Corona-Countdown: In neun Tagen sind wir Italien

Graphik 1: Corona in Europa: Wieviel Tage bis Italien? (Italien = 0); Quelle: Prof. Mark Handley, Twitter: @MarkJHandley

Ungläubig-gebannt blicken wir alle nach Italien: Ein Land, das sich selbst unter General-Quarantäne gestellt hat. Ein Land, in dem das öffentliche Leben komplett zum Stillstand gekommen ist. Ein Land, das fest eingefroren ist unter dem Eispanzer des Corona-Virus. Typisch südländische Schlamperei? Nicht vorstellbar, dass es bei uns so weit kommt? Doch, sehr wohl vorstellbar – und vor allem mathematisch vor-rechenbar. In neun Tagen werden auch wir Italien sein.

Vom 10. März 2020 gerechnet sind es nur noch neun Tage, dann werden auch wir mit großer Wahrscheinlichkeit das gleiche Ausmaß der Corona-Infektion wie in Italien erreicht haben. Professor Mark Handley von dem University College London rechnet uns das vor.

Täglich +33 % Infektionen

Dabei ist Handley kein Virologe, kein Humanmediziner, kein Biologe, sondern Informatiker. Er kennt sich nicht mit Viren aus, dafür aber mit Daten und deren mathematischen Interpretation. Er schaut sich öffentlich vorhandene Daten über die Infektionsentwicklung mit dem Sars-CoV-2-Virus in den einzelnen Ländern an und erkennt dabei ein Muster: Das Virus wächst überall mit der gleichen exponentiellen Wachstumsrate, nämlich um +33% gegenüber dem Vortag. Der einzige Unterschied zwischen den Ländern liegt darin, wann das Virus dort angefangen hat, sein Unwesen zu treiben.

„Everyone will be Italy in 9 – 14 days time.“

Handleys Fazit: Deutschland, Frankreich, Spanien, England sind nur wenige Tage von den jetzigen Zahlen Italiens entfernt, vor denen uns allen graut: „Everyone will be Italy in 9 – 14 days time.“

Dies veranschaulicht die Graphik 1, die Professor Handley erstellt hat. Auf der Y-Achse sehen wir die Anzahl der offiziell bestätigten Infektionen mit Sars-CoV-2. Um deren Wachstum besser vergleichbar zu machen, ist die Y-Achse logarithmisch zur Basis 10 skaliert.

Die X-Achse gibt die Tage an, welche die betrachteten Länder noch haben, bis sie den heutigen Stand Italiens erreichen. Der Wert 0 steht für den aktuellen Italien-Stand, also für die bis zum 10. März gemeldeten Fälle. Das sind rund 10.000 Menschen. Die Minus-Werte auf der X-Achse geben die Anzahl der Tage an, die die einzelnen Länder der italienischen Entwicklung hinterher hinken.

Deutschland hinkt Italien neun Tage hinterher

Beispiel Deutschland: Am 10. März gibt es bei uns rund 1.100 Infizierte. Damit sind wir da, wo Italien vor neun Tagen war, also am 1. März. Auf der X-Achse ist dies am Wert -9 abzulesen. Anders ausgedrückt: Bei gleicher Infektionsrate haben wir nur noch neun Tage bis wir da sind, wo Italien heute ist: nämlich bei 10.000 Infizierten.

Frankreich hat hingegen noch acht Tage, Spanien auch neun wie wir, Großbritannien und die Schweiz 13 und die Niederlande noch 14 Tage.

Bemerkenswert ist, dass alle diese Länder dem Muster der Epidemie-Entwicklung in Italien fast haargenau folgen, nur halt zeitversetzt. Die Kurven der einzelnen Länder liegen so nah beieinander, dass kaum Unterschiede auszumachen sind. Italien hat es einfach nur früher getroffen.

Streßtest steht erst noch bevor

Deswegen kann man mit einer großen Eintrittswahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass wir alle in wenigen Tagen italienische Verhältnisse bekommen – zumindest was die Größenordnung der Infektionen betrifft. Ob dies so auch auf die Todesraten und die Behandlungsmöglichkeiten der Kranken zutrifft, ist noch offen. Der Stresstest steht unseren Krankenhäusern und unseren Gesundheitsämtern erst noch bevor.

Ebenso offen ist, ob wir in Deutschland zu ähnlich drastischen Mitteln werden greifen müssen wie in Italien. Dort sind nicht nur alle Konferenzen, Konzerte und Fußballspiele verboten, sondern seit gestern sind auch alle Geschäfte zwangsgeschlossen – bis auf Apotheken und Supermärkte. Die Italiener haben wahrscheinlich das Pech gehabt, das Virus früher bekommen und zu spät verstanden zu haben, wie extrem ansteckend es ist.

Graphik 2: Corona international: Wieviel Tage bis Italien? (Italien = 0); Quelle: Prof. Mark Handley, Twitter: @MarkJHandley

Wie geht es weiter?

Handley vergleicht die europäischen Daten auch mit denen von drei außereuropäischen Ländern: China, Iran, Japan und Südkorea. Man sieht in der zweiten Graphik, dass China und Südkorea der Entwicklung in Italien vorweg laufen. So verzeichnen sie am aktuellen Rand deutlich abflachende Wachstumsraten der Neuinfektionen. Südkorea ist 2,5 Tage weiter als Italien. Die dort getroffenen Maßnahmen scheinen zu greifen. Dies lässt auch für Deutschland und die anderen Europäer hoffen.

Fazit

Professor Handleys Daten-Analyse zeigt, dass wir nicht besser dastehen als die Italiener was die epidemische Verbreitung des Corona-Virus betrifft. Wir hängen den Italienern nur rund neun Tage hinterher. Ob wir klüger als sie darauf reagieren, haben wir erst noch zu beweisen.

 

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Werntreu Golmeran
Werntreu Golmeran
4 Jahre zuvor

Ich hatte auf die Problematik hier schon hingewiesen:

https://www.ruhrbarone.de/corona-und-bundesliga-hoffen-wir-dass-moenchengladbach-richtig-entschieden-hat/179771#comment-1212462

Da herrschte im Journalismus noch die Panik vor der Panik und jedem, der versuchte das Risiko anhand logisch rationaler Argumente einzuschätzen, wurde von Menschen mit offensichtlicher Dyskalkulie Panikmache vorgeworfen.

Ich habe leider nicht die Zeit und das umsassende Werkzeug, um eine wissenschaftlich fundierte Einschätzung zu leisten. Nach meinem vor allem nach dem Fermi-Prinzip erstellte Prognose liegt derzeit noch unter der Prognose von Prof. Hanley. Dabei srütze ich mich vor allem auf die verlässlichsten Zahlen, bei denen die Dunkelziffer am geringsten sein dürfte, den Todesfällen. Wenn man die Zahlen von Italien auf Deutschland überträgt, haben wir derzeit einen Rückstand von ca. 14 Tagen. Tatsächlich könnten es aus mehreren Gründen auch ein paar Tage mehr sein. Aber wenn jetzt zu wenig getan wird, könnte auch Prof. Hanleys Prognose Wahrheit werden.

Es sollten daher die Osterferien vorgezogen werden und alle Amateur Spiele abgesagt werden. Spätestens in 2 Wochen müssen die Saisons sowieso abgebrochen werden. Bis dahin wollen die Verantwortlichen den Virus aber offensichtlich soo gut wie möglich weiter verbreiten. Chapeau!

Armes Deutschland.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
4 Jahre zuvor

"Um deren Wachstum besser vergleichbar zu machen…" – Nein, um deren Wachstum grafisch so anzugleichen, als wäre es auf dieser Mini-Skala für alle europäischen Länder annähernd gleich. Ist auf diesen Trick die Welt nicht schon einmal beim sog. "world climate widget" des Bloggers Anthony Watts reingefallen? (https://scilogs.spektrum.de/klimalounge/die-populaerste-trickgrafik-der-klimaskeptiker-vahrenholt/)

Werntreu Golmeran
Werntreu Golmeran
4 Jahre zuvor

Das Robert Koch Institut aktualisiert seit drei Tagen die Fallzahlen für NRW nicht mehr!

Soll verhindert werden, NRW offiziell zum Risikogebiet erklären zu müssen?

Das wäre kriminell!

Franz Meier
Franz Meier
4 Jahre zuvor

@ Klaus Lohmann

dass du es wagst, nach deinen ewigen "ist doch nur eine Grippe"-Verharmlosungen hier weiter zu kommentieren …:

"Aus dem Coronavirus-Krisengebiet

„Tsunami, der uns überwältigt hat“ – der verzweifelte Bericht eines italienischen Arztes

Daniele Macchini arbeitet in einem Krankenhaus im norditalienischen Bergamo. Er richtet eine Warnung an seine Landsleute: Unterschätzt das Virus nicht.

(…)

„Einer nach dem anderen kommen die unglücklichen Armen in die Notaufnahme. Sie haben alles andere als die Komplikationen einer Grippe. Hören wir auf zu sagen, dass es eine schlimme Grippe ist“, schreibt Macchini.

(…)"

https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/aus-dem-coronavirus-krisengebiet-tsunami-der-uns-ueberwaeltigt-hat-der-verzweifelte-bericht-eines-italienischen-arztes/25629010.html

conligit
conligit
4 Jahre zuvor

Seid ihr sicher, dass man absolute Fallzahlen von China (1,2Mrd EW) mit Italien (60 Mio EW) miteinander vergleichen kann?

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
4 Jahre zuvor

@#3 Werntreu Golmeran: Die Meldungen der positiven Zahlen von wieder gesundeten Infizierten laufen nicht synchron zu den Gesamtzahlen (also Erkrankte plus bereits Gesundete) beim RKI auf. Laut NRW-Gesundheitsministerium wird gerade an einer verbesserten Synchronisation mit Bund und RKI gearbeitet (https://www.radiorur.de/artikel/die-verwirrung-bei-den-corona-fallzahlen-fuer-nrw-533212.html).

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
4 Jahre zuvor

@#5 conligit: Mit dem "richtigen" Logarithmus bekommen Informatiker alles flach und passend verglichen:
https://www.amazon.de/So-l%C3%BCgt-man-mit-Statistik/dp/3593504596

thommy
thommy
4 Jahre zuvor

ad 6 Lohmann

Nun-Baden-Würrtemberg hat heute zwischenzeitlich n der Tat in der Statistik einen Infizierten weniger-dafür aber einen Töten. Hier wurde die Statistik synchronisiert

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[…] den, bekannten, negativen Eigenschaften des aktuell grassierenden Coronavirus und der Gesundheitsgefahr, die von der derzeitigen Pandemie […]

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