Im Tal der E-Pluslosen

Wie schusselig kann eine Firma eigentlich sein? Verdammt schusselig, wenn sie denn E-Plus heißt.

Um eine lange Geschichte kurz zu machen: Ich bin Kunde bei dem Laden und seit Dienstag vergangener Woche funktioniert das Netz an meinem Wohnort nicht mehr. Warum ich nicht telefonieren kann, kann mir keiner bei dem Mobilfunker sagen. Liegt wohl daran, dass die ihr Netz an Alcatel ausgelagert haben. Arbeiten am Netz macht also eine andere Firma und irgendwo zwischen den Partnern geht die Information verloren, warum ich und viele andere Kunden nicht telefonieren können.

Um endlich mal eine ordentliche Antwort zu bekommen, habe ich freundlich um den Rückruf einer verantwortlichen Managers gebeten. Das hat der wohl auch probiert, aber nicht unter der von mir gegebenen T-Mobile-Telefonnummer. Er probierte es über meinen Anschluss bei E-Plus. Und oh Wunder, er kam nicht durch.

Also geht es auf den Postweg weiter. Ich bekam einen Brief von E-Plus, in dem ich darüber informiert wurde, dass man mich „leider mehrfach telefonisch nicht erreichen konnte“. Jetzt sollte ich anrufen und einen Rückruftermin vereinbaren.

Habe ich natürlich gemacht, will ja wissen, was mit dem Netz los ist. Oder besser gesagt, ich habe es versucht. Ging aber nicht, da die angegebene Service-Nummer nicht funktioniert. Die ist schon seit einiger Zeit nicht mehr in Betrieb. Schusselig.

Hannelore Kraft: Ministerpräsidentin im zweiten Wahlgang

Hannelore Kraft (SPD) wurde soeben mit 90 von  181 Stimmen zur Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen gewählt.

90 Stimmen für Hannelore Kraft, 80 gegen sie und 11 Enthaltungen. Das reichte im zweiten Wahlgang, das war die relative Mehrheit. Es gab keinen Gegenkandidaten. Im ersten Wahlgang erhielt Kraft ebenfalls die 90 Stimmen von Grünen und SPD. FDP und CDU stimmten wahrscheinlich ebenso wie ein Abgeordneter der Linkspartei gegen Kraft. Wohl zehn Abgeordnete der Linkspartei enthielten sich wie angekündigt der Stimme.

Hannelore Kraft ist die erste Ministerpräsidentin NRWs. Sie verfügt im Landtag über keine Mehrheit und ist auf die Unterstützung oder Duldung von Union,FDP oder Linkspartei angewiesen.

Spanisches Tierorakel


Vergesst Paul, die blöde Krake aus dem Aquarium in Oberhausen? Was zählt schon ein Oktopus gegen die große Erfahrung einer Schildkröte? Dachten sich diese munteren Kollegen im spanischen Fernsehen. Und ließen ihren „Jose Maria“ das heutige Halbfinale entscheiden… sehr lustig wird es ab 1:00.

Raucherverbot: Der Bayer hat gesprochen …

… und die Welt hält den Atem an? Leider nicht. Ohne Atem kann man nämlich vieles nicht tun: rauchen zum Beispiel oder eben durcheinanderschreien und sich wechselseitig des Faschismus, bzw. Massenmordes, in jedem Falle aber der Rücksichtslosigkeit und Intoleranz bezichtigen. Also mal kurz runterkommen, ein Gläschen Wein und dann versuche ich mal ein paar unaufgeregte Nachtgedanken zum Thema.

Vor gut 20 Jahren hat in einem Bistro ein missionarisch beseelter Vegetarier mit seiner brennenden Kippe auf meinen Teller gedeudet und verzweifelt bis resignierend gefragt, ob ich nicht wisse, was ich meinem Körper da antue – wenn ich Fleisch esse!
Dies mag als früher Beleg dafür gelten, daß bei Rauchern das nikotinbezogene Problembewußtsein eher unterentwickelt und förderungsbedürftig war. Auch als sich späterhin ein Gutteil der Bevölkerung durch Tabakkonsum belästigt zu fühlen begann wurde diese Problematik vom Raucher eher nicht wahrgenommen, wenn nicht gar vollkommen ignoriert: auf unserer Seite der Zigarette gab es ja kein Problem. Durch den eigenen Qualm waren die Nöte der anderen wohl auch schlecht zu erkennen und das Genörgel atemringender Nichtraucher war ja bei dem Gehuste eh nicht zu verstehen.

Oft und gerne werden Erlebnisse kolportiert, wo die höfliche Bitte im Rauchen zuwenigst bis zum Ende des Mahls einzuhalten schmierig und selbstgerecht grinsend ignoriert wurde und ich habe keinen Grund an derlei Berichten zu zweifeln: wo immer man fünf Menschen zusammenwürfelt hat man mindestens einen Idioten dabei. Ich halte dies für eine statistische Wahrheit, auch, wenn es meiner Kenntnis nach keine diesbezüglichen Studien gibt.

Wozu es allerdings Studien gibt, das sind die Aus- und Einwirkungen des Passivrauchens. Besonders beliebt ist jene einer Gruppe von Epidemologen aus Münster und Heidelberg, weil sie die hübsch griffige Schätzung von etwa 3300 Todesfällen durch Passivrauchen liefert. Zwar wird gerne übersehen und noch gerner verschwiegen, daß besagte Studie sich selbst gewisse Mängel einräumt, etwa das nicht unwesentliche Komponenten wie Lebensstilfaktoren unberücksicht bleiben mußten, sollten, konnten, kein Geld, was weiß ich – jedenfalls darf man dennoch die Annahme durchaus schwerwiegender gesundheitlicher Beeinträchtigungen als durchaus gesichert und nur kreativ wegzuleugnen ansehen.

Der stetig lauter werdende Wunsch nach rauchfreier Umgebung wurde von Gastwirten eher behäbig und bescheiden erhört, denn auch eine versprochen kurze Übergangszeit ist eine Zeit in der man Pacht und Personal bezahlen muß und so überbrückte man die Wartezeit auf den Ansturm der Nichtraucher indem man die Raucher weiter rauchen ließ. Ja, so mancher Kneipier, Kellner und Koch in Personalunion mag in seiner Kaschemme wohl sogar dankbar gewesen sein für die Ausrede, sein Essen sei nicht angebrannt, das sei nur der Ruß vom Nebentisch. Und so stand der gebeutelte Nichtraucher belämmert auf der Strasse und begann sich seinen rauchenden Nemesis hierhinzuwünschen.

Weil also der freie Markt mal wieder Besseres zu tun hatte, als sich selbst zu regeln, mußte wohl oder übel der Gesetzgeber per Erlaß den Wünschen einer größer werdenden Gemeinde Gehör verschaffen und erfand den Nichtraucherschutz.
Insofern sei gelernt, daß all dies verständlich, nachvollziehbar, berechtigt, edel und gut ist. Niemand darf gegen seinen Willen gesundheitsschädlichen Stoffen ausgesetzt oder auch nur wegen eines entsprechenden Wunsches ausgegrenzt werden. Allerdings darf man anmerken, daß bei vielen Nichtrauchern weniger die Sorge um körperliche Unversehrtheit, als vielmehr eine ebenfalls verständliche Abneigung gegen Qualm, Gestank und ganz allgemein geringere Luftqualität im Vordergrund steht. Leider wird da eine Spur zu leichtfertig der Gesundheitsaspekt eher wegen seiner Durchschlagskraft bemüht, als sei ein Interesse an sauberer Luft nicht legitim genug.

Und tatsächlich gibt es einen Punkt, an dem er das nicht ist. Es geht nämlich inzwischen nicht mehr um das Recht gesund und unbeeinträchtigt am öffentlichen Leben teilnehmen zu dürfen, sondern es geht um ein GENERELLES, mithin totales, uneingeschränktes Rauchverbot. Der aufmerksame Leser mag bemerkt haben, daß an dieser Stelle nicht mehr der Begriff „Nichtraucherschutz“ zum Einsatz kommt, denn an fortan geht es um etwas anderes. Wer rauchfrei essen, trinken, feiern möchte kann dies tun. Und gernstens wird ja auch vermeldet, natürlich dürfe der Raucher privat und zuhause rauchen, klar, wer sich umbringen will: bitte sehr. Aber warum dürfen sich dann unbelehrbar aerosolsuizidal Veranlagte nicht in Gemeinschaften erklärt gleichveranlagter zusammensetzen und sich ihrem Leiden hingeben? So scheinbar ausufernd die Ausnahmeregelungen auch sein mögen: absolut rauchfreie Gaststätten gibt es mittlerweile in großer Zahl, hinzu kommen weitere Lokalitäten in denen Raucher- und Nichtraucherbereiche strikt und nicht nur alibimäßig getrennt sind. Geht trotzdem von Raucherclubs eine Gesundheitsgefährdung für Nichtraucher aus? Wie dies? Nein, ganz ehrlich: ich will nicht provozieren oder der Bariton im „Faschisten! Faschisten!“-Chor sein (Nikotin wirkt übrigens auch auf die Stimmbänder – uns fehlen also Tenöre und Soprane) – ich verstehe es nur nicht, Pfadfinder-, bzw. große Indianer-Ehrenwort und nicht gelogen. Wenn Raucher zuhause rauchen dürfen, warum darf dieses „zuhause“ nicht eine wirtschaftlich betriebene Einrichtung sein – WENN und dieses sehe ich als gegeben an (Ach ja: Bochum, wenn jemand fragt, komme aber durchaus ein bißchen rum und – Junge, ist das ein Kreuz, ein Raucherlokal zu finden, wenn man ortsfremd ist, Mannmannmann) ausreichend rauchfreie Alternativen vorhanden sind?

Zweimal „hoffentlich“: hoffentlich ist nicht jener Kommentar repräsentativ, in dem ein Befürworter der harten Gangart die bisherige Regelung monierte, weil seine Freunde Raucher sind und er sich folglich gezwungen fühlt, Raucherlokale aufzusuchen. (Mal im Ernst: ihre Lösung ist Zwang? Gegenüber ihren „Freunden“? Bei aller – haha – Freundschaft: entweder Sie oder ihre Freunde – irgendwer hat hier einen mißratenen Freundschaftsbegriff.)

Und hoffentlich haben die meisten Nichtraucher einfach nur den Wunsch nach rauchfreier Umgebung und möchten theoretisch einfach jedes Lokal unbelästigt aufsuchen dürfen.

Letzteren darf ich nämlich – die Einer-von-fünf-ist-ein-Idiot-Regel mal außer Acht gelasasen – bestimmt auf Verständnis hoffend erklären: Gesundheit ist wichtig, aber es gibt eben auch Orte, an denen – gemäß lokal wirksamer Übereinkunft – andere Regeln gelten: ich werde beispielsweise niemals den Mount Everest besteigen, weil mir das gesundheitliche Risiko zu groß ist, aber jenen, die bereit sind, dieses Risiko auf sich zu nehmen, werde ich dieses Unterfangen niemals untersagen – der Mount Everest ist einfach nichts für mich.

Noch zwei Anmerkungen zu Detailfragen:
„Raucher können doch zum rauchen raus gehen“: es ist so: Raucher möchten gerne WÄHREND des Bier trinkens und der damit verbundenen Unterhaltung DA SEIN, das gehört zusammen. Ein einfacher Vergleich (bitte keine „schädige nur mich und nicht andere“-Kommentare, paßt gerade nicht): Sie sitzen in der Kneipe und haben ein Bier vor sich – ich brauche für ein Weizen ca. 40 Minuten brutto, netto geht das natürlich sehr viel schneller – wo war ich? Ach ja: also: Sie und ihr Bier – und jetzt bittet sie jemand, jedesmal, wenn Sie von Ihrem Bier trinken wollen, dafür vor die Tür zu gehen. Was fehlt? Genau: Gemütlichkeit.

Dann sind da noch die seitens der Raucherfraktion vorgetragenen Vergleiche mit anderen Lastern oder gesellschaftlichen Beeinträchtigungen wie fettes Essen, Autofahren oder Alkohol: seien wir ehrlich: eher Quatsch. Verursacher und Opfer sind in der Regel identisch. Ausnahme Alkohol: unter dem Aspekt des Passivrauchens darf man feststellen: auch unter Opfern von Alkoholkonsumenten ist die Mortalität erschreckend, die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen von Alkoholkonsum sind – jetzt mal echt und ehrlich, unter Brüdern und Hand auf’s Herz – sehr, sehr gravierend.

Und wo wir gerade bei Alkohol sind darf ich ich vielleicht auch auf mehr Verständnis hoffen, wenn ich bei der aktuellen Diskussion unbedingt die Handschrift der lieben Neo-Puritaner sehen will: kurz nach Einführung des erstens Nichtraucherschutzes gab die Bundes-Drogenbeauftragte ein Machbarkeitsstudie zum Fernziel Alkoholverbot in Auftrag – nach Bekanntwerden dieses Vorhabens wurde dies sinngemäß als „nur so’ne Idee“ relativiert.

Mal ganz ernsthaft: wann darf man in unsere private Freizeitgestaltung eingreifen, wo endet unsere persönliche Freiheit? Naja, ist ja nur eine Frage.

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Gaucks blasse Geschichtsbilder

Gestern hat der von SPD und Grünen als Bundespräsident nominierte Joachim Gauck eine Grundsatzrede gehalten. Gauck wollte eine Woche vor der Bundesversammlung sagen, was er für einer ist. Publikum und Presse zeigten sich begeistert von seinem Aufruf zu Freiheit, Bürgersinn und Verantwortung. Ich bin es weniger. Gaucks Rede klebt in der Wendezeit und vermeidet klare Aussagen zu Nazideutschland. Schade.

Gauck schickte vorweg, es gehe ihm nicht um Thesen, sondern um seine Erfahrungen. Aber er macht es sich ziemlich leicht, seine Rede beginnt im Ungewissen. Er sei 1940 geboren, deshalb kenne er nicht den „Glanz“ in den Augen der vom Führer „Verführten“, aber er kenne die Augen der Angst der Erwachsenen in den Bombennächten. Nach Kriegsende wisse er von abgeholten Männern zum Arbeitsdienst oder zur Erschießung, er erinnere sich an furchtsam verhüllte Frauen. Mit einem „Krieg, Diktatur und wieder Diktatur“ rast er durch die dunkelste Periode, um schnell in den 1950er Jahren anzukommen, bei seinem von den Kommunisten verschleppten Vater, den in Moskau erschossenen freiheitlichen Jugendlichen. Mir geht das ein bisschen zu schnell.

Ein künftiger Bundespräsident sollte mehr bieten, als die leidvollen Erfahrungen mit dem Kommunismus, sollte mehr ausführen zum Krieg, als dass er „verloren“ ging und „Deutschland einem schrecklichen Ende“ entgegen ging. Zum Beispiel: Wer Schuld trägt, dass es nicht nur Verführte, sondern viele Täter gab. Und Millionen Opfer. Dass nach dem Krieg auch Menschen abgeholt wurden, die Schuld hatten.

Doch Gauck schaut zu mit großen Kinderaugen. Lernt Schiller, die Freiheit schätzen, den Westen. Bis die Mauer kommt, später das Einnisten trotz aller Widersprüche, noch später erst vorsichtige Opposition, schließlich ein „Freiheitssturm“. Und das gefällt mir eigentlich gut, wie er vom langsam werdenden Widerstand bis zur Verblüffung über die eigene Stärke gegenüber den Unterdrückern spricht. Welche Kraft „Wir sind das Volk“ habe – auch wenn der Vergleich mit Barack Obamas Wahlkampfschlager „Yes, we can“ so manchen Bürgerrechtler zornig machen könnte.

Doch nun bleibt Gauck stehen, 1989, 1990. Für ihn gab es eine „Revolution“ in Deutschland und alles was der Prediger zu heute sagt, hat diesen Ausgangspunkt. Die Kritik an Kapitalismus und System sei auch deshalb nur eine Flucht vor den Problemen, vor allem von denen, die sich immer noch unwohl fühlten in Deutschland. Er kenne viele, die damals Angst davor hatten, verhaftet zu werden, und jetzt vor dem sozialen Abstieg. Ziemlich konstruiert, nach immerhin zwanzig Jahren. Was haben die Bekannten die ganze Zeit getan, außer Angst haben? Und: Was hat das eine mit dem anderen zu tun?

Des Rätsels Lösung, Gauck glaubt heute so stark an die Freiheit im Westen, an westliche Werte, das westliche Militärbündnis, dass er Andersdenkende, Experimentierfreudige, Unzufriedene, Systemkritiker als Angsthasen, als Fluchtinstinktive abwatscht. Ich wünsche mir allerdings einen Bundespräsident, der mehr Freiheit im Denken, im gesellschaftlichen Ausdenken zulassen kann.

Und noch ein entschiedenes Nein, Herr Gauck! Die Probleme des Kapitalismus – Finanz- und Weltwirtschaftskrisen, ergo globale Ausbeutung, Verelendung – mit Fouls im Fußball und Doping im Radsport zu vergleichen, die Sportarten würde man ja auch trotz ihrer Schattenseiten weiter betreiben, greift arg kurz. Gauck hat schön gesprochen, es ist ein Rhetor am Pult, ein gut aussehender zumal. Die einen mag das freuen, mir ist der Mann zu verstockt und so bin ich froh, in einer Woche nicht abstimmen zu dürfen.

Mehrheitswahlrecht, Volksabstimmungen und weniger Staat

Fünf Parteien und keine klaren Mehrheiten: Was heute in NRW passiert wird morgen im Bund der Normalfall. Die Einführung des Mehrheitswahlrechts und Volksabstimmungen könnten eine Lösung sein.

Fünf Parteien sitzen seit der Landtagswahl im Landtag von Nordrhein-Westfalen und ihre Spitzen sind nicht in der Lage, eine mehrheitsfähige Regierung zu bilden. Sechs Parteien sind es mit der Regionalpartei CSU im Bundestag. Die Mehrheit von CDU/CSU-Fraktion und FDP galt schon nach der letzten Bundestagswahl als ein kleines Wunder. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis eine rechte Partei erfolgreich sein wird. Mit der wachsenden Zahl der undemokratischen Parteien werden Koalitionen dann noch schwieriger.

Je problematischer die Bildung von Regierungen wird, umso mehr schwindet das Vertrauen der Bevölkerung in die Demokratie. Die meisten sind einfach nur genervt, wenn die von ihnen gewählten Politiker nichts hinbekommen. Die Winkelzüge der Parteistrategen wollen sie gar nicht nachvollziehen. Sie erwarten, dass die Politiker ihren Job machen. Die Wähler müssen das ja in ihrem Alltag auch schaffen.

Aber je mehr Parteien in den Parlamenten sitzen und so schwieriger wird es, stabile Regierungen zu bilden. Zeit, vielleicht einmal über unser Wahlsystem nachzudenken.

Vieles spricht gegen das Mehrheitswahlrecht: Minderheitenmeinungen werde im Parlament nicht abgebildet, Wahlen werden für viele irrelevant. Ich habe zum Beispiel noch nie meine Stimme einem Kandidaten gegeben, der direkt gewählt wurde.  Aber: Wir hätten meistens klare Verhältnisse in den Parlamenten. Stabile Regierungen, die ihren Job machen. Und über viele wirklich wichtige Fragen könnte man die Bevölkerung direkt entscheiden lassen: Euro-Einführung, Wehrpflicht, Schulsystem und vieles andere mehr wären gute Themen für die direkte Demokratie. So ganz nebenbei würden diese wichtigen Themen dann auch in der Breite diskutiert, die sie verdient hätten.

Zudem könnte sich der Staat auf wenige Felder konzentrieren.  Würde der Staat sich beispielsweise aus der Subventionierung der Wirtschaft zurück ziehen, gäbe es einen geringeren Entscheidungsbedarf. Ob Opel, Bauern oder Bergleute Staatsknete bekommen, müsste noch nicht einmal diskutiert werden. Wieso schreibt der Staat im Erneuerbare Energien Gesetz genau die Unterstützung für einzelne Energieträger vor? Würden Quoten – 20 Prozent aus erneuerbaren Energien bis 2020, 30 Prozent bis 2030 etc. nicht vollkommen ausreichen?

Gerne könnten viele Fragen auch in den Kommunen entschieden werden. Nehmen wir die Frage des Schulsystems: Warum sollen die Menschen vor Ort nicht entscheiden, was für Schulen sie haben wollen? Oder ob sie etwas privatisieren oder nicht privatisieren wollen? Parlamente mit weniger Kompetenzen, mehr direkte Demokratie und ein Staat, der sich nicht als omnipotent darstellt, könnte zu einer lebendigeren und gleichzeitig stabileren Demokratie führen.

Die Initiative Nachrichtenaufklärung holt vergessene Themen ans Licht

Medien lieben Kriege. Von A wie Afghanistan bis Z wie Zagreb – militärische Intervention sind immer ein dankbares Thema, schließlich lassen Tote, Trümmer und Traumata die Einschaltquoten und Auflagenzahlen in die Höhe schnellen. Dass es alternativ auch erfolgreiche zivile Konfliktlösungen gibt – wie beispielsweise beim Nepal-Konflikt und bei der Loslösung der baltischen Staaten von der Sowjetunion – wird in den Medien gerne klein gehalten. Friedliche Lösungen verkaufen sich nicht gut. Von unserer Gastautorin Malina Opitz

Eine solch einseitige oder lückenhafte Berichterstattung kann ein Fall für die Initiative Nachrichtenaufklärung (INA) sein, die auch das Thema „zivile Friedensstrategien“ publik machte. Die Initiative wurde 1997 vom Medienwissenschaftler Peter Ludes nach dem US-amerikanischen Vorbild „Project Censored“ gegründet und ermittelt jedes Frühjahr eine Top-Ten, der in den Medien am meisten vernachlässigten Themen. Auf die Liste schafften es dieses Jahr auch: „Die rechtswidrige Anwendung von Polizeigewalt“, „Lücken bei der Finanzaufsicht bei Kirchen“, „Patente auf menschliche Gene und Gensequenzen“ und an erster Stelle „Notstand im Krankenhaus: Pflegebedürftige allein gelassen.“

Zuvor waren rund 150 Vorschläge aus der Bevölkerung eingegangen. In Uni-Seminaren wurden sie auf Relevanz und Vernachlässigung geprüft und anschließend einer Jury aus Wissenschaftler und Journalisten vorgelegt. „Unsere Top Ten sind fast immer komplexe und rechercheintensive Themen ohne aktuellen Anlass“, sagt Miriam Bunjes, die das Rechercheseminar an der TU Dortmund leitet. Im journalistischen Alltag fehle schließlich oft die Zeit für aufwendige Recherchen neben dem Tagesgeschäft. „Wir machen das bekannt, was nicht laut aufschreit. Der aktuellen Top 1 – zur widrigen Situation von Pflegebedürftigen in Krankenhäuser – fehlte offenbar eine Lobby mit Einfluss: Obwohl es ein halbe Million Menschen betrifft, haben die deutschen Medienvertreter das Thema übersehen.“ Nach der Veröffentlichung habe es viele Journalistenanfragen gegeben. Das sei enorm wichtig, damit die Themen nicht sogleich wieder in der Versenkung verschwänden.

Jeder kann Themen einreichen…Hier

Als ich in der Fortbildung arbeitete…

Die Bundesregierung kürzt bei den Fortbildungsmaßnahmen. In den 90ern habe ich mal in der Branche gearbeitet.

Es war für einen Studenten in den 90ern ein Traumjob: 40 Mark die Stunde. Und wenn man wollte, konnte man viele Stunden arbeiten. Auf bis zu 2000 Mark kam ich so bei meinem Job in der Fortbildungsbranche im Monat. Mein Arbeitgeber war eine privates Fortbildungsinstitut, meine Schüler waren vor allem Langzeitarbeitslose, die nach der Ausbildung zum Altenpfleger und Familienpfleger wieder einen Job finden sollten. Dann gab es auch noch Selbstzahler: Sie wollten Ergotherapeuten werden oder Stationsleiter.
Als ich den Job begann, hatte ich jede Menge hochqualifizierte Kollegen: Ärzte, Pflegedienstleiter, Juristen oder erfahrene Ergotherapeuten unterrichteten die Schüler. Ich lehrte was übrig blieb: Staatsbürgerunterricht und ein Fach das Kommunikation hieß. Da ich Kommunikationswissenschaft studierte (Ja, laut lachen ist an dieser Stelle erlaubt!) kam ich gut zu recht. Über eine pädagogische Qualifikation verfügte ich nicht, das lernte ich im Laufe der Jahre nebenbei.
Irgendwann mal fiel mir auf, dass immer häufiger die Kollegen wechselten. All die Ärzte und Juristen waren weg und immer mehr der eher preiswerten Studenten unterrichteten die Schüler. Ich habe schließlich in einem Ergotherapeutenkurs Fachkunde unterrichtet. Etwas blöd war, dass ich damals glaubte, Ergotherapeuten wären so etwas wie Masseure. Entsprechend fiel der Unterricht aus.
Die Besitzerin der Schule holte jede Menge Aufträge ran. Sie spendete der Gewerkschaft große Summen, denn die saß in den Gremien des Arbeitsamtes, dass die Kurse genehmigte. Besonders gut lief es 98 vor der Bundestagswahl. Die Arbeitslosenzahlen sollten sinken und die Zahl der Kurse explodierte. Jeder Schüler war ein Arbeitsloser weniger. Ob er für den Job, den er erlernte geeignet war oder nicht interessierte so wenig wie die Qualifikation der Ausbilder. Bei vielen Schülern hoffte ich nur, dass sie niemals einen alten Menschen pflegen würden. Die meisten waren allerdings hochmotiviert und wirklich nett.
Wenn ich jetzt lese, die Bundesregierung will Fortbildungskurse streichen, kann ich die Empörung nicht ganz verstehen. Viele der Kurse bringen den Arbeitslosen nichts. Allerdings ist um die Kurse herum eine ganze Industrie entstanden. Zahlreiche Weiterbildungsinstitute profitieren von diesen Kursen. Sie gehören häufig den Gewerkschaften und oder sind Arbeitgebernah.
Ich weiß natürlich nicht, wie die Qualität in diesen Instituten heute ist.  Was man von Leuten hört, die heute solche Kurse besuchen, lässt vermuten, dass sich wenig verbessert hat. Ich glaube, man sollte Geld in die Qualifikation von Arbeitslosen investieren. Allerdings gezielt und mit einer ordentlichen Qualitätskontrolle. Die Kurse die an meiner Schule liefen, haben nur wenigen meiner Schüler etwas gebracht.
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Sparen ohne Ideen

Die Bundesregierung will bis 2014 80 Milliarden Euro einsparen. Geld bringen sollen Einsparungen bei der Verwaltung, eine Brennelementesteuer und eine bessere Vermittlung von Langzeitarbeitslosen.

Zu erst die gute Nachricht: Im Wissenschafts- und Bildungsbereich wird nicht gespart. Im Gegenteil: Hier werden die Ausgaben wie geplant steigen. Merkel bezeichnete die Bildungsausgaben als Investitionen in die Zukunft.

13 Milliarden sollen  2011 eingespart werden:  Mit fünf  Milliarden  soll die Wirtschaft belastet werden, weitere  fünf Milliarden werden im Sozialetat eingespart werden und drei Milliarden in den Bundersverwaltung. Steuern sollen kaum erhöht werden – auch die umstrittene Senkung der Umsatzsteuer für Hotels wird nicht zurückgenommen. Eine Nebelkerze ist die Finanzmarkt-Transaktionssteuer. Sie ist international kaum durchsetzbar. Und die Brennelementesteuer ist der Preis der Atomindustrie für die Laufzeitverlängerung.

Und. Bringt es das jetzt? Nein. Seit 1969 wurden Schulden angehäuft – jetzt sind es über  1,7 Billionen Euro. Eine Menge Geld. Der Bund will nun sparen. Das von der Bundesregierung vorgelegte Konzept ist weder ausreichend noch glaubwürdig.

Der Staat mischt sich in zu viel ein, will zu viel ausgleichen. Das kann er  nicht leisten: Kohle zu fördern lohnt nicht mehr – es gibt Geld vom Staat. Milch wird immer billiger – es gibt Geld vom Staat für die Bauern. Man hat einen weiten Weg zur Arbeit – es gibt Geld vom Staat. Man hat eine teure Wohnung in der Stadt – es gibt kein Geld vom Staat. Die Käufer von Tiermedikamente erfreuen sich über eine geringere Mehrwertsteuer. Wer zu Hause auf die Kinder aufpasst bekommt Geld, wenn er nicht Hartz IV bezieht. In den Schulen und Kindergärten fehlen dann die Mittel. Das alles ist weder effizient noch gerecht.

Wir müssen schnell darüber diskutieren, was der Staat noch leisten kann. Vieles was wir auf der einen Seite erhalten, wie die Pendlerpauschale, bezahlen wir an andere Stelle über höhere Steuern selbst. Die Umverteilung läuft nicht nur von oben nach unten oder von unten nach oben sondern vor allem von der linken in die rechte Tasche. Und an diese Strukturprobleme hat sich die Bundesregierung nicht herangewagt.

Übrigens: An den Einnahmen liegen die Probleme des Staates nicht. Bund, Länder und Gemeinden haben 2006  488 Milliarden eingenommen, 2009: 524 und 2010 werden es wohl 511 sein. Das sollte reichen.

Einen Überblick über die Maßnahmen der Bundesregierung gibt es hier

Der kretische Pope

Blick auf die Bucht von Matala mit den berühmten Höhlen

Wir waren zum ersten Mal auf Kreta. So ein paar alte Traditionen zu entdecken, hatten wir schon gehofft, schließlich hatten wir ja mal, lang, lang ist`s her, Alexis Sorbas gesehen und dachten, dass sich dort auf der Insel vielleicht doch noch etwas an Tradition erhalten hat. Von unserem Gastautor Helmut Junge

Aber selbst die ländliche Bevölkerung hat sich mittlerweile längst der modernen Zeit angepasst, und so ist uns außer ein paar schwarz gekleideten, sehr alten Frauen, die am Straßenrand Apfelsinen verkauften, zumindest optisch kein traditionelles Element aufgefallen. Die jungen Frauen und die jungen Männer jedenfalls waren nicht anders gekleidet als die, die wir üblicherweise in Deutschland antreffen. Alle sprechen Englisch und viele sogar Deutsch und sind sehr nett, besonders zu uns Deutschen. In den Städten gibt es Internet Cafés, so dass ich dort sogar die Diskussionen bei den Ruhrbaronen verfolgen konnte. Witzigerweise las ich dort sogar den Ruhrbaroneartikel über Südkreta. Es hat also zeitgleich mindestens zwei Ruhrbarone-Leser auf Kreta gegeben. Obwohl also rein äußerlich für einen flüchtigen Besucher nichts von der alten Tradition zu erkennen ist, hat es doch ein Erlebnis gegeben, dass ich in dieser Form nicht erwartet hätte.
Und das war ein kluger religiöser Schachzug.

Als wir eines morgens auf der Treppe in unserem Hotel in Rethrymno standen und Richtung Rezeption gingen, hörten wir die laute Stimme eines Priesters, der eine religiöse Zeremonie abhielt. Die Priester der griechisch orthodoxen Kirche werden allgemein Popen genannt. Sie gehören auf Kreta zum normalen Straßenbild und haben immer einen schwarzen Kittel an und tragen einen Zopf am Hinterkopf, dürfen aber im Gegensatz zur katholischen Priestern heiraten, denn die Trennung der beiden christlichen Kirchen erfolgte schon lange vor der Einführung des Zölibats.

Natürlich wunderten wir uns darüber, dort im Hotel einen Popen zu hören, und als wir näher kamen, konnten wir durch eine halb geöffnete Bürotür sehen, dass dort zwei oder drei Leute standen, und der Stimme dieses Popen lauschten. Den Popen selber konnten wir nicht sehen, hatten auch keine Ahnung, um was es bei dieser Aktion ging. In der Rezeption selbst war niemand anwesend. Wir legten unseren Zimmerschlüssel auf die Theke und machten, wie geplant, unseren Tagesausflug. Nachmittags kamen wir zurück und holten unseren Zimmerschlüssel in der Rezeption ab. Bei solchen Gelegenheiten machten wir mit der Dame an der Rezeption meistens einen kurzen Smalltalk. So auch diesmal. Dabei fiel mir wieder der Pope vom Vormittag ein. Wir fragten sie, ob sie wüsste, was der Priester am Morgen veranstaltet hätte. Ja, sie wusste es, schmunzelte , und erzählte uns, dass dieser Priester wegen ihrer Tochter da gewesen sei. Ihre Tochter hätte vor einigen Tagen ein Baby bekommen, und es wäre Tradition, dass eine Mutter bei so einer Gelegenheit, nach altem orthodoxen Ritus 40 Tage lang bei dem Kind bleiben müsste, und dabei die Öffentlichkeit zu meiden hätte.

Jetzt seien bei ihrer Tochter erst 12 Tage vergangen, aber ihre Tochter fühle sich erholt, und hätte zudem noch das Glück, dass sie ihr Kind bei ihrer Schwiegermutter gut versorgt unterbringen könnte. Außerdem wäre sie für ihren Arbeitgeber wichtig, so dass sie nicht so lange fehlen wollte. Beim Nachdenken über eine Lösung für dieses Problem, sei ihr der Gedanke gekommen, einen Priester zu engagieren, der durch eine religiöse Fürsprache bewirkt, dass ihre Tochter von dieser traditionellen religiösen 40 Tage Regel befreit wird. Der Priester sei praktischerweise in ihr Hotel gekommen, hätte das nun gemacht, und so könnte ihre Tochter unbesorgt in die Öffentlichkeit, und sogar wieder arbeiten gehen. Dabei lächelte sie verschmitzt, und wir hatten das Gefühl, dass sie sich freute, mit diesem Trick dem lieben Gott ein Schnippchen geschlagen zu haben.