Wohnungsnot: Bauen, bauen, bauen

Wohnungsbau Foto: Andrew Dunn Lizenz: CC BY-SA 2.0


Die Hausbesetzungen am Wochenende in Berlin haben die Diskussion um Wohnungsnot neu entfacht. Gegen Wohnungsnot hilft allerdings nur der Bau neuer Wohnungen.

Für den Stadtplaner und Ökonomen Richard Florida sind die hohen Immobilienpreise einer der Hauptgründe, warum der Lebensstandard vieler Menschen schrumpft: Die Einkommenszuwächse, so sie vorhanden sind werden von den hohen Mieten und Hauspreisen aufgezehrt. Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sind Mieter aufgrund der steigenden Mieten von Armut deutlich stärker betroffen als Immobilienbesitzer. Es gibt also gute Gründe, mehr Häuser zu bauen. Doch neben der guten Auslastung der Bauindustrie, die zu höheren Preisen führt, gibt es drei Faktoren, die das verhindern. Die gute Nachricht: Alle drei lassen sich ausschalten.

Continue Reading

Duisburg: Fünf Logistk-Startups im startport

Vorsitzender des Vorstands der Duisburger Hafen AG Erich Staake im Dialog mit den Startups Aindex.Ruhr, Cargo-Bay, DepotCity, Freightpilot, Shippion

Die fünf Logistik-Teams Aindex.Ruhr, Cargo-Bay, DepotCity, Freightpilot und Shippion arbeiten seit März im Startport, dem Programm des Hafens Duisburg. Die Jungunternehmen haben  rund ein zwölf Monate Zeit, um aus ihren  Ideen marktreife Logistik-Produkte oder -Dienstleistungen zu entwickeln. Heute stellten sie sich auf einer Pressekonferenz im Innenhafen vor.

Erich Staake, Vorstandsvorsitzender der Duisburger Hafen AG, und Initiator des Projekts: „Wir gehen einen wichtigen Schritt in Richtung Digitalisierung. Die Nachfrage zeigt, dass unser Konzept aufgeht. Allerdings brauchen wir Beharrlichkeit und einen langen Atem, denn das Projekt ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“

Die Gründerteams sind für ein Jahr auf eine Etage in die Werhahnmühle im Duisburger Innenhafen eingezogen. Regelmäßig informieren die Teams nun über ihre Ergebnisse – und werden dabei intensiv von Partnerunternehmen und Mentoren gecoacht.

Bis Ende des Jahres  sollen weitere Teams in die Werhahnmühle einziehen. „Wir erwarten Einsatzwillen und Erfolgsorientierung. Unsere Förderung orientiert sich am Leistungsprinzip. Es reicht nicht, eine gute Idee zu haben, man muss auch an der Umsetzung arbeiten. Bislang sind wir sehr zufrieden, denn unsere Teams sind hochmotiviert“, sagte Staake.

Die Innovationsplattform startport richtet sich auch gezielt an gründungswillige Studenten und Hochschulabsolventen. Die Gründer-Teams werden von duisport sowie Logistik-Profis der startport Exklusivpartner Evonik, Klöckner & Co, Initiativkreis Ruhr beraten.

Als Technologiepartner sind nun Cisco, weltweit Marktführer in den Bereichen IT und Netzwerk, und das IT-Systemhaus Bechtle bei startport eingestiegen. „Die tatkräftige Unterstützung namhafter Unternehmen aus der Industrie zeigt uns, dass wir mit unserer startport-Idee, Startups und Wirtschaft zusammenzubringen, richtig liegen“, sagte Staake.

Weitere Hilfestellung leisten Netzwerk-Partner wie das Fraunhofer IML, die Universität Duisburg-Essen, das Zentrum für Logistik und Verkehr, das Netzwerk DIALogistik Duisburg, die Unternehmensberatung Roland Berger, die Werbeagentur dws, Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young, Steuerberater von PKF, die Deutsche Bank, IDE (Kompetenzzentrum für Innovation und Unternehmensgründung an der Universität Duisburg Essen), Instafreight, Digital Hub Logistics, Rechtsanwälte von Taylor Wessing und die Hochschule Rhein-Waal.

Die Startups im Kurzporträt:

Aindex.Ruhr arbeitet an der Entwicklung einer App, die ihre Nutzer zum optimalen Standort lotsen soll. Dadurch soll die Suche nach der perfekten Wohnung oder des perfekten Gewerbestandortes für den User im Ruhrgebiet und später in anderen Ballungsräumen erleichtert werden. Dabei kann der Kunde selbst seine Prioritäten bestimmen. Die Gründer von Aindex haben bereits erste Meriten verdient: Sie sind Gewinner des „#Nextlevelruhr-Hackathon“ Preises der RAG Stiftung.

http://aindex.ruhr/

Cargo-Bay verbessert die Distribution von Waren von Industrie, Handels- und Logistikunternehmen und liefert innovative Informations-, Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten. Das Unternehmen bietet über 1.000 geprüfte Speditionen in verschiedenen Regionen über seine Plattform an. So können Frachtpreise unterschiedlicher Anbieter von Kunden komfortabel geprüft und verglichen werden. Einheitliche Eingabemasken erleichtern Arbeitsprozesse und reduzieren Fehler. Bereits heute hat Cargo-Bay mehr als 1.100 Kunden.

https://cargo-bay.de/

DepotCity digitalisiert Lagerlogistik und macht Lagerraum und Fulfillment so einfach buchbar wie ein Hotel. Diese Plattform bietet Profis und Laien gleichermaßen die Möglichkeit, professionelle E-Commerce-Logistik einzukaufen. Von der Lagerhaltung, Verpackung, Frankierung bis hin zu Versand, Rechnungsstellung und Mahnwesen ist alles buchbar und kann transparent verfolgt werden. Die Plattform bringt Lagersuchende und Lagerhalter zusammen. Sie erleichtert es den Lagerraumanbietern attraktive Zusatzgeschäfte zu generieren.

https://depotcity.de/

Freightpilot holt durch die eigens entwickelte Software-Plattform die Speditionstouren-Planung in eine Cloud. Unternehmen, die aktuell mit einer eigenen, teuren oder ineffizienten Tourenplanung arbeiten, können diese nun kostengünstig für eine monatliche Gebühr auslagern. Die Plattform bietet eine vollautomatische Tourenplanung über die Grenzen der einzelnen Versender hinweg. So können sich beispielsweise zwei Unternehmen, die den gleichen Kunden beliefern, nun die Fahrt zu diesem teilen. Die Software-Lösung erstellt mit Hilfe künstlicher Intelligenz vollautomatisch einen Tourenplan und gibt diesen direkt an die Lieferanten weiter. So werden Synergieeffekte für alle Beteiligten geschaffen. Dadurch sinken das Verkehrsaufkommen sowie die Fahrtzeit von Lkws und Transportfahrzeugen.

https://www.freightpilot.de/de/platform

Shippion bringt Transparenz in den Frachtmarkt. Bisher läuft es so: Große Frachtunternehmen schreiben Angebote aus, kleinere müssen für jede Fracht zahlreiche Spediteure anfragen. Zusätzlich fehlt ein einheitliches, effizientes und schnelles Rechnungssystem. Das steigert die Kosten und schmälert den Gewinn. Shippion möchte die Verschiffung von Fracht grundlegend vereinfachen und einen automatisierenden Marktplatz bieten. Shippion automatisiert Frachtkalkulationsprozesse und vereinfacht den Frachtversand für die Exporteure und die Logistikdienstleister.

http://www.shippion.com/

Windige Hinterlassenschaft


Fast 29.000 Windräder drehen sich in Deutschland. 2020 läuft für viele der Anlagen nach 20 Jahren die Förderung aus. Das Ende der Subventionen wird für viele Windenergieanlagen das Aus bedeuten.

In weit über 300.000 Haushalten ging in den vergangenen Jahre das Licht aus, in dem einen Jahr waren es ein paar mehr, im anderen ein paar weniger. Es kann mehrere Wochen oder Monate dauern, bis der Stromversorger die Leitung kappt, nachdem  die Rechnung nicht bezahlt wurde, aber sicher ist: Der Tag kommt. Strom ist teuer in Deutschland: Mit im Durchschnitt 30,5 Cent für die Kilowattstunde steht teilen sich Deutschland und Dänemark den Spitzenplatz in Europa. Zum Vergleich: In Frankreich kostet die Kilowattstunde nur  16,9, in Bulgarien 9,6 Cent. Wer auf Unterstützungsleistungen des Staates wie HartzIV oder die

Continue Reading

Scheinbar endlos schlechte Nachrichten für das Uniper-Kraftwerk in Datteln

Das Kraftwerk ‚Datteln 4‘ im September 2014. Foto: Robin Patzwaldt

Ginge es dabei im Hintergrund nicht auch um unglaublich viel Geld, man könnte eigentlich inzwischen herzhaft lachen. Doch bei kolportierten Mehrkosten von noch einmal über 200 Mio. Euro, ist diese Lachnummer tatsächlich alles andere als lustig.
Leider entspricht es jedoch der Wahrheit, dass das seit Jahren juristisch umstrittene Steinkohlekraftwerk in Datteln durch erhebliche Baumängel noch einmal deutlich später in Betrieb gehen kann als zunächst angekündigt.

War zunächst von „minimalen Rissen“ in den Schweißnähten die Rede, die den Probebetrieb im vergangenen Herbst früher als angedacht wieder beendet hatten, räumte Bauherr ‚Uniper (als Nachfolger von E.On), nun tatsächlich ein, dass die Probleme mit dem Kesselstahl „T 24“ deutlich stärker verzögern als zunächst behauptet. Inzwischen ist das Jahr 2018 offenkundig nicht mehr zu halten, wird von 2020 geredet.

Kaum sind die ersten juristischen Hürden soweit aus dem Weg geräumt, liegen zumindest schon einmal die erforderlichen Genehmigungen der Bezirksregierung in Münster (bis zu einer endgültigen juristischen Klärung) vor, macht jetzt die Technik den Kraftwerksplanern das Leben schwer.

Für jemanden der die Vorgänge seit rund 10 Jahren interessiert begleitet, eigentlich nicht zu glauben. Das Milliardenprojekt ‚Datteln 4‘ scheint nicht gerade ein Glücksbringer zu sein. Und ob der neue Termin, dieser liegt immerhin bereits rund neun Jahre hinter dem ursprünglich geplanten Starttermin, denn tatsächlich zu halten sein wird, das erscheint in Anbetracht dieser Vorgeschichte, inzwischen auch völlig offen.

Continue Reading
Werbung


Bedeutungssimulant Bundesverband Musikindustrie

„I’m a loser baby, so why don’t you kill me?“ (Beck, Loser) BVMI Vorstand 2017 (c) BVMI/Oliver Walterscheid v.l. Philip Ginthör, Bernd Dopp, Frank Briegmann, Dr. Florian Drücke, Konrad von Löhneysen


Der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) hat den gestrigen Echo vergeben. Industrie – das klingt beeindruckend. Bis man sich die Zahlen anschaut.

2007 wurde der Bundesverband Musikindustrie durch den Zusammenschluss der deutschen Vertretung der International Federation of the Phonographic Industry (IFPI) und des Bundesverbandes der Phonographischen Wirtschaft gegründet. Es war ein Zusammenschluss in der Not: Innerhalb eines Jahrzehnts war der Umsatz der gesamten Branche von über 2,6 Milliarden Euro auf knapp über 1,5 Milliarden Euro in sich zusammen gefallen – ein Niveau, dass bis heute, mit viel Mühe, gehalten wird. Industrie sollte Größe und Bedeutung simulieren. Vor

Continue Reading

Facebook-Anhörung: Nicht die alten Knacker unterschätzen

Mark Zuckerberg Foto: Friesehamburg Lizenz: CC BY-SA 4.0


Unser Gastautor Robert Basic warnt vor Witzen über das Alter der Politiker, die gestern Facebook-Chef Mark Zuckerberg vernommen haben.

Es ist schon etwas länger her, dass ich vor einem Publikum aus vielen alten weißen Männern in gut sitzenden Anzügen Social Networking zu erklären versuchte, als niemand so genau wusste, was das Zeug eigentlich sein soll und was daraus wird. OpenBC war gerade erst geboren, MySpace machte sich auf, die Weltbühne zu betreten, die Wikipedia war noch jung, YouTube war noch nicht geboren, Marc Zuckerberg kopierte just eine Idee von zwei Brüdern namens Winklevoss, die später einen Schnapper vor Gericht zugestanden bekamen.

Continue Reading

Steuergeld für Diesel-Hasser: Mit über 5 Millionen Euro finanziert der Staat die Deutsche Umwelthilfe

DUH Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch Foto: Steffen Holzmann/DUH Lizenz: Copyright


Nun will die  Deutsche Umwelthilfe, wie in vielen anderen Städten, auch in Bochum und Dortmund auf dem Klageweg Fahrverbote für Dieselfahrzeuge erzwingen.  Damit wird sie der AfD zu noch größeren Erfolgen verhelfen. Finanzielle Unterstützung erhält sie dabei vom  Staat.

Zuerst einmal: Es gibt jenseits der Ökohysterie weder eine Problem mit Stickoxyden noch mit Feinstaub: Die Stickoxydbelastung ist nach Angaben des Bundesumweltamtes in den vergangenen zehn Jahren um 20 Prozent zurückgegangen. Die Tendenz: Weiter rückläufig. Und auch der Feinstaub, die zweite angebliche Geißel des Diesels, ist kein größeres Problem: Über 90 Prozent des Feinstaubs sind natürlichen Ursprungs. Und da unsere Lebenserwartung steigt, scheinen die Folgen der Industrialisierung und des damit verbundenen Reichtums nicht so

Continue Reading
Werbung


In eigener Sache: Ruhrbarone – Jetzt bei WhatsApp


Bei Facebook bekommt ihr nichs mehr mit? Twitter ist für euch wie, wie Kollege Laurin sagt „Ork-Zeit“? Ihr würdet aber trotzdem gerne mitbekommen, was es bei den Ruhrbaronen Neues gibt?
Dann überlegt euch doch, ob ihr nicht unseren WhatsApp-Newsleter bestellen wollt.
Dafür müsst ihr eine Nachricht mit: „RB-Letter“ an die: 015115892793 schicken. Anschließend speichert ihr die Nummer, idealerweise als Ruhrbarone in eure WhatsApp-Kontaktliste. Ihr könnt uns aber auch Birgit oder Klaus nennen, wenn niemand wissen soll, dass ihr Nachrichten von den Ruhrbaronen bekommt.
(Bei einigen Handys müsst ihr zuerst den Kontakt speichern, bevor ihr die Nachricht versenden könnt. Ihr seid Ruhrbarone-Leser. Ihr werdet an dieser Hürde nicht scheitern!)
Mit dem Newsletter wollen wir euch 1-2 mal am Tag über aktuelle Texte informieren. An sehr spannenden Tagen vielleicht auch öfters.
Wenn ihr keine Lust mehr auf den Newsletter habt, einmal „Tschüss“ an die 015115892793 schreiben.

Wie Geldroboter unser Geld umverteilen

Unter deutschen Politikerinnen und Politikern wird die Digitalisierung gerne als Industrie 4.0 interpretiert, also als eine weitere technische Modernisierung der industriellen Produktion.

Das dieses Verständnis der Digitalisierung unserer Gesellschaften viel zu kurz greift, verdeutlicht eine neue Publikation des Wiener Promedia Verlags. Dort ist kürzlich der Band „Die Geldroboter“ von Martin Ehrenhauser erschienen. Im Mittelpunkt dieses Bandes steht der so genannte Hochfrenquenzhandel. Was Hochfrenquenzhandel praktisch bedeutet, macht das folgende Zitat aus dem Band von Ehrenhauser deutlich:

„Doch nicht nur die Geschwindigkeit hat sich [durch den Hochfrenquenzhandel, Anm. d.A.] dramatisch erhöht, auch die Anzahl der Aufträge hat sich potenziert. Waren es vor zehn Jahren noch siebzig Orders, die ein Händler täglich an eine einzige Börse sendet, sind es heute eine Million Orders an fünf verschiedenen Handelsplätzen. Die Bedürfnisse der Realwirtschaft spielen dabei keine Rolle. Schnell kaufen und sofort wieder verkaufen ist die Devise. Auch am Aktienmarkt. So betrug die durchschnittliche Haltezeit von Aktien im Jahr 1980 noch knapp zehn Jahre, im Jahre 2000 waren es noch sechs Monate, im Jahr Jahr 2013 lediglich 23 Sekunden.“ (S. 98)

Was Ehrenhauser hier skizziert sind die realen Prozesse hinter dem, was seit Jahren als Turbo-Kapitalismus bezeichnet und kritisiert wird: Die Digitalisierung der Finanzmärkte – also die Verlagerung der Finanztransaktionen vom Börsenparkett mit realen Menschen in komplexe mathematische Formeln, Algorithmen, die auf Computern laufen und automatisiert in Millisekunden nicht nur die Finanzmärkte abscannen, sondern auch Presseagenturen, und aufgrund der gesammelten Informationen entscheiden, ob Wertpapiere gekauft, verkauft oder ob getätigte Aufträge wieder storniert werden. Hier handeln also nicht mehr reale Menschen mit Wertpapieren, sondern Computer. Menschen geben lediglich Parameter ein, nach denen die Computer dann am Markt agieren.

Martin Ehrenhauser gelingt es, in verständlicher Weise in dieses komplexe und bisher nur einer überschaubaren Gruppe von Fachleuten geläufige Themenfeld umfassend einzuführen. Er verknüpft den komplexen Stoff wo immer es geht mit plastischen Beispielen aus der Alltagswelt und macht ihn so greifbar und anschaulich. Und der drögen Welt der Computer und Finanzstatistiken verleiht er Lebendigkeit, in dem er immer wieder die Personen, die er im Rahmen seiner Recherchen interview hat, und die Orte, an denen er sie getroffen hat, kurz beschreibt.

Auch wenn der so genannte Hochfrenquenzhandel erst seit wenigen Jahren zur vollen Entfaltung gekommen ist – rund 90 % des Wertpapierhandels weltweit wird heute durch Geldroboter ausgeführt – so führen seine Ursprünge doch zurück bis in die 1960er Jahre. Wie Ehrenhauser nachzeichnet, kamen wesentliche Impulse für die Entwicklung der dem Hochfrequenzhandel zugrundeliegenden Algorithmen tatsächlich aus realen Spielkasinos.

Ebenso führt Ehrenhauser in die Entwicklung der Unternehmensstrukturen ein, die die Gelbroboter betreiben und stellt eine Reihe der unterschiedlichen Akteure vor und entwickelt so ein anschauliches Bild dieser Branche, in der sich neben gigantisch großen Vermögenswaltungsunternehmen wie z.B. Blackrock und Geldroboter wie Virtu Financial auch Nerds als Einpersonenunternehmen erfolgreich bewegen – die derzeit wichtigsten Betreiber von Geldrobotern sind im Anhang des Bandes aufgelistet. Dazu gehört ebenfalls die Beschreibung des enorm kostspieligen technischen Wettrüstens dieser Firmen, um wenige Millisekunden schneller an Informationen zu gelangen als die Konkurrenz.

Im Zentrum der Beschreibungen und Analysen von Martin Ehrenhauser stehen jedoch die Dynamiken, die durch die Geldroboter auf den Finanzmärkten ausgelöst wurden, sowie die Frage nach dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen der Geldroboter und des Hochfrequenzhandels.

Die Geldroboter und die Geschäftsstrategien ihrer Eigentümer sind so konzipiert, dass sie selbst in Krisen, wie der europäischen Finanzkrise ab 2008, noch enorme Gewinne einfahren konnten und so zu einer weiteren Vermögensumverteilung beitrugen, die unsere Gesellschaft zunehmend spalten.

Als die wohl brisanteste gesellschaftliche Wirkung beschreibt Ehrenhauser die ungleiche Konkurrenz zwischen den Geldrobotern und den klassischen institutionellen Anlegern, also die Versicherungen und Altersvorsorgekassen. Es gelingt ihm nachvollziehbar darzustellen, worin die Assymetrie der Konkurrenz von Geldrobotern und klassischen Versicherungen liegt und aufzuzeigen, dass diese Assymetrie langfristig zu einer substantiellen Gefährdung der Altersvorsorge in unseren Gesellschaften führt.

Ein solcher Befund sollte eigentlich die Politik alarmieren und zu einer strikten Regulierung des Hochfrenqueznhandels, wenn nicht gar zu einem Verbot, führen. Anläufe dazu hat es auch gegeben, wie Ehrenhauser, der von 2009 bis 2014 Mitglied des europäischen Parlaments war, ausführt. Ab 2011 stand im Europäischen Parlament eine Überarbeitung der erst 2007 in Kraft getretenen EU-Finanzmarkt-Richtlinie MiFID I an. In der MiFID I war der Hochfrequenzhandel noch nicht berücksichtig. Die EU-Kommission wollte diese Lücke schließen. Beide Institutionen, die Kommission und auch das Europäische Parlament haben sich ursprünglich für eine sehr strikte Regulierung ausgesprochen und entsprechende Regulierungsvorschläge gemacht. Übrig geblieben ist von dieser hehren Absicht in der endgültigen Fassung der MiFID II, die 2018 in Kraft getreten ist, nicht viel. Letztlich hat die jetzige Fassung der MiFID II die Situation eher verschlimmbessert, so Ehrenhauser. Gescheitert ist eine effiziente Regulierung daran, dass sich der EU-Rat, in dem die Regierungen der EU-Mitgliedsländer vertreten sind, jeder effizienten Regulierung massiv widersetzt hat. Ernüchtert konstatiert Ehrenhauser: „Viele Regierungschefs kämpften offenkundig im Lager der Geldroboter für deren Privilegien.“ (S.157)

Angesichts der Gefährdung der Altersversorgung von Bürgern und Bürgerinnen durch die Geldroboter ist dies nur als Skandal zu bezeichnen. Es ist ein Verdienst dieses Buches, diesen Skandal sichtbar gemacht zu haben. Denn in beispielgebender Weise hat Martin Ehrenhauser das Scheitern dieses EU-Regulierungsversuches nachgezeichnet. Deutlich wird in dem Nachzeichnen dieses Prozesses allerdings auch, vor welchen Herausforderungen Abgeordnete stehen, die ja nicht als Experten, sondern als Repräsentanten der Gesellschaft in das Parlament gewählt wurden. Ehrenhauser verweist damit auf ein grundlegendes Dilemma repräsentativer Demokratien, dass dringend einer öffentlichen Debatte bedarf. Ebenso wird hier deutlich, dass das Institutionengefüge der EU dringend einer Reform bedarf. Eine wirksame Regulierung des Hochfrequenzhandels ist nicht unterhalb der EU-Ebene möglich. Die EU-Mitgliedsländer für sich haben schlicht nicht die nötige Durchsetzungskompetenz für solche Regulierungen. Sie haben lediglich die Kompetenz, wie Ehrenhauser aufzeigt, eine effiziente Regulierung zu blockieren.

Martin Ehrenhauser | Foto: privat

Es mangelt aber nicht nur an einem Bewusstsein unter Politikern für die nötigen Regulierungen, die sich aus der Digitalisierung unserer Gesellschaften ergeben. Ehrenhauser zeigt gerade am Beispiel der Bundesrepublik und am Beispiel des Bundeslandes Hessen, in dem mit der Frankfurter Börse und Eurex zwei wichtige Finanzmarktakteure ihren Hauptsitz haben, nach, dass die Aufsichts- und Kontrollstrukturen für die Finanzmärkte vollkommen unzureichend ausgestattet sind – nicht zuletzt aufgrund der unzureichend ausgestatteten öffentlichen Haushalte. Auch das hat, wie Ehrenhauser darlegt, einen Grund in der mangelnden Bereitschaft der Politik zu einer zeitgemäßen und effektiven Regulierung der Finanzmärkte. Obgleich EU-Kommission und Europäisches Parlament seit Jahren eine Finanztransaktionssteuer fordern, blockieren die Regierungen der EU-Mitgliedsländer ebenso lange die Einführung dieser Steuer im EU-Rat. „Und Vernunft, die zu Einhelligkeit führen könnte [in der Regulierung, Anm. d.A.] ist bekanntlich keine politische Kategorie“, merkt Ehrenhauser bitter dazu an.

Sein Fazit im Blick auf die Geldroboter ist nicht weniger eindeutig: „Sie [die Geldroboter, Anm. d.A.] lindern nicht den Hunger in der Dritten Welt, sie sorgen nicht für mehr Wasser in trockenen Regionen, sie lösen keine Kriege oder reduzieren die Abhängigkeit der westlichen Gesellschaften von fossilen Brennstoffen. ‚Der Hochfrequenzhandel hat nichts mit konkreten Ideen, Plänen und Wünschen konkreter Menschen zu tun, sondern verkündet die Herrschaft des Geldes mit Maschinen‘, kritisierte vor einigen Jahren Horst Köhler, der ehemalige Bundespräsident Deutschlands und vormalige Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Wenn Geldroboter in irgendeiner Weise Fortschritt erzielen, wie das ihre Proponenten behaupten, dann scheint sich dieser Fortschritt lediglich als Vorteil für ihre wenigen Betreiber zu erweisen, außerhalb des gesamtwirtschaftlichen Geschehens. Denn obwohl Unsummen in die Automatisierung und Beschleunigung des Finanzmarktes investiert wurden, und obwohl die Anzahl der Geldroboter in den letzten Jahren immer weiter zunahm, hat sich die Situation für die Realwirtschaft keineswegs verbessert.“ (S. 206)

Martin Ehrenhauser ist mit diesem Band nicht nur eine gut lesbare und umfassende Darstellung der technischen Funktionsweise des Hochfrequenzhandels, seiner Entwicklung und der sie nutzenden Unternehmen gelungen, sondern auch eine gesellschaftliche Einordnung und eine fundierte Kritik an dieser Form des Handels und an der Politik, die sich bisher einer effektiven Regulierung verweigert.

Das Buch

Ehrenhauser, Martin: Die Geldroboter. Wie Hochfrequenzmaschinen unser Erspartes einkassieren und Finanzmärkte destabilisieren. Promedia Verlag Wien, 2018 (240 S.)

ISBN: 978-3-85371-435-5 (Print) | ISBN: 978-3-85371-861-2 (E-Book)

Der Autor

Martin Ehrenhauser, geboren 1978 in Linz, studierte nach seiner abgeschlossenen Kochlehre Betriebswirtschaft und Politikwissenschaften in Österreich und England. Zwischen 2009 und 2014 war er Abgeordneter des Europaparlaments. Danach gründete er ein Unternehmen und vertiefte sich investigativ als Trader in die Welt der Finanzmärkte.

MerkenMerken

MerkenMerken