Seit dem 15. März 2020 unterhalten sich die Ruhrbarone mit Magnus Memmeler. Bis heute sind 29 Interviews entstanden, die den Katastrophenschutz ins Visier nehmen und auch die Corona-Krise nachzeichnen. Im 30. Interview geht es u.a. um unvorbereitete Schulen, Ruhrbarone-Leser Seehofer und einen demaskierten Ministerpräsidenten .
Ruhrbarone: Die neue Woche wird mit einem Lockdown light starten. Wird uns das helfen, um die Zahlen rasch zu senken?
Memmeler: Die für November angekündigten Maßnahmen werden die Entwicklung der Neuinfektionen sicherlich beeinflussen, wenn sich endlich alle vernünftiger verhalten. Leider werden wir das nicht rasch wahrnehmen können, was eine gute Kommunikation umso wichtiger macht, denn wegen der drastischen Einschränkungen, wird die Wirksamkeit sicherlich von vielen kritisch begleitet werden. Wir müssen uns immer wieder klar machen, dass die tagesaktuellen Zahlen der Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden Fehlverhalten von vor 7 Tagen abbilden und die Auswirkungen für Kliniken immer erst mit 14 Tagen Verzug wahrnehmbar sind. Wenn eine Stadt wie Köln am Samstag meldet, dass nur noch 28 Intensivbetten frei sind, sollte jedem Leser sofort klar sein, was das heißt, wenn wir 14 Tage weiter denken. Die Kliniken werden nun sehr rasch wieder planbare Eingriffe absagen müssen, um Ressourcen zu schaffen, damit das System nicht kollabiert.
Die für November angekündigten Maßnahmen sind hart, unbequem und stellen für einige Berufsgruppen eine existentielle Bedrohung dar. Deshalb kann man das Maßnahmenpaket wohl am ehesten mit dem US Wahlkampf vergleichen. Biden ist nicht der Messias und wäre unter normalen Umständen nicht die erste Wahl. Es gilt aber weitere vier Jahre Trump zu verhindern, weshalb man die Empfehlung geben muss, das geringere Übel zu wählen. Das gleiche gilt für das für November beschlossene Maßnahmenpaket. Es gilt die Infektionszahlen drastisch zu senken, damit wir eine Chance haben, relativ sicher durch die kommenden vier Wintermonate zu kommen. Leider haben uns zahlreiche Versäumnisse der letzten Monate in die Situation gebracht, nun zwischen Pest und Cholera wählen zu müssen.
Ruhrbarone: Wie bewerten Experten des Katastrophenschutzes die Regierungsmaßnahmen der letzten Monate? Stellen diese auf die letztmonatigen Versäumnisse ab?
Memmeler: In 29 Interviews haben wir darauf hingewiesen, was man verbessern muss, um vor die Lage zu kommen, damit die Pandemie beherrschbarer wird. 29 Mal haben wir hochrangige Wissenschaftler zitiert und vorhandene Drucksachen des Bundestages in Erinnerung gerufen. Damit haben wir gezeigt, dass viele erforderliche Grundlagen zur Beurteilung der Lage bereits vorhanden sind und dass durch geordnete Stabsarbeit viele „unforced error“ hätten vermieden werden können.
Katastrophal wäre es, wenn sich diese Fehler in der jetzigen Situation wiederholen würden. Leider ist das momentan die große Befürchtung aller Experten. Zu Beginn unserer Interviews haben wir betont, wie wichtig funktionierende Lieferketten in der Krise sind. In diesem Interview haben wir ebenfalls betont, wie wichtig es deshalb ist, dass Rasthöfe für Trucker geöffnet bleiben müssten. Im Frühjahr wurde hier erst sehr spät nachgesteuert und aktuell sieht es so aus, als würden die Rasthöfe erneut geschlossen, weil die Folgen der Anordnung, die zur Schließung der Gastronomiebetriebe führt, leider wieder nicht zu Ende gedacht wurden.
Magnus Memmeler (53 Jahre) lebt in Kamen. Seit über 31 Jahren arbeitet er im Rettungsdienst und Katastrophenschutz. 25 Jahre davon hat er diverse Leitungsfunktionen eingenommen. Er war beauftragt zur Organisation des Sanitätsdienstes beim DEKT in Dortmund und Verantwortlicher einer großen Hilfsorganisation bei der Versorgung und Unterbringung von Geflüchteten in den Jahren 2013 – 2018. Er war zudem Mitglied bei der Stabsarbeit von Bezirksregierungen und in Arbeitskreisen des Innenministeriums bei der Konzeption von Katastrophenschutzkonzepten.
Konkret heißt das: Gastronomiebetriebe haben zum Teil effektive Raumluftfilter beschafft und installiert, um den Betrieb sicher durch den Winter zu bringen. Kultusminister haben zeitgleich bundesweit versagt, da es kein Konzept für den sicheren Schulbetrieb in Herbst und Winter gibt. Die Ruhrbarone haben dies im Beitrag „Laissez-faire“-Einstellung an vielen Schulen ist eine Provokation für Restaurant- und Kneipenbetreiber“ für uns alle recht anschaulich gegenübergestellt.
Mehrfach haben wir auf den offensichtlichen Mangel an Kalendern in deutschen Ministerien hingewiesen. Reiserückkehrer nach den Sommerferien stellten ein offensichtlich nicht zu erwartendes Risiko für die Handelnden dar. Der von den Regierenden gewünschte Regelbetrieb in Schulen kam nach den Sommerferien ebenfalls völlig überraschend und nun gilt es einen Schulbetrieb im Herbst zu organisieren und die Handelnden tun so, als hätten wir gestern erstmalig in der Menschheitsgeschichte den Reformationstag oder Halloween gefeiert, was als deutliches Zeichen für den begonnenen Herbst zu werten wäre. Katastrophenschützer nennen das nicht Versäumnis, sondern Versagen, da der gleiche Fehler wiederholt eingetreten ist.
Prof. Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), hat eingeräumt, dass es bundesweit bereits zu mehreren hundert Corona-Ausbrüchen an Schulen gekommen ist. Gegenüber der tagesschau-Redaktion appellierte er deshalb an die Kultusminister, sich an die Empfehlungen des RKI für den Schulbetrieb zu halten – die sehen ab einem Inzidenzwert von 50 im Unterricht eine generelle Maskenpflicht sowie die Abstandsregel vor.
Katastrophenschützer nennen das Versagen
Fälle an Schulen, bei denen Infektionen von einzelnen Schülern und Lehrern nachgewiesen wurden, gab es offenbar mittlerweile schon mehrere tausend. Von einem „Ausbruch“ sprechen Behörden aber erst dann, wenn „zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird“, so heißt es in Paragraph 6 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Da der Wortlaut des IfSG nicht zu 100% erfüllt wurde, wurden die Risiken durch die Länder ausgeblendet, um das Versprechen umsetzen zu können, der Schulbetrieb sei sicher.
Zwischen April und Juli wiesen 0,87 Prozent von 12.000 in Bayern getesteten Kindern Antikörper gegen SARS-CoV-2 auf – sechsmal mehr als bislang offiziell gemeldet. Knapp die Hälfte dieser Kinder hatte keinerlei Covid-19-Symptome. Das bestätigt die Annahme einer relativ hohen Dunkelziffer – gerade bei Kindern. Dieser Zufallsbefund entstand als Markus Hippich vom Helmholtz Zentrum München und sein Team Blutproben von 12.000 Kindern im Alter von 0 bis 18 Jahren in ganz Bayern auf Antikörper gegen SARS-CoV-2 untersuchten. Die Blutproben stammten aus der Zeit von April bis Juli 2020 und waren ursprünglich zur Erkennung von Diabetes Typ 1 genommen worden.
Den offiziellen Zahlen nach lagen die kumulativen Fallzahlen Ende Juli für Kinder bis sechs Jahren bei 111 pro 100.000 Einwohner und bei 7 bis 18-Jährigen bei 182 pro 100.000 Einwohner. Die Antikörperdaten der Studie deuten dagegen auf 870 infizierte Kinder pro 100.000 Einwohner hin. Da dieses Forschungsergebnis, zumindest im Bundesgesundheitsministerium, als bekannt vorausgesetzt werden sollte, ist es völlig unerklärlich, warum erst Mitte Oktober die ersten zurückhaltenden Empfehlungen zur Installation von Raumluftfiltern in Schulen ausgesprochen wurden. Dass die zuständigen Ministerien ihre eigenen Räumlichkeiten bereits mit Raumluftfiltern ausgestattet haben, durften wir ja bereits in der vergangenen Woche berichten. Offensichtlich funktioniert ministerialer Arbeitsschutz besser, als der Transfer vorhandenen Wissens in vorausschauendes Behördenhandeln.
Ja, Katastrophenschutzexperten weisen immer häufiger darauf hin, dass Kabinettssitzungen in Bund und Ländern ordentliche Stabsarbeit, die auf systematische Auswertung von vorhandenem Wissen setzt, nicht ersetzen kann. Nach den Beratungen von Bund und Ländern am 28.10.2020 hieß es, die vereinbarten Maßnahmen sollen dazu beitragen, eine akute nationale Gesundheitsnotlage zu vermeiden. Wenn wir ehrlich wären, müsste man sagen, dass uns angesichts der Wiederholung an Pannen das Wasser bis zum Hals steht und es in einer solchen Situation ganz schlecht ist, den Kopf hängen zu lassen.
Es ist tatsächlich eine Katastrophe, dass ein Gesundheitsministerium durch das IfSG ermächtigt wurde, uns durch eine Pandemie zu regieren, welches die Folgen des eigenen Handels auf unser Gesundheitssystem fast vollständig ausblendet.
Um das zu verdeutlichen, will ich zwei Beispiele aus dem Alltag von Arztpraxen benennen. In den europäischen Nachbarländern ist bereits deutlich zu erkennen, was passiert, wenn wir das Gesundheitssystem nicht endlich konsequent schützen. Tatsächlich werden aber bereits die Basisversorger, die Arztpraxen und das dort tätige Personal, täglich vor neue Herausforderungen gestellt, die aus dem zuständigen Ministerium stammen und nicht dem Infektionsgeschehen geschuldet sind.
Erstens: Die von den KV betriebenen Testzentren, auch darüber haben wir bereits berichtet, wurden geschlossen, statt diese zumindest in Bereitschaft zu belassen, und die Verpflichtung zur Testdurchführung wurde an völlig unvorbereitete Arztpraxen übertragen. In der Folge mussten mit Helferinnen und Helfern der am Katastrophenschutz beteiligten Organisationen Testzentren aus dem Boden gestampft werden, doch das in den Arztpraxen verursachte Chaos wurde nicht beseitigt, da man ja immer wieder bereitwillig auf Haupt- und Ehrenamt der Hilfsorganisationen oder am Rettungsdienst beteiligter Unternehmer zurückgreifen konnte, um zumindest kurzfristig entgegen zu steuern. Die Verpflichtung zum Test von Reiserückkehrern, dann Reisewilligen und Lehrern* und Kita-Beschäftigten verblieb aber weiterhin bei den Arztpraxen, die dadurch in der Regelversorgung von Erkrankten eingeschränkt werden.
Zweitens: Nicht genug damit, dass den Arztpraxen dieser organisatorische Kraftakt übertragen wurde. Wöchentlich ändern sich die Vorgaben zur Abrechnung der Testungen, was zusätzlichen Aufwand bedeutet und im Extremfall sogar wirtschaftliche Auswirkungen hat, da falsche Abrechnungen schlicht nicht durch die Krankenkassen vergütet werden. Das ohnehin schon gestresste Personal in Arztpraxen soll nun ein und denselben Test unterschiedlich abrechnen, da Reiserückkehrer anders abgerechnet werden, als anlassbezogene Testungen und so weiter. Um es nicht langweilig werden zu lassen, wirken Krankenkassen und KV aber erfolgreich auf das BMG ein, indem immer wieder wechselnde Voraussetzungen zur Abrechnung gefordert werden, die die eigene Wirtschaftlichkeit verbessern sollen und die sodann innerhalb von 24 Stunden durch die Praxen umzusetzen sind. Was soll dieser Mist? Wir müssen die Gesundheitsversorgung sicherstellen und nicht das dort tätige Personal durch bürokratischen Unsinn zusätzlich fordern.
Und um Ihre Frage abschließend zu beantworten, möchte ich noch auf einen absoluten Unsinn im für den November beschlossenen Maßnahmenpaket hinweisen. Warum sind Gottesdienste und Religionsgemeinschaften vom erneuten Lockdown ausgenommen? Wiederholt haben wir hier über Superspreaderevents von Religionsgemeinschaften berichtet. Gibt es zu viel C in der Bundes- und in den diversen Landesregierungen, um objektiv identifizierte Risiken erkennen zu wollen? Im Landkreis Lippe, der vor einigen Wochen noch recht überschaubare Infektionszahlen hatte, hat eine freikirchliche Bibelgemeinschaft vor kurzem durch fünf Veranstaltungen an nur einem Wochenende dafür gesorgt, dass Tönnies hätte fast neidisch in die lippische Nachbarschaft schauen müssen.
Jesus Christ Superspreader
Angeblich wird nun alles unternommen, damit wir Weihnachten sicherer begehen können und damit Risikogruppen geschützt werden. Aber gerade die vulnerablen Gruppen stellen das Kernpublikum bei Gottesdiensten. Selbst das RKI kann kein nachweislich erhöhtes Risiko benennen, welches von Gaststätten ausgeht, wenn diese die Hygienerichtlinien konsequent einhalten. Für Gottesdienste und andere Veranstaltungen von Religionsgemeinschaften wurde jedoch bereits mehrfach nachgewiesen, dass von Ihnen das gleiche Risiko ausgeht, wie von großen Hochzeitsfeiern, die von Migranten traditionell begangen werden. Ergo – das Maßnahmenpaket ist mindestens in diesem Punkt inkonsequent.
Ruhrbarone: Sie weisen immer wieder daraufhin, dass die Schutzmaßnahmen verständlich zu benennen seien, damit die Menschen diese auch akzeptieren können. Was läuft da falsch?
Memmeler: Der Populismus muss beendet werden, behördliche Kommunikation muss endlich alle erreichen und deshalb verständlicher werden. Nach wie vor benötigen wir vorbildliches Handeln der Führungskräfte.
Ausgerechnet am Tag, an dem über einen bundesweiten Wellenbrecher-Lockdown entschieden wurde, forderten Wissenschaftler und Ärzte um die Virologen Hendrik Streeck von der Universität Bonn und Jonas Schmidt-Chanasit von der Universität Hamburg eine Abkehr von der bisherigen Pandemie-Strategie. Im Radio und im TV wird dazu angeregt, das letzte Wochenende vor dem Lockdown noch einmal richtig zu genießen, weil es ja ab Montag nicht mehr möglich ist.
Was soll der Mist? Die Gruppe um Streeck untergräbt die Glaubwürdigkeit der handelnden Personen und Medien fordern dazu auf, es noch mal richtig krachen zu lassen, damit die Infektionszahlen noch einmal so richtig durch die Decke gehen. Verantwortungsvolles Handeln sieht anders aus, wenn es gilt die zunehmende Verunsicherung innerhalb der Gesellschaft und die schwindende Akzeptanz gegenüber Schutzmaßnahmen in den Griff zu bekommen.
Die Kassenärztliche Vereinigung und die kleine Gruppe um Streeck wurde und wird leider immer wieder in den einschlägigen Medien auf das Schild gehoben, obwohl zum Beispiel die deutsche Intensivmedizin-Vereinigung DIVI wie folgt auf das Thesenpapier dieser leider meinungsbildenden Minderheit reagierte:
“…die DIVI hat das Papier von Herrn Streeck bewusst und aus vielerlei Gründen nicht unterzeichnet. Unser Präsident, Herr Prof. Dr. med. Uwe Janssens hat heute in der Bundespressekonferenz noch einmal stellvertretend für mehr als 3.000 Intensivmediziner sehr deutlich gemacht, dass er die Maßnahmen der Bundesregierung ausdrücklich begrüßt und voll unterstützt.”
Der Bundesverband der deutschen Anästhesisten reagierte ebenfalls prompt mit einer sehr deutlichen Distanzierung von diesem Papier, da die Veröffentlichung suggeriert, die kruden Thesen von Streeck und der KV seien von der breiten Ärzteschaft mitgetragen.
Ebenfalls in den letzten Tagen veröffentlichten die größten Forschungsinstitute Deutschlands eine Gemeinsame Erklärung, die das Maßnahmenpaket von Bund und Ländern unterstützt.
Von Medien wurden die Stellungnahmen der Präsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Präsidenten der Fraunhofer-Gesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft, der Leibniz-Gemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die geschlossen alle kontakteinschränkenden Maßnahmen als erforderliches Mittel zur Eindämmung der Pandemie ausdrücklich befürworten, jedoch völlig ignoriert.
Eine Pandemie ist der erdenklich schlechteste Zeitpunkt, um durch tendenziöse und reißerische Berichterstattung Reichweite generieren zu wollen. Warum wird das durch Experten des Katastrophenschutzes zu Recht kritisiert? Weil in allen bekannten Empfehlungen klar benannt wird, dass es in der Krise innerhalb der Bevölkerung zu paradoxen Reaktionen kommen wird und durch klare Kommunikation zumindest ein Großteil der Bedürfnispyramide nach Maslow bedient werden muss, damit flächige chaotische Reaktionen der Gesellschaft vermieden werden können.
Demokratie- und verfassungsfeindlichen Gruppierungen spielt das Chaos in die Karten und besonders die AFD hat dies ja bereits deutlich zu verstehen gegeben, als führende Vertreter dieser ewig gestrigen Vereinigung betonten, dass es der AFD immer dann besonders gut geht, wenn es der BRD schlecht geht. Deshalb ist die die Gauland Aussage vom 29.10.2020 vor dem Bundestag „Wir müssen abwägen- auch um den Preis, dass Menschen sterben.“ nicht nur menschenverachtend, sondern auch der bewusste und fortgesetzte Versuch, die BRD ins Chaos zu stürzen, um sodann erneut das Versagen der Demokratie ausrufen zu können. Dass die Allergie der AFD gegenüber der Verfassung extrem ausgeprägt ist zeigt auch die Klage gegen die Maskenpflicht im Landtag Brandenburg. Die AFD hat die Klage beim Oberverwaltungsgericht eingereicht, statt beim zuständigen Verfassungsgericht. Wer jetzt immer noch nicht erkennt, wie lächerlich dumm und unglaublich gefährlich diese Truppe ist, ist wahrscheinlich auch zukünftig nicht durch Bildung zu therapieren.
Ich spreche die populistische Berichterstattung und die Umtriebe der AFD so intensiv an, weil Ignoranten und Spinner es erreicht haben, das unlängst ein Brandanschlag auf das RKI verübt wurde, in Berlin ein Sprengsatz gezündet und in Duisburg das Zelt eines mobilen Testzentrums stark beschädigt wurde. Genau vor diesen Szenarien wird in allen Expertenbewertungen gewarnt, wenn es um die Beherrschung einer pandemischen Lage geht.
Wenn Lauterbach bewusst falsch zitiert wird, um die eigenen populistischen Thesen zu transportieren, ist das ebenfalls als extrem kritisch zu bewerten. Vor diesem Hintergrund war es extrem wichtig, dass SPD und Grüne in NRW endlich eine Sondersitzung des NRW Landtages beantragt haben, um die aktuellen Schutzmaßnahmen demokratisch zu legitimieren.
Bei der Sondersitzung hat der Landtag erneut eine „epidemische Lage von landesweiter Tragweite“ für NRW festgestellt. Diese nun festgestellte „epidemische Lage von landesweiter Tragweite“ rechtfertigt nun außerordentliche staatliche Eingriffe. Das im April im Konsens verabschiedete – Pandemie-Gesetz hatte im Frühjahr berechtigter weise für hitzige Debatten gesorgt. Mit breiter Unterstützung von Rechtswissenschaftlern, Medizinern und vielen anderen Teilen der Gesellschaft hatte die Opposition in NRW an wichtigen Stellen einen Zustimmungsvorbehalt des Landtags durchgesetzt.
Nicht die Regierung, sondern der Landtag stellte im April – mit zweimonatiger Befristung – fest, ob eine „epidemische Lage von landesweiter Tragweite“ besteht, die außerordentliche staatliche Eingriffe rechtfertigt. Es wurde also höchste Zeit, die Rechtsgrundlage des derzeitigen Regierungshandelns demokratisch zu bestätigen, um eventuelle Klagen zu vermeiden, die sich gegen beschlossene Schutzmaßnahmen richten. Hoffentlich ziehen Bundestag und die übrigen Landtage schnell nach, um die von Bund und Ländern beschlossenen Schutzmaßnahmen zu legitimieren, um Verfassungsfeinde bloßzustellen und Populisten wie Lindner wieder stumm zu schalten.
Für Bayern hat Herr Söder angekündigt, erneut den Katastrophenfall festzustellen, um das aktuell erforderliche Maßnahmenpaket zu legitimieren und um eine eventuell erforderliche Verteilung von Intensivpatienten auf Bayerns Kliniken zentral steuern zu können.
Nun müssen sich aber auch all unsere Politikprofis ein Beispiel an unserer Kanzlerin nehmen, die konsequent zu allen Terminen mit Schutzmaske erscheint. Es kann nicht sein, dass in dieser Woche alle Gäste bei Anne Will ohne Maske von den Plätzen aufstehen und Gerhart Baum direkt auf NRW-Ministerpräsident Armin Laschet zugeht, um sich dann ohne Abstand und Maske direkt gegenüber zu stehen. Genau diese Bilder sind Gift, wenn man als Ministerpräsident zuvor Verständnis für massive Einschränkungen der Bürgerrechte eingefordert hat.
Egal ob epidemische Lage von landesweiter Tragweite, nationale Gesundheitsnotlage oder Katastrophenfall, ab jetzt muss für alle Entscheider eine Nulltoleranz für Flüchtigkeitsfehler und Ignoranz gegenüber vorhandenen Erkenntnissen gelten. Es kann ja nicht sein, dass so vieles für uns und viele andere sehr leicht recherchierbar ist, die anerkannten Experten allen bekannt sein sollten und sich das Internet in den Bundes- und Länderministerien offensichtlich noch nicht durchsetzen konnte.
Beratung durch Lobbyisten ersetzt keine wissenschaftliche Expertise. Vielleicht ist das die eigentliche Katastrophe und wir sollten unsere wöchentlichen Interviews in einem Ordner zusammenstellen und allen Bundes- und Landtagsabgeordneten zur Lektüre übergeben, statt hier gefühlt mit der Wand zu reden.
Eventuell tragen unsere Leser ja dazu bei, dass wir gemeinsam die Zahl der Neuinfektionen bis Ende November tatsächlich deutlich senken können. Also lebt bitte alle einfach so, als könntet Ihr Infiziert sein und lebt so die erforderliche Wertschätzung gegenüber Euren Mitmenschen.
Ruhrbarone: Herzlichen Dank, bleiben Sie gesund und halten sie die Katastrophe auf Abstand.
Anfang Oktober war Laschet beim Papst ohne Maske, jetzt im Flieger ohne Maske. Das Durchsetzen der eigentlich sehr harten Beschränkungen hat die Regierung komplett verschlafen.
Die Reiserückkehrer werden bis heute nicht erfasst und getestet. Vom Zustand der Schulen, die vermutlich für einen Großteil der Ansteckungen verantwortlich sind, braucht man nicht zu sprechen.
Es ist tragisch, wie sehr das Land und Kommunen die Entwicklung im September und Oktober verschlafen hat. Selbst jetzt, wo das Kind in den Brunnen gefallen ist, werden immer noch keine Kneipen sofort geschlossen. Man wartet auf Montag und kontrolliert eher wenig.
Dass Gerichte kein Helfer in der Bekämpfung der Pandemie waren, zeigten ebenfalls viele Urteile, bei denen man nur mit dem Kopf schütteln konnte.
Jetzt zahlen wir alle die Zeche und können im Depri-November überwiegend in der Heimat bleiben. Was für ein Totalversagen der Politik und Verwaltung.
Positiv fällt Frau Merkel auf, die schon früh Warnungen ausgesprochen hat, aber offensichtlich bei den Landesfürsten wenig ausrichten konnte. Ich bin ein Fan des Föderalismus, ein Fan der lokalen Bekämpfung von Bedrohungen. Leider muss man feststellen, dass die lokalen Verwaltungen zu nicht in der Lage sind, ihre Ressourcen auf neue Prioritäten auszurichten. Parteibuch und Quote kosten jetzt vermutlich Gesundheit und Wohlstand. Ein Armutszeugnis für unsere Verwaltungen, die immer noch Falschparker verfolgen, aber die akuten Gesundheitsprobleme ignorieren.
Ein erbärmlicher Zustand. Dass der Winter kommt, war bekannt, dass Schulen und ÖPNV aufrüsten müssen, auch.