Die CDU-Ruhr will, dass künftig vor allem die wirtschaftlichsten Verkehrsmaßnahmen gefördert werden. Setzt sie sich durch, könnte sich die Verkehrspolitik in Deutschland grundlegend ändern – zum Vorteil NRWs.
Wenn der Antrag des CDU-Bezirksverbandes Ruhr auf dem Bundesparteitag der Union am ersten Dezemberwochenende in Hannover eine Mehrheit findet, wird vielleicht schon bald nichts mehr in der Verkehrspolitik so sein, wie es über Jahrzehnte war. Der Text des Ergänzungsantrag klingt schlicht, birgt aber Sprengstoff: „Für jede Maßnahme des Bundesverkehrswegeplans wird ein Kosten-/Nutzen-Quotient ermittelt. Die Priorisierung der Maßnahmen erfolgt aufgrund dieser Wirtschaftlichkeitsberechnung.“
Bislang werden die Mittel nach dem Königsteiner-Schlüssel verteilt und der ist älter als die Bundesrepublik: Auf ihn einigten sich die Länder zwei Monaten vor ihrer Gründung im März 1949. Ursprünglich zur Verteilung von Forschungsgeldern gedacht, steht er heute für das Gieskannenprinzip auch in der Verkehrspolitik: Der Bund verteilt die Mittel, die er für die Umsetzung des Verkehrswegeplans bereitstellt auf die Länder und die bestimmen welche Projekte in welcher Reihenfolge umgesetzt werden. Jeder bekommt seinen Anteil, unabhängig von der Bedeutung der einzelnen Projekte. Das will die CDU-Ruhr mit ihrem Antrag ändern und das hätte weitreichende Folgen für den Verkehrsausbau in den Bundesländern: Vor allem die Transitländer mit einem hohen Verkehrsaufkommen wie Nordrhein-Westfalen, Hessen oder Niedersachsen würden von einer Regelung, welche die Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen zum Maßstab macht profitieren: Hier, wo die Belastung der Autobahnen, Bundesstraßen und Schienennetze am höchsten ist, ließen sich mit den Steuermilliarden am schnellsten spürbare Fortschritte erzielen. Weniger Geld als bislang dürfte hingegen in den Osten, ins Saarland und nach Bayern fließen. Für Oliver Wittke, den Chef der Ruhrgebiets CDU kein Problem: „Auch eine Spedition im Saarland oder in Franken profitiert davon, wenn es auf den Autobahnen in Hessen und NRW weniger Staus gibt oder die Häfen in Rotterdam und Antwerpen endlich besser an das deutsche Schienenetz angebunden sind.“
Wittke geht es um eine wirtschaftlich sinnvolle Verteilung der knappen Mittel: „Das Grundgerüst der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland steht. Der Aufbau Ost hat dafür gesorgt, dass auch die neuen Bundesländer heute eine wettbewerbsfähige Infrastruktur haben. Nun kommt es darauf an, die Lücken zu schließen und die vorhandenen Straßen- und Schienennetze dem wirtschaftlichen Bedarf entsprechend auszubauen.“
Im Umfeld der Landesregierung stoßen Wittkes Pläne auf Unterstützung. Auch aus Hessen und Niedersachsen haben ihm Parteifreunde Zustimmung signalisiert. Fraglich ist hingegen, ob sich der Osten und vor allem Bayern den Abzug von Milliardeninvestitionen gefallen lassen werden. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer war vier Jahre lang Vorsitzender des CSU-Landesgruppe in der CDU/CSU Fraktion und machte nie einen Hehl daraus, was ihm besonders am Herzen liegt: Bayern und das Klavierspiel.
Dieser Artikel erschien in ähnlicher Form bereits in der Welt am Sonntag.
„Für jede Maßnahme des Bundesverkehrswegeplans wird ein Kosten-/Nutzen-Quotient ermittelt. Die Priorisierung der Maßnahmen erfolgt aufgrund dieser Wirtschaftlichkeitsberechnung.“
Ersteres ist ja bereits der Fall. Bislang allerdings scheint die Priorisierung nach dem erfolgreichsten Lobbying für die einzelnen Projekte vorgenommen zu werden. MdBs und MdLs entwickeln einen für ihre Zunft eher unbekannten Eifer, wenn es darum geht, die Planungen für eine Ortsumgehung oder den 3. BAB-Streifen zu „pimpen“.
Schließlich lässt man sich immer wieder gerne beim Durchschnippeln des Flatterbandes knipsen – kommt besser als neben einem maroden Schulgebäude.
Fazit: Bleibt alles wie es war.
Die geforderten Verkehrsmassnahmen der Ruhr CDU klingen sehr verlockend und vor allem vernünftig.
Das Problem sehe ich eher in den Politikern, die diese Vorschläge ihren Parteikollegen vermitteln. Klar, der NRW-Landesverband ist die Mitgliederstärkste Gruppe innerhalb der CDU und die Ruhr-CDU bildet einen nicht unerheblichen Teil dieser Gruppe. Aber wie ernst werden deren Köpfe bei den Konservativen in Deutschland noch genommen? Ihren Spitzenkandidat Norbert Röttgen hatte man nach der Wahlschlappe ohne mit der Wimper zu zucken fallen gelassen, obwohl er Vorsitzender des größten Landesverbandes war und darüber hinaus sogar als „Muttis Liebster und Klügster“ galt. Verantwortlich für den Sturz des einstigen NRW-Hoffnungsträgers war zum Großteil die CSU, die mit Peter Ramsauer den Bundesverkehrsminister stellt. Darüber hinaus machen die Bayern auch keinen Hehl daraus, dass in ihren Augen das Geld in NRW eh zum Fenster hinaus geworfen wird. Beobachten kann man dies unter anderen an der Diskussion um den Länderfinanzausgleich. Die CSU sträubt sich schon seit Längerem mit Händen und Füßen dagegen, dass Geld aus Geberländern wie Bayern in ein Nehmerland wie NRW transferiert wird, um dort die Schuldenpolitik zu finanzieren. Durch die Neuwahlen im Frühjahr ist die rotgrüne Landesregierung mit ihrer Haushaltsführung auf Pump bestätigt und für die nächsten Jahre gefestigt worden. Dementsprechend hat sich auch der Widerstand aus Bayern erhöht, denn genauso wie man in NRW mit kostspieligen Geschenken bei den Wähler punkten kann, lassen sich in anderen Bundesländern mit einem ernsthaften Willen zum Sparen Wahlen gewinnen.
Aber kommen wir wieder zurück zur Ruhr-CDU und deren Verkehrsplänen für die Bundesrepublik. Ich glaube nicht daran, dass sich die Camarilla um Olliver Wittke mit ihren Vorstellungen durchsetzen kann. Zumindest dürfte sie mit ordentlich Gegenwind aus Süddeutschland rechnen. Wittke mag als Ex-Verkehrsminister Ahnung von der Materie haben, aber wer glaubt, dass nur Röttgen das Wahldesaster im Frühjahr zu verantworten hatte, der ist auf dem Holzweg, oder besser gesagt: auf der Holzautobahn. Die CDU mag die größte Gruppierung sein aber sie hampelt in NRW irgendwo bei 20 bis 25%, die Ruhr-CDU eher bei 20% oder darunter. Ergebnisse die Konservative in anderen Bundesländern abschrecken und zumindest in Bayern gilt es, im nächsten Jahr die Lantagswahl zu gewinnen.
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