Sein Auftritt auf einer Pressekonferenz am Tag nach der Loveparade war eine Katastrophe. In den Interviews mit WAZ und Bild sah er schlecht aus. Doch seitdem Duisburg Oberbürgermeister Adolf Sauerland mit einem PR-Profi zusammenarbeitet, agiert er geschickter vor den Mikrofonen und Kameras. Sauerland stilisiert sich zum Opfer. Doch seine Charaktermaske ist gefallen.
Es ist eine gute Tradition: Unabhängig von einer rechtlichen Beurteilung übernehmen Politiker die Verantwortung für Fehler, die in ihrem Bereich gemacht wurden. Und das Fehler auch innerhalb der Stadtverwaltung Duisburg, deren Chef Sauerland ist, gemacht wurden, bezweifelt niemand. Sicher, die Katastrophe hat viele Väter – aber Sauerland ist einer von ihnen. Er stand in der ersten Reihe.
Doch er zieht die Konsequenzen nicht. Klebt an seinem Amt. Und ist mittlerweile in die Offensive gegangen. Mit Hilfe der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek und dem PR-Berater Karl-Heinz Steinkühler versucht Sauerland sein Bild der Geschehnisse in der Öffentlichkeit zu platzieren. Bezahlt von den Steuerzahlern.
Schon vor Wochen erklärter Sauerland er würde sich einem Abwahlverfahren stellen. Die Nachricht machte die Runde und wirkte so, als ob Sauerland auf seine Kritiker zugehen würde. Unsinn. Sauerland hat nichts zugestanden. Er hat überhaupt keine Alternative. Beginnt der Rat ein Abwahlverfahren hat Sauerland nur eine Möglichkeit sich dem zu entziehen: Rücktritt.
Nun hat er im Spiegel zugegeben, manipulierte Zahlen über die erwartete Zuschauermenge veröffentlicht zu haben. Auch keine Sensation: Das Sauerland die Lügen-Zahlen verbreitet hat, war seit Wochen klar.
Ein Papier von Heuking Kühn Lüer Wojtek sollte weitere Entlastung schaffen und machte aus Sauerland die Unschuld von Duisburg.
Und jetzt das WDR-Interview: Sauerland stellt sich als Chefaufklärer da. Sein Amt nutzt er jedoch nur für eines: Seine Weißwaschung und die Beschuldigung anderer wie der Polizei. Dabei ist die Aufklärung der Loveparade-Katastrophe die Aufgabe der Staatsanwaltschaft. Nicht die von Sauerland.
Im Interview zeigt sich dass Sauerland keinen Charakter hat. Er gibt den Betroffenen, drückt sich noch immer um Verantwortung, argumentiert formaljuristisch, nicht politisch. Und verliert dort für einen kurzen Augenblick seine Charaktermaske. Niemand glaubt ihm, dass er der Aufklärer sein wird. All seine Schäbigkeit und Erbärmlichkeit tritt in diesem Augenblick zu Tage.
Sauerlands „Ja, ich stelle mich der politischen Verantwortung aber erst will ich aufklären…“ auf die Frage von WDR-Chef Jörg Schönenborn, wann er Verantwortung übernehmen will, ist einer der Tiefpunkte in der jüngeren politischen Geschichte dieses Landes.
Sauerland wäre gerne Opfer. Prahlt im Spiegel mit Morddrohungen und das er seine Familie aus der Stadt in Sicherheit bringen musste. Der Showanteil an diesen Aussagen ist groß. Sie sind wohl das widerlichste Kapitel in seinem PR-Feldzug. Mit der Gefahr für die eigene Familie spielt man nicht.
Mitten im Kulturhauptstadtjahr droht das Ruhrgebiet eine ganze Generation junger Künstler und Künstlerinnen zu verlieren. In einer Region, in der Leerstand eines der größten Probleme ist, finden sie keinen Raum. Und weder die Kulturhauptstadtfunktionäre noch die Politik interessiert sich für sie.
Nach nur wenigen Stunden war die zweite Hausbesetzung von Künstlern im Ruhrgebiet beendet. Die alte Kronenbrauerei wurde von der Polizei geräumt. Wenige Wochen zuvor endete die Besetzung eines leerstehendes DGB-Hauses in Essen mit der Aufgabe des Gebäudes durch die Besetzer. Sie waren damit der Räumung durch den DGB zuvorgekommen.
In Dortmund hatte der Besitzer der alten Kronenbrauerei, ein CDU-Politiker, das Gebäude sofort räumen lassen. Dabei steht die Kronenbrauerei seit Jahren leer.
Im Ruhrgebiet stehen zahlreiche Gebäude leer. Das Revier ist kein Boomland, eher ein Ödgebiet: Die Menschen ziehen weg, Betriebe schliessen. Ob Bürogebäude, Wohnhäuser oder Hallen – im Ruhrgebiet ist Leerstand ein Alltagsphänomen. Eigentlich gute Bedingungen für Künstler, die Räume suchen. Vor allem im Jahr der Kulturhauptstadt. Deren Planer hatten sich ja vorgenommen, Räume für Künstler zu besorgen. Natürlich ohne Erfolg. Was, ebenso natürlich, für die Verantwortlichen ohne Konsequenzen bleibt. Bernd Fesel, zuständig für Kreativimmobilien bei der Ruhr2010, darf auch im kommenden Jahr auf Kosten der Steuerzahler zeigen, dass er nichts kann. Dann wird er als stellvertretender Direktor von ECCE für Kreativimmobilien zuständig sein.
Es wird Zeit die Frage der Immobilien für Künstler nicht mehr Typen wie Fesel zu überlassen. Das Ruhrgebiet sollte sie selbst in die Hand nehmen und den Versagern zeigen dass sie Versager sind. Es gibt zahlreiche leerstehende Gebäude in öffentlicher Hand. Sie gehören den Städten, dem Land oder stadtnahen Betrieben. Für viele gibt es kein kurz- oder mittelfristiges Nutzungskonzept. Es gibt für all die freien Flächen und leerstehenden Büros schlicht und ergreifend keine Interessenten. Sie werden im schrumpfenden Ruhrgebiet nicht gebraucht. Aber was wir hier brauchen sind Menschen wie die Besetzer aus Dortmund und Essen. Verlässt diese Generation von Kreativen das Ruhrgebiet, und sie wird es tun, ist dieser Verlust nicht auffangbar.
In den Städten des Ruhrgebiets sollte jetzt schnell nach Räumen gesucht werden, die sich für eine Zwischennutzung durch Kreative eignen. Dabei sollten Politiker und Bürger den Verwaltungen Druck machen und mit den Kreativen zusammen arbeiten. Das Problem der Raumnot von Künstlern lässt sich innerhalb weniger Wochen lösen. Dazu braucht man weder Fesel noch Gorny. Deren notorische Erfolgslosigkeit disqualifziert sie als Ansprechpartner für Künstler wie für Kommunen. Ein Beispiel: Nach Wochen der von Gorny moderierten Gespräche zwischen den ehemaligen Besetzern des DGB-Hauses in Essen und dem DGB geht es nur noch um eine eventuelle Galerienutzung im Parterre des DGB-Hauses. Über Arbeitsräume für die Künstler wird nicht mehr gesprochen.
SAT.1 hat eine ganz neue, ganz ganz spannende Idee: Ein Mensch wird im Fernsehen von den Zuschauern gejagt. Ganz neu? Nein, nicht wirklich. Wer kennt noch das „Millionenspiel?“
Nein, auf TV-Moderatoren darf auch bei SAT.1 nicht geschossen werden – auch wenn bei Herrn Kerner ein gewisses Publikumsinteresse hieran wohl nicht bestritten werden kann und die Gagenersparnis enorm wäre. (Jedenfalls für einen Kommerzsender. Für Öffentlich-Rechtliche Sender wären es nur Peanuts.)
Also wie war das jetzt nochmal mit der Kulturhauptstadt, der RUHR2010, der Kreativwirtschaft? Und der Strategie? Ich habe es mir mal erklären lassen und erzähle es jetzt hier weiter. Also den Teil, an den ich mich nach dieser Nacht mit dem Mann vom Bau in der kleinen Kreativwirtschaft gleich links von der Zeche nach dem Zahlen derselben noch erinnern konnte.
we are adopting a bottom up as well as a top down strategy which is sector specific as well as sector-integrating
Hm. Es gibt also Bottom-Up- und Top-Down-Strategien. Soso. Und was heißt das jetzt auf Deutsch?
Kann ich mir einfach nix drunter vorstellen. Also habe ich mal die Maus einen Fachmann vom Bau gefragt – und der hat es mir nun so erklärt:
Früher hat man ein Haus mit dem Keller angefangen. Dann das Erdgeschoß. Dann den ersten Stock. Dann den zweiten Stock. Dann das Dach. Dann war Richtfest. Und das Haus als Rohbau fertig. Dann ging es drinnen weiter.
Das ist also Bottom-Up-Construction.
In der dritten Welt, in Ägypten, baut man auch heute noch so. Ein Stockwerk nach dem anderen wird gebaut, wie man halt Geld hat. Die Familie zieht ins Erdgeschoß, Papi geht ins Ausland und verdient das nächste Stockwerk. Dann wird das gebaut.
Irgendwann ist das Haus fertig. Das sieht man da oben. Man kann es übrigens auch gerade statt schief bauen, wenn man die Nacht zuvor nicht in der Kreativwirtschaft war.
In Deutschland muß dagegen alles schneller gehen – und ins Ausland zu gehen, bringt eh‘ nichts mehr ein. Außer, die Steuer ist hinter einem her.
Dafür gibt es dann Fertighäuser – und die Top-Down-Construction. Und die geht so:
Rund hundert Besetzer und Besetzerinnen wollen nach vielen Monaten der Suche nach einem Gebäude für freie Kunst und Kultur künftig die Kronenbrauerei in Dortmund als unabhängiges Kulturzentrum nutzen.
Das Haus liegt in der Märkischen Straße 87.
Update, 17.58 Uhr. Abschlußerklärung der BesetzerInnen und deren Aufruf zur Spontandemo heute:
„Daher rufen wir alle interessierten Menschen für heute 18.30 Uhr zur Demo beginnend am Alten Markt in der City auf und werden die für heute geplanten Konzerte 20.00 Uhr auf der Kapellenwiese (am Ende der Brückstraße) durchführen. Hier kocht u.a. Food not Bombs für Euch. Kommt zahlreich!“
Update, 15.47 Uhr. Nach Auskunft eines vor Ort anwesenden Sprechers der Dortmunder Polizei Stefan gegenüber habe der Eigentümer der Liegenschaft Strafanträge wegen Hausfriedensbruches gestellt und auf Räumung gedrungen. Kronenbrachebesitzer Hans-Georg Hovermann war Mitglied der kommunalen CDU-Fraktion und ist nach eigener Aussage ehemaliger Amateurmusiker.
Die Räumung verliefe laut der Pressestelle im Polizeipräsidium friedlich, man sei zuversichtlich, „den Einsatz im Laufe des Nachmittags beenden zu können“.
Die Personalienfeststellung der Besetzer verliefe im Rahmen der Beweissicherung, erläutert man aus der Pressestelle der Dortmunder Polizei. Generell sei es möglich, daß ein Immobilienbesitzer bei Antragsdelikten wie Hausfriedensbruch seine Strafanträge jederzeit wieder zurücknehmen könne. Dann würden Besetzer nicht weiterhin verfolgt werden.
Update, 14.43 Uhr: Polizeikräfte sind auf dem Brauereigelände, die Räumung ist im Gange. Personalien der widerstandslos abziehenden Besetzer werden aufgenommen.
Der Liegenschaftsbesitzer habe Strafanträge gestellt, berichten Stefan Polizisten vor Ort. Man werde es den Besetzern allerdings gestatten, ihre Kunstgegenstände usf aus dem Haus zu holen.
Update, 14.38 Uhr. Stefan berichtet aus dem Gelände heraus vom Räumungsbeginn: Polizeikräfte trügen Helme, man filme die Lage. Das Gelände sei von Polizei umstellt.
BesetzerInnen wären aufgefordert worden, das Gelände durch eine Personenschleuse zu verlassen, dort würde die Polizei deren Identität feststellen wollen.
Update, 14.29 Uhr. Nach Auskunft der Dortmunder Polizei-Pressetelle verliefe zur Stunde „alles friedlich, es laufen Verhandlungen.“
Stefan, der vor Ort ist, berichtet allerdings von einem mittlerweile durch eine Polizeikette gesperrten Eingang.
Die Polizei versucht zur Zeit, den Einzug der Künstler zu erschweren. Gleichwohl ist die Lage nach Stefans Beobachtungen friedlich.
Die Besetzung der ehemaligen Brauerei ist die zweite Aktion im Ruhrgebiet innerhalb weniger Wochen. Man habe die Besetzung ein halbes Jahr vorbereitet, sagen die Besetzenden.
Tino Buchholz, einer der Sprecher der Initiative: „Ohne Initiativen wie unsere passiert nichts.“
In den Räumen sollen Konzerte und Theaterveranstaltungen stattfinden. Auch Atelier- und Proberäume sind geplant.
Mindestens eine Woche wollen die Besetzer bleiben und auch im Rahmen der Kulturhauptstadt aktiv sein.
Dafür haben sie schon ein Programm konzipiert. Allein ab heute nachmittag, Freitag 16.00 Uhr, würden sechs Veranstaltungen stattfinden.
Zu denen die BesetzerInnen natürlich alle Interessierte einladen.
Die Besetzer sehen ihre Perspektive allerdings längerfristig. Tino Buchholz: „Wir wollen das Gebäude instandsetzen, beheizen und daraus ein Zentrum für Alternativkultur machen.“
Die Kronenbrauerei wird im Moment nicht genutzt, sie steht leer.
Die Initiative will sie so lange nutzen, bis eine neue Nutzung gefunden worden ist.
Buchholz: „Die Zwischennutzung ist eine Win-Win-Situation für alle – Die Künstler haben Räume und der Verfall des Gebäudes wird gestoppt. Das nutzt auch dem Besitzer.“
Was langandauernd positiv wirken kann. Zumal der Immobilienmarkt im Ruhrgebiet im Augenblick als gesättigt gilt.
Von Stefan Laurin (Dortmund) und Thomas Meiser (Desk).
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