Die Grenzen der Welt verlaufen nicht zwischen den Rassen sondern zwischen den Klassen.
Rumms. Hat mal ich-weiß-nicht-wer gesagt. Vielleicht die SPD. Zumindest wäre es ihr zuzutrauen.
Seien wir doch mal ehrlich. Es geht in der aktuellen Sarazzin-Debatte, wie immer, um Tattas. Wenn die Stahl- und Kohleindustrie im Pott Leute aus der Türkei, aus Griechenland oder aus Italien geholt hat, in den sechziger Jahren, dann waren das nicht die Ingenieure. Das waren die Malocher aus Izmir, die Ziegenhirten aus Kreta und die Fischer aus Capri. Allesamt keine Oberklasse. Deren Ziel war nicht Bildung und Integration, sondern klarkommen und durchfressen.
Wenn heute der Schnitt-Italiener schlechter integriert ist als der Schnitt-Iraner liegt das daran, dass aus dem Iran nicht die Pampelmusenpflücker hierhin geflüchtet sind, sondern die geistige, ideele und finanzielle Elite des Golfstaates. Das hat mit Religion ÜBERHAUPT nix zu tun.
Die Masse der Türken ist schlechter eingebunden in den Staat Deutschland, weil die Masse der türkischen Arbeiterkindern schlechtere Zugänge in die Aufstiegsränge der deutschen Republik hat, als die Masse der Adeligensprösse aus Jordanien, die in Bonn auf der Hofgartenwiese liegen und Kant rezitieren.
Man kann es auch so sagen: Die Abiabschlussquote liegt bei den Türkenkindern sicher nicht signifikant schlechter als bei den Abkömmlingen der abgeschlagenen Proletarierkaste aus Mecklenburg-Vorpommern. Armut zeugt in Deutschland immer noch Armut. Die Zugangshürden für Unterschichtskinder zu den Unis sind durch die Unigebühren nicht niedriger geworden und die guten Gymnasien der Republik liegen immer noch nicht in Essen-Kray. Ich rede hier nicht von Kindern der Facharbeiter. Ich rede von den Söhnen und Töchtern der Hilfsmalocher, von den Kindern der Leute ohne Hauptschulabschluss, den Abgeschlagenen und Abgestoßenen.
Früher hat die Sozialdemokratie aus dem Satz: „Die Grenzen der Welt verlaufen nicht zwischen den Rassen sondern zwischen den Klassen“ eine Handlungsmaxime abgeleitet. Die Grenzen zwischen den Klassen müssen niedergerissen werden.
Das geht durch Bildung. Denn Bildung schafft Wohlstand. Diese Bildung muss das Ziel der aufgeklärten Gesellschaft sein. Sie ist unser Rohstoff. Sie ist der Kitt in unserem Staat. Bildung ist die Hoffnung seit August Bebel. Bildung muss reingezwungen werden in die Klasse der Abgehängten, um möglichst viele von ihnen von ihren Fesseln zu befreien.
Dieses ganze Religions- und Kulturgefasel ist einfach die halbgare Wiederholung einer veralteten Debatte, die schon in Weimarer Zeiten vertrottelt war. Damals sagte man über die Arbeiter im Pott, die seien halt im Elend zurückgeblieben, weil das katholische Polen sind. Sprich: genetisch, kulturell minderwertiges Pack.
Das Ganze ist doch einfach: weil man über ideele Werte, Familiengefühl und Gen-Bullshit so wunderbar fabulieren kann, muss man sich über die Verteilung der Tattas und die Zugangchancen zur Bildung keine Gedanken mehr machen. Bah. Es war die Erkenntnis im 18. Jahrhundert, dass die Mehrzahl der Konflikte innerhalb von Gesellschaften auf materielle Benachteiligungen zurückzuführen ist – und keine gottgegebenen oder genetischen Ursachen kennt.
Und wo ich gerade so am schimpfen bin. Deutschland.
Deutschland gibt es doch gar nicht. Das ist wie Bielefeld nur eine Erfindung.
Deutschland ist der zufällige Zusammenschluss von ein paar Staaten, Nationen und Völkern, deren Herrscher sich irgendwann einmal nach dutzenden Kriegen auf ein Unentschieden geeinigt haben. Österreicher, Schweizer und Niederländer sind genauso Deutsche, wie Burgunder, Dänen und Schlesier. Nur eben nicht in den Grenzen Deutschlands. Oder anders gesagt: Bayern und Angeln sind auch nur Deutsche, weil sie mit Sachsen und Alemannen zufällig in einem Zollverbund leben.
Die allgemeine Hochsprache der Deutschen wird seit Jahrhunderten immer wieder neu erfunden. Auch aus materiellen Gründen, weil Verleger mehr Bücher und Zeitungen an mehr Menschen verkaufen wollen. Da nervt es wenn jeder anders schreibt. Und wir sprechen nur seit ein paar Jahrzehnten alle ähnlich, weil wir alle Radio hören und Fernsehen sehen und da die Leute genormt sprechen müssen, damit möglichst viele sie verstehen. Es gibt dutzende Deutschs. Auch in Kirgisien und Namibia. Pah.
Und dann die deutschen Lande. Auch nicht deutsch. Hier ist jeder durchgezogen, der keinen festen Wohnsitz hatte. Von Osten nach Westen und umgekehrt. Ich bin genauso Holländer in der vierten Generation, wie Grieche in der zweiten, oder Westfale in der zehnten. Alles vermischt, durcheinander, gequierlt. Selbst die Nazis in Deutschland sind eher Beutepolen als Germanen. Die SZ-Laute in den Namen, der itz-Endungen und unverständlichen Irgendwassen ist Legion. Hier ist keiner deutscher als der andere. Der reinrassigste Sumpfbauer ist im Zweifelsfall nur inzestgeschädigt und deswegen was besonderes – oder auch nicht. Als Volk gesehen ist der Mann dann immer noch nicht Deutscher sondern Friese.
Deutschland. Ich war vor ein paar Wochen in der holsteinischen Schweiz. Das müsste auch eher holsteinische Tschechei heißen. Schöne Landschaft – total slawisch. Slawische Städte, Slawische Dörfer, alles westslawische Gründungen und selbst die Menschen heißen noch Wende und Co. Das Volk da hieß mal Wagrier und gehörte zu den Pommeranen. Ist dann nach irgendeinem Krieg aufgegangen in den Holsteinern oder umgekehrt. Was weiß ich. Wendland, Abtswind, etc… fast die Hälfte von Deutschland ist slawisches Urland. Grömnitz und Eutin sind slawisch. Nicht deutsch. Kommt damit klar.
In diesem Sinne gebe ich zu bedenken, dass wir weiter hier alle integrieren sollten, die rumlaufen, mal besser mal schlechter. Mit den Evangelen aus Ostpreußen hat es auch geklappt. Erkennt man ja gar nicht mehr auf der Straße, die mit ihren Kopftüchern. Man musste denen nur Arbeit geben und den Zugang zur Bildung erleichtern. Den Rest erledigen Snickers, Bier und Pornohefte.
Wie gehabt werden aus allen Ausländern Deutsche. Und wie gehabt wird sich auch das Land dadurch verändern. Die Erfindung Deutschland wird anders. Na und? Wir laufen ja auch nicht mehr mit weiß gepuderten Perücken rum und lassen uns von inzestgeschädigten Baronen beherrschen. Deutschland ist und bleibt ein Vielvölkerstaat im ständigen Wandel.
Und das ist auch gut so. Wenn die ganzen Genetik-Romantiker das endlich begreifen würden, könnten wir den Blut-Und-Boden-Driss hinter uns lassen. Und mit möglichst vielen Einwanderern einen neuen Aufschwung hinlegen. Selbst der demografische Wandel muss nicht sein, wenn wir Leute ins Land lassen.
Verdammt. Man muss doch mal die Wahrheit sagen dürfen. Aber echt.