Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich habe seit dem Anfang der Corona-Pandemie grundsätzlich ein größeres Verständnis für schwache Leistungen unserer Politiker. Jahrelang war ich persönlich sehr gefrustet über die politischen Verhältnisse in Deutschland, fühlte mich auf den verschiedenen Ebenen eher schlecht als recht regiert. In mir machte sich in diesem Zusammenhang viel Frust breit. Seit dem Beginn der Pandemie ist das anders. Plötzlich befanden wir uns in einer Situation, in der wir zu unseren Lebzeiten noch nie waren. Dass da guter Rat zunächst teuer war, viele Fehler gemacht wurden, das fand ich in dieser Phase normal. Dementsprechend groß war plötzlich meine Toleranz in Richtung der Politik. Egal ob Markus Söder, Armin Laschet, oder auch Jens Spahn, alle suchten den ihrer Meinung nach richtigen Weg durch diese herausfordernde Zeit.
Als sich der Würgegriff des Corona-Virus dann endlich scheinbar endlich etwas lockerte, kam plötzlich auch noch die Ukraine-Krise hinzu. Der Überfall Russlands auf seinen Nachbarn stellte die führenden Politiker auch hier bei uns ebenfalls vor immense, so selten bzw. noch nie erlebte Herausforderungen. In Bezug auf den Krieg hatte ich erst einmal Verständnis für bedachtes (von manchen als zögerlich kritisiertes) Vorgehen unserer Spitzenpolitiker. Auch in diesem Fall hätte ich im Detail sicherlich vieles anders gemacht. Aber das sagt sich eben leicht, wenn man selber keine Verantwortung trägt.
Vor diesem Hintergrund nervt mich aktuell das Verhalten des ehemaligen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU).
Zur Erinnerung: Der CDU-Politiker Jens Spahn war in seiner Zeit als Gesundheitsminister eine der meistkritisierten Personen in diesem Land. Schier unzählige Pannen und Skandale pflasterten seinen Weg durch die Corona-Pandemie. Ich nahm Spahn trotz allem immer noch in Schutz. Auch hier im Blog. Wie eingangs erwähnt, hielt ich die Herausforderungen durch das Virus damals schon für so groß, die entstandene Unsicherheit und Unruhe für immens, dass Fehler kaum zu vermeiden waren. Die Politik kämpfte unübersehbar, erwischte dabei nicht immer den richtigen Weg. Die Zeiten waren halt extrem. Dafür habe ich auch einem Jens Spahn, obwohl ich ansonsten seiner Partei und der von ihr vertretenen politischen Richtung eher weniger Sympathie entgegenbrachte, meinen Respekt gezollt. Grundsätzlich, so fand ich damals immer, sind wir trotz aller berechtigten Kritikpunkte an seiner Arbeit hier in Deutschland eigentlich ganz gut durch die erste Phase der Pandemie gekommen.
Als die CDU nach der Bundestagswahl im Herbst 2021 dann die Regierungsverantwortung verlor, verschwand auch Spahn erst einmal aus dem Blickfeld der breiten Öffentlichkeit. Logisch, dass er sich nach kräftezehrenden Monaten erst einmal erholen musste, dachte ich. Jetzt steht Spahn nach knapp einem Jahr des Rückzugs plötzlich wieder vermehrt im Blickpunkt. Immer wieder fällt er mit teils harscher Kritik an der ‚Ampel‘-Regierung auf. Grundsätzlich ist das verständlich, schließlich ist Spahn erst Anfang 40 und will seine politische Karriere garantiert auch in den kommenden Jahren noch an prominenter Stelle fortsetzen. Dazu muss er medial präsent bleiben, sich innerhalb der Opposition sichtbar positionieren. Sollten CDU und CSU in Zukunft in Berlin wieder einmal Verantwortung übernehmen können/dürfen/müssen, will der ehemalige Minister garantiert wieder an der Spitze seiner Partei mitmischen.
Was mich jedoch sehr stört, dass ist die extreme Besserwisserei mit der Spahn in diesen Tagen immer wieder auffällt. Plötzlich weiß er quasi alles besser als der amtierende SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Dabei hatte Spahn uns allen doch unlängst über Monate hinweg gezeigt, dass er eben auch keinen goldenen Ausweg aus der Pandemie wusste. Er war es selber sogar, der in seiner Zeit in der Verantwortung mit unzähligen Pannen unangenehm auffiel. So sehr, dass auch er seinen Anteil daran gehabt haben dürfte, dass die Ära Angela Merkel am Ende mit einer krachenden Wahlniederlage endete.
Doch Spahn beschränkt sich aktuell nicht etwa auf Kritik an der aktuellen Gesundheitspolitik. Ganz im Gegenteil! Spahn lehnt sich in vielen Politikfeldern derzeit sehr weit aus dem Fenster, kritisierte die Ampel fast in allen Bereichen. Ich empfinde das in dieser Massivität als sehr unpassend. Wer selber in Verantwortung nicht überzeugen konnte, der sollte den ‚Besserwisser-Modus‘ erst einmal vermeiden. Daran ändert auch die selbst verordnete mehrmonatige Auszeit nach der verlorenen Bundestagswahl nichts. Etwas mehr Demut wäre hier wünschenswert. Schließlich müsste Spahn selber es doch mit am besten wissen, wie kompliziert die aktuelle Lage ist. Jetzt so zu tun als wüsste er plötzlich alles besser, setzt mir zu offenkundig auf auf die Hoffnung eines völligen Gedächtnisverlusts bei den Wählern….
Er ist halt Spahnsinnig:-)
[…] ob es Vertreter der CDU/CSU in Berlin sind, die wie Friedrich Merz und Jens Spahn in diesen Tagen die großen Besserwisser rauskehren, obwohl sie und ihre Partei mit Kanzlerin Angela Merkel ja in den vergangenen 16 Jahren erst […]