Anarchist Academy auf der Libertären Medienmesse

Anarchist Academy, Samstag, 4. September, Libertäre Medienmesse, Oberhausen

Die 1. Libertäre Medienmesse startet heute im Druckluft in Oberhausen. Bis Sonntag stellen libertäre Verlage, Zeitschriften, Radio-, Video- und Internetprojekte ihr Programm vor. Drei Tage Messe, Projektvorstellungen, Lesungen, Kultur , Veranstaltungen und Infos. Mehr 40 als Aussteller haben sich angemeldet. Höhepunkt des Kulturprogramms ist der Auftritt von Anarchist Academy am morgigen Samstag.

Der Ruhrpilot

Loveparade: „Die 21 Toten sind eine Bürde“…Zeit

Loveparade II: Die Loveparade war in NRW Chefsache…Der Westen

Loveparade III: Polizei hat Fehler gemacht…FAZ

Loveparade IV: Beteiligte weisen sich gegenseitig Schuld zu…Welt

Loveparade V: Nichts neues aus dem Sauerland…Xtranews

Loveparade VI: Keine Schuld, nirgends…Spiegel

Ruhrgebiet: Land der Zuwanderer…Der Westen

Nazis: Polizei verbietet Nazi-Demo…Ruhr Nachrichten

Nazis II: Wer steckt hinter der Nazi-Demo?….Ruhr Nachrichten

Nazis III: Pöbeln, schlagen, Bomben bauen…Der Westen

Nazis IV: Hirngröße…Mediaclinique

Bochum: Sieben Tage Texte ohne Pause…Der Westen

Bochum II: Frank Goosen zu seiner Nominierung für den VfL-Aufsichtsrat…Pottblog

Dortmund: „Envio kann nicht auf Unwissen machen“…Der Westen

Umland: Wird auf der Schnade über Asylbewerber entschieden?…Zoom

Digital: Was tun bei unberechtigten Filesharing-Abmahnungen?…Heise

Loveparade: Alle wollen Opfer sein

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Adolf Sauerland: "Immenses Leid"

Zum ersten Mal seit der für 21 Menschen tödlich endenden Technoveranstaltung Ende Juli saßen sich heute die Verantwortlichen der Stadt, des Veranstalters Lopavent und der Polizei im Innenausschuss des Düsseldorfer Landtags gegenüber. Sie würdigten sich keines Blickes. Erstmals trat auch CDU-Oberbürgermeister Adolf Sauerland auf. Mit Schweißperlen auf der Stirn saß er wortkarg im voll besetzten Saal.

Schnell nahm der Duisburger Stadtchef die Rolle eines Opfers ein. „Alle Duisburger und ich besonders leiden entsetzlich unter diesem schrecklichen Unglück“, sagte Sauerland mit brüchiger Stimme. „21 Tote bedeuten ein immenses menschliches Leid und damit eine Bürde, die mich und meine Kollegen und Kolleginnen gewiss unser Leben lang nicht mehr verlassen wird.“ Die Aufarbeitung der Katastrophe sei zu komplex, „als dass man es bei schnellen Lösungen belassen könnte“. Deshalb habe er sich entschlossen, trotz eines „fast beispiellosen öffentlichen Drucks mein Amt auszuüben“. Diese Form der Aufklärung sei er auch den Opfern und Hinterbliebenen schuldig. Der 55-Jährige saß geduckt neben seiner Juristin Ute Jasper, die aufrecht und mit überzeugter Stimme die Stadt von Verfehlungen frei sprach.

Dies tat allerdings auch erneut NRW-Innenminister Ralf Jäger – allerdings sprang er für die ihm unterstellte Polizei in die Bresche. Selbst wenn die Beamten Fehler gemacht haben sollten, so die Logik des Sozialdemokraten, seien daran andere Schuld. „Es ist unrealistisch, bei dem unfassbaren Chaos auf Veranstalterseite einen fehlerfreien Polizeieinsatz zu erwarten.“

Zentraler Punkt aller Fragen der Abgeordneten sind immer noch eine Reihe von Entscheidungen, die offenbar die verheerende Massenpanik im Tunnel ausgelöst haben. Dort wurden die 21 verstorbenen Besucher im dichten Gedränge erdrückt. Aber wie kam es zu dieser Dichte? Waren es die drei Personen-Ketten, die die Polizei kurz vor den Todesfällen bildete? Oder sorgten nachlässig auf dem Gelände verbliebene Zäune des Veranstalters für die Enge?

Laut Innenministerium hat Lopavent die Schleusen zum Hauptgelände um 12 Uhr viel zu spät geöffnet, obwohl sich dort schon ab zehn Uhr morgens Menschen anstellten. Dies habe zu einem sehr frühen Stau geführt. Auch steht die Frage im Raum, ob die Musik-Wagen still standen, weil Schaller ein Fernseh-Interview gab und der McFit-Fload im Hintergrund zu sehen sein sollte. Laut Sicherheitskonzept sollten die Wagen rollen, damit die Leute auf die Fläche gezogen werden.

Der Veranstalter hingegen bemängelt Polizeiketten, die auf den Zugangsrampen die Menschen in den Tunnel gedrängt hätten. „Lopavent hat die Loveparade zusammen mit Experten der Landespolizei geplant“, so der Anwalt des abwesenden Geschäftsführers Rainer Schaller. „Die Polizei fühlte sich für die Sicherheit der Parade verantwortlich.“ Die mehr als 30 Fragen der Abgeordneten, etwa nach den fehlenden Ordnern von Lopavent, beantworteten die Gesandten von Schaller hingegen nicht.

Für Politiker und Gutachter aller Parteien bot der Innenausschuss offenbar nur eine willkommene Gelegenheit, auf den Gegner zu zeigen. Die öffentlich zelebrierte Konfrontation im Düsseldorfer Landtag ist nicht zuletzt auch politisch motiviert: Der erst wenige Tage vor der Loveparade zum Minister berufene Ralf Jäger gehört der SPD an, CDU-Oberbürgermeister Adolf Sauerland ist Christdemokrat. Und zwar ausgerechnet in Duisburg, im Wahlkreis von Jäger.

Bislang bleibt es den eigentlich Betroffenen und den Familien der Opfer vorbehalten, nicht voreilig Schuld zuzuweisen. Der Rechtsanwalt der Loveparade-Opfer, Gerhart Baum, rechnet noch mit monatelangen Ermittlungen bis zur juristisch sauberen Klärung der Schuldfrage. „Ich kann mir vorstellen, dass es überschneidende Verantwortungsbereiche für das Unglück gegeben hat“, sagte der FDP-Politiker und frühere Bundesinnenminister am Donnerstag. Erst nach Abschluss der Ermittlungen werde sich endgültig herausstellen, wer strafrechtlich oder zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen werden könne.

Lesen und Selbsterkenntnis

Lesen bildet, Reisen auch – eine kleine Kulturgeschichte vom Lesen und der Selbsterkenntnis. Von unserem Gastautoren Ronald Milewski.

Wenn die Ferienzeit um ist gilt: Wer eine Reise getan hat, hat was zu (v-)erzählen. Mitunter das, was er im Urlaub gelesen hat. Reiserfahrung ist häufig Leseerfahrung. Wir lesen im Urlaub Bücher aus und über die Region, in die wir reisen, Bestseller oder, dazu neige ich, endlich die Fachbücher, zu deren Lektüre wir zu Hause nicht gekommen sind. Schon Augustinus sah sich zu der Metapher genötigt: „Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon?“  Mancher Urlaubsreisende kriegt vor lauter Bücherlesen die Welt am Urlaubsort kaum mit. Andererseits steckt im Lesen die Chance zur inneren Einkehr. Im Urlaub ist endlich Zeit dazu. Was aber wird aus diesen besinnlichen Stunden, wenn wir mittels neuer Möglichkeiten in Bälde ganze Bibliotheken mit uns führen bzw. auf diese Zugriff haben?

Essen, August 2010, die Bostoner Lese- und Bildungsforscherin Maryanne Wolf erklärt im Interview, dass jedes Schriftsystem unterschiedliche Hirnschaltkreise enerviere. Die WAZ berichtete darüber. Bei Chinesen werde beim Lesen auch das motorische Gedächtnis in Anspruch genommen, Nachvollzug der Schreibbewegungen. Wolf treibt die Befürchtung um, dass die neuen Medien aktuell ein „digitales Gehirn“ produzieren. Ein Gehirn, das nicht lernt, zu fokussieren und sich zu konzentrieren. Sie verweist auf Sokrates, der schon in der Antike der Verschriftlichung unterstellte, dem Menschen lediglich das Gefühl zu geben, etwas zu wissen, und zu verhindern, im Gespräch ein Problem in der Tiefe zu behandeln. Darüber hinaus, so vermutet die amerikanische Professorin, gehe Kindern mit dem Buch ein positiver emotionaler Raum verloren. Einem Kleinkind wiederum fehle mit dem etwaigen Verlust des Vorlesens der Berührungspunkt zu den eigenen Gefühlen und den Gefühlen der anderen.

Mich hat der Bericht über dieses Interview insofern elektrisiert, als meine Sommerlektüre sich einer ähnlichen Thematik widmete. Es handelte sich dabei in der Tat um ein Sachbuch nämlich Ivan Illichs „Im Weinberg des Textes“. Illich, Philosoph und Theologe, Ex-Priester, prominenter Kritiker des Medizin- und Bildungssystems, Autor zahlreiche Streitschriften, Sympathisant der Befreiungstheologie, hat mich bereits im vergangenen Winter posthum mit einem faszinierenden Titel und einem ansprechenden Einband als Leser eingefangen. Oder war es der Verlag? Der damalige Titel hieß „In den Flüssen nördlich der Zukunft“,  ist so zu sagen Illichs Vermächtnis und basierend auf zahlreichen Interviews mit David Cayley. Er hielt, was er versprach. Beworben wurde er mit der Ankündigung,  Illich weise in den Gesprächen der westlichen Gesellschaft Korruption der christlichen Botschaft nach.

Vom „Weinberg“ wusste ich vor der Lektüre ein wenig mehr als zuvor über die „Flüsse nördlich der Zukunft“. Mir war bekannt, dass der Essay im Grunde eine Buchbesprechung ist, nämlich die des „Didascalicon“ von Hugo von St. Viktor, einem Autor aus dem frühen 12. Jahrhundert. Ich hatte gelesen, dass es sich um eine Handanweisung zur Kunst des Lesens handelt, die an Traditionen der klassischen Antike anknüpft. Aufgrund gelesener Rezensionen wusste ich, dass sich  der Vorsteher der Schule der Augustiner-Chorherren von St. Victor bei Paris zudem durch Gedanken zur „Entstehung des Selbst“ verdient gemacht hatte.  Mir war somit bewusst, dass ich mich auf eine Zeitreise begab und dass es galt, „schweren Tobak“ zu konsumieren: Lektüre für den Sommer zu Hause.

Illich verortet die eigene Studie des mittelalterlichen Textes in den Untertiteln nüchtern-sachlich in die „Zeit, als das Schriftbild der Moderne entstand“. Die weitere Einordnung als „Kommentar zu Hugos ‚Didascalicon‘ “ wirkt eher freundschaftlich-vertraulich. Die Einleitung beginnt er mit den Worten: „Dieses Buch erinnert an die Aufkunft des scholastischen Denkens“. Was trieb den Geistesvirtuosen Illich vor 20 Jahren, knapp 10 Jahre vor seinem Tod zu diesem Unterfangen? Oberflächlich gesehen sein Interesse an der Geschichte des Alphabets. Doch Illich wäre nicht Illich, wenn dies alles wäre. Denn Illich kann zumindest vom Anspruch her auch reißerisch-romantisch sein: „Was als Studie einer Technologie begonnen hatte, endete schließlich als neuer Einblick in die Geschichte des Herzens.“

Und diesen Einblick hatte sich Illich zum Zeitpunkt des Erscheinens des „Weinbergs“ bereits 40 Jahre lang gegönnt. Von wegen also vorrangig technisches Interesse an dem „Zeitpunkt, zu dem sich die Buchseite verwandelte und aus der Partitur für fromme Murmler der optisch planmäßig aufgebaute Text für logisch Denkende  wurde“, wie es auf dem Buchrücken heißt.

Illich will die Geschichte eines Umbruchs der Lesekultur erzählen, vom Beginn einer Epoche berichten, deren nahes Ende er wähnt. Dies verrät gleichfalls der Buchrücken. Die eigenen Studien sieht er als Teil eines akademischen Abenteuers. Dieses scheint dazu angetan, das Buch vor dem Bildschirm zu retten. Will er damit auch unsere Herzen retten? Das passende Forschungsprogramm beschreibt er wie folgt: „Und unser Nachdenken über das Überleben dieser Form des Lesens unter der Ägide des ans Buch gebundenen Textes brachte uns darauf, eine Studie der Askese zu beginnen, die der Bedrohung durch die Computer-Literalität ins Auge schaut.“

Was mag unseren Herzen aus seiner Sicht drohen, wenn wir uns der Bildschirm-Literalität hingeben? Die bange Frage sei erlaubt, denn immerhin hatte nach Illich das bibliophile Lesen Katholiken, Protestanten und assimilierte Juden, Kleriker und aufgeklärte Antikleriker zusammengebracht und Humanisten und Naturwissenschaftlern ein gemeinsames Grundverhalten ermöglicht. Zur Kultur des Buches habe – so zu sagen – das Motto ‚Lesen und Lesen lassen’ gehört. Illich wagt für die Ehrenrettung des in Buchform geschriebenen Wortes einen Sprung über 900 Jahre. Für ihn wiederholt sich in unserer Zeit etwas, was sich bereits vergleichbar ereignete, nämlich die Loslösung des Textes von der physischen Realität der Buchseite. Die Technologie dazu liefern ihm zufolge im zwölften Jahrhundert Papier und Alphabet. Das Buch wird tragbar, in den westlichen Schreibstuben werden 300 Jahre vor der Entdeckung der Buchdruckerkunst das Ordnen von Schlüsselwörtern nach dem Alphabet, das Sachregister und eine neuartige Gestaltung der Buchseite erfunden. Das neue Seitenbild, die Kapiteleinteilung, Distinktionen, das konsequente Durchnummerieren von Kapitel und Vers, die neue Inhaltsangabe für das ganze Buch, die Übersichten zu Beginn eines Kapitels, die dessen Untertitel benennen, die Einführungen, in denen der Autor erklärt, wie er seine Darlegungen aufbauen wird, sie alle sind nach Illich Ausdruck eines neuen Ordnungswillens. Doch nicht nur das. Illich interessiert sich zudem für den Einfluss, den die neuen Technologien auf die Geistesverfassung der Menschen hatten. Und er ist dem auf der Spur, was hinter diesen Veränderungen steckte, dem kulturellen Impuls und dem geistigen Zweck. Für ihn ist der Einfluss der Technologie nirgends so gut zu beobachten wie in der Erschaffung von alphabetischen Registern. Mit der „Aufkunft“ des Textes als sorgsam geordnetem Gegenstand werde in der Sozialgeschichte des Alphabets die Gebirgskette zwischen vortextlichem und textgeprägtem Lesen, Schreiben, Sprechen und Denken überwunden

Im Referenzzeitraum, dem ausklingenden zwölften Jahrhundert gehen laut Illich eingedenk der beschriebenen technischen Neuerungen alle anderen Verwandlungen rasend schnell: Das „Hörbuch“ verliert an Boden. Wer lesen kann, liest zunehmend leise. Sofortiger Zugang und sichtbare Anordnung fördern das visuell orientierte Verständnis. Aus dem monastischen Lesen wird das scholastische. Das fromme Leiern und Murmeln während des Lesens verstummt und mit ihm geht ein sozialer Hörraum verloren. Die Ohren des Lesers hören auf, das aufzufangen, was der eigene Mund äußert. Lippen und Zunge halten beim Lesen endlich still. Es ist Schluss mit der unmittelbaren Umwandlung der Buchstabenfolge in Körperbewegungen. Lesen ist nicht länger körperliche Höchstleistung, Inkorporation, leibliche Tätigkeit. Noch Hugos frommes Motto hatte  dagegen gelautet: „Lies die heilige Schrift und trachte, leibhaftig zu erfahren, was sie sagt.“

Wenig später ist individuelles Entziffern angesagt. Schleichend beginnt das, was Illich die Veränderung der Geistesverfassung nennt. Und schon bald wird der Leser seinen eigenen Verstand in Analogie zu einem Manuskript wahrnehmen. Das Lesen wird zu einem Hin und Her zwischen einem Selbst und einer Seite. Das Buch ist nicht länger Weinberg, Garten oder Landschaft einer abenteuerlichen Pilgerreise, sondern Schatzkammer, Mine, Vorratskammer, untersuchbarer Text.

Schon für die Autoren des späten zwölften Jahrhunderts sind Bücher nicht mehr Nahrung für die eigene Erbauung und Meditation, sondern Baustoff für die Errichtung neuer geistiger Gebäude. Der Autor mutiert vom Erzähler einer Geschichte zum Schöpfer eines Textes. „Mit der Lösung des Textes vom physischen Objekt, dem Schriftstück, war die Welt nicht mehr der Gegenstand, der gelesen werden sollte, sondern sie wurde zum Gegenstand, der zu beschreiben war.“ Klartext: Illich.

„Und endlich muss die ganze Welt zur Fremde werden für die, welche vollendet lesen wollen. Wie der Dichter sagt: Heimischer Boden zieht mit besonderem, süßem Gefühl an / Und läßt eingedenk seiner beständig uns sein.“ Originalton: Hugo von St. Viktor. Er formuliert eher vorsichtig, der Philosoph müsse lernen, diesen heimischen Boden zu verlassen. Schon forscher fordert er den Leser schon auf, sich dem Licht, das von der Buchseite ausgeht, auszusetzen. Und zwar, damit er sich selbst erkenne, sein Selbst anerkenne. Im Licht der Weisheit, das die Seiten zum Glühen bringe, werde das Licht des Lesers Feuer fangen und im Feuerschein werde er sich selbst erkennen.

Illich wähnt hierin die Entdeckung dessen, was wir heute „Selbst“ oder „Individuum“ nennen. Mit dem Geist der Selbstdefinition bekomme das Fremdsein einen neuen, positiven Sinn. Insbesondere letzteres scheint fraglich, denn das Bild von der Selbsterkenntnis im Feuerschein soll alsbald buchstäblich wirklich werden. Die Feuer setzen das Fremde jedoch der Vernichtung aus. Es glühen nicht nur Seiten. Hugos Zeitgenosse Bernhard von Clairvaux hat zu den Kreuzzügen aufgerufen, die gemäß Illich in anderer Form, dem Ethos der Selbstentdeckung frönen, nämlich dadurch, dass „Menschen auf allen Ebenen der feudalen Hierarchie …  die gemeinsame Gedankenwelt verlassen, in der Identität dadurch entsteht, wie andere mich benennen und behandeln, und ihr Selbst in der langen Reise entdecken.“

Entdeckung des Selbst und alsbaldige Kreuzzüge. Ist dies ein historischer Zufall? Illich läßt dies unkommentiert. Stattdessen hebt er, eher technologisch betrachtet, eine Übereinstimmung zwischen der Entstehung des Selbst als Person und dem Abheben des Textes von der Seite hervor. Hugo, den „Entdecker des Selbst“ oder sollten wir ihn besser dessen Erfinder nennen, sieht er auf der friedfertigen und bodenständigen Seite. Dieser verlange vom Leser eben nicht, dass er seine Familie und seine gewohnte Umgebung verlasse, um von Ort zu Ort in Richtung Jerusalem oder Santiago zu wandern, sondern erwarte vielmehr, dass sich der Leser ins Exil begebe, um eine Pilgerreise durch die Seiten des Buchs anzutreten, so zu sagen, das Selbst am heimischen Herdfeuer zu entwickeln, lesend, im Kerzenschein statt brandschatzend.

Was gibt diese Analyse her für die Frage, was aus uns wird, wenn wir erst einmal, mit riesigen virtuellen Bibliotheken ausgerüstet, den Bildschirm absuchen – auf der Reise oder zu Hause? Was wird aus unserer Geistesverfassung? Wie aggressiv ist ein sich aus dieser neuen Lesart ergebendes Selbstgefühl? Was droht dem Selbsterleben mit der Vervielfältigung der Möglichkeiten? Was droht anderen von uns? Wie verändert sich unsere leibliche Leseerfahrung? Was tun die Hände, wenn sie keine Seiten mehr zum Anfassen, Umblättern und zum zärtlichen Glattstreifen haben? Was legen wir unters Kopfkissen? Wen oder was stellen wir ins Bücherregal?

Fragen über Fragen. Illich hält sich mit Antworten zurück. Vielleicht habe ich sie überlesen. Immerhin habe ich meinen Urlaub noch vor mir. Ich denke, ich nehme mal „Das lesende Gehirn“ von der Wolf mit. Vielleicht bergen die 350 Seiten Antworten. Voraussetzung ist allerdings, dass ich das Buch noch rechtzeitig kriege. Die Taschenbuchausgabe, die ich vorbestellt habe, sollte Ende August kommen.
Die Auslieferung verzögert sich laut email.
Ebook wär‘ wahrscheinlich schneller gegangen. Was soll‘s? Die Büchertasche ist eh schon fast voll. Die Schuhtasche allerdings auch – zum Wandern.
Ich bin dann mal weg.
Vielleicht lasse ich die Bücher auch zu Hause.
Gerade erfahre ich vom Vermieter des Ferienhauses, dass sich in diesem eine kleine Bibliothek befindet. Mit Romanen und Sachbüchern, die sich mit der umliegenden Gegend befassen. Und ob ich schon wanderte im finsteren Tale?

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Bundesbank will Sarrazin rauswerfen

Sarrazin

Sarrazin muss nun wohl doch seinen Hut nehmen. Die Bundesbank will den Vorstand ablösen lassen.

Seine umstrittenen Thesen über ein zukünftiges Deutschland werden den Bundesbanker nun wohl sein Amt kosten. Der Vorstand beschlossen heute einstimmig, einen Antrag auf Abberufung zu stellen. Das letzte Wort hat nun Bundespräsident Christian Wulff, er muss dem Antrag noch zustimmen.

Die Stellungnahme der Bundesbank:

„Vorstand der Deutschen Bundesbank beantragt Abberufung von Dr. Thilo Sarrazin

Der Vorstand der Deutschen Bundesbank hat heute einstimmig beschlossen, beim Bundespräsidenten die Abberufung von Dr. Thilo Sarrazin als Mitglied des Vorstandes zu beantragen. Der „Corporate Governance“-Beauftragte der Deutschen Bundesbank, Professor Dr. Uwe Schneider, unterstützt diesen Antrag uneingeschränkt.“

Festival Prototypen:// findet statt

Es sah so aus als ob das Festival Prototypen:// in der Dortmunder Nordstadt wegen der Nazi-Demo angesagt werden würde. Das ist vom Tisch.

Unabhängig ob die Nazis am Samstag in Dortmund demonstrieren oder nicht: Protypen:// findet statt. Hier ein paar Infos über das Festival von den Machern sowie ein Programm.

Ein Multimedia-Festival ohne Strom aus der Steckdose – so lautet die Intention des bevorstehenden Projekts vom „Labsa e.V.“. Die Projektautoren und Künstler aus Dortmund möchte mit dem Prototypen:// Festival auf ein langfristig erfolgreiches Zusammenleben des Menschen mit seiner Umwelt aufmerksam machen. Internationale Künstler ( aus Polen, Dänemark, Ungarn und Deutschland) Wissenschaftler und Musiker werden dabei die zentralen Themen globale Energiewende, urbane AgrarKultur und künstlerischer Ausdruck im öffentlichen Raum beleuchten und Beispiele dafür geben, wie sich die Besucher aktiv daran beteiligen können. Von Sonnenaufgang des 4. September bis Sonnenaufgang des 5. September erwarten den Besucher neben Medienkunst, Konzerten und Theater auch Vorträge, Diskussionen und Workshops zum Thema Zukunft.
Der Eintritt auf das Gelände an der Münsterstraße in Dortmund ist kostenlos.

Was? Prototypen://  24-stündiges Multimedia-Festival ohne Strom aus der Steckdose
Wann? 24 Std. lang, von Sonnenaufgang des 4. bis Sonnenaufgang des 5.September 2010
Wo? gARTen an der Münsterstr. Ecke Mühlenstr., nahe Dortmund-Hbf
Mehr? www.labsa.de

Programmübersicht:

06.30 Uhr    Rosa Montana | Sun Yoga für alle | auf der Wiese
10.00 Uhr    Zamok Theater & Jugendlichen des Theater Lebendich |Parade|Innenstadt
10.30 Uhr    Felicity Management | Frühstücks-Matinee | Solar Lounge
ab11.30 Uhr  Maciek Łepkowski, Karolina Witowska | Micro Garden Workshop
Randolf Meyer-Grochowiak | Hochbeet-Workshop
Ulrike Fischer | Aktionskunst |auf der Wiese
12.30 Uhr    Palosanto | Musik | gARTen Bühne
13.30 Uhr    A. Schlumberger – Die Welt retten – kinderleicht | Vortrag | geplant
14.00 Uhr    Binaura | New Media Performance | auf der Wiese
ab14.00 Uhr bedingungsloses Grundeinkommen – Bürgerinitiative  Dortmund  Informationsgespräch | auf der Wiese
15.00 Uhr    rein | Konzert | gARTen Bühne
16.00Uhr     Manfred Linz – Wege zu einer sauberen Energie | Vortrag mit Diskussion | auf der Wiese

18.00 Uhr    Moondog Duo | Konzert | gARTen Bühne
19.30 Uhr    Zamok Theater | Straßentheater | auf der Wiese
20.30 Uhr    Akkustische Jam Sassion | Musik | gARTen Bühne
22.00 Uhr    Fremdform & Radioaisle | Installation & Konzert | auf der Wiese
23.00 Uhr    sweetSixteen Flimclub mit Terry Gilliams “BRAZIL” | 16mm Film | auf der Wiese
01.00 Uhr     L’esprit du temps | Konzert | Solar Lounge
ab 02.30 Uhr Thury Tonarm, Till, VJ Stroms | DJ Set | Solar Lounge
ab 6.00 Uhr  Jessy | Hang Drum Spiel | auf der Wiese

ganztägig
Binaura Performance | Interaktive Installation | ab 14.30 auf der Wiese
Prinzessin Linda Quinda | dokumentarisches Zeichnen – live | auf der Wiese
Irina Berginc | Mobile – Workshop | auf der Wiese
Kim Yasmin Siemon | Intervention im Raum & Workshop | auf der Wiese
Jessy | Massagen | Somnium Zelt
Somnium Traumzelt | Gelegenheit zum Ruhen | ab Sonnenuntergang im Somnium Zelt
Initiative Solarmobil Ruhrgebiet e.V. | Informationsgespräch | auf der Wiese
Ulrike Fischer | Aktionskunst | auf der Wiese

… und Gäste

Polizei verbietet Nazi-Demo in Dortmund

Die Dortmunder Polizei hat die für Samstag geplante Nazi-Demo in Dortmund verboten. Das Rechtsrock-Konzert am Freitag soll allerdings stattfinden.
Soeben hat die Dortmunder Polizei die für Samstag geplante Nazi-Demo in Dortmund verboten. Polizeisprecher Peter Schulz sagte auf Nachfrage, dass der Grund die Festnahme eines 19jährigen Rechtsradikalen in Aachen gewesen sei. Schulz: „Von dem Mann geht eine erhebliche Gefahr aus.“ Die Staatsanwaltschaft wirft ihm die Vorbereitung eines Bombenanschlags vor. Der Festgenommene steht in Verbindung zur geplanten Nazi-Demo und war auch am Überfall auf das Szene-Lokal HirschQ vor wenigen Tagen beteiligt.
Auf den Nazi-Sites steht noch nichts davon, dass  Schritte gegen das Verbot geplant sind. Die Polizei geht allerdings letztendlich von einer richterlichen Entscheidung in letzter Minute aus.

Westfalen würden Nobbi wählen

Norbert Röttgen

Es riecht nach selbst gebratenen Frikadellen und Pomade. Zum ersten Rededuell um den Landesvorsitz der NRW-CDU kamen am Mittwochabend mehr als 800 Christdemokraten in die Stadthalle Münster Hiltrup. Die meisten sind über 60-jährige Männer in braunen Wildlederjacken. Könnten die Westfalen ihren neuen Landeschef alleine wählen, wäre Norbert Röttgen wohl das künftige Gesicht der CDU in Nordrhein-Westfalen. Das erste Duell mit Armin Laschet um den Vorsitz im größten Landesverband der CDU entschied der Bundesumweltminister für sich. Schon nach wenigen Worten erhielt Röttgen deutlich mehr Applaus als der ehemalige NRW-Integrationsminister. Röttgen gab präzisere Antworten und bezog klarer Stellung als sein Kontrahent und hatte den aufgeheizten Saal im Griff.

Nun haben Laschet und Röttgen noch einen Monat und sieben weitere Konferenzen Zeit, die 160 000 Mitglieder im Land zu überzeugen. Laschets stärkstes Argument ist seine Präsenz im Düsseldorfer Landtag. „Diese rot-grüne Minderheitsregierung ist so instabil, dass sie morgen zerbrechen kann. Ich bin 100 Prozent im Landtag,“ stichelte er in Richtung seines Berliner Kontrahenten.

Dem kontert Röttgen, er könne die Interessen zum Beispiel der notleidenden Kommunen in Berlin vertreten. „Die erste Aufgabe von uns ist es, die Düsseldorfer Regierung so schnell wie möglich beenden. Ich sage klar, ich möchte die kommende Landesregierung hier anführen“, sagte Röttgen.

Bislang scheint Laschets Strategie, sich die öffentliche Unterstützung der Funktionäre im Land zu sichern, nicht aufzugehen. Möglicherweise nimmt ihm die Basis seine Nähe zum abgewählten Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers übel. Der hatte in der kargen Mehrzweckhalle seinen ersten Auftritt nach der Schlappe im Mai, beschränkte sich aber darauf, als unparteiischer Moderator wortkarg auf der Bühne zu sitzen.

Rüttgers hatte sich vor mehr als einem Jahrzehnt selbst in Münster-Hiltrup der Basis gestellt – und am Ende ja bekanntlich gewonnen. Nun hat er die Landtagswahl nach nur einer Amtszeit verloren und wird den Parteivorsitz abgeben. Alle 160 000 Mitglieder an Rhein und Ruhr können bis zum 30. Oktober per Brief seinen Nachfolger wählen.

Inhaltlich waren die beiden Rheinländer Laschet und Röttgen auf einem Kurs: Beide finden Thilo Sarrazin und seine ausländerfeindlichen Thesen inakzeptabel, beide wollen verhindern, dass es eine Partei rechts der CDU gibt und natürlich befürworten sie den Mindestlohn in bestimmten Branchen, wollen eine christliche Politik durchsetzen und die rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen stellen. So suchen und betonen beide nur einen formalen Unterschied – der eine arbeitet eben in Berlin, der andere in Düsseldorf. Trotzdem gehören beide dem modernisierendem Flügel der Partei an und sind zum Beispiel für schwarz-grüne Bündnisse offen.

So ist das bürgerliche Westfalen eigentlich für keinen der beiden Großstädter ein Heimspiel. Hier sind die Kreisverbände von Bauern bestimmt, die Kirchen am Sonntag noch gefüllt und nicht selten ist der Schützenkönig auch Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes. „Warum haben wir nicht einen Handwerker an der Spitze im Land?“, fragt einer. Eine andere möchte die Landesmittel für Abtreibungen streichen, ein dritter die Zuwanderung stoppen.

Für die CDU-Basis war es die erste Gelegenheit zur Aussprache nach der verlorenen Landtagswahl im Mai. Sie kam auch zahlreicher als bei den meisten Veranstaltungen der CDU im verlorenen Landtagswahlkampf. Ein Fragesteller bezeichnet die Versammlung ironisch als „erweiterte Seniorenunion.“ Auch der Speisezettel war westfälisch auf sie abgestimmt. Es gab münsterländische Frikadellen und Pfefferbeißer. Mit Senf, aber ohne Brötchen.

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Der Ruhrpilot

Nazis: U-Turm protestiert am Samstag gegen Nazis….Der Westen

Nazis II: Eskalation zwischen Nazis und Autonomen verhindert…Ruhr Nachrichten

Nazis III: Dortmunds Polizei verbietet Samstag-Nazi-Demo…Der Westen

Loveparade: Krieg der Gutachter…Der Westen

NRW: Kampf um die Führung der NRW-CDU…Stern

NRW II: CDU-Mitglieder zum Schlagabtausch…Kölnische Rundschau

NRW III: Zukunft. Röttgen…Dirk Schmidt

NRW III: Grüne wollen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) zustimmen…Pottblog

NRW IV: Grüne tragen “Schwarz-Gelbe Altlast”…Netzpolitik

Ruhrgebiet: Der letzte macht das Licht aus…Bottblog

Ruhr2010: Brüche und Vitalität der Metropolen Istanbul|Ruhrgebiet…Hometown Glory

Ruhr2010 II: Kunstpfad Ruhr – So ganz habe ich es noch nicht verstanden…Zoom

Bochum: NPD-Landeschef nicht länger Fußball-Jugendbetreuer…Dattelner Morgenpost

Essen: Neues RWE-Stadion soll 20.000 Fans fassen…Der Westen

Essen II: Alternative Szene feiert bei „Essen originell“…Der Westen

Gladbeck:…verschwindet von der Landkarte…Der Westen

Debatte: Sarrazin bei Plasberg…DL

Debatte II: Sarrazin lenkt vom Versagen der Oberschicht ab…Frontmotor

Debatte III: Der jüdische Genpool…Achse des Guten

Wirtschaft: Insolvenzverwalter setzt Karstadt-Vermieter unter Druck…Zeit

Wirtschaft II: Großmann baut RWE um…Handelsblatt