entsteht ein neues Kulturblog für NordrheinWestfalen. Westropolis bietet Kulturempfehlungen für alle und Kulturkritik von allen. Als Autoren schreiben die Redakteure der beteiligten Tageszeitungen WAZ, NRZ, WR, WP und dem Online-Portal WestEins Seite an Seite mit bekannten Gastautoren und engagierten Lesern – über das, was sie persönlich kulturell bewegt, vom Opernbesuch bis zum Rockkonzert, vom Ruhrpottkrimi bis zur Industriearchitektur. Westropolis ist Teil der Aktivitäten der WAZ Mediengruppe im Hinblick auf die Kulturhauptstadt 2010 in Essen und im Ruhrgebiet.
Der wesentliche Aspekt von Westropolis ist die Öffnung der klassischen, von Redakteuren
erstellten Kritik hin zu einer aktiven Einbindung der Nutzer. Dem Kulturinteressierten wird eine Plattform geboten, die er für seine eigene Meinungsäußerung, seine Kritik, seine Empfehlungen und Tipps im Bereich der Kultur verwenden kann. Westropolis integriert die Rubriken Film, Literatur, Design, Musik und Bühne.
Die Westropolis-Idee richtet sich an Menschen im Raum Rhein-Ruhr, die sich aktiv für
Kulturangebote ihrer Region interessieren. Sie gehen ins Kino, sie beobachten Entwicklungen im Bereich Design, haben ein Lieblingsbuch, eine Lieblings-DVD oder -CD. Sie besuchen Lesungen und Konzerte, haben eine Meinung zur Architektur eines Gebäudes ihrer Stadt und möchten diese Meinungen anderen kulturinteressierten Bewohnern ihrer Region mitteilen und öffentlich zur Diskussion stellen. Westropolis wird die Anlaufstelle, um ihre ganz persönliche Kulturkritik zu veröffentlichen. Im Umkehrschluss kann sich der Nutzer der Seite informieren, wie Dritten ein Bühnenstück, ein Film, eine DVD oder ein Buch  gefallen hat.
Jeder kann für Westropolis über ein Eingabeformular einen Beitrag senden, dazu ist keine
Registrierung erforderlich. Der Text wird von der WestEins-Redaktion geprüft und freigeschaltet. Kommentare sind direkt und ohne Registrierung möglich.
Die Westropolis-Gastautoren der ersten Stunde sind Menschen mit Meinung. Zu ihnen zählen Hatice Akyün, eine deutsch-türkische Journalistin und Autorin, die als Gerichtsreporterin für die WAZ Duisburg schrieb und heute in Berlin lebt, Else Buschheuer, Autorin und Moderatorin eines neuen Kinomagazins beim MDR, Johannes Groschupf, Journalist und Romanautor, der uns an der Entstehung seines neuen Buches teilhaben lässt, sowie der in Witten geborene Dramaturg des Westfälischen Landestheaters Christian Scholze.

OK, Ruhr2010 ist vorbei. Vielleicht hat sich damit so ein Projekt auch überlebt. Warum die alten Texte allerdings nicht mehr da sind, verstehe ich trotzdem nicht.

Ruhrgebiets-Tatort: Mut zur Fiktion

Nachdem WDR-Chefin Monika Piel einen Ruhrgebiets-Tatort angekündigt hat, wird darüber diskutiert, in welcher Pottstadt er spielen soll. Die Antwort ist ganz einfach: In keiner.

Für Dortmunds OB Ullrich Sierau ist klar, wo der Ruhrgebiets-Tatort spielen soll: In Dortmund. Und als Hauptdarsteller wünscht er sich Dietmar Bär, der jetzt den Kommissar im Sozialarbeiter-Tatort aus Köln gibt. Bochum wünscht ihn sich natürlich in Bochum – mit Armin Rohde als Kommissar. Bochum geht gar nicht. Rohde schon. Der hat sich in den ZDF-Serie Nachtschicht als Fahnder empfohlen.

Bleibt die Frage nach der Stadt: Dortmund? Bochum? Wieder Essen? Bottrop? Duisburg? Eine mit einem lustigen Namen? Castrop-Rauxel? Wanne-Eickel?

Alles Unsinn. Wie früher beim Fahnder sollte keine Stadt genannt werden. Ich schlage vor: Der Tatort spielt im Ruhrgebiet, die ganze Region ist eine einzige Stadt und das Autokennzeichen ist RU. Damit würde der Tatort in einer fiktiven Stadt spielen, einem zusammengewachsenen Ruhrgebiet. Die Auswahl an Locations wäre gewaltig. Die Möglichkeiten für Geschichten auch: Von bräsigen   Bauern über lüsterne Luden bis zu peinlichen Politiker würde alles gehen. Für jede Story gäbe es einen glaubhaften Hintergrund. Und ich will Action und Humor. Härte. Und bitte kein Sozialgesülze und keine Currywurstromantik.

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Der Ruhrpilot

Gesine LoetzschLötzsch: Große deutsche Denker der Gegenwart…Achse des Guten

NRW: Tiefe Löcher und klamme Kommunen…Ruhr Nachrichten

NRW II: Datteln IV – Der Schwarze Peter liegt bei Hannelore Kraft – schon wieder…Schmidts Katze

NRW III: Grüne verzeichnen neuen Mitgliederrekord…Bild

Ruhr2010: U-Boot für den privaten See…WZ

Ruhrgebiet: Pfarrer fordert Triennale kirchlicher Kultur…RP Online

Essen: Abfindungen für Hochtief-Chefs „absolut überzogen“…Der Westen

Dortmund: DSW meldet weniger Fahrgäste…Der Westen

Duisburg: SPD will im Rat in Duisburg ein festes rot-rot-grünes Bündnis…Der Westen

Duisburg: „Bürgermuseum“ als Ziel…RP Online

Wesel: Porno-E-Mail „traumatisiert“ Polizisten…Spiegel

Umland: Tauwetter, aber ungemütlich mit Sturmböen und ergiebigem Regen…Zoom

Kunst: Dioramadramaturgie…Kueperpunk

Medien: Die Medien gehen den Weg allen MTVs…Mediaclinique

Internet: Sieben Monate Flattr im Einsatz…Netzpolitik

K-Wort benutzt: Gesine Lötzsch löst Kommunismusalarm aus

Gesine LoetzschSie hat es gesagt, genauer: sie wird es noch sagen. Aber geschrieben hat sie es schon, das K-Wort. Und sie ist immerhin die Vorsitzende der Partei Die Linke, die Gesine Lötzsch. Genauer: eine der beiden Vorsitzenden. Der andere ist Klaus Ernst und – aus einer ganzen Reihe von Gründen – irgendwie ein Problem. Aber die Gesine Lötzsch – nach Parteilogik das passende Gegenstück: weiblich, ostdeutsch, Reala – galt eigentlich immer als enorm vernünftig. Der Parteilogik folgend: irgendwie kein Problem. Und jetzt das! Lötzsch verwendet in einem Beitrag, den sie am Samstag auf der Konferenz „Wo bitte geht’s zum Kommunismus?“ das K-Wort, ohne gleichzeitig direkt darauf hinzuweisen, dass im Namen dieses K-Wortes schwerste Verbrechen begangen wurden – Massenmorde, der Archipel Gulag, die Berliner Mauer, eine chronische Unterversorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs, und im Tal der Ahnungslosen gab es nicht einmal Westfernsehen. 

Kein Wunder also, dass dieses K-Wort „Emotionen auslöst“, wie Bodo Ramelow das ausdrückt. Im Westen, versteht sich; und offenbar weiß die – wie gesagt: Ostdeutsche – Frau Lötzsch aus Berlin nicht, „welche Emotionen sie im Westen mit diesem Schlüsselbegriff auslöst“. Das vermutet jedenfalls der Vorsitzende der Linksfraktion Thüringens, der aus dem Westen stammt, obschon dieses neue Bundesland wie alle anderen neuen Bundesländer im Osten liegt. Kurzum: er weiß um der doch eher etwas negativ besetzten Emotionen, die mit dem schlimmen K-Wort insbesondere dort verbunden werden, wo schon seit der Ermordung Rosa Luxemburgs die Leute reflexartig Angst vor der Verstaatlichung ihres Kühlschranks bekamen. Zwar konnten damals nur ein paar reiche Leute in den USA einen Kühlschrank ihr eigen nennen, aber es gibt ja auch arme Leute, die gegen die Reichensteuer sind. Man weiß ja nie, vielleicht könnte sie einen doch irgendwann einmal stören, die Reichensteuer. Sicher ist sicher, und deshalb hätte Bodo Ramelow „das Wort Kommunismus nicht benutzt“.

Der Weg zum Kommunismus“ sei, so gab es der Bundestagsabgeordnete und ehemalige Vorsitzende der Berliner Linkspartei Stefan Liebich verbindlich durch, „nicht Teil der Programmdebatte“. Sie wird die Linken in diesem Jahr nämlich verfolgen, und deshalb war es Liebich wichtig, einmal ganz klarzustellen, worüber geredet werden darf und worüber nicht. Zwar gab sein Kumpel, der jetzige Berliner Vorsitzende Klaus Lederer zu Protokoll, „Gesine Lötzsch bislang nicht als eine Vorsitzende erlebt (zu haben), die die Linke in eine kommunistische Partei umwandeln will“; doch Liebich hatte das jetzt gelesen. Und zwar auf Spiegel Online: „Programmdebatte: Linke-Chefin erklärt Kommunismus zum Ziel der Partei“. Da haben wir es! Das sind schon Profis. Nein, nicht die Vereinigung der Vorsitzenden aller möglichen Linken, sondern die Jungs von Spiegel Online. So macht man das.

Man knöpft sich Lötzschs Text vor, der in der Jungen Welt veröffentlicht wurde und dem bis dahin kein Mensch verständlicherweise auch nur die geringste Beachtung geschenkt hatte, sortiert ihn in freier Interpretation in die Programmdebatte der Linkspartei ein und stellt – noch freier interpretiert – fest: „Linke-Chefin erklärt Kommunismus zum Ziel der Partei.“ Immerhin hatte die Chefin bemerkt: „Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung.“ Damit steht die Überschrift: Linke will Kommunismus. Was wohl das Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED zu dem Vorschlag gesagt hätte, sich auf den Weg zu machen und auszuprobieren? Egal, das K-Wort ist gesprochen, und Kommunismus ist Kommunismus. Allerdings erfahren wir von Gesine Lötzsch nicht so ganz genau, was das eigentlich ist, dieser Kommunismus. Typisch: der Kommunist ist gerissen und verschleiert seine Ziele. Ein kleiner Hinweis findet sich allerdings doch in ihrem Text: „Wenn Kommunismus das Gemeinschaftliche betont und der Liberalismus den einzelnen, dann wollte Rosa Luxemburg beides zugleich.“ So wollte es Otto Schily eigentlich auch; doch dem war immerhin klar, dass das irgendwie nicht gehen kann.

Gesine Lötzsch feiert Rosa Luxemburg, was insofern clever ist, als dass die ultralinke Szene ihre Helden braucht und sich mit Rosa Luxemburg gewiss die richtige ausgesucht hat. Bei Lötzsch wird aus Luxemburg eine „radikale demokratische Sozialistin und konsequente sozialistische Demokratin“, was gewiss zwei verschiedene Aspekte dieser herausragenden Persönlichkeit markieren soll, mit der sich „der sowjetische Parteikommunismus“ nicht „versöhnen“ konnte. Wir können nur erahnen, dass sich bei Gesine Lötzsch alles ganz ähnlich verhalten dürfte wie bei Rosa Luxemburg. Doch bei Spiegel Online hat man Anderes im Sinn. Man ruft ganz einfach mal den Alexander Dobrindt an, also den Generalsekretär der CSU, und fragt ihn, was er davon hält, dass Frau Lötzsch jetzt den Kommunismus zum Parteiziel der Linken erklärt habe. Und dann sagt der:  „Frau Lötzsch stellt sich außerhalb unserer Verfassung. Wer den Kommunismus zum Parteiziel erhebt, greift die freiheitlich demokratische Ordnung unseres Grundgesetzes an.“ Damit steht die Überschrift: „Kommunismus-Bekenntnis: CSU fordert Totalüberwachung der Linken“. Man füge den eigenen Recherche-Ergebnissen schnell noch eine profunde Analyse des Geschehenen hinzu: „Der Text war eine Steilvorlage für den politischen Gegner“, und fertig ist die Lauge.

Da inzwischen auch CDU-Generalsekretär Gröhe angefangen hat zu toben, ist auch Frank-Walter Steinmeier, der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, über das Stöckchen, das ihm die Abteilung Antikommunismus hingehalten hat, gesprungen. Das Hamburger Abendblatt ließ er wissen, dass er sich „an den Kopf“ fasse, dass Lötzsch „zurück zum Kommunismus“ wolle, also „dorthin, wo wir Unfreiheit und Misswirtschaft 70 Jahre regieren sahen“. Angeblich rief er die Führung der Linkspartei zu einer raschen Klärung auf. Wen bitte? Wörtlich sagte er dem Abendblatt, er sei „gespannt, wie sich die anderen Führungsfiguren der Linken dazu äußern würden“. Ja, das ist aufregend. Oder sagen wir: es wäre aufregend, wenn Spiegel Online nicht längst des Dramas dritten Akt aufgeführt hätte: die Reue. „Die Linke ist linkssozialistisch, wir sind und werden keine kommunistische Partei. Und ich werde auch kein Mitglied der kommunistischen Plattform“, erklärte die gescholtene Parteiführerin. Klare Abgrenzung vom Kommunismus, und überhaupt habe sie das K-Wort nur deshalb benutzt, weil es im Titel der Veranstaltung am 8. Mai auftaucht. Und wenn man sie fragt, warum es die Linkenvorsitzende überhaupt für nötig erachtet, mit der DKP-Chefin und einer Ex-RAF-Frau zu diskutieren, erklärt sie, sei es ihr „Ansporn, im Publikum auch diejenigen für die Linke zu gewinnen, die unsere Partei für zu angepasst halten„. Entsprechende Vorbehalte gegen die Linke gäbe es nämlich im „linksextremen Milieu“.

Ach so ist das also. Wobei wir jetzt schon wieder nicht wissen, ob Gesine Lötzsch die Linkspartei dem linksextremen Milieu anpassen möchte oder aber das Milieu an die Partei. Vermutlich wird es ein offener Dialog; man wird es ja schon sehen. Immerhin kommt Lötzsch mit konkreten Ansätzen einer „revolutionären Realpolitik“ im Sinne Rosa Luxemburgs, selbstverständlich auf der Höhe der Zeit: energetische Gebäudesanierung, CO2-freie Städte, Verlagerung des Transports auf die Schiene. „Heißt das neuerdings Kommunismus?“ spottet die taz. Wenn das die ultralinken Straßenkämpfer vom Schwarzen Block auch lesen, hat Lötzsch am Samstag auf der Konferenz schon wieder ein Problem. Sie will dazu auffordern, „für einen Richtungswechsel der Bundespolitik zu kämpfen“ – so heißt es im Text. Vermutlich ahnt sie nicht, um noch einmal Ramelow zu zitieren, „welche Emotionen sie im Westen mit diesem Schlüsselbegriff auslöst“. Mit diesem R-Wort: Richtungswechsel. Da fährt die Szene aber voll überhaupt nicht drauf ab. Es müssen schon die K-Wörter sein: Kommunismus, Klassenkampf, Kackbratze. Mal sehen, ob sie das checken wird, die Gesine …