Der Ruhrpilot

Kohle: Konflikt zwischen Grünen in NRW und Bund…RP Online

Kohle II: „Ausstieg nicht im Sturzflug“…FR Online

Unis: Bildungs-Protest-Perspektiven-Treffen…Bo Alternativ

Kultur: Weltmusik aus dem Kolenpott…Hometown Glory

Ruhrgebiet: Ein Kumpel als Diktator…taz

Dortmund: Rechter Mörder aus Haft entlassen…S4

Bochum: Rasanter „Sturm“ voller Effekte und Bilder…Ruhr Nachrichten

Essen: 35.000 Besucher beim Zechenfest auf Zollverein…Der Westen

Duisburg: OB Sauerland–ein selbstinszeniertes Opfer ?…Xtranews

WM 2010: Deutschland gegen Polen…Exportabel

Events: dmexco, reVierphone, OMClub…Pottblog

Wissen: Kennt jemand die Bedeutung der unteren Skala auf diesem Winkelmessgerät?…Zoom

Gute Gründe für den Glauben

Christuskirchen Foto: Ayla Wessel/Kulturagentür

Aller Aufwand erwies sich letztlich als vergebene Liebesmüh: die groß angelegte Langzeit- und Querschnittsstudie konnte die Existenz Gottes nicht beweisen. Von unserem Gastautor Werner Jurga.

Auch für ein Leben nach dem Tode konnte kein zweifelsfreier Nachweis erbracht werden. Zahlreiche Indizien ergaben sich jedoch zur Stützung der Hypothese von der Reinkarnation. Die vielen Zeugnisse deuten jedoch darauf hin, dass ausschließlich Menschen höherer Stände in den Genuss einer Wiedergeburt kommen, während für Angehörige des Fußvolkes mit dem letzten Atemzug definitiv Feierabend zu sein scheint. So konnten viele Interviewpartner davon berichten, im Vorleben Kaiser, König, Prinzessin oder Courtisane gewesen zu sein, wohingegen das Forscherteam auf der Suche nach ehemaligen Stallknechten, Waschfrauen oder an von einer Kinderkrankheit hinweg gerafften Straßenkindern nicht fündig geworden ist.

„Ich denke, also bin ich“. Wie kein anderer Satz markiert eben dieser den Beginn der Aufklärung. „Cogito ergo sum” – das war der Beweis. Ergo: das Cogito war der Beweis für das Sum. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. Diesem Satz folgt ein seitenlanges Traktat Descartes´, mit dem der Universalgelehrte beabsichtigte, die Existenz Gottes zu beweisen. Diese Absicht ging gründlich in die Hose, die ganze Schrift ist nicht weiter erwähnenswert, ein einziger Unfug. Okay, auch ein Descartes hat mal seine schlechten Tage. Wie wir alle, wenn wir uns Dinge vornehmen, die nicht menschenmöglich sind. Wenn man Gott wäre, vielleicht … – so aber, als Normalsterblicher kann das einfach nicht gut gehen: die Existenz Gottes beweisen. Mal ehrlich: wenn Sie Gott wären, würden Sie dann einer von Ihnen geschaffenen Kreatur erlauben, Ihr Dasein wissenschaftlich zu beweisen?! Na also!

Descartes´ Gottesbeweis: einfach lächerlich. Aber egal: der erste Satz war der Bringer. „Ich denke, also bin ich“ kennt jeder, ein echter Hit. Evergreen. Etwas idealistisch, zugegeben. „Ich bin, also denke ich“ wäre mir plausibler vorgekommen. Aber wir sind halt alle Kinder unserer Zeit. Wir sind aufgeklärt, meinen wir. Descartes leitete die Epoche der Aufklärung ein. Klar: wenn man schon meint, die Existenz Gottes beweisen zu müssen, ist es um selbige schlecht bestellt. Nicht nur, dass man bis dato davon ausgegangen ist, dass sie sich von selbst verstehe. Sondern auch die von Descartes vermutlich nicht bedachte Implikation: heute beweist einer, dass es Gott gibt. Morgen kommt der nächste und beweist das Gegenteil. Übermorgen stellt jemand fest, dass Gott eine Frau ist. Armer Gott!

Nach dem gegenwärtig allgemein anerkannten Schöpfungsmythos stellt ein Urknall den Anfang aller Dinge dar. Gegenüber dem lieben Gott hat die Theorie des Urknalls den unbestreitbaren Vorteil, dass sie zu beweisen ist. Und tatsächlich: sie ist bewiesen. Es hat nachweislich geknallt. Man kann heute noch, wenn man entsprechende Instrumente zur Hand hat, das Rauschen hören. Damit ist die Angelegenheit empirisch belegt. Auch theoretisch erweist sich der Urknall als gut belastbar. Zumindest für die Phase vom Knall bis heute, die Zeit davor – so haben es die Physiker festgelegt – ist „nicht definiert“. „Nicht definiert“, Ende, Aus. Tja, es ist schon geil, wenn man die Definitionsmacht hat.

Fest steht: es hat urig geknallt. Wir wissen halt bloß noch nicht, wo und vor allem warum. Es knallt ja nicht einfach so; es muss doch einen Grund geben, warum es „auf einmal“ so – ich möchte fast sagen: nachhaltig – geknallt hat. Da Sie mir ohnehin nicht glauben würden, wenn ich behauptete, dass es daran gelegen habe, dass der liebe Gott gerade mit Streichhölzern gespielt habe, schlage ich vor, wir einigen uns darauf, dass kein metaphysischer, sondern ein ganz „natürlicher“, also physischer Grund für den Big Bang vorliegen dürfte. In Kürze werden die Physiker auch dieses Rätsel entschlüsselt haben.

Damit wäre dann wirklich das letzte Rätsel entschlüsselt, wenn wir davon absehen, dass es freilich auch für den Auslöser des Urknalls eine Ursache geben muss. Und auch dafür wieder einen Auslöser, eine Ursache, einen Grund. Und so weiter und so fort. Ein Regressum ad infinitum. Unendlichkeit am Anfang, sprich: Anfangslosigkeit. Beweist dies irgendetwas? – Ja. Die Welt / das Universum ist prinzipiell erkennbar, und wir werden die Welt letztlich nicht erkennen können. Denn jede beantwortete Frage wird eine Reihe neuer Fragen auf. Lenin hat Recht, der liebe Gott aber auch. Auch der kritische Rationalist, der sich jenseits leninistischer Ideologen und verbohrter Moraltheologen wähnt, muss damit irgendwie zurecht kommen.

Was bleibt, ist die Ethik. Aber wo kommt die nun wieder her? Fest steht, dass diejenigen, die sich schwerer Verstöße gegen die Ethik schuldig gemacht haben, keinen Monopolanspruch auf Ethik erheben können. Damit sind wir aber bei der Beantwortung der Frage, wo denn wohl die Ethik herkomme, keinen Schritt weiter. Ethik aus einer dem Menschen vermeintlich innewohnenden Vernunft herzuleiten, erscheint abwegig. Einerseits sind Geschichte und Gegenwart voll von Beispielen unethischen – insofern also unvernünftigen – Verhaltens. Zweitens könnte ich etliche Beispiele dafür anführen, dass das – ethisch kaum vertretbare – Ausschalten unliebsamer Konkurrenten ein hohes Maß an Rationalität aufweist. Wer an die Allmacht der Vernunft glaubt, braucht kein Strafgesetzbuch.

Die eingangs erwähnte, groß angelegte Langzeit- und Querschnittsstudie über die Religiosität ist nicht völlig ergebnisfrei abgeschlossen worden. Vielmehr konnte sie nachweisen, dass Menschen, die an Gott glauben, zufriedener, gesünder und auch – am einfachsten zu quantifizieren – länger leben. Ein, wie ich finde, guter Grund, an Gott zu glauben. Das Blöde ist: die Sache funktioniert nur, wenn man auch wirklich an Gott glaubt, und nicht einfach nur so tut, als ob. Man weiß nicht warum. Ob es daran liegt, dass der liebe Gott alles sieht? Oder an bislang unerforschten psycho-neuro-immunologischen Abläufen? Wie gesagt: man weiß es nicht. Dennoch: man muss wirklich glauben und nicht nur so tun, als ob. Scheiße! Wie soll man das denn bloß machen. Das scheint mir ja ein ganz schönes Arschloch zu sein, dieser Gott.

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Kollosaler Nazibau: Die Kongreßhalle auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände Nürnberg

50.000 Nazis auf einmal erschlagen? Das hätten diese beinahe selbst zustande gebracht, als sie das Kolloseum in Rom mit einem monströsen Bau in Nürnberg noch übertrumpfen wollten.

P1030041crDie Dutzendteiche in Nürnberg waren eigentlich seit dem Mittelalter ein Wasserspeicher, aus dem Stadt und Fabriken versorgt wurden, und ein Naherholungsgelände, um eine Vokabel der 70er wieder aufzugreifen, mit Volksfest und Tiergarten.

Bis in den 30ern die Nazis an die Macht kamen. Da hatte das Vergnügen nun dem Aufmarsch und dem Blick auf den Führer zu weichen. Der Tierpark, ein Leuchtturm (!) und ein Teil der Teiche verschwanden.

P1030043crDas Zeppelinfeld im ehemaligen Nürnberger Reichsparteitaggelände kennt man, auf dem zuvor ebenjene Luftschiffe landeten. Hitler ließ dort stattdessen SA, SS, Wehrmacht & Co. aufmarschieren. Die Amerikaner nutzten das Gelände nach 1945 dann für etwas ganz anderes, nämlich als soldier field. Heute finden unter anderem Rockkkonzerte auf dem Betonfeld statt, ansonsten wird der ehemalige Park nun als Park-Platz genutzt.

P1030044crWeniger bekannt ist die Kongreßhalle. Auch für diese wurden KZ-Zwangsarbeiter zu Tode geschunden und Unmengen Stein angeschleppt. Sie sollte größer und eindrucksvoller als das Kolloseum in Rom werden – eine 70 m hohe Versammlungshalle für 50.000 Parteimitglieder. Damit diese nicht im Regen stehen, sollte sie von einem Flachdach von 175 x 155 m überdeckt werden – freitragend, ohne Stützsäulen.

P1030045crDoch dann ging den Nazis das Geld aus – es entstand nur ein 39 m hoher Torso ohne Dach. Das allerdings hätte ohnehin nie gehalten – eine solche Größe ist freitragend auch mit modernen Materialien nicht als Stein-Flachdach realiserbar: Das Vorbild, das Kolloseum in Rom, hatte Zelttuch verwendet.

Heute ist das gesamte Gelände frei zu besichtigen, nur in einem Teil des Kongreßhallen-Torsos sind Lagerräume und Büros untergebracht. Auch die Kongreßhalle huldigt heute einem anderen Kult: dem Automobil – auch sie wird als Parkplatz genutzt.

Aber es wäre eine Ironie der Geschichte geworden, wenn auf diese Art den selbsternannten nazi-germanischen Göttern der Himmel auf den Kopf gefallen wäre…

(Alle Bilder: Jo Frank)

Drei Probleme und die neue Kassierer CD

Heute möchte ich die neue Kassierer CD vorstellen. Das stellt mich vor genau drei Probleme. Grund genug für eine Nabelschau.

Es gibt viele Dinge, die ich nicht kann. Das Schreiben von CD-Kritiken kommt dazu. Perik hat mich in all den gemeinsamen Jahren beim Marabo nur zwei Platten besprechen lassen. Und er hatte gute Gründe dafür. Viel mehr als toll oder öde fällt mir nicht ein. Musik zu hören ist für mich etwas ganz persönliches und die Geschichten, die ich mit der Musik verbinde sind oft so privat, dass ich nicht daran denke, sie aufzuschreiben. Ein abstrakter, kritischer Blick auf Musik ist mir fremd. Keinerlei Sachkenntnis trübt meinen Blick.

Und dann die Kassierer. ich mah Wolfgang Wendland und wenn wir uns mal im Intershop sehen trinken wir ein paar Bier. Es macht Spaß, sich mit ihm zu unterhalten. Er ist klug und strahlt, wie viele wohlbeleibte Menschen, zudem eine Ruhe und Behaglichkeit aus, die mir sympathisch ist.

Als mich Wolfgang fragte, ob ich die neue Kassierer CD bei den Ruhrbaronen vorstellen will sagte ich sofort ja. Dann erst fiel mir ein, dass ich die Musik der Kassierer nicht mag. Ich weiß, viele meiner Freunde mögen sie. Ich mag die Haltung der Kassierer, ihre Lässigkeit, ihre Bösartigkeit und ihren Hang zum Exhibitionismus. Alles klasse. Aber es ist nicht meine  Musik. Und hören konnte ich die CD auch nicht, weil mein Gutscheincode nicht funktionierte. Ich hätte die Kritik sowie versemmelt. Und das will ich nicht, weil ich nicht will, dass mich Wolfgang doof findet. Also: Die neue Kassierer CD ist da. Die Kassierer sind eine der erfolgreichsten Punk-Bands Deutschlands. Ihre Konzerte sind legendär. Sie haben Haltung. Sind Konsequent. Und hier ist die sehr schöne Pressemeldung zu der neuen Kassierer CD mit dem Namen Physik.

Das Album „Physik“ erscheint zum 25jährigen Bandjubiläum der Kassierer aus Wattenscheid. Wie der für ein Punk-Album ungewöhnliche Titel andeutet, geht die musikalische Reise der Kassierer dieses Mal in Richtung Wissenschaft. Das Album verbindet in noch nicht dagewesener innovativer Weise die Themenkreise Quantenphysik, Astronomie und Kot – wobei auch die kassierertypischen Anliegen Saufen und Geschlechtsverkehr nicht zu kurz kommen.

Musikalisch ist das Album noch ausgereifter und abwechslungsreicher als die letzte Scheibe „Männer, Bomben, Satelliten“, die mittlerweile sieben Jahre zurückliegt.

Zu Beginn knüppelt ein Drill Instructor auf den überraschten Zuhörer ein und stimmt ein Loblied auf Wölfi ein – garantiert die nächste Hymne für’s Stadion.

Punkmäßig wird dem Alkohol gehuldigt und er in eine logische Reihe der großen Menschheitserfindungen eingereiht. Obskure Zimmer tauchen auf bei „Ich fick dich durch die ganze Wohnung“, und in jedem dieser Zimmer kann man und frau herrlichen Sex haben.

Melancholisch wird es beim „Zitronenhai“ einem balladenhaften Werk, welches vomvon einem Zitherorchester begleitet wird, dessen betagte Mitglieder mit wahrem Spieleifer dabei sind. Auch lernt der geneigte Hörer, dass Sänger Wölfi rückwärts sprechen und singen kann, eine ganz erstaunliche Darbietung.

Wer nach einem Song über das bisher vernachlässigte Thema Niesen sucht, wird fündig und kann im Selbstversuch probieren, ob es gelingt, „Scharlatan“ laut zu niesen. Erinnerungen an Kraftwerk steigen auf, wenn die Kassierer die schlimmste Substanz des Universums besingen. Was könnte das sein? Richtig, es ist von Kot die Rede.

Alle Kinder, die mit dem Werk „Weihnachtsbäckerei“ groß wurden, sollten sich unbedingt informieren, wie eine Punkband dieses Lied genial verfremdet hat.

Der Skakracher „Ich war ein Spinner – doch jetzt bin ich seriös“ wirft die Frage auf, wie viel Autobiographisches in diesem Album enthalten ist.

Wir werden es – und das ist jetzt wieder typisch Kassierer – wahrscheinlich nie erfahren. Ständig wird man bei „Physik“ in ein Wechselbad von Erwartungen, Stimmungen, musikalischen Stilen und unerwarteten Wendungen geworfen, das jede Menge Spaß macht, verblüfft und oft Staunen macht. Was die Songs der Kassierer stets ausgemacht hat, ist ein geniales, jeder Konventionalität entzogenes Songwriting, das so von keiner anderen deutschen Band erreicht wird. Dieses Prinzip der absurden Kombination von Musikstilen und hirnverdrehenden Texten ist bei „Physik“ auf den Höhepunkt gebracht worden.

Kassierer-Tour:

30. 9. 2010 Hamburg – Markthalle
1. 10. 2010 Berlin – Astra
2. 10. 2010 Chemnitz – AJZ
8. 10. 2010 München – Backstage
9. 10 .2010 Wien – Arena
19.11.2010 Stuttgart – Zapata
20. 11. 2010 Kassel – Spot
11.12.2010 Köln – Essigfabrik
26.12.2010 Münster – Sputnikhalle

Der Ruhrpilot

NRW: Rot-Grüne Landesregierung will Integrationsgesetz…Kölner Nachrichten

NRW II: Kraft erstmals im Bundesrat…RP Online

Dortmund: Die 10. Museumsnacht…Ruhr Nachrichten

Dortmund II: Befürchtungen der Envio-Mitarbeiter werden wahr…Der Westen

Dortmund III: Gift, Geld, Gier – Envio und die kriminellen Kasachen…Der Westen

Bochum: „Candide“ in Bochum – das fängt ja gut an…Der Westen

Herne: Streit um Dezernenten-Posten…Der Westen

Duisburg: Es hat sich ausgeschwiegen…Mimi Müller

Oberhausen: Apple-Store eröffnet…Pottblog

Umland: Der Hamburger Haushalt und das Elend der Kultur…Zoom

Umland II: Hamburg…Wirres

Medien: “Printmedien sind und bleiben für die Demokratie unverzichtbar”…Carta

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Mehr Geld für die Städte ist das falsche Signal

Die Landesregierung vermindert den finanziellen Druck der Städte. Das mindert den Zwang zur innovation und festigt überkommene Strukturen und Pläne.

Ja, die Städte im Ruhrgebiet sind arm. Und sie sind daran nicht alleine Schuld. Das Kommunen im Revier den Aufbau-Ost finanzieren müssen ist Unsinnig. Aber Unsinnig sind auch die Strukturen im Ruhrgebiet, die sich nur durch finanziellen Druck aufbrechen lassen. Auf Einsicht und Verständigung zu hoffen, habe ich längst aufgegeben.

Was werden die Städte machen, wenn sie wieder einen größeren finanziellen Spielraum haben? Sie werden, wie Bochum, versuchen sinnlose Prestigeprojekte wie das Konzerthaus zu realisieren. Sie werden auf Leuchttürme und Landmarken setzen und aufhören darüber nachzudenken, Ämter zusammen zu legen.

Je mehr Geld, je weniger Kooperation – das ist die einfache Formel und die Politik der Landesregierung setzt auf die starken Städte und die ach so beeindruckenden OBs der Region, von denen die meisten ja ein SPD-Parteibuch habe. Auf die Entwicklung zukunftsfähiger Kooperationen setzt sie nicht. Es war Christa Thoben (CDU), die die Städte dazu zwang, bei geförderten Maßnahmen zusammen zu arbeiten. OK, was daraus kam war meist Kooperation auf dem kleinsten, gemeinsamen Nenner,. Aber deswegen war diese Politik nicht falsch – nur der Druck war nicht groß genung.

An 53 Orten im Ruhrgebiet  dürfen Politiker und Verwaltungsleute Stadt spielen. In den meisten Fällen tun sie das nicht gerade erfolgreich. Das Ruhrgebiet verliert an Einwohnern, die Arbeitslosigkeit ist hoch, noch nicht einmal zu einem vernünftigen Nahverkehr reicht es.  Stadt spielen ist ein teures Spiel. Dank der Landesregierung kann es jetzt weiter gespielt werden. Anders wäre besser.

E-Mobility – Die Zukunft des Nahverkehrs im Ruhrgebiet

Dieser Artikel ist ausführlicher veröffentlich in der Zeitschrift „Verkehrszeichen““ Nr. 3 /2010

Ökologische Mobilität ist einer der zentralen Schlüssel zu einer lebenswerten städtischen Zukunft, die schon jetzt die sozialräumliche Realität der meisten Erdenbürger ist und weiter und verstärkter sein wird. Dabei ist weltweit eher der disperse vorstädtische Raum als die kompakte europäische Stadt älterer Prägung die typische baulich-räumliche Ausgangsituation. Das Ruhrgebiet ist damit der Prototyp des urban verdichteten Raumes, der in Anbetracht des schnellstens nahenden postfossilen Zeitalters einer dringlichen und nachhaltigen Verkehrslösung bedarf.

Einer Verkehrslösung von der eben diese Region jedoch auf Grund ihrer speziellen Verwaltungs- und Planungsgeschichte und ihrer eng damit verbunden politischen Mut- und Entschlusslosigkeit weiter denn je entfernt ist. Die Stadtandschaft an Ruhr und Emscher verfügt zur Zeit weder über ein flächendeckend integrierten öffentlichen Nah- und Güterverkehr noch über eine ebenso flächendecken flüssig funktionierenden privaten motorisierten Personen- und Lastenverkehr. Einzig und allein die Situation des nicht motorisierten privaten Nahverkehrs in Form des Fahrrades hat sich in den letzten 20 jahren erhbelich und nahezu flächedeckend verbessert. Vorbildlich ist er aber im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten noch lange nicht.

Insbesondere das nur rudimentäre U-Bahn-Netz und der zu langsame Ausbau der 6 Spurstraßensystems in Ost-West-Richtung, von den immer schon schlechten Nord-Süd-ÖPNV-Verbindungen ganz zu schweigen, haben, neben der systematisch vermiedenen Kooperation der für die Städteregion zuständigen Verkehrsbetriebe eine insgesamt und in jeder Weise suboptimale Verkehrslage und -infrastruktur hervorgebracht, die dem aktuell anvisierten Selbstbild der Metropole, erst recht aber einem irgendwie gearteten stadtökologischen Anspruch, hohnspricht.

Im Verhältnis z.B. zu Berlin können die Takt- und Umsteigezeiten sowie die tägliche Bedienungsdauer durch Bus und Bahn im Ruhrgebiet nur als elendig bezeichnet werden und verlocken zu allerallerletzt zum ökologischen Umstieg vom privaten PKW auf Schiene oder Busspur. Das Auto ist deswegen auch des Ruhrgbietlers liebstes Kind. Egal zu welcher Einkommensschicht er gehört und welche Partei er wählt. Erst recht wenn er bei einem öffentliche Nahverkehrsunternehmen beschäftigt ist.

Seinen Kauf strebt er schon weit vor dem 18 Lebensjahr an und er gibt es nur wieder her, wenn man ihm die Pistole an den Kopf hält. Wer im Ruhrgebiet keine Auto besitzt gilt entweder als verrückt oder als wirklich arm, zumindest aber als besonders arm dran. Alles andere ist wohlfeile grüne Propaganda.

Diese totale Dominanz des motorisierten Privatverkehrs ist zuvorderst in der dispersen Raumstruktur des Ruhrgebietes begründet. Kulturell verfestigt hat sie sich aber erst durch einen Nahverkehr der bis heute seinen Namen nicht verdient. Alle Versuche der letzten 20-30 Jahre diesen Zustand zum Positiven zu verändern scheiterten an ihrer politischen Halbherzigkeit und an der schlichten Tatsache, dass den Veranrwortlichen die eigenen Jacke näher als die öffentliche Hose ist. Den Chefs der vielen Verkehrsgesellschaften ist es mit ganz wenigen Ausnahmen, man kann es leider nur so drastisch formulieren, der Nutzen ihrer Einrichtungen für das gesamten Ballungsraum absolut egal, so lange sie nur ihre Posten behalten können.

Verkehrsmäßig leidet das Ruhrgebiet unter dem Phänomen struktureller Dummheit auf Grund lokalpolitischer Postenwirtschaft, und das mit erheblichen ökologischen, ökonomischen und sozialen Folgen. In absehbarer Zeit werden andere Ballungsräume gegenüber dem Ruhrgebiet ihren Verkehrsvorteil auf Basis eines jetzt schon besser funktionierenden Nahverkehrs, den sie weiter und zunehmend massiv ausbauen werden, ausspielen. Auf Basis eines unausweichlich weiter steigernden Ölpreises werden sie so den Umstieg immer größerer motorisierten Privatverkehrsanteile auf den ÖPNV ohne Zwangsmaßnahmen vorantreiben und so auch ihren Nahverkehr effizienter und damit kostengünstiger betreiben können.

So wie jetzt schon junge ökonomisch noch nicht erfolgreiche aber doch hoch talentiert Menschen gerne in Städte ziehen, wo sie sich ein Auto im wahrsten Sinne des Wortes sparen können, werden dies in den kommenden Jahrzehnten auch die älteren und besser verdienenen Generationen tun. Erst recht wenn sie in Berufsbereichen arbeiten, die räumlich relativ ungebunden sind. Genau dieses Segment standortunabhängiger und zugleich hoch qualifizierter Produktion wird zumindest in Europa erheblich zunehmen. Ebenso die gesundheitlich gut aufgestellten Menschen über 60 die sich für die Zeit nach der Arbeit auch noch einen Ortswechsel zutrauen.

Der sinkenden Anteil des motorisierten Privatverkehrs wird, selbst wenn der Anteil an Elektroantrieben kontinuierlich zunimmt, aber die kommenden Jahrzehnte das Entscheidende für die Luft- und Umweltverbesserung in den Ballungsräumen sein und diese wird zugleich zunehmend relevant für die Wohnortentscheidung und für die Ansiedlung neuer qualifizierter Arbeitsplätze sein. Das Ruhrgbiet, das schon länger nicht mehr die erste Wahl hierfür ist, wird dabei immer weiter ins Hintertreffen geraten. Egal wieviel Industrie- und sonstige Kultur , wieviel spektakuläre Architektur oder wieviel zusätzliche Grün- und Freizeitflächen es in Zukunft noch aufbieten wird.

In einem dispersen und multizentralen Raum wie dem Ruhrgebiet ist aber nicht nur der Ausbau des ÖPNV als solchem interessant, weil liniengebundener Kollektivverkehr jede Art nun mal nicht die Fläche so gut bedienen können wie Individual-Fahrzeuge jeder Art. Hier ist der Kobinationsverkehr aus Kollektiv- und Individualbewegung genauso entscheidend. Vor allem das Park-And Ride und das weniger bekannte Mixed-Use-System sind hier die Schalthebel der Verkehrszukunft. Park- And- Ride, was die jetztige und zukünftige Autogeneration und ihre Kombination betrifft. Mixed-Use vor allem was die Kombination von Fahrrad und ÖPNV betrifft. Das Fahrrad, auch und gerade als E-Bike, ist dabei das Leitfahrzeug, da es auf Grund seines Gewichtes im Gegensatz zum Auto oder Motorrad/roller in Bus und Bahn mitgenommen und nach dem Ausstieg wieder weiter gefahren werden kann.

Als in kürzester Zeit falt- und damit erheblich verkleinerbares Fahrzeug, die es mittlerweile auch als E-Bikes gibt, ergeben sich noch weitere Vorteile im Mixed-Use-Konzept. So ein Rad nimmt beim Transport weniger Platz ein und es lässt sich auch sehr unkompliziert mit dem Auto kombinieren. Park and Ride heißt dann, mit dem Auto bis an den Rand der (Innen)Stadt zu fahren und von da aus mit Bike, egal ob mit oder ohne Zusatzantrieb, weiter zu radeln. Im Ruhrgebiet scheint mir dieses Konzept insofern interessant zu sein, als dass hier noch eine andere Entwicklungsalternative zu diskutieren wäre, die ökologisch im ersten Moment eher erschreckend erscheint: die totale Automobilisierung kombiniert mit einem in der Fläche erheblich reduzierten aber dafür um so schnelleren ÖPNV.

Der massive regionale Ausbau der E-Mobil-bezogenen Infrastruktur verbunden mit der Entwicklung eines urbanen E-Kleinwagentyps der unteren Preisklasse, der entsprechend der Anzahl der Mitfahrer auch die ständige Mitnahme von entsprechend vielen Falträdern erlaubt. Die Falträder sollten dabei als Zusatz Paket gleich mit gekauft werden können. Damit wäre die Flächenverkehr erheblich ökologischer als zur Zeit zu bewältigen und würde zugleich die Reduktion des ÖPNVs auf ein Nord-Süd-Raster einschließlich eines darin integrierten Ringverkehrs erlauben. Obendrein ließen sich unter diesen Bedingungen die Innenstädte mit Ausnahme des Gütervekehrs weitegehend vom motorisierten Verkehr freihalten lassen.

Sie würden von Innen durch den ÖPNV bzw. durch die Bahnhöfe erschlossen und von außen durch ein Park-And-Bikeride System. Beim einem konsequenten Rastersystem der ÖPNV-Strecken ließen sich in der Linie die Taktzeiten erheblich senken und damit an den Kontenpunkten optimale Umsteigezeiten erreichen. An den nicht in Innenstädten gelegenen Knotenpunkten könnte das klassische Park-And-Ride System angegliedert werden, dass den schnellen Umstieg vom PKW auf den ÖPNV erlaubt und zwar mit oder ohne Fahrrad.

Dazu müssen nur an wenigen Stellen neue Strecken oder Bahnhöfe angelegt werden. Es geht vielmehr um eine Streckenkonzentration bei gleichzeitiger Beschleunigung durch die erhebliche Verkürzung von Takt- und Umsteigezeiten. Die notwendigen Fahrzeuge dazu gewinnt man durch die Streckenreduktion selbst. Das setzt allerdings nicht nur eine einheitliche Verwaltung und Organisation des Ruhr-Nahverkehrs voraus sondern ein anderes Denken über die Zukunft dieser Stadtregion. Wer das nicht will, der wird sich in Anbetracht der Radikalität des hier vorgerstellten Konzeptes in seine alten Konzepte zurückziehen.

Weiter so wie bisher wird zu einer weiteren Verschlechterung des ÖPNVs und damit zu noch mehr Autos und damit zu mehr Staus führen. Die, die sich ein solches auf Grund von zunehmender Armut nicht mehr leisten können, werden dagegen wegen der absehbaren Kostensteigerung des ÖPNVs immer immobiler werden. Die soziale und räumliche Segregation wird sich dadurch im Ruhrgebiet weiter vertiefen und die jetzt schon vorhandene Nord-Süd-Spaltung weiter zunehmen.

Der Wiedereinstieg bzw. Aufstieg im heutigen Berufsleben setzt gerade im Ruhrgebiet eine hohe individuelle Mobilität voraus. Wer dieses für bestimmte Menschen systematisch abbaut muss sich nicht wundern, dass es in dieses Stadtregion zunehmend ganz Stadtteile gibt, die nicht nur sozial sondern auch räumlich vom Rest der Region abkoppeln, und zwar nach Unten. Damit einher wird die zunehmende räumliche Abkoppelung nach Oben kommen, denn in den wohlhabenderen Stadtteilen gibt es auf Grund des nahezu kompletten Autobesatzes kein ÖPNV-Problem. Egal ob auf fossiler oder postfossiler technischer Basis.

Preiswerte Mobilität ist aber auch für die interessant, die noch keine Auto haben dürfen oder sich keines mehr leisten wollen. Gerade junge und gebildete Menschen oberhalb des Führerscheinalters sind nicht nur auf Grund des in der Regel (noch) niedrigen Einkommens von einer ökologischen Art der Fortbewegung begeistert. Die ökologischte von allen, ist dabei das komplett durch eigene Körperkraft angetriebene Zweirad in Kombination mit einem schellen. mit regenierbarer Energie angetriebenem öffentlichen Nahverkehr. Nur in dieser Kombination lässt sich auch außerhalb verdichteter Stadtbereiche leben, ohne die Umwelt durch das Grundbedürfnis nach Mobilität zu schädigen. Das Ruhrgebiet erlaubt durch seine überdurchschnittliche Durchdringung von Stadt und Land gerade diese Art des familienfreundlichen Wohnens im Grünen, und das in der Nähe urban verdichteter Zonen mit dem entsprechenden kulturellen und konsumptiven Versorgungsangebot.

Diese besondere Qualität, die eben nicht nur für Familien sonder auch für Singles attraktiv ist, würde durch die Kombination mit einer stadtökologisch verträglichen Fortbewegungsweise zu einem Alleinstellungsmerkmal werden, dass in ganz Europa und darüber hinaus über kurz oder lang Menschen anziehen würde, die genau danach suchen. Die sich das Leben im verstädterten Raum ohne die unvermeidlichen Zwänge der Dichte und Kompaktheit, d.h. mit viel Grün und Wasser in der Nähe und mit Gartem vor und/oder hinter dem Haus wünschen. Die, die es dann gedrängter und quirliger wünschen, haben im Ruhrgebiet bei einem wie oben skizzierten Verkehrssystem die Möglichkeit sehr schnell von Innenstadt zu Innenstadt zu gelangen oder dort jeweils ganz ohne Auto zu leben.

Heutzutage kann man das im Ruhrgebiet nur, wenn man vor allem in den Abend und Nachtstunden zu erheblichen Mobilitätseinschränkungen bereit ist. Gerade für jüngere Leute ist das ein unzumutbarer Zustand. Die Fahrt an den Ballungsrand vor allem in Richtung Nord oder Süd dauert aber schon tagsüber im Verhältnis zum Auto, regelmäßige Staus inklusive, erheblich zu lang. Die oben beschrieben stadträumlichen Vorteile können deswegen zur Zeit nur auf Kosten erheblicher ökologischer Nachteile und und unter erheblichem Mobilitätsstress genutzt werden.

Dabei ist nicht nur die stark durchgrünte Stadtregion Ruhr attraktiv, sondern auch das weitere ländliche Umland jenseits des Ruhrtals im Süden und des Emschertals im Norden. Bergisches Land, Sauerland und Münsterland, aber auch das Rheintal im Westen sind einschließlich ihrer künstlichen und natürlichen Seen und Flüsse für die Agglomeration die bevorzugten Naherholungsgebiete. Auch sie gilt es deswegen mit dem ÖPNV besser zu erchließen. Die Strecken sind alle vorhanden. Auch hier sind es die Takt- und Umsteigezeiten, die das Auto zu bevorzugten Verkehrsmittel machen. Im Vergleich zur Erreichbarkeit des Berliner Umlandes per S-Bahn wäre auch hier die Hauptstadt ein guter Maßstab.

Die Chance des Ruhrgebietes liegt deswegen noch lange nicht darin, so wie Berlin zu werden. Metropolen dieser Art können räumlich schon deswegen nur verkehrsmäßig als Vorbild gelten, weil ihre sonstige Stadtlandschaft das räumliche Gegenteil zum Ruhrgebiet darstellen. Es geht viel mehr darum den alternativen Verdichtungstypus des Ruhrgebietes mit einem Verkehrskonzept zu versehen, dass dessen dezentrale Vielfalt erlebbar macht, ohne das damit gleichzeitig dessen besondere ökologische Lebensqualität zerstört und der indidvduelle Mobiltätsstress unnötig erhöht wird.

Weitgehend stressfreie regionale Mobiliät bietet, nicht nur an an regenfreien Tagen, aber da besonders, jetzt schon das zwischenstädtische Fahrradwegenetz über die stillgelegten Güterbahntrassen der Region durch den Emscher-Landschaftspark und im und um das Ruhrtal. Hier ist nämlich der motorisierte automobile Verkehr weitgehend zurückgedrängt bzw. auf relativ wenige Kreuzungspunkt beschränkt. Mit einem E-Bike werden die Entfernungen zeitlich weiter verkürzt und auch Steigungen von schwächeren Radlern locker genommen. Hier ist die Region auf dem besten Wege in eine ökologische Zukunft, die auch weltweit vorbildich werden könnte. Die Vision sollte dabei eine grüne Großstadt neuen Typs sein. Eine Stadtlandschaft nicht im übetragenen sondern im realen Sinne. Eine Versöhnung von Natur und Stadt durch eine neue Art der Fortbewegung.