CO₂-Abgabe: Mieter können sich ihre Heizung nicht aussuchen

Veronika Grimm Foto: Sachverständigenrat Wirtschaft Lizenz: Copyright


Eine Expertenkommission beurteilt regelmäßig die Fortschritte Deutschlands bei der Umsetzung der Energiewende. Nun veröffentlichte die Kommission ein Statusupdate.

Andreas Löschel, Professor an der Ruhr-Universität Bochum, ist der Vorsitzende der Expertenkommission zum Energiewende-Monitoring, die neben ihm aus der Professorin und Wirtschaftsweisen Veronika Grimm, Felix Matthes und Anke Weidlich besteht. Nun legte die Kommission, kein Jahr nach der Veröffentlichung ihres letzten Berichts, ein Statusupdate vor.

„In den letzten Monaten hat sich die Situation bei Netzen, Energiekosten und Treibhausgasemissionen leicht verbessert. Es gab aber auch Verschlechterungen, die weitere Anstrengungen erforderlich machen, um bei der Energiewende Kurs zu halten“, fasst der Kommissionsvorsitzende Prof. Dr. Andreas Löschel zusammen. „Insbesondere die fehlende Marktintegration der erneuerbaren Energien, die Verzögerungen beim dringend notwendigen Zubau steuerbarer Kraftwerke und der stockende Hochlauf im Bereich des Wasserstoffs haben die Situation verschlechtert. Die Schaffung der passenden Rahmenbedingungen für die Energiewende ist unverändert zu leisten.“

Uneingeschränkt gute Noten geben die Experten der Energiewende nur in einem Bereich: Der Ausbau der Stromversorgung aus erneuerbaren Energien geht ihrer Ansicht nach gut voran. Der Anteil der Erneuerbaren am gesamten Energieverbrauch – Strom macht hier nur gut 20 Prozent aus – sei jedoch immer noch zu gering. Zudem stocke der Hochlauf beim Wasserstoff. Der grüne Wasserstoff, der „Champagner der Energiewende“, ist so teuer, dass seine Wirtschaftlichkeit infrage gestellt wird. Thyssenkrupps Begeisterung über den mit bislang zwei Milliarden Euro subventionierten Wasserstoff-Hochofen am Standort Duisburg ist längst erkaltet, für Eon hat Wasserstoff schon im vergangenen Jahr an Bedeutung verloren, und auch RWE hat sein Engagement teilweise reduziert.

Auch der Ausbau der dringend benötigten Gaskraftwerke, die – immer wenn Wind und Sonne zu wenig Strom liefern – die Versorgung sicherstellen sollen, geht nach Ansicht der Experten viel zu langsam voran. Felix Matthes sagt: „Der Bau neuer, flexibel einsetzbarer Gaskraftwerke ist für die Energiewende essenziell, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Dafür ist ein Neustart der Kraftwerksstrategie erforderlich. Dabei sollten die regulatorischen Rahmenbedingungen, zum Beispiel für die Nutzung von Wasserstoff, weniger restriktiv ausgestaltet werden.“

Das Gas, mit dem sie betrieben werden sollen, käme zudem aus zu wenigen Quellen, mahnt die Kommission. Die Frage, ob ein Hochfahren der inländischen Gasproduktion – im Norden Nordrhein-Westfalens und Niedersachsens gibt es große, noch unerschlossene Gasvorkommen – sinnvoll wäre, mochte man allerdings nicht beantworten.

Die Energiekosten würden zwar sinken, aber die Preise seien im internationalen Vergleich immer noch zu hoch. Und das habe Folgen: Die Energiewende sei sozial unausgewogen. Eine Mehrheit unterstütze ihre Ziele, kritisiere aber die Umsetzung.

Die wirtschaftliche Lage Deutschlands ist schlecht, und das ist auch der Kommission klar. Neben den sozialen Fragen würden Wettbewerbs- und Standortfragen für die Industrie eine immer größere Rolle spielen, stellt sie in ihrem Update fest. Dies betreffe die kommenden Jahre, in denen die energiewirtschaftlichen und strukturellen Anpassungsprozesse an die veränderte geopolitische Lage eine wichtige Rolle spielen werden: „Fragen der zukünftigen Industriestrukturen sowie die Möglichkeiten und Sinnhaftigkeit von entsprechenden Flankierungsmaßnahmen sollten – auch wegen der energiewirtschaftlichen und infrastrukturellen Implikationen – bei der strategischen Weiterentwicklung des Politikmixes für die Energiewende sorgfältig und transparent reflektiert werden.“

Gesetzt ist ab dem 1. Januar 2027 eine Erhöhung der CO₂-Abgabe auf 220 Euro pro Tonne, was den Liter Benzin an der Tankstelle auf einen Schlag 50 Cent teurer machen würde – aber auch die Kosten für das Heizen mit Gas und Erdöl in neue Höhen treiben könnte. Das Mercator Research Institute, Teil des bunten Straußes der von der Mercator-Stiftung geförderten Ökolobbyisten, hat die Kosten berechnet: Würden Emissionen nicht in großem Umfang durch andere Klimaschutzmaßnahmen wie Förderprogramme, Verbote oder Standards eingespart, käme auf eine vierköpfige Familie, die einen Verbrenner-PKW nutzt und mit Öl heizt, ohne Anpassungen in den nächsten 20 Jahren eine mittlere Belastung durch den CO₂-Preis von 31.000 bis 35.000 Euro zu. „Dadurch entstehen starke Anreize für emissionssenkende Verhaltensanpassungen und Investitionen in klimaneutrale Technologien.“ Ein zeitnaher Umstieg auf eine Wärmepumpe lohne sich in diesem Fall selbst bei einer hohen Restlebensdauer der Ölheizung. Entscheidend dafür sei eine glaubwürdige Umsetzung von mit den Klimazielen kompatiblen CO₂-Preisen, sodass Investitionsentscheidungen vor dem Hintergrund langfristig hoher CO₂-Preise getroffen werden. Dumm nur, wenn man als Mieter die Heizung nicht aussuchen kann, als Hausbesitzer die nötigen Investitionen nicht stemmen kann und kein Geld für ein teures Elektroauto hat: „Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass hohe CO₂-Preise für Haushaltsgruppen mit beschränktem Zugang zu emissionsneutralen Technologien eine enorme finanzielle Belastung darstellen.“

Doch für die Kommission ist der Emissionshandel nach wie vor der Königsweg: „In der kommenden Legislaturperiode besteht großer Handlungsbedarf darin, die Sektoren Gebäude und Verkehr zu dekarbonisieren und die Industrie auf Klimaneutralität auszurichten. Eine zentrale Strategie hierfür ist die Elektrifizierung“, unterstreicht Anke Weidlich. „Der Hochlauf von Elektrofahrzeugen, Wärmepumpen und elektrischen Industrieprozessen wird vor allem durch günstige Strompreise gefördert. Der Senkung der Strompreise in Verbindung mit einem starken CO₂-Emissionshandel sollte daher höchste Priorität eingeräumt werden.“

Doch die geforderte Elektrifizierung schreitet nicht in dem Maße voran, wie Weidlich es für nötig hält. Für Veronika Grimm ist das allerdings auch eine Chance: Der zügige Ausbau der Energieinfrastrukturen sei eine zentrale Voraussetzung für die Energiewende. Doch neben einer stärker integrierten Planung müssten auch Einsparpotenziale stärker berücksichtigt werden. „Der Anstieg der Stromnachfrage bis zum Jahr 2030 könnte aufgrund aktueller Elektrifizierungstrends überschätzt sein“, sagte Grimm. „Durch eine entsprechende Anpassung der Investitionsentscheidungen könnte der Anstieg der Netznutzungsentgelte im Zeitverlauf reduziert werden.“ Die Kosten des Netzausbaus könnten zudem gesenkt werden, indem bei der Umsetzung von Gleichstromprojekten Freileitungen vorgesehen werden, statt wie bisher Erdkabeln den Vorrang einzuräumen.

Ob der Stromverbrauch nicht durch die steigende Nachfrage nach energieintensiven KI-Anwendungen steigen könnte, ließ die Kommission auch auf Nachfrage offen.

Der Text erschien bereits auf Capital Beat

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