Der Ruhrpilot

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CDU: Lammert bringt Atomkoalition gegen sich auf…Spiegel

NRW: Ein neuer Kronprinz…Welt

NRW II: CDU-Bezirk Ruhr und Laschet…Pottblog

NRW III: Die andere CDU an der Ruhr?…Dirk Schmidt

NRW IV: Gewagt und gewonnen…FAZ

NRW V: Investoren sind an WestLB interessiert…Der Westen

Bochum: Clubbing in den 80er – Logo Bochum…Kochplattenteller

Bochum II: Weiterer Prozess gegen Antifaschisten…Bo Alternativ

Dortmund: OB watscht Jugenddezernentin ab…Der Westen

Duisburg: Festival „Spielarten“ lädt ins Königreich Theater…Der Westen

Online: Liebling, ich hab das Internet geladen!…Gelsenkirchen Blog

Protest: Der Castor rollt (auch) durchs Netz…Netzpolitik

Klug: Interview mit Richard Dawkins…Nerdcore

Leseempfehlung: Burkhard Hirsch über das Ende der Zuschauerdemokratie…Zoom

Wem gehören die Medien?

Der Journalist und Autor Tom Schimmeck referiert und diskutiert am kommenden Donnerstag über „Medien, Macht und Meinungsmache“ (4. November, 19.30 Uhr, verdi Dortmund, Königswall 36, Eintritt frei). Der Abend richtet sich ausdrücklich nicht nur an JournalistInnen, sondern es geht um eine politische Diskussion über demokratische Öffentlichkeit und die Rolle der Medien.

Heribert Prantl schreibt über seinen Kollegen: „Wenn man seine Texte liest, denkt man sich: Karl Kraus ist ja eigentlich tot, Kurt Tucholsky auch. Tom Schimmeck erinnert an sie, an die ganz Großen unseres Metiers. Aber er ist er selber. Er ist Essayist, er ist Kommentator, er ist auch Prophet.“

Hier veröffentlichen wir, etwas gekürzt, die Rede, die Schimmeck beim Kongress „Öffentlichkeit und Demokratie“ Anfang Oktober in Berlin gehalten hat:

Wem gehören die Medien?

von Tom Schimmeck

„Wem gehören die Medien?“ war der Titel der Hausaufgabe, die ich für diesen Kongress bekommen habe. Das klingt zunächst nach einer Fleißarbeit mit vielen Schaubildern, mit Prozentangaben und Kästchen. In denen Namen wie Bauer, Burda, Holtzbrinck, Neven Du Mont stehen. Aus denen ersichtlich wird, dass der Westen der Republik publizistisch in der Hand der WAZ-Gruppe ist – Kenner reden von der Brost- und der Funke-Linie –, der Süden hingegen in der Hand der Südwestdeutschen Medien Holding, hinter der eher öffentlichkeitsscheue Eigner wie etwa ein Herr Schaub stecken. Außerdem gibt es da noch Verleger wie Ippen und Ganske und wie sie alle heißen. Und natürlich die mächtigen Witwen Springer und Mohn.

Den gehören die deutschen Printmedien, die „Holzmedien“, wie wir neuerdings gern und keck sagen. Schon weil der Begriff automatisch die Assoziation freisetzt, dass da wohl irgendwie der Wurm drin ist.

Wir haben es hier weitgehend mit alten Imperien zu, mit einer Hand voll Milliardären, die sich größtenteils in der Forbes-Liste der Reichsten der Welt wiederfinden. Bauer, Burda, Holtzbrinck sind für jeweils so um die 2 Milliarden Umsatz im Jahr gut. Springer bringt es auf 2,6 Milliarden. Bertelsmann, jener Konzern, der 1835 mit dem Verkauf eines christlichen Liederbuchs begann, spielt mit seinen 1200 Einzelfirmen und Beteiligungen von Random House bis RTL in einer anderen Liga, kommt weltweit auf über 15 Milliarden. Das ist bereits die Sphäre, in der, noch etwas weiter oben, auch Disney und Rupert Murdochs News Corporation spielen.

Das Auslandsgeschäft, die globale Ausrichtung, wird aber auch für die anderen immer wichtiger. Längst sind deutsche Verlage tonangebend in Osteuropa. Gruner+Jahr etwa, eine Tochter von Bertelsmann, ist von den USA bis nach China aktiv, die Georg von Holtzbrinck GmbH in über 80 Ländern präsent. Die Bauer Media Group – das ist jene Hamburger Firma, die anno 1875 mit dem Druck von Visitenkarten begann, und wo seither wohl noch kein einziges aufklärerisches Wort erschienen ist –druckt heute mehr als 300 Zeitschriften in 14 Ländern, betreibt außerdem Dutzende Radiosender. Alle haben inzwischen auch ihre Online-Portale, produzieren Firmenblätter, machen sowieso in TV, Merchandising und so weiter.

Paul Sethe, einer der fünf Gründungsherausgeber der FAZ, spitzte die Zustände schon 1965 sehr knapp zu: „Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.“
200 wäre heute vielleicht ein bisschen hoch gegriffen.

Und auch der verlegerische Impetus hat sich stark verändert. Früher war der Verleger der Patriarch, der Talente um sich sammelte. Da durften auch ein paar dabei sei, die gar nicht seiner Meinung waren. Als Konfetti. Zum Schmuck. Als Hofnarren.

Inzwischen aber hat auch hier – Oskar Negt sprach gestern davon – die rein betriebswirtschaftliche Logik durchgesetzt. Die Inhaber sind zunehmend verunsichert über die Zukunft ihrer „Holzmedien“. In den Obergeschossen der Verlagshäuser herrscht eine Mischung aus Resignation und Aggression. Nicht, dass diese Imperien unmittelbar dem Untergang geweiht wären. Aber die hoch gesteckten Renditeziele sind in den letzten Jahren doch zeitweise deutlich verfehlt worden. Das Plus stimmte nicht mehr. Weshalb die Medieneigner die Unternehmensberater in Marsch setzten, die Bergers, McKinseys und Co. Allesamt natürlich Experten in Sachen demokratischer Öffentlichkeit. Die zogen mit dem Rechenschieber in die Redaktionen. Und kamen – Überraschung – zum Ergebnis, dass Qualitätsjournalismus doch verdammt teuer ist. Also wurde entlassen, entlassen, entlassen. Oh nein, Verzeihung: Freigesetzt.
Ja, das klassische „Geschäftsmodell“ der Blätter hat Probleme. Aber das Untergangsgeschrei war auch enorm nützlich, um eine höhere Rendite zu sichern.

Meldung vom September 2010:
Das erste Halbjahr 2010 verlief für den Bertelsmann-Konzern außerordentlich positiv. Auf 755 Millionen Euro bezifferten die Gütersloher das Operating EBIT. Im gleichen Vorjahreszeitraum hatte es bei 497 Millionen Euro gelegen. Der Netto-Gewinn betrug 246 Millionen nach einem Minus von 333 Millionen vor einem Jahr. Der Konzernumsatz landete bei 7,4 Milliarden Euro. Die starken Zuwächse führt das Bertelsmann-Management vor allem auf gestiegene Anzeigenerlöse bei den Töchtern RTL Group und Gruner+Jahr zurück. Der Hamburger Verlag konnte seinen Vorsteuergewinn im ersten Halbjahr von 55 auf 130 Millionen Euro steigern.
Eindeutig: Eine Krise

Zweite Meldung. Gut zwei Wochen alt:
Die erste Tarifrunde Tageszeitungen am 14. September in Berlin endete anders, als von den Gewerkschaften DJV und ver.di erhofft. Statt über angemessene Gehaltserhöhungen für die rund 14.000 Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen zu verhandeln, stellten die Zeitungsverleger Forderungen an die Flächentarifverträge in den Raum. Weil sich die Zeitungsbranche in strukturellen Schwierigkeiten befinde, so die BDZV-Vertreter, seien Abstriche unausweichlich.
Sie können gar nicht mehr anders als kürzen, streichen, „abbauen“.

Meldung 3, auch ganz frisch:
Auf stabile Anzeigenumfänge in den ersten acht Monaten dieses Jahres blicken die Zeitschriftenverleger zurück. Von Januar bis August nahmen die Anzeigen in den Zeitschriften ebenso viel Raum ein wie im gleichen Vorjahreszeitraum. Das ermittelte die Zentrale Anzeigenstatistik des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger. Die stabile Anzeigenlage macht sich offenbar auch positiv in den Verlagskassen bemerkbar.

Immer mehr Medieninhaber betreiben ihr Geschäft, als würden sie Schrauben, Schnittkäse oder Sonnenschirme verkaufen. Sie haben kein Anliegen mehr das größer ist als Geld. Besonders gut sichtbar sind die Folgen eines rein renditeorientierte Betrieb bei den Privatsendern. Seit 2007 sind Finanzinvestoren auf diesem Sektor direkt aktiv: Die Permira Beteiligungberatung GmbH sowie Kohlberg Kravis Roberts & Co (KKR) befehligen ProSiebenSat1. Diese Leute machen keinen Hehl daraus, dass sie sich genau null Sekunden lang für die gesellschaftliche Rolle ihrer Sender interessieren. Information? Aufklärung? Was ist das? Was kostet das? Kriegen wir die Zuschauer auch billiger? Es ist halt nur ein Investment. Durch Druck, Betriebsverlegungen und Entlassungen trimmen sie den Börsenkurs genau so lange, bis sie den besten Preis bekommen. Verglichen damit wirkt manch Altverleger schon wieder wie ein Musterdemokrat. Selbst die FAZ sprach angesichts des Treibens im Münchner Sender einmal von „Heuschreckenlogik“.
Womit geklärt wäre, wem Printmedien und Privatsender „gehören“. Im Sinne von: in Besitz sein.

Und dann haben wir da noch die öffentlich-rechtlichen Sender, die Anstalten, wie es so schön und manchmal allzu treffend heißt. Das sind diese großen Häuser mit diesen endlos langen Korridoren, in denen die Machtkämpfe besonders kompliziert sind.

Meiner Ansicht nach ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk eines der schönsten Geschenke, die uns die alliierten Siegermächte, vorneweg die Briten, nach 1945 gemacht haben. Aus der verheerendsten Propagandawaffe der Nazis wurde ein zumindest potentiell demokratisches Medium, das obendrein, zumindest potentiell, im Besitz aller ist. Umso betrüblicher, dass die Anstaltsrealität zuweilen krass vom Idealzustand abweicht. Im vergangenen November feuerte das ZDF auf Druck eines Roland Koch mal eben seinen Chefredakteur. Das machte einigen Wirbel. Es gab laute Proteste. Doch letztlich fügten sich alle. Im Mai stieg Regierungssprecher Ulrich Wilhelm (CSU), also die oberste Sprechblase der Regierung Merkel in Berlin, mal eben in den Flieger nach München und ließ sich zum Intendanten des ach so staatsfernen Bayerischen Rundfunks küren. Nahtlos. Der Rundfunkrat wählte ihn mit 40 von 44 Stimmen. Dort ist angeblich die Gesellschaft repräsentiert. Es ist eine Farce. Eine Frechheit. Eine Beleidigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und damit der ganzen Gesellschaft. Ein weiteres Beispiel für schamlose Medienmachtpolitik. Und es wirkt fast schon wieder ein guter Witz, dass sich Frau Merkel bei der Suche nach einem Nachfolger für den Herrn Wilhelm ausgerechnet beim ZDF bedient hat. Hurra, könnte man rufen, das Perpetuum mobile ist erfunden.

Vor allem die Christenunion zeigt immer wieder, dass sie ein gestörtes Verhältnis zum Grundauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat, ihn eher als Werkzeug betrachtet. Und sich im Zweifel auf die Seite der Medien-Privatbesitzer schlägt, mit denen sie irgendwie enorm gut befreundet zu sein scheint. Die Verleger haben ihren Spaß mit dieser Regierung. Ihr wichtigstes Schlachtfeld ist derzeit das Internet. Der Markt der Zukunft. Wo die Verleger mehr verdienen wollen, etwa mit Hilfe eines neuen sogenannten „Leistungsschutzrechtes“, dass ihnen – nicht den Urhebern – das Inkasso für Online-Inhalte erleichtern soll.

Zugleich feuern die Medienbesitzer, vor allem der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und der Verband Privater Rundfunk und Telemedien seit Jahren aus allen Rohren gegen die Online-Präsenz der Öffentlich-rechtlichen. Die sollen aus dem Netz gedrängt werden. Unter tatkräftiger Mithilfe vieler Politiker. … Dank eines neuen Medienstaatsvertrages sind ARD und ZDF seit Neustem gezwungen, zur Löschung ihrer Inhalte im Internet zu schreiten. Eine Massenvernichtung von Information. Stoff, für den wir Gebühren zahlen. Und der weg muss, damit bei anderen die Kasse stimmt.

Es ist an der Zeit sich verstärkt mit den Dirigenten dieses Orchesters auseinanderzusetzen. Da ist nicht nur die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, über deren keckes Treiben wir uns so gerne lustig machen. Meinungsmache ist eine globale Industrie geworden. Immer mehr sucht sie unser aller Sicht auf die Verhältnisse zu bestimmen. Keine Figur von Rang tritt mehr in die Öffentlichkeit ohne eine Armada von Imageberatern, Agendasettern und Marketingexperten. Politische Entscheidungsprozesse sind in allen Stadien den Pressionen einer kolossalen Lobby-Maschinerie ausgesetzt. Journalisten werden geschickt umschmeichelt und mit Geschichten gefüttert. Keine Party steigt mehr ohne Eventmanager. Selbst Kriege werden heute unter Feuerschutz von mindestens einem Dutzend PR-Agenturen geführt.

Zu diesem Bild gehört auch das vermeintliche unpolitische Wirken der Zerstreuungsindustrie. Die Welt der Promis, der Lightshows und des menschelnden Schwachsinns. Sie führt zur Entkoppelung breiter Massen vom gesellschaftlichen Diskurs. Sie kreiert eine Art Anti-Welt. Eine Öffentlichkeit, die Wirklichkeit verweigert. Sie befördert das Auseinanderdriften der Gesellschaft, vertieft den Graben zwischen Habenden und Habenichtsen. Verschärft das Unten und Oben.

Unten macht sich ein fatalistischer Verdruss über die sogenannten Eliten breit. Während oben die Verachtung gegenüber dem sogenannten einfachen Volk wächst. Die Mittelschicht lebt derweil in Angst und zeiht einen wachsenden Drang zur Abgrenzung gegen alles Fremde, dass ihr den Platz streitig machen könnte.

Wem gehören die Medien? Wem sollten sie idealerweise gehören? Die Antwort ist einfach: Allen. Uns.
Medien spiegeln und formen Gesellschaft. Medien sind der Ort, wo unsere Wirklichkeit beschrieben, reflektiert, debattiert und bewertet wird. Wo die Gesellschaft zu sich spricht.
Zivilisation – das ist die Zügelung von Macht und Gewalt in einer und durch eine informierte Öffentlichkeit.
Medien sind die Vehikel dieser öffentlicher Kontrolle. Oder sollten es doch sein. Deshalb nennt man sie die vierte Gewalt.

Ja, es gibt andere Öffentlichkeiten: den Marktplatz, die Parteien, die Gewerkschaften, Vereine, Initiativen, NGOs. Doch auch, was hier besprochen und getan wird, erschließt sich einer großen Zahl von Menschen nur über Medien.

Es ist elementar für die Demokratie, wer mitreden darf, wer den Ton angibt. Wie laut abweichende Meinungen werden dürfen. Und am Ende immer, wer die Entscheidungen trifft. Die „Elite“ und ihre Experten, die exklusiven Clubs? Die Börse, die Bürokratie, die Billionäre? So kann es nicht gehen.

Das Problem ist nicht nur ein strukturelles. Es hat auch etwas mit der Haltung des Einzelnen zu tun. Vor allem in meinem Beruf, dem Journalismus. Der ja so etwas wie der Maschinenraum der Öffentlichkeit ist.

Der Politik- wie der Wirtschaftsjournalismus haben sich im neuen Jahrtausend schon gründlich blamiert. Wirtschaftsressorts verkamen zu marktfundamentalistischen Sekten. Deutsche Politschreiber haben sich 2005 mit einer großen Merkelei lächerlich gemacht. 2009 gaben sie sich dann betont gelangweilt – was keinen Deut besser war. Die publizistischen Alphatiere fielen in eine postdemokratische Attitüde, fanden Demokratie plötzlich ziemlich lahm und langweilig und die Politiker sowieso alle doof. Global sind wir Journalisten in diesem Jahrtausend bereits an George W. Bush, Waldimir Putin, Jörg Haider und Silvio Berlusconi gescheitert. Aus höchst unterschiedlichen Gründen. Die Öffentlichkeit steckt nicht nur in Deutschland in der Krise.

Die Journalismus hat einen Haltungsschaden. Auch, zum Beispiel in den USA. „Das renommierte Corps der Hauptstadtkorrespondenten“, resümierte der Pulitzer-Preisträger Russell Baker zum Ende der Ära Bush, habe sich „mit Lügen abspeisen und zur Hilfstruppe einer Clique neokonservativer Verschwörer machen lassen“.

Trick des Rechtspopulismus es ist, der Komplexität einer sich globalisierenden Welt die simple Formel entgegenzubrüllen, Schuld zuzuweisen: Den Fremden, den Muslimen, den Juden, den Linken, den … – jedenfalls immer den anderen. Er schafft Fronten und Feindbilder. Es bündelt die Angst der Menschen und zieht sie an ihr durch die Manege.
Hier spätestens zeigt sich, dass Medienfragen Machtfragen sind. Dass haben wir bei Berlusconi gelernt. Der in Italien schon dreimal gesiegt hat. Weil er jede Menge Medien besitzt. Und weil er es geschafft hat, die Emotionen der Menschen zu kapern.

Genug Misere. Reden wir von der Zukunft.
Fragen wir uns:
Wie eine Öffentlichkeit herstellen – oder wiederherstellen, die mehr kann, als nur die fetteste Sau durchs Dorf reiten?
Kann der Markt es richten?
Was tun, wenn auch auf diesem Sektor ein Marktversagen eintritt?

Jürgen Habermas hat 2007 zur Rettung des seriösen Zeitungswesens eine gesellschaftliche Alimentierung nach Art des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorgeschlagen. Weil Leser, Hörer und Zuschauer nicht nur Konsumenten sind, sondern – Zitat – „zugleich Bürger mit einem Recht auf kulturelle Teilhabe, Beobachtung des politischen Geschehens und Beteiligung an der Meinungsbildung“. Weil der durch die Verfassung garantierte Rechtsanspruch auf mediale Grundversorgung nur durchsetzbar sei, wenn Medien unabhängig von Werbung und Sponsoreneinfluss bleiben.
Staatsknete für die Zeitungen? Die Reaktionen waren überwiegend unbegeistert.

Es gibt auch andere Modelle: Stiftungen etwa, die unabhängigen Journalismus fördern. Wie wäre es zum Beispiel mit einer deutsche Filiale des „Center for Investigative Reporting“? Oder mehr Rechechestipendien, wie sie etwa vom Netzwerk Recherche oder der Otto-Brenner-Stftung vergeben werden? Man könnte hier moderne investigative Auftragsdienste schaffe, nach dem Vorbild des amerikanischen „Spot us“ – Recherche sozusagen on demand, im bezahlten Leserauftrag.

Doch wenn über demokratische Öffentlichkeit reden, vor allem über Gegenöffentlichkeit, nimmt das Internet die absolute Schlüsselrolle ein. Es wächst rasant. Es liefert nicht nur Unmengen von Informationen. Es verändert auch die Kommunikation.

Sicher: Das Internet ist auch full of shit. Es erhöht das ohnehin lärmende Grundrauschen. Und viele chatten sich einfach nur ins Nirwana. Größere Zusammenhänge haben es auch im Internet oft nicht leicht. Man kann eine große Reportage, eine komplexe Analyse, nicht einfach in 150 Textkrümel zerbröseln und versimsen oder vertwittern.

Und trotzdem ist das Internet ein demokratisches Wunder. Es ist, als ob ein guter Geist allen Erdenbürgern – fast allen, auch der Zugang zu Computern ist begrenzt – eine Druckmaschine in die Hütte gezaubert hätte. Und dazu, was noch viel wichtiger ist, ein blitzschnelles, weltweites Vertriebssystem.
In vielen Ländern entstehen online neue, gute Medien. In Frankreich etwa haben viele gefeuerte Redakteure neue digitale Projekte aufgezogen, Internet-Zeitungen wie Rue89 oder mediapart.

Ein paar Bausteine zum Schluss:
1. Die Enteignung Springers gelang nicht. Das war vielleicht ganz gut so. Die Linke hätte sich ohnehin nie auf einen Chefredakteur einigen können. Was bleibt: Die Gesellschaft muss die Medieninhaber viel stärker in die Pflicht nehmen. Sie handeln nicht mit Schrauben oder Schnürsenkeln. Sie haben eine enorme demokratische Verantwortung.

2. Wir brauchen eine öffentlich-rechtliche Renaissance, einen Rundfunk, der tatsächlich von den gesellschaftlich relevanten Gruppen gesteuert wird. Wir müssen dem politische Erstickungstod von Anstalten wie etwa dem Hessischen Rundfunk entgegentreten. Und die Entleerung der Hauptkanäle verhindern

3. Wir brauchen ein anderes, freieres, zornigeres, couragierteres journalistisches Selbstverständnis. Zu viele werden gebrochen durch lebenslange Praktika, durch den Druck des Marktes. Zu viele schwimmen mit im Mainstream.

Übrigens, nebenbei: Es ist – das Wort hab ich lange nicht mehr benutzt – auch eine Klassenfrage. Wir haben immer besser ausgebildete Journalisten, aber die feinere Mittelschicht ist hier kolossal überrepräsentiert. Und mit ihr eine bestimmte Lebenswirklichkeit, eine bestimmte Wahrnehmung. Auch ein Grund, warum ein Thema wie Mindestlohn es so schwer hat.

4. Wir brauchen Strukturen wie Stiftungen und Vereine, die unabhängigen Journalismus fördern.

5. Wir müssen mehr große Internet-Experimente wagen. Magazine, Foren und Portale aufbauen, die echte Öffentlichkeit schaffen. Und Wege finden, damit sie Erfolg haben und sich tragen.

Warum müssen? Ganz einfach: Ohne Öffentlichkeit gibt es keine Demokratie.
Und die gehört uns.

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„Paroles, Paroles“. Nacht-Ausgabe.

„C’est étrange, je ne sais pas ce qui m’arrive ce soir.“ Das ist seltsam, ich weiss nicht, was mir heute Nacht passiert. Von unserem Mann in Berlin.

Und dann mach’ ich den Fehler, und schau’ doch noch Harald Schmidt. Eigentlich ja müde und die Sendung plätschert vor sich hin.

Harald gibt eine kleine Lesestunde und sagt: „Weißt du, von wem ich das mal hören möchte? Von Ben Becker. Wirklich! Von Ben Becker. Und Becker ist ja nicht nur ein s-e-n-s-a-t-i-o-n-e-l-l-e-r Schauspieler, sondern die Frauen liegen ihm zu Füssen. Jetzt hat er sich geangelt …“

Vicky Leandros!

Vicky Leandros im Duett mit Ben Becker, Ben Becker als schmierige Kopie von Alain Delon.

Harald Schmidt, als Ben Becker: „Und oft kommt das Playback früher als man glaubt.“

fsk 88, ja, 88, unbedingt: „Verstehen Sie Spass?“ hat auch noch den Original Alain Delon für einen Zombie-Cameo-Auftritt ausgegraben.

Aber was singen die da? Das ist doch „Paroles, Paroles“!

Von Dalida und Alain Delon, oder im Italienischen Original, MINA und Alberto Lupo.

„Gerede, Gerede“ bei Ben und Vicky.

Bei mir: „Du redest und redest“. Denn dazu hatte ich auch schon mal einen Text geschrieben. Fragt mich M. zu einer anderen deutschen Cover-Version:

„Für E.?“

„Nein, keine Chance. E. ist nachtragend. Was ja auch o.k. ist. Blöd nur, wenn es ihr selber schadet …“

Denn welcher Deutsche versteht schon Italienische Texte? Wer will da mitsingen?

„Wir treten auch lieber in kleinen Clubs auf“, hat E. aber noch nicht gesagt, obwohl …

Blöd! Blöd! blöd! Wieder so eine verpasste Chance! Und ich weiss, dass ich jetzt nicht schlafen werde. Was macht man da? Gut, dass ich rauche: erst mal Zigaretten holen.

Als ich zur Shell-Tanke sprinte, bringt mich der Audi aus dem Konzept: Will der jetzt tanken, oder weiter geradeaus fahren, mich doch lieber überfahren? Entschlossen sieht das nicht aus …  dann fährt er nicht zur Zapfsäule, sondern zum Staubsauger, um ein Uhr nachts. „C’est étrange …“ Höre ich Stimmen? Der Fahrer beugt sich wild gestikulierend zur Beifahrerseite rüber …

Ich fragt ich: „Muss ich jetzt den Helden geben?“

Antwort: „Besser schläfst du nicht, wenn du denkst, dass du gerade dabei zugeschaut hast, wie eine Frau verprügelt wird.“

Ich hat aber gute Argumente! Also mache ich mich auf den Weg zum Audi.

Das Fenster geht auf. Ichs Bauch-Bass fragt:

„Alles in Ordnung?“

„Ja“, antwortet er.

„Schön!“

Und schon ist die Beifahrer-Tür offen.

„Ich fahre nicht nach Hause!“ und sie läuft weg. Er hinterher. Zu Fuss.

Und jetzt? Was ist da noch zu tun? Ich hole mir meine Zigaretten. Auf dem Heimweg sehe ich die beiden. Sieht aus, als ob er sich selber schlägt. „C’est étrange …“

Die doofen Parteien und wir – in Sonderheit die Linken in NRW

Medien, Parteien und Demokratie – in Nordrhein-Westfalen. Wir lassen lachen.

NRWs linke Ladtagsfraktion bejubelt Stasispiitzelzeitung
NRWs linke Landtagsfraktion bejubelt Stasispitzelzeitung

Jüngst hat es Stefan erwischt, die Grünen mögen nicht mehr mit ihm reden. Vormals hat es David erwischt, er hat die CDU auf Grundeis gebracht.

Ich habe, in meiner Bescheidenheit, die nordrhein-westfälische Landtagsfraktion der Linkspartei auf dem Kerbholz, irre komische Freaks, die ich als Asta-Chef der Duisburger Uni nicht mal als Putzfrau oder Putzmann eingestellt hätte.

Was sagt also die Dortmunder Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Ulla Jelpke generell: Nur nicht mit der bösen Presse reden.

Was sagt die nordrheinwestfälische Linkspartei im selbstgemachten Lagebild in Huldigung zu einer Sektenpostille, für die Stasispitzel schreiben?

Am 7. Oktober 2010 feierte die Tageszeitung junge Welt Geburtstag. Genauer gesagt feierte ihre Herausgeberin, die Genossenschaft LPG ihr 15jähriges Bestehen. Die Fraktion DIE LINKE im Landtag von NRW gratuliert Redaktion, Verlag und Genossenschaft und überreichte als kleines Geburtstagsgeschenk mehrere neu gezeichnete Genossenschaftsanteile.

Nun.

Ich will euch mal verraten, wie Pressearbeit bei den Linken geht.

Einer fragt, um einen Termin zu kriegen, die Fragen zu stellen.

Sie antworten, Ausweis zeigen, Lenin hat ja auch mal gesagt, daß aufgrund der deutschen Bahnsteigkarte eine Revolution angezettelt würde oder so ähnlich.

Meine bisherigen Erfahrungen mit Ihren Veröffentlichungen über DIE LINKE haben den Eindruck verfestigt, dass Sie mit es mit der  journalistischer Sorgfaltspflicht und der Achtung vor der Wahrheit nicht so genau nehmen. Bevor ich ihre Fragen beantworte bitte ich um Übersendung ggfls. in Kopie eines gültigen Presseausweises.
Danach bin ich selbstverständlich gerne bereit, Ihre Fragen zu beantworten, sofern Sie und die verantwortlichen Redakteure der Medien, für die Sie schreiben, vorab schriftlich erklären, dass Sie künftig den Pressekodex des Deutschen Presserats http://www.presserat.info/fileadmin/download/Synopse.pdf
einzuhalten beabsichtigen. Eine Beschwerde vor dem Presserat bezüglich ihrer Berichterstattung  behalte ich mit in jedem Fall vor.

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Halloween: Drei Thesen zum großen Kürbis – Eins

Halloween dräut. Die Nummer vom großen Kürbis also.

Halloween. Das ist zum einen die Marketingabsatz-Nummer, die die US-Amerikanische Kürbisindustrie erfunden hat, wie seinerzeit in den Vereinigten Staaten die Muttertagsindustrie erfunden wurde, um an einem bestimmten Tag der Mutter ein Geschenk zu machen, weil die rabottete ja so viel mit den Kids und im Haushalt und mit den Kids und dann müsse ein Gedenk und ein Gedenktag her. Geschäftstüchtig.

Genauso ist das mit dem Kürbis.

In den sechziger Jahren sprachen sich so Marketingmanager, Werbefilmer, die alle Billy Wilder-Filme, also vor allem diesen: Some Like It Hot, übrigens der beste Film der Welt,  im Herzen bewegt haben in einer kladenstinen Konferenz aus dazu , zu einem  Brainstorming, mit zu der Frage, in Hollywood, sie wollten scheffeln:

Wie kann man diese langweiligen, diese voll zugewasserten Pflanzen, die fader schmecken als selbst eine Zuckermelone, also diesen voll blöden Kürbis verkaufen?

Trimmen wir das Ding auf niedlich und magisch – und machen wir einen Kult draus, war die Antwort.

„Aber das reicht noch nicht“, sagte einer der Marketingkrieger, von Fox-TV-, dem Pro-Vietmamesen-Sender, der damals Nixon unterstützt hatte, in den US, der einzige Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten, dem eine Amtsenthebung drohte. Soviel zur Kürbis-Kamapgne und Nixon.

Und während also Muhammad Ali den Rumble in the Jungle gewann, brach der Kürbiskult sein weites Feld. Und das mit Schmackes. In vielen kleinen TV-Sendern wurden Spots der Kürbisindustrie geschaltet, es wurde ein Kult geboren, der hieß Halloweeen. Bruhaha.

Aber der Halloweeenkult war eher als kinderkompatibel gedacht, eher so niedlich wie der Christkind-Kult, Grauselinchen ohne Horror, Trick or threat.

Übrigens ist es auch völkerkundlich gesehen ganz seltsam, daß es in bestimmten katholischen Sprengeln des aufgeklärten Deutschlandes diesen Trick or threat-Kultus gibt.

In der grundgängig katholischen Zechenstadt Kamp-Lintfort heißt der Hexenreim der Süßgkeiten abfordenden Kinder, die im Falle der Verweigerung mit dem Teufel im Bunde Flüche aussprechen etwa:

Gipp mir nicht zu wenig, gipp mit eher  zu viel, sonst geb ich die eins mit dem Besenstiel.

Nun ja, der Fluch des Satans verselbständigte  sich,

und mittlerweile trage selbst ich ganz dick Schminke in blutrot und schwarz am 31. November,  und das T-Shirt des Folterknechtes aus Hostel. In der Nacht auf dem Brocken, auf den Extern-Steinen, aber das ist ne andere Geschichte., vielleicht These drei: Kinder mit schwachem Über-Ich wollen Stärke in der Gruppe spüren. Und auf Dicke tun.

Während sich meine Pachtwork-Töchter sich schon seit dem Frühherbst auf irgendeinen geheimen Hexenreigen (Bibi Blocksberg, Oberstufe) vorzubereiten scheinen mit einem Eichhörnchen-Skelett auf den Ponysatteln und ich will diesen Hexenfluch gar nicht kennen ..

Also – These Eins:

Der Kult der großen Kürbis‘ ist ein emanzipatorischer Kult und Charles M. Schulz sein Prophet.

Morgen, wenn ich Bock hab: Mit Anekdoten. Das Prinzip Kawai in der Gruselkunst des zeitgenössischen japanischen Comics.

Ferrostaal: Ohne Schmiergeld und Gewerkschaft in die Zukunft

Die Beschäftigten der Essener Ferrostaal müssen sich auf herbe Einschnitte gefasst machen. Am 22. November will der Aufsichtsrat des Industriedienstleisters über die neue Strategie entscheiden – und über ein massives Sparprogramm.

Zwischen 400 bis 500 Beschäftigte sollen ihren Job verlieren. Rund zehn Prozent der Stellen sollen damit wegfallen, wie man aus dem Unternehmen hört. Damit ist aber nicht Schluss. Das Sparprogramm ist nur ein Teil des Umbaus, den der neue Vorstandschef Jan Secher durchführen muss. Angesichts eines Umsatzeinbruchs von 25 Prozent, der für das nächste Jahr erwartet wird, bleibt ihm keine Alternative.

Tiefer als das Sparprogramm geht die strategische Neuausrichtung, wenn man überhaupt von einer Neuausrichtung reden kann. Denn bislang gab es keine Strategie bei Ferrostaal. Geschäfte wurden gemacht, wenn immer sich eine Gelegenheit ergab. Eine Richtung, wohin denn das Unternehmen steuern will, existierte nicht. Es ging also zu wie auf dem Basar.

Nur laufen die Geschäfte auf einem Basar wohl ehrlicher ab. Über 100 Millionen Euro an Schmiergeld soll Ferrostaal in den vergangenen Jahren für die Anbahnung von Geschäften gezahlt haben. Das ist die Summen, die nach Angaben aus Branchenkreisen, bei einer firmeninternen Untersuchung aufgedeckt wurde. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt gegen Ferrostaal und frühere Manager wegen des Verdachts auf Bestechung. Das Unternehmen hofft auf eine schnelle Einigung, also eine Einstellung des Verfahrens gegen Bußgeld.

Die früher im Konzerne grassierende Korruption ist ein weiterer Grund, warum Secher den Laden umbauen muss. Sicher ist, dass Ferrostaal sich aus einigen Geschäften zurückziehen wird. Im Fokus stehen vor allem Länder in Südamerika und Afrika, die besonders für Schmiergelder berüchtigt sind. Die Zahl der Beschäftigten wird mit der neuen Strategie also unter die Marke von 4000 sinken.

Der Umbau ist schmerzlich, auf großen Widerstand brauchen sich die Konzernoberen aber nicht gefasst machen. Gewerkschaften spielen bei Ferrostaal keine Rolle, bei der IG Metall oder Verdi sind nur wenige Mitarbeiter eingeschrieben. Als schwach gilt auch der Betriebsrat. Den braucht die Belegschaft früher auch nicht, denn da ging es eher um den Aufbau von Arbeitsplätzen. Damit ist nun Schluss.