Unsere Gastautorin Renate Dienersberger interpretiert die zunehmende Regulierung von Kindheit und Jugend augenzwinkernd als Disziplinierung nachfolgender Generationen für drängende gesellschaftliche Aufgaben – so könnte es dabei etwa um die Versorgung der Alten von morgen gehen.
Die Jugend ist unsere Zukunft. In 30, 40 Jahren werden die Kinder von heute die Geschicke des Landes leiten, die gesellschaftlichen Normen prägen – und nicht zuletzt unsere Renten finanzieren. Vor allem Letzteres legt nahe, wie wichtig es ist, junge Menschen auf die richtigen Bahnen zu lenken. Solange sie noch lenkbar sind. Man muss also sehr früh damit anfangen.
Die letzte Dekade gleicht in dieser Hinsicht einem Quantensprung: Geradezu revolutionäre Umbrüche in ganz unterschiedlichen Lebensbereichen spielen wie von Zauberhand geführt segensreich ineinander und präsentieren den jüngsten Mitgliedern unserer Gesellschaft ein Angebot für ihren künftigen Lebensweg, das sie kaum ablehnen können, denn es verspricht vor allem: Sicherheit in jeder Hinsicht, Schutz vor allem Denkbaren, insbesondere auch vor eigenen Schwächen – und ein unglaublich gutes Gewissen.
Manche Wandlung ließ sich nur auf Basis jahrzehntelanger mühevoller Planung etablieren, zu mancher Entwicklung trugen jüngste wissenschaftliche Erkenntnisse bei – bzw. die gezielte Selektion von deren wünschenswerten Anteilen, und das alles überspannende System Internet bietet unvermutet die idealen Rahmenbedingungen für eine Konditionierung unserer Kinder sowohl zu ihrem eigenen als auch zu unserem Nutzen.
Kindheit und Jugend als unkontrollierte Freizeit
Wie sah die Kindheit bzw. Jugend von den 60ern bis weit in die 80er des vergangenen Jahrhunderts aus? Aus heutiger Sicht war sie das totale Grauen. Die Väter gingen arbeiten und waren so gut wie nie für ihre Sprösslinge da, die Mütter blieben zumindest drei Jahre nach der Geburt ihrer Kinder zu Hause, oftmals auch gar lebenslänglich. Kindergarten und Schule schlossen spätestens um 13:00 Uhr, die Hausaufgaben nahmen höchstens ein, zwei Stunden in Anspruch. Ein schier unerträgliches Maß an Freizeit für die Kinder war die Folge. Die Mütter ließen die Kleinen oftmals schon im Grundschulalter unkontrolliert auf die Straße, ohne