„Viele kommen sich vor wie im Zoo“

Julia Bernstein
Julia Bernstein


Auf der Fachtagung „Antisemitismus heute“ in Köln stellte die Frankfurter Sozialwissenschaftlerin Julia Bernstein die erste Studie zum Thema Antisemitismus aus jüdischer Perspektive vor.

Studien zum Thema Antisemitismus gibt es viele, aber das Projekt, dass die Frankfurter Sozialwissenschaftlerin Julia Bernstein in der vergangenen Woche in Köln vorstellte, ist in Deutschland bislang einzigartig: Ihre Studie ist die Erste, die Jüdinnen und Juden fragte, wie sie Antisemitismus in Deutschland erfahren. Mit allen Zahlen veröffentlicht wird Bernsteins Studie erst im kommenden Jahr, aber auf der Fachtagung „Antisemitismus heute“, die im Begegnungszentrum Porz der Synagogen-Gemeinde Köln stattfand, gewährte sie den gut 60 Teilnehmern erste Einblicke in die Ergebnisse ihrer Arbeit.

Continue Reading

Die 2016er Polls I: Trump, Gin Tonic und Stranger Things

Trump und seine dritte Ehefrau Melania bei einem Wahlkampfauftritt 2016 Marc Nozell from Merrimack, New Hampshire, USA Lizenz: CC BY 2.0
Trump und seine dritte Ehefrau Melania bei einem Wahlkampfauftritt 2016 Marc Nozell from Merrimack, New Hampshire, USA Lizenz: CC BY 2.0

Zum Ende des Jahres blicken die Autorinnen und Autoren der Ruhrbarone noch einmal zurück. Mit was und wo haben sie sich in diesem Jahr zugeschädelt, welche Bücher mit Begeisterung gelesen und zu welchen Stücken getanzt, gelacht und geweint? Hier erfahrt ihr es:

Maxine Bacanji:
Bestes Buch: Tony Parsons – Als wir unsterblich waren (auch wenn schon älter)
Bestes Konzert: Großstadtgeflüster im CBE
Beste Platte: Audio88 & Yassin – Halleluja
Bester Film: Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind
Bester Serie: The Night Manager
Liebster Spruch des Jahres: „Der Journalist Martin Lejeune…“
Liebstes Musikstück des Jahres: Großstadtgeflüster – Ich boykottier dich (endlich Mal ein vernünftiger Boykott)
Mann des Jahres: Männer mag ich nicht. Definitiv nicht Obama.
Frau des Jahres: Mutti Merkel
Auf den Mond geschossen hätte ich gerne… : Trump
Getränk des Jahres (Alkohol): Wie immer Kölsch.
Getränk des Jahres (Spritlos): Grüner Tee von Pfanner
Meine Kneipe des Jahres: Umbruch in Köln
Mein Club des Jahres: Baalsaal Hamburg

Sebastian Bartoschek:
Bestes Buch: ‚Dankbarkeit‘ von Oliver Sacks
Bestes Konzert: Ignite in Köln
Beste Platte: ‚You want it darker‘ von Leonard Cohen
Bester Serie: Stranger Things
Liebster Spruch des Jahres: „Es gibt immer eine Möglichkeit, eine gewisse Distanz zu halten, die weiter als eine Armlänge betrifft. Also von sich aus gar nicht eine große Nähe zu suchen zu Menschen, die einem fremd sind und zu denen man kein gutes Vertrauensverhältnis hat.“
Liebstes Musikstück des Jahres: Der Junge auf dem weissen Pferd von Westernhagen
Mann des Jahres: Jan Böhmermann
Frau des Jahres: Meine Ehefrau
Auf den Mond geschossen hätte ich gerne… : Gina-Lisa Lohfink
Getränk des Jahres (Alkohol) Akashi Whiskey
Getränk des Jahres (Spritlos) FritzCola
Meine Kneipe des Jahres: ‚Die Grotte‘ auf der Reeperbahn
Mein Club des Jahres: Deutsche Lovecraftgesellschaft

Continue Reading

Alles wird gut…

living-conditions

Das Projekt Our World in Data hat sich mal angeschaut, wie sich die Welt und das Leben den Menschen in den vergangenen 200 Jahren entwickelt hat. 200 Jahre Aufklärung, Demokratisierung, Kapitalismus und Industrialisierung haben sich offenbar ausgezahlt:

Lebten von 200 Jahren noch 94 von 100 Menschen weltweit in extremer Armut, sind es heute nur noch 10. Über die Hälfte der Menschen lebt heute in eher demokratischen Staaten – vor 200 Jahren tat das nur einer von 100. Vor 200 Jahren hatten 83 Prozent der Menschen keinerlei Zugang zu Bildung, heute können 85 Prozent  lesen. Wurden vor 200 Jahren 43 von 100 Kindern keine fünf Jahre alt sterben heute nur noch vier von 100 Kindern vor ihrem fünften Lebensjahr. Sicher, da ist noch Luft nach oben, vieles wird sich noch verbessern lassen, aber wir sind als Menschheit weltweit auf einem guten Weg – vollkommen egal, was Rechtsradikale, Ökospinner, islamistische Zauselbärte oder Antiimperialisten sagen. Gehen wir ihn doch weiter – selbstbewusst, wehrhaft, uns immer wieder selbstkritisch hinterfragend, mit Neugier auf Technik, ohne Angst und Panik und mit viel Optimismus, denn zu dem haben wir, trotz allem was zur Zeit geschieht, jeden Grund.

„Das Ausmaß des Liebeskummers variiert“

Im zweiten Teil ihrer Gesprächsreihe über psychologische Probleme sprechen Sebastian Bartoschek und Stefan Laurin über Liebeskummer.

Stefan Laurin: Okay. Liebeskummer kennen alle. Wie schwer ist das, welche Bedeutung hat das für die Menschen, wie schwer sind solche Krisen?

Sebastian Bartoschek: Liebeskummer ist erstmal eine Krise, wie du sagtest, die eigentlich fast jeder mindestens einmal in seinem Leben durchläuft. Und spannenderweise weiß man, dass das Ausmaß des Liebeskummers total weit variieren kann. Also von: ja, das ist eine Krise, die man durchschreitet und dann ist alles wieder gut. Aber, und das hat mich auch nochmal in der Vorbereitung überrascht, es gibt tatsächlich auch einen Zusammenhang von Liebeskummer bis hin zu Suizid und Mord. Was eigentlich, wenn man dann darüber nachdenkt, auch wieder logisch erscheint.

Laurin: Na, der Suizid ist klar. Goethes Werther.

Continue Reading
Werbung


Wenn Kinder trauern

Caspar David Friedrich: Kügelgens Grab
Caspar David Friedrich: Kügelgens Grab


Auftakt einer neuen, lockeren Reihe: Sebastian Bartoschek, von Haus aus Psychologe, und Stefan Laurin unterhalten sich über psychologische Fragen. In der ersten Folge geht es darum, wie Kinder mit Trauer umgehen.

Stefan Laurin: Ich glaube, zu den schlimmsten Sachen, die einem Menschen passieren können, gehört der Tod eines Menschen, der einem nahestand. Das können Verwandte sein, aber auch Freunde. Und das trifft auch auf Kinder zu, wenn ein Elternteil stirbt, Oma oder Opa oder ein enger Freund. Kinder brauchen in solchen Momenten ihre Eltern, aber die haben ja häufig, beim Tod eines Partners oder der Großeltern, selbst jemanden verloren. Was ist das für eine Situation?

Sebastian Bartoschek: Die Situation ist schlimm. Gehen wir mal die klassische Situation durch. Oma stirbt, dann ist Oma ja Mama von Mama oder Papa gewesen. Und für Mama oder Papa ist das ja dann auch eine Trauersituation. Jetzt ist ein Elternteil also in der Situation, seine Mutter verloren zu haben. Der weiß oft genug selber nicht genau, mit der Situation umzugehen, weil Menschen zu verlieren ja recht selten geworden ist in unserer Gesellschaft. Wir haben ja inzwischen eher kleine Familien, dadurch ist der Tod ja eine weit weggeschobene Sache

Continue Reading

Schachverbot an der Uni Hannover?

Schachspiel Foto: David Lapetina Lizenz: CC BY-SA 3.0
Schachspiel Foto: David Lapetina Lizenz: CC BY-SA 3.0

Schach ist nicht überall auf der Welt ein beliebter und intellektuell reizvoller Zeitvertreib. Der Großmufti von Saudi-Arabien will zum Beispiel Schach verbieten lassen. Fromme Muslime könnten durch das Spiel von ihren Gebeten abgelenkt werden, was sicher ein hohes Risiko ist. Auf der Vollversammlung der Uni Hannover tauchte vor ein paar Tagen ein Antrag auf: Zwei Studenten wollten das Schachspielen an der Uni verbieten lassen. Ein ironischer Scherz oder dumme Wirklichkeit?   

Continue Reading

Berlin allein reicht nicht. Eine Entgegnung auf Rina Soloveitchik

Der Aufbau geht immer noch weiter, wie hier in Osnabrück. Foto: OS Meyer, Lizenz: CC BY 3.0
Weniger spektakulär, aber auch jüdisches Leben: Anbau der Synagoge in Osnabrück. Foto: OS Meyer, Lizenz: CC BY 3.0

Es gibt wenige Gebiete, auf denen Deutschland bis heute weltweit eine Sonderrolle einnimmt. Die Energiepolitik mag eines davon sein, die umwerfende Brotkultur ein anderes, ganz besonders besonders ist Deutschland aber weiterhin in Fragen jüdischer Identitätsbildung.
In diese Kategorie fällt auch der Artikel „Es wird nie gut sein, aber…“ von Rina Soloveitchik in der ZEIT, der sich mit den Identitätsproblemen des zeitgenössischen Judentums in Deutschland befasst. Soloveitchik beklagt sich darin wortreich über die anhaltende Holocaustfixierung des jüdischen Lebens und darüber, dass die „jüngeren Juden in Deutschland dieses trostlose Selbstverständnis noch immer weitertragen.“ Zum Beweis 

Continue Reading

Polen vor dem Abtreibungskrieg

In Polen tobt der Krieg um die Abtreibung. Die Pro-Choice-Seite hat ein eingängiges Symbol etabliert: den Kleiderbügel (Foto: Madzia Kowalczuk/Facebook)
In Polen tobt der Krieg um die Abtreibung. Die Pro-Choice-Seite hat ein eingängiges Symbol etabliert: den Kleiderbügel
(Foto: Madzia Kowalczuk/Facebook)

Die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die Polen seit Oktober 2015 regiert, hat anscheinend nicht genug von innenpolitischen Kriegen. Sie eröffnet eine neue Front und will für das totale Verbot der Abtreibung kämpfen.

Es gab so vielen Debatten zum Thema Abtreibung in Polen, dass man den Eindruck gewinnen kann, dass Polen ein glückliches Land ist. So heftig haben sich die Eliten des Landes nicht gestritten, als es um die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit oder um die Begrenzung der Armut ging. Abtreibung war das Hauptproblem.

Ein Gastbeitrag des Gazeta Wyborcza-Redakteurs Bartosz T. Wielinski.

Continue Reading
Werbung


Sind wir alle Opfer?

medienambulanz
Krank, süchtig, misshandelt – es wird immer leichter, in die Rolle eines Opfers zu rutschen. Eine Kritik an der Pathologisierung der Gesellschaft. Von unserem Gastautor Thilo Spahl.

Wer ist normal, wer krank? Wer ist Opfer, wer Täter? In der Vergangenheit wurde manches abweichende Verhalten als krank betrachtet, etwa Homosexualität, das heute selbstverständlich als Teil des normalen Spektrums gilt. Dass sich das geändert hat, ist gut. Es ging um die Entstigmatisierung der Betroffenen, um die Entpathologisierung abweichenden Verhaltens. In den letzten Jahrzehnten ist aber auch eine gegenläufige Bewegung zu verzeichnen. Immer mehr Menschen werden als psychisch krank, als Opfer oder als diskriminiert eingestuft.

Continue Reading

Wieso soll dein Mitmensch sterben?

Dieses Bild ist Clickbaiting. Weil ich möglichst viele Menschen erreichen will. (Foto: Mr.lugosi / Flickr / cc-by-sa)
Dieses Bild ist Clickbaiting. Weil ich möglichst viele Menschen erreichen will. (Foto:
Mr.lugosi / Flickr / cc-by-sa)

Heute ist der Internationale Tag der Selbstmord-Prävention der WHO. Internationale Irgendwas-Tage sind scheiße? Ja. Versteh ich. Aber Selbstmord ist mir dann doch ein wichtiges Anliegen. So wie anderen vielleicht Feminismus, Fußball oder Netflix.

Ich bin Psychologe – und gebe regelmäßig Schulungen für Fachkräfte zur Erkennung von selbstmordgefährdeten Personen, und zu der Frage: kann ich den Tod eines Menschen verhindern?

Continue Reading