Von Mario Thurnes
Cleveland hat Headcoach Hue Jackson gefeuert. Es ist die erste Trainerentlassung der laufenden NFL-Saison. Dabei hat Jackson in dieser Saison doppelt so viele Siege geholt wie in den beiden Spielzeiten zuvor. Angesichts des Chaos in Cleveland macht sich in der Liga das geflügelte Wort breit: „Die Browns machen Browns-Dinge.“
Den Problemen der Browns konnten die Football-Fans in diesem Sommer zuschauen. Das Reality-Format „Hard Knocks“ berichtete ausführlich über ihre Saison-Vorbereitung. Zu sehen war da auch, dass die Chemie zwischen Coach Jackson und seinem Offensivtrainer Todd Haley nicht stimmte. Immer wieder keiften die beiden wie ein lang verheiratetes Ehepaar.
Nun haben der Besitzer Jimmy Haslam und Teammanager John Dorsey beide entlassen. In ihrer offiziellen Erklärung sprachen sie davon, dass sie in einer „kritischen Phase“ gehandelt hätten, um die Möglichkeiten für die Restsaison zu optimieren.
Dass Haslam und Dorsey reagieren, verwundert nicht: Jacksons Zahlen sind verheerend. In zweieinhalb Jahren gewann er mit den Browns drei Ligaspiele und holte ein Unentschieden – dem stehen 36 Niederlagen gegenüber.
Verwunderlich ist der Zeitpunkt: Mit zwei Siegen, einem Unentschieden und zwei knappen Niederlagen, eine davon in der Nachspielzeit, waren die Browns gar nicht so schlecht gestartet. Vor allem vor dem Hintergrund, dass sie zwei Spielzeiten mit insgesamt nur einem Sieg absolviert hatten.
Doch zuletzt muss die Situation zwischen Jackson und Haley eskaliert sein, wie einige NFL-Reporter berichten. Und die Browns haben auch wieder wie die Browns gespielt: Beim 18:33 in Pittsburgh waren sie früh chancenlos. Der letzte Touchdown der Browns fällt unter die Rubrik „Shit-Yards“. Gemeint sind damit Werte, die noch in die Statistik einfließen, aber nur zustande gekommen sind, weil das andere Team in der Erwartung des sicheren Sieges wichtige Spieler schont und einige Gänge runterfährt.
Die Fanseite Bleacherreport.com sieht als Grund für die Entlassung, dass Jackson nicht daran interessiert gewesen sei, Spieler zu entwickeln. Das gelte vor allem für seinen jungen Quarterback Baker Mayfield. An dem Vorwurf ist etwas dran.
Denn gerade weil die Browns in den letzten Jahren so erfolglos waren, verfügen sie über eine Reihe hoffnungsvoller Talente. Das kommt durch das Draft-System: Der Nachwuchs kommt aus den Colleges in die NFL. Verteilt werden diese beim Draft. Das jeweils schlechteste Team der Vorsaison hat den ersten Zugriff auf die Spieler, der Sieger des Super Bowls den letzten. Die Browns konnten folglich reichlich Talente sammeln. Umso mehr brauchen sie einen Cheftrainer, der diese weiterentwickeln will.
Ein Blick auf die Statistik zeigt, dass die Browns in der Offensive tatsächlich fragwürdige Entscheidungen getroffen haben. So verfügen sie mit Nick Chubb über einen Runningback, der beachtliche 318 Yards erlaufen hat. Das ist zwar nur der 30. beste Wert in der NFL. Aber Chubb hat das Ei auch nur 52 mal in die Hand gedrückt bekommen. Zum Vergleich: Der zurzeit erfolgreichste Runningback der Liga, Todd Gurley von den LA Rams, kommt in ebenfalls acht Partien auf 169 Versuche. Dabei hat er 800 Yards erlaufen.
Baker Mayfield kommt auf 1471 erworfene Yards. Das ist der 26. beste Wert der Liga. Von 223 Pässen brachte er 130 an, das entspricht einer Quote von 58,3 Prozent. Gute Quarterbacks kommen auf über 60 Prozent, Drew Brees von den New Orleans Sainsts auf 77,4 Prozent. Bei acht Touchdowns kommt Mayfield auf 10 Ballverluste. Zu Boden geworfen wurde er 20 mal, das ist der zehnhöchste Wert der Liga.
Mayfields Spiel zeigt, dass er Talent hat. Seine Statistiken zeigen, dass er noch schwache Werte hat. Das ist für einen Quarterback in seinem Anfängerjahr auch durchaus verständlich. Carson Wentz hatte in seinem ersten Jahr für die Philadelphia Eagles auch nur durchschnittliche Werte. Im zweiten Jahr hatte er an Sicherheit gewonnen, die passende O-Line um sich rum und konnte die Eagles als erfolgreichstes Team durch die reguläre Saison führen. Bis zu seinem Kreuzbandriss war er Anwärter auf den Titel wertvollster Spieler der Saison.
„Wir haben noch eine Menge an Football, die in dieser Saison zu spielen ist“, sagte Browns-Teammanger Dorsey bei der Entlassung Jacksons. Es gelte aber die vielen talentierten Spieler zu fördern. Der Blick geht also eher in die Saison 2019.
Aktuell wird Defensivtrainer Greg Williams das Team in Personalunion leiten. Ihm zur Seite steht Freddie Kitchens, der den Posten des Offensivtrainers übernimmt. Das ist zum einen ein Fingerzeig, dass künftig mehr gelaufen statt geworfen wird. Zum anderen hoffen die Browns drauf, eine schlagkräftige Truppe zu formen. Das sollte angesichts der vielen talentierten Spieler auch möglich sein – es sei denn, die Browns machen Browns-Dinge.