Seit dem 15. März 2020 unterhalten sich die Ruhrbarone mit Magnus Memmeler. Bis heute sind 45 Interviews entstanden, die auf den Katastrophenschutz blicken und auch die Corona-Krise nachzeichnen. Im 46. Interview geht es um den „Laber-Laschet“, einen gewagter Schulstart, die sich andeutende 3. Welle, um verweigerten Impfstoff, um den Inzidenzwert 35 in § 28 a) Infektionsschutzgesetz, um liegengelassenen Expertenrat der Katastrophenschützer und vieles mehr.
Ruhrbarone: Hurra, hurra, die Schule geht wieder los – morgen in den NRW Grundschulen und die Abschlussjahrgänge. Die ersten Lockerungen greifen. Sind wir eigentlich schon so weit?
Memmeler: Angesichts der aktuellen Meldungen und den Risikowarnungen von Wissenschaftlern habe ich große Sorge, dass dieses Experiment fürchterlich nach hinten losgeht. Neben dem Risiko, das insbesondere NRW eingeht, hat sich unsere Landesregierung in ihrer Kommunikation wieder bis auf die Knochen blamiert.
Betrachten wir zunächst die nüchternen Zahlen. Seit knapp einer Woche bewegen sich die Inzidenzwerte auf einem stabilen Plateau, statt weiter zu sinken, obwohl die Kontaktbeschränkungen weiterhin Bestand hatten. In manchen Regionen, wie in meinem Heimatkreis, steigen die Inzidenzwerte wieder. Im Kreis Unna haben wir inzwischen wieder einen Wert von 72 erreicht und täglich erreichen uns mehr Meldungen zu nachgewiesenen Infektionen mit B1.1.7. Gestern meldete das RKI 9.164 Neuinfektionen. Das sind 810 mehr als vor einer Woche. Zeitgleich stieg die Inzidenz auch wieder leicht auf 57,8. Ebenso ist der Reproduktionsfaktor wieder auf einen Wert über 1 gestiegen.
Leider hat sich die NRW Landesregierung, allen voran unser Ministerpräsident, in einen Lockerungswahn begeben und merkt zum Ende dieser Woche offensichtlich, dass das alles gar nicht so durchdacht war.
Unter dem Titel „Gebauers nächster Geniestreich“
berichteten die Ruhrbarone bereits über die erneut brillante Unvorbereitung des Schulstarts in NRW. Am Freitag hat einer von Frau Gebauers Mitarbeitenden der Ministerin wohl eine Zeitung gereicht, die sie auch gelesen hat, denn am Freitagmittag verkündete die ewig unvorbereitete Ministerin die Pflicht von medizinischen Schutzmasken im Schulbetrieb. Erneut bleibt den Schulen und Eltern nur das Wochenende, um auf diesen Schabernack zu reagieren.
Damit gibt sich NRW dann aber nicht zufrieden, denn hier gilt nach wie vor „no risk, no fun“. Angesichts der Wetterberichte öffnen nun auch Gartencenter, Freizeitsport und Unterricht in Musikschulen wird mit Einschränkungen auch wieder ermöglicht und Baumärkte dürfen Saatgut verkaufen. Hallo! Wer glaubt denn, dass irgendwer versteht, dass ich ausschließlich in den Baumarkt darf, um dort Saatgut zu kaufen.
All das ist erneut wieder an einem Freitag in einer Verordnung geregelt, die aber auch zeigt, dass der Landesregierung angesichts der aktuellen Zahlen gehörig der Frack geht. Konsequent inkonsequent werden wieder Städte und Landkreise in die Pflicht genommen, wenn es gilt das auszubaden, was die Landesregierung angerichtet hat. Laut der aktuellen Verfügung müssen nun nämlich die Städte und Landkreise, die über einer Inzidenz von 50 liegen über die Anwendung von schärferen Maßnahmen entscheiden.
Magnus Memmeler (53 Jahre) lebt in Kamen. Seit über 31 Jahren arbeitet er im Rettungsdienst und Katastrophenschutz. 25 Jahre davon hat er diverse Leitungsfunktionen eingenommen. Er war beauftragt zur Organisation des Sanitätsdienstes beim DEKT in Dortmund und Verantwortlicher einer großen Hilfsorganisation bei der Versorgung und Unterbringung von Geflüchteten in den Jahren 2013 – 2018. Er war zudem Mitglied bei der Stabsarbeit von Bezirksregierungen und in Arbeitskreisen des Innenministeriums bei der Konzeption von Katastrophenschutz-konzepten.
Auf dem Bund-Länder-Gipfel wurde der Inzidenzwert von 35 als Grenze für Lockerungen vereinbart, nachdem im Sommer zunächst die 50 als maßgebliche Grenze festgelegt war. Grund hierfür ist eine veränderte Pandemie – Lage, unter anderem wegen neuer Mutationen und eine seit November 2020 in § 28 a Infektionsschutzgesetz festgeschriebene Inzidenz von 35 als Risikoschwellenwert zur Bewertung der Lage und zur Fixierung eventuell notwendiger Maßnahmen. Wenn Laschet nun los poltert „man kann nicht immer neue Grenzwerte erfinden, um zu verhindern, dass Leben wieder stattfindet”, hat er, der gerne auch mal Klausurarbeiten verliert, die er dennoch meinte bewerten zu müssen, nun leider völlig vergessen, dass er diese Regelungen mitbeschlossen hat.
Laschet hat die wissenschaftliche Notwendigkeit der aktuellen Maßnahmen, die sich unter anderem am Inzidenzwert orientiert, untergraben. Ob gewollt oder nicht hat Laschet die Regelungen, die er bisher noch verteidigt hat, damit untergraben und damit auch das Vertrauen der Bevölkerung in die Maßnahmen pulverisiert. Das leistet leider denjenigen Vorschub, die die Grundlagen und Notwendigkeit der Maßnahmen infrage stellen. Wie wirr die Debatte teilweise geführt wird, sieht man daran, dass FDP-Chef Lindner die Aussagen Laschets lobt.
Auch wenn Laschet und Stamp nun betonen, dass die Lage keine weiteren Lockerungen zulasse, ist das Kind leider schon in den Brunnen gefallen. Die Länderchefs und Kultusminister, die bereits direkt nach dem letzten Gipfelbeschluss von der gemeinsamen Vereinbarung abgewichen sind, freuen sich nun, dass sich NRW zum Vollhorst der Nation gemacht hat und somit von dem ablenkt, was auch in anderen Bundesländern glorreich verbockt wurde, wenn es darum geht, die Bürger bei der Stange zu halten, um die durch die Virusmutationen entstandene neue Herausforderung zu meistern.
In der Debatte um Lockerungen von Corona-Auflagen hat sich der Virologe Hendrik Streeck, der immer wieder auch als Berater von Laschet auftritt, dafür ausgesprochen, Gastronomiebetriebe probeweise aufzumachen. Wie oft Herr Streeck bereits fatale Aussagen getätigt hat, um jemanden nach dem Mund zu reden, wissen wir inzwischen. Ein Schelm, der nun Böses dabei denkt, nachdem bekannt wurde, dass der Mann des NRW–Beraters Streeck inzwischen eine gute Position im MAGS NRW bekleidet.
Das Vorgehen in NRW kann der Sinnspruch „Glück ist wie furzen. Erzwingst Du es, kommt nur Scheiße raus.“, wohl am ehesten umfänglich beschreiben.
Ruhrbarone: Ein deutlicher Fingerzeig auf untaugliche Krisenkommunikation. Wie aber ist die aktuelle Lage und was tut sich an der Impffront?
Memmeler: Das aktuelle Risiko wird durch den RKI Chef Wieler sehr klar benannt:
„Weil sich die ansteckenden Virus-Varianten weiter ausbreiten, erwarte ich mehr Ausbrüche, auch unter jüngeren Menschen.“
Dummerweise sind gerade die jüngeren Menschen auch die mobilen und sozial aktiven Menschen, was zwangsläufig auch zu mehr Infektionen führen wird.
In einer Fabrik für Eiscreme in Osnabrück mussten fast alle 850 Angestellten unter Quarantäne gestellt werden, da bei mindestens 200 Mitarbeitenden eine Infektion festgestellt wurde. In zahlreichen Fällen auch mit der Variante B1.1.7. Die Behörden sprechen von einer besorgniserregenden Lage. Nach dem Nachweis der Infektion mit B1.1.7 im westfälischen Hamm wurden dort 140 Menschen in mehreren Wohnhäusern unter Quarantäne gestellt, um die Infektionswege möglichst schnell einzudämmen.
Diese Maßnahme war offensichtlich erforderlich, da es sich bei den Bewohnern dieser Häuser um Bauarbeiter handelt, die jeden Morgen gemeinsam in Kleinbussen zur Baustelle fahren und in den Unterkünften ähnlich untergebracht sind, wie wir das bislang aus der Fleischindustrie kennen. Das Infektionsrisiko ist also extrem groß.
In Flensburg werden nach Angaben von Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) Corona-Infektionen fast nur noch mit mutierten Viren festgestellt. Zu den 341 am Donnerstag im Stadtgebiet festgestellten Virus-Mutationen sind am Freitag noch mal 19 weitere Fälle dazugekommen. Deshalb greift die Stadt jetzt zu härteren Maßnahmen. Für die Einwohner gelten in der Stadt inzwischen nächtliche Ausgangsbeschränkungen. Zusätzlich sind in Flensburg private Treffen vorerst vollständig untersagt. Neben dem Beispiel Flensburg gibt es bundesweit leider noch zahlreiche Beispiele die zeigen, dass das Risiko einer 3. und eventuell wesentlich größeren Welle in der Tat besteht.
Der System-Immunologe Michael Meyer-Hermann warnt, dass ansteckendere Varianten des Coronavirus die bislang von der Politik angepeilten Grenzwerte, die zu Lockerungen taugen sollen, schnell untauglich werden lassen könnten. Sollte sich das Vorkommen der Mutante B1.1.7 ungünstiger entwickeln als erwartet, könne es laut Meyer-Hermann sein, dass die 35 mit dem aktuellen Lockdown gar nicht zu erreichen sei.
„Das macht deutlich, dass jede Form von Öffnungen zum jetzigen Zeitpunkt ein hohes Risiko birgt, die gesetzten Ziele nicht erreichen zu können.“
Meyer-Hermann, Physiker und Mathematiker, ist Leiter der Abteilung Systemimmunologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig und sagt:
„Wir sind aktuell mit mindestens zwei Pandemien konfrontiert.“
„Die alte haben wir mit den aktuellen Maßnahmen unter Kontrolle und bringen die Inzidenzen mit einer Reproduktionszahl von 0,85 runter.“
„Gleichzeitig findet aber gerade eine Ausbreitung der neuen Variante statt, deren Reproduktionszahl mit den aktuellen Maßnahmen über eins liegt. Da die neue Variante noch nicht dominant ist, sieht das in der Summe immer noch wie sinkende Fallzahlen aus.“
Die Expansion dieser Variante lasse sich laut Meyer-Hermann aber durch Beibehaltung der aktuellen Maßnahmen so lange verzögern, dass die Fallzahlen sinken könnten. Der Forscher plädiert sehr engagiert für ein Inzidenz-Ziel um die 10. Mit der dann besseren Nachverfolgung lasse sich die dritte Welle eventuell noch abfangen. Eine Diskussion über weitere Öffnungen wäre daher aus seiner Sicht absolut fatal.
Angesichts dieser Meldungen ist es völlig irre, was sich rund um die Impfungen mit dem Impfstoff AstraZeneca abspielt.
Der Virologe Christian Drosten und viele andere namhafte Wissenschaftler halten grundsätzliche Bedenken gegen den Astra-Zeneca-Impfstoff für unbegründet und plädieren für einen breiten Einsatz des Impfstoffs. Leider ist dieses Plädoyer erforderlich geworden, weil völlig normale und erwartbare Impfreaktionen zu einem Bashing dieses Präparates geführt haben, welches durch zum Teil reißerische Berichterstattung ausgelöst wurde und nun dazu geführt hat, dass in nahezu allen Impfzentren der Republik bis zu 200 Impfungen täglich nicht durch die potentiellen Impfempfänger wahrgenommen werden.
Luxusproblem der freien Impfstoffwahl
Da AstraZeneca auch gegen die Variante B1.1.7 Schutz bietet, ist deshalb jede versäumte Impfung fatal. Angesichts dieser besorgniserregenden Entwicklung beschleunigt sich auch die Diskussion um die Einbindung von Arztpraxen in die aktuelle Impfstrategie, über die wir ja bereits in der vergangenen Woche berichtet haben. Inzwischen will NRW die ersten Arztpraxen bereits im April einbinden.
Da es immer wieder die Mitarbeitenden von Hilfsorganisationen sind, die sich im Katastrophenschutz engagieren und deshalb zu ad hoc erforderlichen Einsätzen in Testzentren usw. angefordert werden, sollten in den Einsatzeinheiten und Bereitschaften rasch Listen von Impfwilligen gefertigt werden, die der Impfung mit AstraZeneca zustimmen, um die Termine zu nutzen, die Verweigerer hinterlassen. Gleiches gilt für Mitarbeitende in Arztpraxen. MFA, MTA und MTRA, die täglichen Patientenkontakt haben, würden sich größtenteils über einen zeitnahen Impfschutz freuen, da diese Mitarbeitenden im Gesundheitssystem wissen, dass es das Luxusproblem der freien Impfstoffwahl nicht gibt.
Angesichts der Warnung von Herrn Wieler, dass zunehmend auch jüngere Menschen von Neuinfektionen und auch schwerer Erkrankung betroffen sein werden, wäre für mich sogar die freiwillige Impfung mit AstraZeneca in der Gruppe junger Menschen legitim, bevor die Mangelware täglich in nicht unerheblichem Umfang verworfen werden muss, da Mitarbeitende im Gesundheitswesen vor Impfreaktionen zurückschrecken oder dem Impfstoff nicht vertrauen, weil eine fatale Berichterstattung dem Impfstoff Minderwertigkeit gegenüber den Impfstoffen von Biontech und Moderna nachsagt.
Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, hat sich gegen eine staatlich vorgeschriebene Impfpflicht in Deutschland ausgesprochen, sieht aber auch eine moralische Verpflichtung zur Impfung als gegeben. In der Debatte um die Vergabe von Restdosen sprach sich Buyx für eine breite Verteilung aus:
„Jede Dosis muss in einen Arm.“
Entsprechend sei es für Buyx nachvollziehbar, dass am Ende eines Tages übrige Impfdosen auch Menschen gespritzt würden, die nicht einer vorrangigen Priorisierungsgruppe angehören.
„Wenn man sich darum wirklich bemüht hat, Impfdosen an die Priorisierungsgruppe zu geben und niemanden findet, dann ist es vertretbar“, sagt Buyx über die Vergabe des Impfstoffs an andere Personen.
Durch meine beruflich gegebenen Kontakte zu Impfärzten und den Verantwortlichen in den Gesundheitsämtern kann ich bestätigen, dass die Zwangsjacke Impfstrategie häufig genug daran hindert, die breite Immunisierung der Bevölkerung schnell umzusetzen.
Von den bis heute geimpften Personen sind 46% in den Gesundheits- und Pflegeberufen tätig, 38% gehören zur Gruppe der Priorisierungsgruppe 80+, 26% der Impfungen fanden in Pflegeheimen statt und mit 4% wurden Menschen mit schweren Vorerkrankungen geimpft. Insgesamt reden wir hier aber nur über eine Impfquote von ca. 3,8 % bei den Erstimpfungen. Erreichen sollten wir aber 80% der vollständigen Impfungen, um eine Herdenimmunität zu erreichen. Wer hierzu Details wissen will, kann auch das tägliche Impfranking der Ruhrbarone verfolgen, um zu wissen, welches Bundesland gerade Erfolge vermelden kann oder erneut versagt hat.
Offensichtlich befinden wir uns in einer sehr entscheidenden Phase, in der man prüfen sollte, ob es nicht endlich Zeit wird, ein Forum aus Spezialisten einzusetzen, welches begangene Fehler und die daraus zwangsläufig herzuleitenden Korrekturmaßnahmen klar benennt, wie es Herr Broemme bereits getan hat.
Nach wie vor wird stoisch ignoriert
Ruhrbarone: Ein guter Überblick der derzeitigen Entwicklung beim Infektionsgeschehen und dem neu geschaffenen Impfchaos. Da wir ohne Bevölkerungsschutz nicht wirklich können – welche Experten wünschen Sie sich für dieses beratende Forum?
Memmeler: Über Herrn Albrecht Broemme, der einige Dinge ja bereits sehr deutlich angesprochen hat, haben wir hier ja bereits berichtet. Persönlichkeit wie er und auch der ehemalige Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes Hartmut Ziebs sollten aus meiner Sicht gesetzt sein, da sie nicht nur im Kreis der Bevölkerungsschützer, sondern auch in allen maßgeblichen Ministerien bekannt sind. Außerdem haben beide an der hier schon oft zitierten Expertenempfehlung zu Pandemiebewältigung mitgewirkt, die nach wie vor stoisch ignoriert wird.
Rund um solche Experten sollten nun rasch Foren auf Bundesebene und in den Ländern gegründet werden, um z.B. die Innenministerkonferenz im Sommer vorzubereiten, um die Aktivitäten im BBK zielführend anzuschieben und um auf gesetzgeberische Notwendigkeiten hinzuweisen, damit nicht immer wiederkehrend Schutzmaßnahmen durch Verwaltungsgerichte einkassiert werden oder mangelhafte Gesetzgebung dem Datenschutz die Macht gibt z.B. Impfeinladungen in Niedersachsen zum Rohrkrepierer werden zu lassen.
Ich möchte an einigen kleinen Beispielen aus meiner Region darauf hinweisen, was möglich ist, wenn man auf Praktiker hört und was tendenziell falsch läuft, wenn man sich ausschließlich von Rechtsrisiken beeinflussen lässt, statt diese proaktiv zu bewältigen.
In Dortmund erfolgt die Vergabe von Impfterminen, wie in großen Teilen Norddeutschlands, inzwischen durch Eventime, weil dieses Unternehmen seit Jahren beweist, dass es Tickets verteilen kann und dabei auch berücksichtigt, wie viele es davon gibt. Hier hat jemand die Verwaltung darauf aufmerksam gemacht, dass der von Bund und Land vorgegebene Weg über die KV nicht unbedingt der segensreichste und erfolgversprechendste ist. Auch im Katastrophenschutz gilt, dass man keine Energie für die Erfindung des Rades verschwenden sollte, da das schon andere erledigt haben.
In der gleichen Stadt erleben wir aber auch, dass Vergaberechtler zunehmend dafür sorgen, dass die dortige Feuerwehr Sondereinheiten aufbaut, wie zum Beispiel eine Verpflegungseinheit, obwohl es diese bereits bei den Hilfsorganisationen gibt. Zum Hintergrund muss man wissen, dass die massenhafte Verpflegung betroffener Menschen Bestandteil des Katstrophenschutzkonzeptes in NRW ist, das in diesem Bereich durch die Hilfsorganisationen erfüllt wird. Kommt es jetzt aber zu länger andauernden Feuerwehreinsätzen, befürchten Vergaberechtler, dass es ein Wettbewerbsverstoß sein könnte, wenn man auf diese Ressourcen zurückgreift, statt die Leistung im Vorfeld auszuschreiben. Also baut man lieber kommunale Vorhaltung auf, um dem Vergaberegime zu entgehen. Murks!
In der gleichen Stadt beweist ein recht junges Rettungsdienstunternehmen, was ich seit Jahren predige. Wir brauchen kleine, dynamische und schnell zu mobilisierende Einheiten, statt schwerfällige große Konzepte, um in sich stetig ändernden Lagen schnell agieren zu können. Dieses Unternehmen, in dem auch zahlreiche ehemalige Beschäftigte von Hilfsorganisationen an prominenter Stelle beschäftigt sind, hat sehr früh mobile Testteams für die Stadt bereitstellen können und das Testzentrum im Westfalenstation betrieben, als dort kein Fußball gespielt werden durfte.
Das gleiche Unternehmen wird auch in den Impfzentren in Dortmund und im Kreis Unna eingesetzt, da es mit noch flachen Hierarchien schnelle Entscheidungen herbeiführen konnte. Ähnlich ist die Hilfsorganisation vorgegangen, in der ich lange Zeit tätig war, als es darum ging in möglichst kurzer Zeit Obdachlosigkeit für geflüchtete Menschen zu vermeiden. Hier mussten keine gigantischen Vorhaltungen mobilisiert werden, sondern aus einigen dezentralen Vorhaltungen konnten sehr rasch Ressourcen zusammengezogen werden, da diese dezentralen Vorhaltungen mit nur wenigen Einsatzkräften abmarschbereit waren, um dann an einer Einsatzstelle zusammengezogen werden zu können.
Unnötige Bürokratie und Bedenkenträgerei lähmt
Das erforderliche Wissen, um auch schnell agieren zu können, ist vorhanden, wird aber durch zu viel unnötige Bürokratie und Bedenkenträgerei gelähmt.
Was hält uns davon ab, diese Expertenforen auf Bundes-, Landes- und Regionalebene kurzerhand zu berufen? Eigentlich nichts, da sich diese Experten, zumindest auf der regionalen Ebene, bereits in vorhandenen Krisenstäben befinden. Eine der ersten Empfehlungen dieser Praktiker wäre angesichts des Dilemmas rund um den Impfstoff von AstraZeneca sicherlich die Bereitschaftsabfrage in Katastrophenschutzeinheiten und Arztpraxen, sich mit diesem Impfstoff impfen zu lassen, weil diese Praktiker wissen, wie relevant deren Einsatzbereitschaft werden kann und wie wertvoll jeder Tropfen Impfstoff derzeit ist, statt darüber zu lamentieren, wie unbefriedigend die Impfbeteiligung bei diesem Impfstoff derzeit ist.
Da Karl Lauterbach leider seine Pläne begraben musste, sich im Impfzentrum von Leverkusen zu engagieren und mit AstraZeneca impfen zu lassen, da das Impfzentrum schon immer mit Spinnern zu kämpfen hatte und sich durch Lauterbachs Ankündigung eine noch breitere Front aufgetan hat, wäre es doch ein grandioses Zeichen an die Gesellschaft, wenn sich hunderte von Praxisangestellten und Katastrophenschützern mit dem Impfstoff impfen ließen, da die Menschen diesen Heldinnen und Helden vertrauen.
Ich bin mir sehr sicher, dass wir schon sehr früh viele Raumluftfilteranlagen in Klassenräumen gehabt hätten, hätten wir bereits im Sommer letzten Jahres über solche Expertenforen verfügt. Ebenfalls hätten die Gebauers dieser Republik sehr früh zu hören bekommen, dass Maßnahmenvorbereitung Zeit benötigt und deshalb nicht an einem Freitagmittag verkündet werden kann, wenn es gilt das Verkündete ab Montag umzusetzen.
Gleiches gilt für den Bereich der Krisenkommunikation, in dem diese Experten naturgemäß geschult sind, da es auch bei jeder Hochwasserlage gilt der Bevölkerung zu vermitteln, ab welchem Pegelstand welche Schutzmaßnahme greift und warum es wahnsinnig ist, auf durchweichten Deichen spazieren zu gehen, wozu Herr Laschet, sinnbildlich gesprochen, gerade mal wieder auffordert, indem er sich äußert, wie eingangs dargestellt.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, was ein Bernd Schneider, als Vertreter des VdF NRW, unserem Ministerpräsidenten gerade gerne sagen würde. Gleiches gilt wohl für Herrn Broemme und Herrn Ziebs, wenn Herr Lindner losposaunt, dass möglichst schnelle Lockerungen für alle Lebensbereiche beschlossen werden müssen.
Wir leben, das denke nicht nur ich, in einer Zeit, in der der Katastrophenschutzstammtisch der Politik, der jahrelang durch die SPD organisiert wurde, schnell wieder reanimiert werden muss, um den Ratschlägen der Experten wieder mehr Gehör zu verschaffen.
Wer Wahlen im September gewinnen will, weil er das Vertrauen der Menschen gewonnen hat, sollte genau jetzt dem Populismus abschwören und auch mal zu ehrlichen, wenn auch unpopulären Aussagen zurückkehren, auch wenn das in der Vergangenheit auch schon mal den Wahlsieg gekostet hat, da niemand hören wollte, dass die Einheit teurer ist als nur ein Strauß Bananen, der blühende Landschaften sprießen lässt. Ich denke, weil sich alle nachhaltige Normalität, statt ständig neu erforderlich gewordene Vollbremsungen wünschen, würde so überraschende Ehrlichkeit von vielen Mitbürgern sehr begrüßt.
Ruhrbarone: Herzlichen Dank für diesen eindeutigen Appell. Schönen sonnigen Restsonntag und bleiben Sie gesund.
Hallo,
vielen Dank für das neue Interview, was den Leser nicht unbedingt euphorisch stimmt.
Die beschriebenen Fehlleistungen der NRW-Landesregierung werden angesichts der im Hintergrund anrückenden 3. Welle nicht unbedingt bei der Pandemie-Bekämpfung hilfreich sein.
Der NRW-MP sollte sich schnell entscheiden ob nun die Bekämpfung Pandemie eine höhere Gewichtung als sein parteipolitisches Agieren mit der FDP bekommt. Ich wäre mir da noch nicht so sicher, wie da aktuell seine Entscheidung ausfällt. Sein Koalitionspartner entwickelt sich da immer mehr zu einem Bremsklotz in Sachen effektiver Pandemiebekämpfung.
Bleiben Sie gesund!
Die Idee mit den Gartencentern ist so absurd, da lohnt sich wahrscheinlich wirklich die Frage, was die Möbel-Lobby jetzt falsch gemacht hat.
Musik scheint auch eine hohe Priorität zu haben.
Beim Sport geht es dann eher um Individualsport im Außenbereich mit extremen Abständen. Das hätte nie geschlossen werden dürfen.
Dass die Landesregierung immer so lasch reagiert, wenn es um stärkere Masken geht, bleibt mir ein Rätsel. Dann fehlen auch einfach verbindliche Testpflichten für die wichtigen Bereiche.
Wie in der aktuellen Situation mit der schlechten Vorbereitung die Schulen öffnen kann, bleibt mir ein Rätsel. Andere Bundesländer zeigen aktuell, welche Konsequenzen dies hat.
Vermutlich werden wir erst später davon erfahren, da wir ja doch lieber nicht testen.
Gbit es schon Aktivitäten von Kommunen, die wirklich etwas bringen? Münster schafft Luftfilter an, Düsseldorf erhöht das Testen. Das war es doch in NRW.
Dann gibt es die absurden nächtlichen Ausgangssperren. Das hilft vielleicht, wenn man die Fußball Covidioten nicht in den Griff bekommt. Aber die verstoßen auch schon aktuell gegen alle Regeln, ohne dass eingegriffen wird
Ja, ich würde auch viel lieber gute Nachrichten verkünden. Aktuell wird einem das aber nahezu vollständig unmöglich gemacht. Richtig bizar ist, dass das MAGS nun die siebte Impfung wieder einkassiert hat, die mit dem passenden Impfbesteck aus den Biontech – Ampullen entnommen werden kann. Zack 15% weniger Impfstoff. Eventuell geht es den Sachbearbeitern beim Impfen zu schnell, weil sie mit der Strichliste nicht nach kommen.
Genießen wir also einfach das Wetter, um uns vom Wahnsinn der Ministerien abzulenken.
Zum Thema Eilbedürftigkeit/Dringlichkeit in Zeiten von Corona hilft vielleicht dieser Dachbeitrag:
https://www.vergabeblog.de/2021-02-22/besondere-dringlichkeit-erfordert-wettbewerb-im-ernst/
Was die Eilbedürftigkeit einer Vergabe angeht, sagt einem der Laienverstand: Bei dieser Pandemie müsste eigentlich bei fast allen Beschaffungen in diesem Zusammenhang eine Eilbedürftigkeit vorliegen. Da müsste man nach einer kurzen Marktsondierung vielleicht drei Vergleichsangebote einholen, wenn es überhaupt alternative Anbieter gibt. Ob eine Vergabestelle überhaupt in der Lage ist, eine solche Marktsondierung innerhalb kurzer Zeit (zwei/drei Tage) durchzuführen, hängt von ihrer personellen Aufstellung und Kenntnis ab. Und hier sieht es in den Kommunen mittlerweile schlecht aus. Die Verkomplizierung des Vergaberechts/Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen wird nicht mit adäquater Personalentwicklung auf kommunaler Ebene unterstützt.