Italien greift gegen SARS-CoV-2 so hart durch wie kein anderes westliches Land. Europas Stiefel steht still. Der Lockdown ist allumfassend. Die Straßen sind leergefegt, die Schulen und Unis dicht, die Geschäfte sind zu und alle Versammlungen sind verboten. Es gibt de facto kein öffentliches Leben mehr. Und nun: Die Radikalkur beginnt zu wirken. Corona wird langsam abgebremst.
Die neuesten Auswertungen des Londoner Informatik-Professors Mark Handley lassen für Italien einen leichten Silberstreif am Horizont erkennen. Noch ist die Situation sehr ernst, zweifelsohne. Aber die Hoffnung schimmert in den Daten.
Hoffnungsschimmer
Handley aktualisiert täglich seine Prognosen. Er wertet dafür die offiziellen Daten der jeweiligen nationalen Gesundheitsbehörden und der Weltgesundheitsorganisation WHO aus. Der letzte Datenstand ist vom gestrigen Freitag, den 13. März 2020.
Die Zahl der Neuinfektionen in Italien wuchs anfangs um erschreckende 35% pro Tag. Seit ein paar Tagen zeichnet sich jedoch eine zunächst leichte Trendumkehr ab. Da die verfügbaren Daten von Tag zu Tag zuverlässiger werden, ist das Bild nun stabiler geworden. Das tägliche Wachstum der Neuinfektionen hat sich auf 22% abgeschwächt.
Infektionen wachsen immer noch exponentiell
Das ist jedoch nach wie vor ein starkes, exponentielles Wachstum, da sollte man sich nicht vertun. Eine Entwarnung geben die Zahlen nicht her – aber sie zeigen einen Silberstreif am Horizont. Die harten Gegenmaßnahmen der italienischen Regierung beginnen allmählich zu wirken.
Graphik 1 ist die aktualisiert Fassung der hier vor zwei Tagen veröffentlichten Prognosen. Sie zeigt die Anzahl der bestätigten Infektionen auf der Y-Achse, skaliert auf dem Logarithmus zur Basis 10. Handley hat die logarithmische Darstellung gewählt, weil exponentielles Wachstum lineare Kurven ergibt. Diese machen den Vergleich zwischen Ländern einfacher. Es zeigt sich, dass alle hier betrachteten Länder zunächst ein sehr starkes Wachstum um 35% pro Tag aufweisen. Dies wird durch die obere gestrichelte Linie in schwarz dargestellt. Sie liegt sehr nah an den tatsächlichen Ist-Zahlen.
Italien: Infektions-Wachstum schwächt sich ab
Nun zeigt sich für Italien (lila Kurve) etwa ab dem 2. März ein leicht abgeschwächtes Wachstum ab. Die Trendlinie liegt nun bei 22% Zunahme pro Tag. Das zeigt die untere in schwarz gestrichelte Linie. Italien hat also seinen sehr hohen Wachstumstrend der Anfangsphase gebrochen. Aber 22% mehr Infizierte pro Tag sind immer noch sehr viel. Das Wachstum bleibt exponentiell, wenn auch auf einem niedrigeren Niveau.
Auf der X-Achse ist die Zeit abgebildet. Der Wert „0“ entspricht der Situation Italiens am 13. März. Die links davon angezeigten negativen Zahlen geben an, wie viele Tage die anderen Länder von der aktuellen Dimension der Infektion in Italien entfernt sind. So ist Deutschland nach wie vor 9 Tage hinter dem aktuellen Stand Italiens, die Niederlande 14 Tage.
Für Frankreich und Deutschland sieht Handley allerdings auch erste Anzeichen, dass beide Länder die 35%-Wachstumskurve langsam nach unten verlassen. Wir folgen also weiterhin dem italienischen Trend. Das gleiche Bild ergibt sich, wenn man die Zahl der Infizierten ins Verhältnis zur Einwohnerzahl setzt. Graphik 2 bildet auf der Y-Achse die Anzahl der Infizierten je Million Einwohner ab.
In Spanien sieht es weniger gut aus. Die Steigerungsrate liegt dort sogar leicht über 35%. Kein anderes Land hat ein anhaltendes tägliches Wachstum von mehr als 35% gezeigt. Dieser überdurchschnittliche Trend könnte auf vermehrte und verbesserte Infektionstests hindeuten und könnte daher nur vorübergehend sein.
Großbritannien, Niederlande und die Schweiz liegen immer noch sehr nah an dem generellen 35%-Trend. Hier zeichnet sich noch keine Trendumkehr ab.
Linear statt logarithmisch
Für diejenigen Leser, die statt der logarithmischen Darstellung eine lineare bevorzugen, stellt Graphik 3 die gleichen Werte bei einer linearen Y-Achse dar. Auch die Trends in den einzelnen Ländern bleiben gleich, sie sind nur nicht so gut zu sehen und zu vergleichen wie in der logarithmischen Darstellung.
Fortsetzung folgt: Professor Mark Handley aktualisiert seine Daten und Graphiken täglich.
Weiter Artikel zur Corona-Krise auf Ruhrbarone:
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Corona-Countdown: In neun Tagen sind wir Italien
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Corona: Seuchen sind Game-Changer
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SARS-CoV-2: Wie reagiert ein Krankenhaus?
http://nrg.cs.ucl.ac.uk/mjh/covid19
Wie unsinnig diese Spielerei eines Informatikers (und damit auch die Schlussfolgerung des Autors im Titel) ist, zeigt der direkte optische Vergleich zweier logarithmischer Darstellungen der "nackten" Anzahl von Todesopfern in Italien und Deutschland:?dl=0
Das sieht optisch zunächst für Deutschland böse aus. Für die Nicht-Informatiker aber: die Y-Achse bildet in der Italien-Grafik grob gesagt das HUNDERTFACHE der Werte in der Deutschland-Grafik ab ("10k" steht für 10.000!). Und das hat sich – im Gegensatz zur Meinung des Autors und des Informatikers (dem man eigentlich ein wissenschaftliches statt ein reißerisches Verhältnis zu Statistiken unterstellen möchte) – in den letzten Wochen weder quantitativ noch qualitativ angeglichen. Eine Gegenüberstellung der Totenzahlen D/I in „normaler“, linearer Darstellung:?dl=0
Die Maßnahmen der hiesigen Gesundheitsbehörden sind im Gegensatz zu den vergangenen italienischen Anstrengungen *bislang* erfolgreich, was das Sterblichkeitsrisiko angeht – denn das kann man im Gegensatz zum Infektionsrisiko ohne Impfstoff durch ein funktionierendes Gesundheitssystem mit ausreichend Ressourcen selbst steuern. Der zunächst vom Autor erhoffte Stopp des Anstiegs der Infiziertenzahl in Italien war trügerisch: https://www.worldometers.info/coronavirus/country/italy/
Das ist keineswegs die unsinnige Spielerei eines Informatikers! Klaus Lohmann verwechselt in seiner Kritik offensichtlich Infektions- mit Todeszahlen. Im Artikel geht es allerdings allein um die Wachstumsraten der mit SARS-CoV-2 infizierten Menschen und nicht um die an CoVID-19 erkrankten oder gestorbenen Menschen. Insofern geht sein Verweis auf die Todeszahlen ins Leere.
Das exponentielle Wachstum der Infektionen ist zurückgegangen, weil die Abschottung der Menschen voneinander zu wirken beginnt. Ein Wachstum, das abnimmt, ist aber immer noch ein Wachstum. Daher nehmen ja auch die absoluten Zahlen der Infizierten immer noch zu und nicht ab.
Das ist die zentrale Aussage des Artikels und daran ist nichts "Reißerisches".
@ Roland W. Waniek
Klaus Lohmann hat bei den Ruhrbaronen unzählige Kommentar geschrieben, in denen er die Corona-Pandemie verharmloste, sinngemäss als "nur eine Grippe" abtat.
Mittlerweile frage ich mich, was für ein Problem Klaus Lohmann hat: die ganze Welt tut alles, um eine weitere exponentielle Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern, nur Klaus Lohmann …
Da ist ja auch der/die Josefine/Franz mit ihrer/seiner Antipathie wieder;-)
Hier mal für alle eine wirklich intelligente mathematisch-statistische Animation, welche Maßnahmen *voraussichtlich* und mit einer *höheren Wahrscheinlichkeit* als bei umfassender Quarantäne und Abschottung – so wie es China gemacht hat und Italien sowie andere Länder gerade aus Panik versuchen – Erfolg haben werden: https://www.washingtonpost.com/graphics/2020/world/corona-simulator/ (Bezahlschranke, aber Artikel kann mit Klick auf "Free" gelesen werden).
@Roland W. Waniek: Die Anzahl der Neuinfizierten in Italien ist zwar von Freitag auf Samstag leicht zurückgegangen, dafür aber von gestern auf heute wieder sprunghaft angestiegen. Das ist keine erwiesene Umkehr des exponentiellen Wachstums, auch wenn man Handlys Graphen noch so sehr quetscht, biegt und schüttelt.
Und PS: Ich beziehe mich seit einigen Tagen immer wieder auf die Möglichkeiten und den Zustand von unterschiedlichen Gesundheitssystemen bei der Verhinderung/Heilung von mittelschweren, schweren und kritischen COVID-19-Verläufen, nicht auf die allgemeine Infektionsrate.
Wo in dem Text steht etwas von "Umkehr des exponentiellen Wachstums"?
@ Klaus Lohmann
ich finde dich nur noch "seltsam", mit "Antipathie" hat das nicht das geringste zu tun.
@Stefan Laurin: In #3 "Das exponentielle Wachstum der Infektionen ist zurückgegangen" Rückgang= (erhoffte) Umkehr des Wachstums. Auch wenn sich das Wachstum nur verlangsamt, wäre dies eine Umkehr der bisherigen Tendenz, *exponentiell* zu wachsen. Eine Zunahme der Infektionen von vorgestern auf gestern um ca. 950 Fälle(!) nach einem kurzzeitigen Rückgang der Fallzahlen am Freitag ist aber alles andere als ein "Erfolg der Abschottung" und keinesfalls eine "Umkehr".
Rückgang ist keine Umkehr. Da steht „Das ist jedoch nach wie vor ein starkes, exponentielles Wachstum, da sollte man sich nicht vertun.“
Ich will versuchen das Problem mit einfachen Worten zu formulieren.
Wachstum kann groß oder klein sein. Folglich kann Wachstum auch kleiner werden, bzw. "zurück gehen". Das gilt für jedes Wachstum, auch für exponentielles Wachstum.
Bei der Corona kann anfangs jeder Infizierte mehrere andere Leute anstecken, und tut es auch. Daraus ergibt sich ein exponentielles Wachstum. Und zwar solange, wie es genügend Personen gibt, die noch angesteckt werden können. Die Zahl dieser Leute sinkt aber, weil sie natürlich begrenzt ist, weil einige versterben und andere immun werden, und weil wieder andere Leute sich aus dem Verkehr ziehen, einbunkern, nicht mehr rausgehn, in Quarantäne gesteckt werden, oder weil es keine Events mehr gibt, zu denen sie hingehen können. Dann ist es vorbei mit dem exponentiellen Wachstum. In China z.B. sind von 81000 Infizierten nur noch etwa 10000 Infizierte übrig. Der Rest ist geheilt oder tot. In Südkorea läuft das auf einer kleineren Zahlenbasis ähnlich. Und in jedem anderen Land wartet man darauf, auch an den Punkt zu kommen, an dem die Zahl der Infizierten nicht mehr exponentiell ansteigt, sondern allmählich in eine lineare oder stetige Kurve ausläuft.
Der Autor @ Waniek stellt drei durchaus interessante Diagramme vor, aus denen er Abweichungen von der exponentiellen Wachstumskurve zu sehen glaubt. Darüber, ob die Diagramme das hergeben, könnte man streiten. Aber das tue ich nicht. Es wird ja auf jeden Fall einmal so kommen. Und bei dem wackligen Zahlenmaterial will ich noch nichts sagen. Aber schön wäre es, wenn es so wäre. In ein paar Tagen können wir das besser sehen.
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