Deutschland ist ein Land, in dem man leben kann. Einige meinen, man kann hier sogar recht gut leben. Andere finden, dass man eigentlich nur in dem Deutschland leben kann, das sie sich erträumen. Das Ausmaß dieser Träume geht von Auflösungs- bis Großmachtsphantasien. Ich lebe gerne in der Realität. Und eigentlich auch ganz gerne in Deutschland. Doch sollten wir reden.
And „Das Goldene Brett“ goes to …
2011: P.A. Straubinger für seinen Pseudodokumentarfilm Am Anfang war das Licht, in dem Werbung für den esoterischen Blödsinn „Lichtnahrung“ gemacht wird. 2012: Prof. Harald Walach für sein akademisches Engagement für den Kozyrev-Spiegel, einer Aluröhre, in der man der Telepathie mächtig wird. 2013: Die Homöopathen ohne Grenzen für den Einsatz von esoterischen Zuckerkügelchen als Medikament in Krisengebieten. 2014: Xavier Naidoo für sein verschrobenes Weltbild mit rechtsextremen Verschwörungstheorien. 2015: Stefan Lanka für sein Engagement zur Leugnung der Existenz des Masernvirus. 2016: Ryke Geerd Hamer für seine antisemitische und wissenschaftsfeindliche Germanische Neue Medizin. 2017: Peter Fitzek, dem König eines, seines, Deutschen Reiches.
Und das Goldene Brett für den erstaunlichsten pseudowissenschaftlichen Unfug des Jahres 2018 im deutschsprachigen Raum geht an …
Facebook sperrt mich 30 Tage für Hinweis auf Antisemitismus von Neo-Nazis und Islamisten
Hey Facebook,
na, ihr alten Freiheitsfeinde?
Ihr seid mir als Unternehmen grundsätzlich erst einmal sympathisch. Ihr versucht Steuern zu sparen, und ermöglicht es nebenher auch noch mit Menschen aus der Schulzeit verbunden zu bleiben, zu denen man nicht ohne Grund nach der Abi-Feier keinen Kontakt mehr haben wollte.
Nein, ihr seid kein Staat, und weil ihr kein Staat seid, betreibt ihr keine Zensur. Dies nur vorweg, um all die Reflexverteidiger und Wikipedia-Leser zu befrieden.
Ihr betreibt die derzeit weltweit größte Vernetzungsplattform, und (derzeit und noch) ist man vom Informationsfluss abgeschnitten, wenn ihr jemanden sperrt und ihm die Möglichkeit auch zur Kommunikation per Messenger nehmt. Nun kann man der Meinung sein, dass Unternehmen definieren können, was sie an Aussagen auf einer Plattform dulden und was nicht. Diese Meinung ist zwar im Detail dämlich, solange es Staaten gibt, deren Rechtssprechung natürlich auch eure Plattform unterworfen ist, doch halten wir uns nicht mit Kleinigkeiten auf. (Kein Unternehmer kann in Deutschland bspw. einfach und pauschal sagen: „Ich nehme keine alten weißen Männer.“ – egal wie sehr er auf Twitter für diesen Akt des Netz-Humanismus gefeiert würde.)
Nun also, wir sind im Internet, niemanden interessiert hier, wie Sachen wirklich funktionieren, sondern nur, welchen Empörungsgehalt sie haben. Genau dazu kommen wir gleich.
Das Goldene Brett vorm Kopf 2018: Die edle Runde der Kandidaten
Die Hamburger und die Wiener Skeptiker verleihen jedes Jahr im Herbst den Schmähpreis Das goldene Brett vorm Kopf für den erstaunlichsten pseudowissenschaftlichen Unfug für den erstaunlichsten pseudowissenschaftlichen Humbug mit der größten Reichweite im deutschen Sprachraum. Auch dieses Jahr konnte man auf https://goldenesbrett.guru seine persönlichen Favoriten nominieren. Eine Jury erwählt aus den Nominierungen, wie immer unter Beachtung der Kriterien Grad der Abwegigkeit, Kritikresistenz, kommerzielles Interesse, Aktionsradius und Gefahrenpotenzial, drei finale Kandidaten. Dieses Jahr gab es mehr als 300 Vorschläge. Seit heute stehen die diesjährigen Nominees fest.
Netzfrauen.org und die Angst vor der Verstrahlung aus Japan
Im Juli 2018 einigten sich die EU und Japan auf den Abschluss eines umfassenden Freihandelsabkommens, kurz Jefta. Das EU-Parlament wird das Abkommen im Dezember ratifizieren, bereits Anfang 2019 könnte es also in Kraft treten. Es gibt gute Gründe, dem Abkommen kritisch gegenüberzustehen. Wie bei den anderen großen Freihandelsabkommen der letzten Jahre ist zum Beispiel der intransparente Aushandlungsprozess problematisch. Das Online-Projekt „netzfrauen.org“ – eine selbsterklärte unabhängige Informationsplattform mit immerhin mehr als 240.000 Followern auf Facebook – entschied sich dieser Tage statt sachlicher Kritik für wahnhafte Desinformation über die Folgen des Abkommens. Die EU, so eine Meldung auf der Seite, würde ihren Bürgern wissentlich verstrahlte Lebensmittel aus Fukushima vorsetzen. Das ist aus vielerlei Gründen Unsinn. Die Meldung und die Reaktionen darauf zeigen aber exemplarisch, dass der politische Diskurs in Deutschland nicht nur in neu-rechten Echokammern zunehmend von haltloser Angstmacherei und Misstrauen gegen politische Eliten bestimmt ist. Unser Gastautor Hanno Jentzsch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Japanstudien in Tokyo und beschäftigt sich unter anderem mit dem Wandel des japanischen Agrarsektors.
Der entsprechende Artikel – zweifach verbreitet über die Facebook-Seite der „Netzfrauen“ und mehr als tausendfach geteilt – ist eine ärgerliche Mischung aus falsch konstruierten Zusammenhängen und vollkommener Unkenntnis. Mit der Ratifizierung des Abkommens, so der Tenor, seien Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa bald schutzlos der Einfuhr von
11-11 oder: Wie ich meinem Opa begegnete
Meinen Großvater väterlicherseits kenne ich nur aus Erzählungen. Er starb 1946, 15 Jahre vor meiner Geburt, an einer postoperativen Blutvergiftung. Es gibt eine Geschichte über ihn, die mein Vater mir einmal erzählt hat, und ich weiß nicht, ob sie wahr ist. Aber ich wünsche es, und für mich ist sie deshalb wahr, denn es ist eine der besten Geschichten, die ich je gehört habe, und sie handelt vom Krieg. Von unserem Gastautor Wolgang Walk.
Mein Vater stand im Januar 1945 auf einem Kasernenhof in Dänemark, 17-jährig, und hatte gerade seine Ausbildung zum Reserveoffiziersanwärter absolviert. Die gesamte Kompanie, wurde ihr verkündet, sollte am nächsten Tag ins eingeschlossene Breslau geflogen werden. Mein Vater stand da im Winterwind und wusste: Sein Leben war vorbei. 17 Jahre – und dann das sinnlose Ende. Und dann wurde er ins Büro des Kompaniechefs gerufen.
Ob er der Sohn von Wilhelm Walk sei. Aus dem Hünfeldischen. Ja, antwortete mein Vater. „Dann bleibst du hier als Ausbilder“, verkündete der Hauptmann. „Dein Vater hat mir vor Verdun das Leben gerettet. Ich werde seinen Sohn nicht in den Tod schicken.“
Keinen seiner Mitrekruten sah mein Vater je wieder.
Letzte Schicht: Bottrop, damals …
Die letzte Zeche schließt, nach Jahrhunderten geht die Ära des Bergbaus zu Ende. Ruhrbarone-Autoren erzählen in den kommenden Wochen in loser Folge darüber, was sie mit der Welt der Zechen verbindet. Heute schreibt unser Gastautor Werner Streletz über seine Kindheit in Bottrop.
Eine Erinnerung
Das Bottrop der 1950er/1960er Jahre, Stadt am grünen Strand der Emscher (die damals pechschwarz war): die Zechen Prosper I, II, III, ZK gleich Zentralkokerei, ZW gleich Zentralwerkstatt; Kirmes (rund um die Karnevalstage und im Herbst): Es gehörte zur festen Tradition, sie abends mit der Familie zu besuchen. Dort trafen sich alle, die Nachbarn, die Verwandten. Damals legten es Väter und Onkel hartnäckig darauf an, an der Losbude für die Kinder die „Freie Auswahl“ zu ergattern. Als wäre es eine hehre Verpflichtung. Die Männer gaben manches Scheinchen aus, öffneten Dutzende von Papierlosen, um ihr Ziel zu erreichen. Und stolz trugen die Kleinen den Riesen-Teddybären nach Hause, der dort einen Ehrenplatz in der Sofaecke bekam. Ich habe als Kind (also in den 1950er Jahren) nie so ein Riesenplüschtier besessen, aus welchem Grund auch immer. Rock ‘n‘ Roll an der Raupe, Halbstarke, von mir aus der Ferne bewundert.
Wie kommt Suzanne Grieger-Langer zu Referenzen?
Wir haben mehrfach über Suzanne Grieger-Langer berichtet. Heute nun soll wieder die Frage gestellt werden, ob Frau Grieger-Langer wohl wirklich für all die Unternehmen arbeitete, die sie als Referenz anführt.
Auf gut Glück wurden einige „Referenzunternehmen“ angefragt: drei Bochumer Unternehmen (Sparkasse, Baugenossenschaft und Stadt Bochum) sowie drei deutsche Bundesministerien (Verteidigung, Finanzen und Entwicklung).
LIVE: Battle of Ideas
Video Teil 1
Video Teil 2
Wir übertragen heute Abend ab 18:00 live an dieser Stelle die Battle of Ideas Berlin unserer Freunde vom Freiblick-Institut. Es geht um Verbotspolitik und Populismus.
Heute vor 75 Jahren begann die „Aktion Erntefest”
Heute vor 75 Jahren wurden mit der Aktion Erntefest 43.000 Menschen innerhalb eines Tages ermordet. Ein Gastbeitrag von Manfred Barnekow.
Dröhnende Musik erfüllte den Morgen des 3. November 1943 in Lublin. Surreal, Entsetzen hervorrufend, jedem längst bewusst, dass es eine bekannte Methode der Deutschen ist, Furchtbares zu übertönen, eine eigentlich sinnlose Tarnung, sie selbst offenbart schon alles. Es ist eher dazu geeignet, das Grauen für die Zuschauer zu verstärken. In und um Lublin gab es verschiedene Arbeitslager. Vielleicht 100.000 Juden existierten noch im