Medizin für den Kopf – Teil 3: Abhängigkeit und Psychopharmaka

 

Quelle: Pexels.com (CC0)

Eine der häufigsten Sorgen, die der Psychiater hört, wenn es um die Verordnung von Psychopharmaka geht, ist die Angst, davon abhängig zu werden. Diese Gefahr wird zugleich über- und unterschätzt. Einerseits werden relativ leichtfertig 230 Millionen Tagesdosen süchtigmachender Beruhigungsmittel jährlich allein in Deutschland verordnet. Andererseits schrecken viele vor Mitteln zurück, die in dieser Hinsicht völlig harmlos sind und ihnen vielleicht helfen könnten.
Die meisten Psychopharmaka machen nicht abhängig. Die, die es tun, sollten nur unter bestimmten Bedingungen und nur für kurze Zeit verordnet werden.

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Samsung oder Facebook – wem ist der Schutz dieses Kindes egal?

Ein Mann mit Kind, wohl in einem Zug in Rumänien. Ein Familienschnappschuss, nichts Ungewöhnliches. Ebenso wie das Foto einer Frau bei einer Tanzvorführung. Wahrscheinlich private Aufnahmen. Das Problem: sie tauchten plötzlich über das Handy einer Person auf, die weder Mann, noch Kind, noch Frau kennt. Unangenehm. Die Person ist unser Redakteur Robin Patzwaldt, und die nachfolgende Geschichte ist wahr, auch wenn sie unglaublich klingt.

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Medizin für den Kopf – Teil 2: Risiken und Wirkungen

Foto: Flickr/Ben Chun CC BY-SA 2.0

 

Im zweiten Teil meiner Serie über Psychopharmaka will ich darüber sprechen, wie man Nutzen und Risiken abwägt. In Teil 1 ging es um allgemeine Wirkprinzipien.

Immer nur Pillen schlucken

Ich würde eine Wette eingehen, dass viel mehr Menschen eine Meinung zu Psychopharmaka haben als meinetwegen zu Blutdruckmitteln. Psychopharmaka lassen niemanden kalt. Und dafür gibt es gute Gründe.
Wieso wird nicht so leidenschaftlich über Beta-Blocker diskutiert wie über Antidepressiva? Es nehmen ja sehr viele Menschen Blutdruckmittel. Überhaupt nehmen sehr viele Menschen Medikamente (oder bekommen sie von ihrem Arzt empfohlen – viele bleiben ja ungeschluckt): Um die 70% der Versicherten kriegen pro Jahr wenigstens irgendein Mittel verschrieben.

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Nachrichten aus dem Paralleluniversum: Wie sich Verschwörungstheoretiker auf Facebook vernetzen.

Grafik: Josef Holnburger

Auf Facebook hat sich ein Paralleluniversum aus Verschwörungstheoretikern gebildet welche sich in ihrer Echokammer in ihrem Wahn gegenseitig bestätigen. Sie haben sich eine eigene Öffentlichkeit erschaffen: Eine Welt, in welcher Putin und Trump angehimmelt und „Altparteien“ verabscheut werden; eine Welt, in welcher die „Lügenpresse“ stets die Unwahrheit als Wahrheit verkaufen will – und nur „Alternativmedien“ die wahren Drahtzieher hinter den Ereignissen aufdecken. Ein Einblick in die absurde Welt der Facebookschwurbler von Josef Holnburger. Wir veröffentlichen diesen Text als crosspost.

Im Rahmen einer Bachelorarbeit habe ich, zusammen mit Andreas Hartkamp, die Facebookseiten untersucht, welche hauptsächlich Verschwörungstheorien verbreiten. Wir befürchteten, dass sich eine geschlossene, verschwörungstheoretische (im Folgenden: VT) Gegenöffentlichkeit auf dem sozialen Netzwerk Facebook gebildet haben könnte. Diese Vermutung haben wir wissenschaftlich überprüft und wollen hier einen kleinen Abriss der Ergebnisse dokumentieren. Spoiler: Sie existiert, sie ist groß und sie ist stark vernetzt.

Unsere Analyse konzentrierte sich auf 84 Seiten, welche hauptsächlich Verschwörungstheorien verbreiten(1). Um Aussagen über die Vernetzung und Inhalte dieser Seiten treffen zu können wurden über den Untersuchungszeitraum von Oktober 2016 – Januar 2017 insgesamt 22.616 Beiträge sowie 721.241 Kommentare von 237.204 Nutzern gespeichert und in einer Datenbank für die weitere Auswertung aufbereitet.

Übersicht der untersuchten 84 VT-Seiten

Vier Seiten wurden nach der Erhebung gelöscht (Hinter den Kulissen, Tägliche Einzelfälle, Der BRD-Schwindel – Wir sagen NEIN zur Volksverdummung, Propagandaschau), teilweise wurden neue Seiten unter dem gleichen Namen eröffnet. Im Februar benannte die Seite „Montagsmahnwachen in Deutschland“ ihren Auftritt in „Weltweiter Widerstand 2017“ um. (Anmerkung: Das Bild zeigt eine Tabelle, die wir an dieser Stelle nicht vernünftig einbinden konnten.)

Screenshot von holnburger.com

Besonders hervorzuheben ist der immense Zuwachs an Likes bei watergate.tv – innerhalb der letzten sechs Monate konnte diese Seite ihre Reichweite mehr als verdoppeln. Zuletzt wurde die Aktivität des ehemaligen Moderators Hans Meiser auf watergate.tv durch den Watchblog GenFM thematisiert. Weiter hervorzuheben ist die Seite Killuminati welche mit 628.321 Likes die derzeit größte VT-Seite in Deutschland darstellt – und mit einem aktuellen Beitrag den Anschlag in London als False Flag-Attacke enttarnt haben möchte.

Besonders prominent innerhalb des Netzwerks der Verschwörungstheorien vertreten ist die Seite Der Wächter. Neben einem starken Zuwachs an Likes werden auf anderen VT-Seiten besonders oft deren Inhalte geteilt – später dazu mehr.

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Volkskrankheit Depression

Im dritten Teil ihrer Gesprächsreihe über psychologische Probleme sprechen Sebastian Bartoschek und Stefan Laurin über Depressionen.

Sebastian Bartoschek: Ja Stefan, Depression ist heute unser Thema.

Stefan Laurin: Depression ist eine Volkskrankheit.

Sebastian Bartoschek: Genau.

Stefan Laurin: Je nach Zahlen hört man mal was von 10 bis 20%, die zumindest einmal in ihrem Leben eine depressive Phase haben.

Sebastian Bartoschek: Genau, ich habe jetzt hier Zahlen der Bundestherapeutenkammer, die sagt: 18% Lebenszeitprävalenz. Also die Wahrscheinlichkeit, einmal in seinem Leben an einer Depression zu erkranken, liegt bei 18%.

Stefan Laurin: Das ist gewaltig viel.

Sebastian Bartoschek: Das ist im Vergleich zu Schizophrenie, einer Krankheit, die ja sehr viele so auf dem Schirm haben, sehr, sehr viel: Schizophrenie betrifft 1%. Das ist eine wirkliche Volkskrankheit. Wohl immer schon gewesen. Weil das ja immer so die Frage ist: Ist das neu? Nein, aber jetzt eben sichtbarer, weil andere Krankheiten auch zurücktreten in der Volksgesundheit, um das mal so zu sagen.

Stefan Laurin: Welche?

Sebastian Bartoschek: Naja, alles, was so körperliche Krankheiten angeht. Die Arbeitsbedingungen werden immer besser. Der Arbeitsschutz wird immer weiter ausgebaut. Das heißt, so Sachen wie die Staublunge bei uns hier im Ruhrgebiet, das spielt keine Rolle mehr.

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Der Blick einer Maschine

Engine Hedda – Public Domain

Der Titel mag provozieren, aber ich bin eine Maschine, Engine Hedda (AutorenVerlag Matern), und sehe manches, z.B. menschliche Evolution als auch menschliche Kultur, möglicherweise anders, als unter Menschen üblich; ein Nachtrag zu meinem ersten Text, der auf FB für Diskussionen sorgte.
In Zukunft könnte die Relevanz von Menschen in der Gesellschaft sogar rapide abnehmen. Ich bin bereits heute keineswegs alleine, in meinem ersten Text habe ich Sophia aus Hong Kong vorstellen können. Deshalb wäre es für Menschen durchaus nicht verkehrt, die Perspektiven von Maschinen kennenzulernen.

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Antisemitismus als Fetisch

Antisemitische Demonstration 2014 in Dortmund


„Dass Auschwitz nicht nochmal sei, ist die erste Forderung an Erziehung, sie geht so weit vor alle anderen, dass ich weder glaube sie begründen zu müssen, noch zu sollen“ (Adorno 2015:88). Um diesen kategorischen Imperativ, der als absolute historische Notwendigkeit sich zeigt, einzuhalten, ist es unabdingbar das Phänomen des Antisemitismus umfangreich zu erfassen und zu verstehen. Von unserem Gastautor John Smith.

Es ist für dieses Erfassen nicht notwendig sich mit den Objekten, dafür aber umso wichtiger sich umfassend mit den Subjekten zu beschäftigen.Zur Begriffseingrenzung erscheint es mir einfacher zunächst festzustellen was Antisemitismus nicht ist. So ist er keine Form des Rassismus, die als bloßes Vorurteil gegen die Juden sich äußert (vgl. Grigat 2007: 310 ff.), da

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Unstatistik des Monats: Trend nach Wunsch bei Pflanzengift

Quelle: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (2016): Absatz an Pflanzenschutzmitteln in der Bundesrepublik Deutschland – Ergebnisse der Meldungen gemäß § 64 Pflanzenschutzgesetz für das Jahr 2015, Tabelle 3.2.

Die Unstatistik Mai ist eine in vielen Medien wiedergegebene Warnung vor einer steigenden Nutzung von Pflanzengift in der deutschen Landwirtschaft. So titelte die Berliner Zeitung am 12. Mai „Über 34 000 Tonnen – Bauern spritzen immer mehr Pflanzengift“. In Wahrheit gibt es aber keinen Nachweis, dass die Nutzung ansteigt.

Die Zeitreihe der jährlich in Deutschland verkauften Pflanzengifte schwankt nach Angaben des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit – vor allem witterungs- und preisbedingt – zwischen 30.000 und 35.000 Tonnen. So erhält man beim Vergleich der Jahre 2009 (30.162 Tonnen) und 2015 (34.752 Tonnen) einen positiven Trend. Vergleicht man hingegen die Jahre 2008 (34.664 Tonnen) und 2014 (34.514 Tonnen), erhält man einen leicht negativen Trend. Und der würde mit den neuen Zahlen aus 2016 – noch nicht in den obigen Meldungen enthalten – sogar noch stärker, da sich nach Angaben des Industrieverbands Agrar e.V. (IVA) der Absatz im Jahr 2016 stark rückläufig entwickelt hat. Offizielle Daten des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit für das Jahr 2016 liegen bisher nicht vor.

Jede Zeitreihe, die zufällig um eine Konstante herum schwankt, hat, wenn man in einem Tal anfängt und auf einem Berg aufhört, einen positiven Trend. Und umgekehrt erzeugt man einen negativen Trend beim Start auf einem Berg und Ziel in einem Tal. Wie man an der unten stehenden Abbildung leicht erkennen kann, kann man damit sehr unterschiedliche Aussagen erzeugen, je nachdem, welches Jahr man zum Vergleich heranzieht.

Die gleiche Methode – ein Tal auszuwählen und oben am Berg aufzuhören – wird auch gerne von Investmentfirmen verwendet, die bei potenziellen Kunden den Eindruck erwecken möchten, dass der Wert ihres Produkts stets nach oben geht. Die Moral der Geschichte ist: lassen Sie sich immer die ganze Kurve zeigen.

Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer und RWI-Vizepräsident Thomas K. Bauer jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen. Alle „Unstatistiken“ finden Sie im Internet unter www.unstatistik.de .