
Im Mai wird die Documenta diskutieren. Über den russischen Krieg? Über Israel. Eingeladen ist – neben manchem BDS-Versteher – auch Natan Sznaider, ihn erstaunt seit langem „die Leichtigkeit“, mit der Israel „als weiße, europäische Kolonialmacht“ gelabelt wird. In seinem jüngsten Buch zeichnet der israelische Soziologe die Gedankengleise nach, die zu sehr verschiedenen Beschreibungen des jüdischen Staates führen: Ist Israel, diese Gesellschaft aus Flüchtlingen aller Länder, „ein Projekt der Emanzipation oder ein kolonialistisches Projekt? Kann es beides gleichzeitig sein?“ – Teil 1 einer Sznaider-Lese, es treten auf Alfred Dreyfus und Albert Memmi, Claude Lanzmann und Frantz Fanon, Achille Mbembe und Karl Mannheim und natürlich Hannah Arendt.
„Fluchtpunkte der Erinnerung“ hat Sznaider, Professor für Soziologie am Academic College in Tel Aviv, sein Buch betitelt, es beginnt mit dem Satz „Bis Mitte März 2020 war in Deutschland die Welt der Kultur noch in Ordnung“, dann erschien ein Beitrag auf diesem Blog: Die Intendantin der Ruhrtriennale, Stefanie Carp, hatte in einem dritten Anlauf versucht, BDS-Promoter auf ihre Bühne zu laden, diesmal den Historiker Achille Mbembe. Auf diese Weise kam zwar nicht BDS, die internationale Kampagne für die Denunziation von Demokratie, auf die große Bühne, wohl aber eine Debatte „über die Gegenwart von Holocaust und Kolonialismus“, so der Untertitel von Sznaiders Buch.
Aufgewachsen ist Sznaider als Staatenloser im Badischen, mit 20 Jahren ist er „aus Deutschland weg“, schon deshalb ist sein Blick auf die deutsche Debatte „der Blick des Fremden, des gleichzeitig dazu- und nicht dazugehörenden Menschen“.