Intendanten öffentlich-rechtlicher Sender werden traditionell im Hinterzimmer ausgekungelt. Qualifikation? Stört nicht, muss aber nicht sein, wenn das Parteibuch stimmt. Mit dem FAZ-Mann Claudius Seidl gibt es nun einen Gegenkandidaten zu Thomas Bellut. Und man kann Seidl via Facebook unterstützen.
In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) vom vergangenem Wochenende gab FAS-Feuilleton-Chef Claudius Seidl seine Bewerbung um den Posten des ZDF-Intendanten bekannt. Das ZDF scheint kein großes Interesse an der Bewerbung zu haben – Seidl wurde, nachdem er um Informationen bat, noch nicht einmal zurückgerufen.
Was er im, eher unwahrscheinlichen, Fall seiner Wahl tun wird finde ich als Gebührenzahler gut:
Wir sparen uns das unverbindliche Geschwafel über Qualität und Geschmack, weil beides keine messbaren Größen sind. Wir durchforsten stattdessen das ganze Programm – und alles, was es auch umsonst gäbe, also ohne Gebührenzwang bei den kommerziellen Sendern, all das fliegt raus: die Champions League, der zeitgeschichtliche Zweiteiler mit Veronica Ferres (Bettina Zimmermann, Christine Neubauer), die Nachmittagssoaps, die Kochshows, die Arztserien, die sogenannten TV-Movies, Rosamunde Pilcher, Inga Lindström. Und natürlich die Guido-Knopp-Dokumentationen, obwohl es so etwas nirgendwo sonst gibt. Zum Glück.Plötzlich wird Platz sein im Programm, Platz für die wunderbaren Sachen,welche das ZDF bislang in seine Neben-, Sparten- und Digitalkanäle verbannt hat, Platz für „Mad Men“ und „Xanadu“, für „Breaking Bad“ und den Spielfilm, der nicht schon auf drei anderen Sendern gelaufen ist.Die Nebenkanäle werden abgeschaltet, die Gebühren deutlich gesenkt, das Publikum unter siebzig wird uns lieben.
Also: Mit nur einem Klick auf Facebook kann man sich für ein besseres Fernsehen einsetzen. Und für mehr Transparenz bei der Vergabe von Posten im öffentlich-rechtlichen System.
Ich werde Claudius Seidls „Kandidatur“ ganz gewiss nicht unterstützen. Sicher, man mag fragen, warum öffentlich-rechtliche Sender Riesenbeträge für Profifußball ausgeben. Konsequenterweise wäre dann auch die FIFA-WM aus den Öffentlichen zu verbannen. Man muss auch die Guido-Knopp-Dokumentationen nicht gut finden, usw. usf.
Doch was Seidl hier vorschlägt, ist keine Reform oder dringend gebotene Modernisierung des ZDF, sondern seine Transformation zu einem Spartenkanal. Im Grunde: die Zerschlagung des ZDF. Ja, das wäre für den Gebührenzahler billiger. Klar. Und das der Frankfurter Allgemeinen das so eben passen würde, ist auch klar.
Verblödung allerorten. Und für die klugen Köpfe gibt es dann ja noch diese stockkonservative stinklangweilige Zeitung. Nein Danke! Dann lieber ZDF …
@Werner: ich reicht wenn die FIFA WM öffentlich zu sehen ist. Das kann auch auf RTL oder Sat1 sein. Die Gebührensender sollten Lücken füllen und nicht die Gebührendgelder im Wettbewerb mit RTL und SAT verpulvern. Ich will lieber guten Journalismus, gute Serien etc. als abgekupferte Privatshows.
@ Stefan: Lückenfüller = Randgruppenkanäle = Zerschlagung der Öffentlichen
@Werner: Warum soll ich die zigste Quizshow mit Gebühren finanzieren, die genauso blöd ist wie auf VOX?
@ Stefan:
Wenn es um Kritik an den Öffentlichen geht, bin ich sofort dabei. ARD und ZDF sind es selbst schuld, wenn Seidl mit so etwas kommen kann (und bei den Ruhrbaronen Anklang findet), was letztlich auf die Auflösung des ZDF hinausliefe. Oder wenn Stoiber vor Jahren offen die Abschaffung der ARD fordern konnte, ohne verbrannt zu sein.
Richtig: wenn ARD und ZDF den gleichen Scheiß bringen wie RTL und Pro7/Sat1, dann entfällt die Legitimation für Zwangsbeiträge. Das Grundproblem bestand und besteht darin, dass die schwerfälligen Parteibuchbürokratien auf die private Herausforderung mit dem Versuch des Kopierens reagiert hatten (und reagieren), anstatt offensiv ihre Freiheit (nämlich auch mal versemmeln zu können) zu nutzen, Riskantes auszuprobieren.
Ja sicher, die hirnlosen Quizshows inkl. Direktkopie von „Wer wird Millionär?“, Jörg Pilawa und Markus Lanz, die Arztserien, … – immer die angeblich sichere Nummer, so liebt es der parteigebundene Karrierebeamte. Diese offenkundigen Mängel jetzt aber dazu zu nutzen, die Öffentlichen zerschlagen zu wollen – darauf läuft die FAZ-„Initiative“ ja letztlich hinaus, heißt all das definitiv aufzugeben, was wünschbar und vorstellbar wäre.
Und was ist mit den „Aktivposten“? Dem Tatort, den Tagesthemen und dem heute journal? Stattdessen RTL-Krimiabende vom US-Ramschtisch und RTL-Actionnews? Das deutsche Fernsehen ist (immer noch) das Beste der Welt. Muss ja auch einmal gesagt werden. Und das liegt schon an der (immer noch) starken Rolle von ARD und ZDF.
Der Seidl hat Recht. Warum soll der Staat was machen, was andere auch und besser machen, siehe Raab.
Dir ör fressen nur unser Geld und produzieren zu viel
Mist.
Wenn die sich auf das konzentrieren, was die privaten nicht machen, reicht das.
[…] Claudius Seidls Bewerbung zum ZDF-Intendanten auf Facebook unterstützen! (Ruhrbarone) – […]
Ich erinnere mal daran, dass Seidl neben Bahners und anderen zu den Publizisten gehört, die am vehementesten gegen Islamkritik polemisieren. Unvergessen seine Ausfälle gegen Necla Kelek, Henryk Broder und Ayaan Hirsi Ali.
Brauchen wir noch mehr Schönfärber im ÖR?
Zumindest brauchen wir nicht mehr Kochshows im ÖR. Das es in Debatten immer verschiedene Positionen gibt ist die Grundlage von Debatten. Und als jemand, der Polemik zu schätzen weiß, gestehe ich sie natürlich auch Menschen zu, die eine andere Ansichten haben.
@Stefan, das stimmt schon, aber Kochshows oder Soaps halte ich für weniger gesellschaftlich gefährlich, als wenn ideologisch färbende Journalisten im ÖR meinungsbildend tätig werden. Warnendes Beispiel sind Frau Jochimsen und
aktuell Herr Frings vom WDR:
https://www.radioszene.de/24086/wie-antisemitisch-ist-der-wdr.html
https://www.radioszene.de/24267/antisemitismus-vorwurf-wdr-reagiert-teils-verdruckst-teils-chaotisch.html
Und wer sagt denn, dass Seidl sein Versprechen einlöst? Schließlich muss er Einnahmen generieren, und da schrecken ARTE-Themen im Nachmittagsprogram m eher ab. Die Struktur/Programm des ÖR ist sicher nicht mit einem Intendantenwechsel zu ändern.
Wie gesagt: In Debatten muss es verschiedene Auffassungen geben. Hätte Seidl Deine Auffassungen, würdest Du sicher kein Problem sehen 🙂 . Und die Kandidatur ist doch eher eine Demonstration und ein Debattenbeitrag zum Thema ÖR. Und seine Ideen zum ÖR finde ich gut.